Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (2. Strafsenat) - 2 Ws 563/21 Vollz

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 10. August 2021 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für die Rechtsbeschwerde wird auf 250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller befindet sich im Vollzug der Sicherungsverwahrung. Er beantragte am 26. April 2021 (Bl. 10 ff. d.A.) gegenüber der Antragsgegnerin die Zulassung des Erwerbs und des Besitzes einer Spielkonsole „PlayStation 4 Pro“ inklusive zwei kabellosen Controllern. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit schriftlichem Bescheid vom 22. Juni 2021 (Bl. 16 ff. d.A.), dem Antragsgegner am 23. Juni 2021 bekanntgemacht, gemäß §§ 56 Abs. 2, 53 Satz 2 LSVVollzG ab, da die von dem Gerät ausgehende abstrakte Gefahr die Sicherheit der Anstalt gefährde. Das Gerät verfüge über Bluetooth 4.0, welches über hohe Reichweiten von bis zu 200 Metern eine unkontrollierbare Kommunikation in und aus der Anstalt ermögliche und zudem aufgrund der verwandten Frequenz von 2,4 GHz die Ortung von unbefugten Mobiltelefonen erschwere. Der USB-Anschluss ermögliche das Aufladen von Mobiltelefonen und das Betreiben eines WLAN-Adapters. Schließlich verfüge das Gerät selbst über ein WLAN-Modul, und ermögliche so ebenfalls eine unkontrollierbare Kommunikation. Eine Deaktivierung dieser Komponenten sei nicht möglich, ohne das Gerät zu beschädigen. Außerdem sei zu befürchten, dass das Gerät anschließend nicht mehr ordnungsgemäß funktioniere.

2

Hiergegen wendete sich der Antragsteller mit seinem am 1. Juli 2021 am Sitz der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz beim Amtsgericht in Diez eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Bl. 1 f. d.A.), mit dem er die Zulassung des Erwerbs und des Besitzes der begehrten Spielkonsole „PlayStation 4 Pro“ samt Controllern erstrebt. Die Entscheidung der Antragsgegnerin sei ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Er könne sich während der Aufschlusszeiten zwischen 6:15 Uhr und 21:30 Uhr in seiner offenen Wohngruppe, dem Gebäude und auf dem weitläufigen Gelände weitgehend frei bewegen. Eine unkontrollierte Kommunikation innerhalb der Anstalt sei ihm auch auf diese Weise möglich. Er sei jedoch insoweit noch nicht negativ aufgefallen. Eine unerlaubte Kommunikation mit einer Person außerhalb der Anstalt würde nach den beschriebenen technischen Möglichkeiten der Spielkonsole voraussetzen, dass sich die Person der Anstalt nähern und sich dabei der Gefahr der Beobachtung aussetzen würde. Dabei gäbe es bei den beschriebenen Reichweiten auch die Möglichkeit, sich durch einfaches Rufen oder mittels Schildern zu verständigen. Allerdings sei es viel einfacher über Telefonate, Briefe sowie bei Besuchskontakten Inhalte verschleiert zu kommunizieren, wenn dies gewollt sei. Zum unbefugten Betrieb eines Mobiltelefons sei die Spielkonsole nicht erforderlich. Außerdem hält der Antragsteller das Abstandsgebot mit der Versagung für verletzt.

3

Die Antragsgegnerin ist in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2021 (Bl. 4 ff. d.A.) dem entgegengetreten. Bei einigen Mituntergebrachten werde sehr wohl der Außenkontakt durch die Überwachung des Schriftverkehrs, der Besuche und der genehmigten Telefonate kontrolliert. Der Antragsteller hat hierauf mit Schreiben vom 4. August 2021 (Bl. 19 ff. d.A.) unter erneuter Ausführung seiner Argumentation repliziert. Ergänzend verwies er hierbei darauf, dass mehrere Sicherungsverwahrte in der Anstalt diese Geräte bereits besitzen würden. Es sei nicht gerechtfertigt, dass diese wegen des Bestandsschutzes ihm gegenüber privilegiert würden.

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Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 10. August 2021 (Bl. 22 ff. d.A.) als unbegründet zurückgewiesen, da der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden sei. Für das Versagen des Einbringens der Spielkonsole in das Zimmer des Antragstellers genüge, dass von ihr wegen der Speichermöglichkeit und der WLAN-Funktion eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit der Anstalt ausgehe, der mit einem zumutbaren Kontrollaufwand nicht begegnet werden könne. Zur Begründung stellt die Strafvollstreckungskammer auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle (NStZ 2011, 31) und des Kammergerichts (ohne Abgabe einer Fundstelle) ab, die eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt durch Geräte begründet sahen, die Speicherdatenträger (Speicherkarten, Wechselfestplatten, etc.), WLAN und Bluetooth enthielten. Die Versagung der Anschaffung und Nutzung solcher Geräte sei – so die Strafvollstreckungskammer – auch unter Beachtung des in der Sicherungsverwahrung zu beachtenden Abstandsgebots nicht unverhältnismäßig. Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr könne, wie hier bei der beanspruchten Spielkonsole, eine Einschränkung der Sicherungsverwahrten rechtfertigen. Die Unkontrollierbarkeit resultiere gerade aus der „unsichtbaren“ Kommunikationsmöglichkeit mittels WLAN und Bluetooth. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde keine Anwendung, da der Antragsteller keinen Bestandsschutz habe. Es sei im Hinblick auf das Abstandsgebot auch zweifelhaft, ob der Besitz einer Spielkonsole überhaupt den allgemeinen Lebensverhältnissen in Freiheit entspreche.

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Gegen diese dem Antragsteller am 13. August 2021 zugestellte Entscheidung wendet er sich mit seiner am 26. August 2021 zu Protokoll der zuständigen Geschäftsstelle abgegebenen und mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 32 ff. d.A.). Neben den bereits vorgetragenen Argumenten stellt der Antragsteller insbesondere darauf ab, dass die Strafvollstreckungskammer die unterschiedlichen Maßstäbe für den Straf- und den Maßregelvollzug und dabei vor allem das in der Sicherungsverwahrung geltende Abstandgebot verkannt habe. Die beantragte Spielkonsole sei nicht so gefährlich, wie behauptet. Dies werde durch ca. 20 Geräte belegt, welche in der Anstalt zugelassen seien.

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Das rheinland-pfälzische Ministerium der Justiz hat unter dem 30. September 2021 (Bl. 41 f. d.A.) beantragt, die Rechtsbeschwerde mangels eines besonderen Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig zu verwerfen. Überdies lasse die Entscheidung keine Rechtsfehler erkennen und das Abstandsgebot sei gewahrt.

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Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 (Bl. 44 f. d.A.) remonstriert.

II.

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1. Die Rechtsbeschwerde erfüllt neben den allgemeinen auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen von § 116 Abs. 1 StVollzG. Denn die Rechtsbeschwerde ist jedenfalls zur Fortbildung des Rechts geboten, da das Oberlandesgericht Koblenz noch keine Entscheidung zu der Frage getroffen hat, ob der Erwerb und der Besitz von Spielkonsolen mit Bluetooth-, WLAN- und USB-Anschlussmöglichkeiten, hier der „PlayStation 4 Pro“ samt zwei kabellosen Controllern, in der Sicherungsverwahrung unter Berücksichtigung der Sicherheitsbelange der Anstalt und dem bei Zulassung erforderlichen Kontrollaufwand, aber auch im Hinblick auf das in der Sicherungsverwahrung zu beachtende Abstandsgebot und die Besitzinteressen des Untergebrachten zuzulassen sind.

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2. Die zulässige Rechtsbeschwerde war jedoch als unbegründet zu verwerfen.

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Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Ergebnis zurecht als unbegründet zurückgewiesen.

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Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 LSVVollzG kann Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung das Einbringen von Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik gestattet werden, wenn nicht Gründe des § 53 Satz 2 LSVVollzG entgegenstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen Gegenstände nicht in das Zimmer eingebracht werden, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere die Übersichtlichkeit des Zimmers, oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden. Diese Einschränkung gilt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann, wenn der Gefährdung nicht mit zumutbarem Kontrollaufwand begegnet werden kann (vgl. BVerfG, 2 BvR 2518/08 v. 15.07.2010, juris Rn. 20; 2 BvR 1848/02 v. 31.03.2003, juris Rn. 4). Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr muss in nachprüfbarer Weise festgestellt werden (BeckOK Strafvollzug RhPf/Hettenbach, 15. Ed., § 53 LSVVollzG, Rn. 7). Hierbei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, nämlich die Art des einzubringenden Gegenstandes, die konkreten Verhältnisse in der Vollzugsanstalt und die Person des Antragstellers (vgl. BGH, 5 AR (VS) 2/99 v. 14.12.1999, juris Rn. 8 zu § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG; Senat, 2 Ws 723/13 Vollz v. 05.02.2014, juris Rn. 5 zu § 53 LSVVollzG).

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Das von der Antragsgegnerin hierbei auszuübende Ermessen kann durch die Strafvollstreckungskammer bei der Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht ersetzt, sondern nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden. Dabei hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, sie ihrer Entscheidung die richtige Rechtsgrundlage zugrunde gelegt sowie dabei die anzuwendenden Voraussetzungen zutreffend angewandt hat und ob sie auch die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat.

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Die Strafvollstreckungskammer ist unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe im Ergebnis rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gelangt, dass die Versagung des Einbringens der beantragten Spielkonsole „PlayStation 4 Pro“ samt zwei Controllern rechtens war.

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Dabei ist von ihr zurecht nicht darauf abgestellt worden, dass es sich bei dem beantragten Gegenstand um eine Spielkonsole handelt, sondern um eine solche mit besonderen technischen Merkmalen, von denen eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt ausgeht, der mit zumutbaren Mitteln durch die Antragsgegnerin nicht begegnet werden kann.

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a) Von einer Spielkonsole geht aufgrund ihrer Spielfunktion grundsätzlich keine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Anstalt aus.

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Eine Spielkonsole ist nach allgemeiner Ansicht (vgl. Eintrag bei Wikipedia) ein elektronisches Gerät, das im Gegensatz zu Allzweck-Computern ausschließlich oder hauptsächlich zum Ausführen von Videospielen gedacht ist. Stationäre Konsolen bestehen meist aus einer Basiseinheit mit ein oder mehreren Controllern zur Steuerung des Spiels. Zur Ausgabe der Ton- und Bildinhalte dienen dabei handelsübliche Fernseher und Monitore. Tragbare Konsolen dagegen vereinen Basiseinheit, Controller und Anzeige in einem einzigen handlichen Gerät.

17

b) Die Gefahr für die Sicherheit der Anstalt entsteht bei solchen Konsolen erst durch die Ausstattung mit technischen Komponenten, welche die Sicherheitsinteressen der Anstalt gefährden können. Konsolen, bei denen die Spiele vorinstalliert und unabänderlich sind, werden daher regelmäßig eher als wenig gefährlich einzustufen sein. Die Steigerung der Gefahr resultiert bei den anderen Konsolen aus der Möglichkeit des Aufspielens externer Inhalte und den Kommunikationsschnittstellen. Das Aufspielen von Daten kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen – beispielsweise per Datenträger (CD, DVD, Blue-Ray, USB-Schnittstelle, etc.) oder auch per Daten-Streaming. Oft erlauben Spielkonsolen auf diesem Weg zudem das Abspielen entsprechender Datenträger mit anderen Inhalten wie Musik oder Videofilmen. Außerdem verfügen viele Konsolen über Speichermöglichkeiten auf internen oder externen Speichermedien, die beispielsweise über USB-Anschlüsse verbunden werden können. Zur Verbindung mit Controllern und sonstigen Zusatzgeräten oder dem Internet stehen häufig WLAN- und Bluetooth-Verbindungen zur Verfügung. Auch die streitbefangene Spielkonsole „PlayStation 4 Pro“ verfügt über entsprechende Anschluss- und Speichermöglichkeiten (2,4 GHz & 5 GHz-WiFi-Mode, Bluetooth 4.0, 2 x USB; GDDR5 8 GB Speicher, 1 TB Hard Disk Drive, BD x 6 CAV & DVD x 8 CA Laufwerke). Die Gefahr für die Sicherheit erwächst hierbei aus der Gelegenheit, Inhalte unbemerkt auf der Konsole speichern oder über diese unkontrolliert kommunizieren zu können.

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Dass von technischen Vorrichtungen, welche der Speicherung oder Kommunikation dienen regelmäßig eine Gefahr für die Sicherheit einer Vollzugsanstalt ausgehen kann, entspricht der allgemeinen Rechtsprechung (für Spielkonsolen: Senat, 2 Ws 552/15 Vollz v. 04.11.2015 [PlayStation 3]; BayObLG, 203 StObWs 338/21 v. 30.08.2021, juris [PlayStation 4]; OLG Hamm, 1 Vollz (Ws) 137/18 v. 22.05.2018, juris [PlayStation 1]; KG, 2 Ws 289/15 Vollz v. 28.12.2015, juris [Wii]; 5 Ws 641/03 v. 08.01.2004, juris [PlayStation 2]; OLG Celle, 1 Ws 488/10 (StrVollz) v. 13.10.2010, juris [DS Lite]; OLG Brandenburg, 1 Ws (Vollz) 14/03 v. 25.08.2003, juris [PlayStation 2]; OLG Jena, 1 Ws 24/03 v. 25.03.2003, juris [PlayStation 2]; OLG Frankfurt, 3 Ws 279/08 v. 28.04.2008, juris [PlayStation 2, Xbox]; OLG Saarbrücken, Vollz (Ws) 19/04 v. 16.11.2004, juris [Playstation 2]; OLG Karlsruhe, 3 Ws 66/07 v. 21.03.2007, juris [Game Cube]; zur verfassungs- und konventionsrechtlichen Vereinbarkeit: BVerfG, 2 BvR 609/01 v. 09.11.2001, juris; EGMR, 20579/04 v. 22.01.2008, BeckRS 2016, 16743; für die Abspielbarkeit von Datenträgern: Senat, 2 Ws 459/18 Vollz v. 27.09.2018, juris; PC/Laptop im Maßregelvollzug: Senat, 2 Ws 723/13 Vollz v. 05.02.2014, juris; OLG Nürnberg, 1 Ws 418/15 v. 14.10.2015, juris; OLG Hamm, III-1 Vollz (Ws) 139/13 v. 14.05.2013, juris; KG Berlin, 5 Ws 171/05 Vollz v. 08.06.2005, juris).

19

Für die Beurteilung der Gefahr, die von Geräten mit entsprechenden technischen Einrichtungen ausgeht, gilt im Rahmen der Sicherungsverwahrung grundsätzlich nichts anderes als im Strafvollzug, sofern dem nicht die Besonderheiten der Sicherungsverwahrung im Einzelfall entgegenstehen (OLG Frankfurt, 3 Ws 1009/11 (StVollz) v. 20.03.2012, juris; KG, 2 Ws 123/14 Vollz v. 18.06.2014, juris Rn. 20 f. [Computer]; in einem Einzelfall des Widerrufs einer Zulassung abweichend: KG, 2 Ws 167/20 Vollz v. 12.04.2021, juris [PlayStation 2]).

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c) Allerdings bedarf es bei der Ermessensentscheidung, wie mit dieser Gefahr in der Sicherungsverwahrung umzugehen ist, einer nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Abwägung zwischen dem erforderlichen Kontrollaufwand der Anstalt und den Besitzinteressen des Untergebrachten, wobei im Hinblick auf die freiheitsorientierte Ausrichtung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung grundsätzlich auch ein höherer Kontrollaufwand hinzunehmen ist (BeckOK Strafvollzug RhPf/Hettenbach, 15. Ed., RhPfLSVVollzG § 53, Rn. 9). Zu prüfen ist stets, ob der Gefahr durch mildere Mittel begegnet werden kann. Hierbei ist auch das aus Art. 7 Abs. 1 EMRK abgeleitete Abstandsgebot zu beachten. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 2333/08 v. 04.05.2011, juris) hat der Gesetzgeber aufgrund der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung dem besonderen Charakter der Sicherungsverwahrung unter anderem dadurch Rechnung zu tragen, dass die zum Vollzug der Sicherungsverwahrung unabdingbare Freiheitsentziehung in deutlichem Abstand zum Strafvollzug erfolgt (BVerfG, 2 BvR 2333/08 v. 04.05.2011, juris Rn. 102 ff.). In Rheinland-Pfalz hat der Gesetzgeber diese Vorgabe mit dem Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (LSVVollzG) und Landesjustizvollzugsgesetz (LJVollzG) – jeweils zum 1. Juni 2013 in Kraft getretenen – umgesetzt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 LSVVollzG folgt der Vollzug der Sicherungsverwahrung daher dem Grundsatz, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzugleichen ist. Nach § 2 Satz 2 LSVVollzG hat der Vollzug der Sicherungsverwahrung dabei aber auch die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen und muss daher der dem Vollzug zugrundeliegenden Gefährlichkeit der Untergebrachten Rechnung tragen.

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aa) Die Strafvollstreckungskammer hat nach diesen Maßstäben die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin im vorliegend zu beurteilenden Einzelfall letztlich rechtsfehlerfrei als rechtens bewertet, da von den in der beantragten Spielkonsole „PlayStation 4 Pro“ verbauten technischen Vorrichtungen – namentlich USB-Anschlüssen, Bluetooth 4.0 und WLAN – eine abstrakt-generelle Gefahr für die Sicherheit der Anstalt ausgeht, der mit einem für die Anstalt zumutbaren technischen Aufwand auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen in der Sicherungsverwahrung ersichtlich nicht begegnet werden kann.

22

Der von der Strafvollstreckungskammer eingestellte weitere Gefährdungsgesichtspunkt, dass Spielkonsolen – wie hier die „PlayStation 4 Pro“ – Speichermedien enthalten, die ebenfalls die Sicherheit der Anstalt gefährden können, entspricht zwar der jedenfalls überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl., G. Einzelne Grundrechte im Vollzug, Rn. 199), ist aber eine Tatsache, auf welche die Antragsgegnerin bei ihrer Ablehnung nicht abgestellt hatte, und die daher bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung nicht einzustellen war.

23

bb) Die Antragsgegnerin hat ebenso wie die Strafvollstreckungskammer den Sachverhalt und die Entscheidungsgrundlagen vollständig dargestellt und erlaubt so eine umfassende Prüfung. Bei der Beurteilung ist berücksichtigt worden, dass der Antragsteller sich in der Sicherungsverwahrung befindet. Darstellungen zur Person des Antragstellers und dem Anlass seiner Unterbringung fehlen zwar sowohl in der Entscheidung der Antragsgegnerin als auch in der der Strafvollstreckungskammer. Da es sich bei der von der „PlayStation 4 Pro“ ausgehenden Gefahr jedoch um eine abstrakt-generelle handelt, ergibt sich die Gefahr für die Sicherheit der Anstalt regelmäßig bereits aus den Eigenschaften des Gerätes, unabhängig von denen des Antragsstellers. Hinzu kommt, dass entgegen dem Einwand des Antragstellers bei der Beurteilung der Gefahr nicht allein auf ihn abzustellen ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Sicherungsverwahrte Zugang zu der Spielekonsole erhalten. Der Antragsteller hat selbst mitgeteilt, dass er grundsätzlich in der Zeit von 6:15 Uhr bis 21:30 Uhr jedes Zimmer in seiner offenen Wohngruppe betreten könne. Dies ist folglich auch anderen Untergebrachten in seinem Zimmer möglich. Daher vermag auch der Umstand, dass er sich bislang beanstandungsfrei geführt habe und über kein technisches Wissen verfüge, um Manipulationen an der Spielkonsole vorzunehmen, die abstrakt-generelle Gefahr für die Sicherheit der Anstalt nicht zu beseitigen.

24

Ausnahmsweise können jedoch die besonderen Bedürfnisse des Antragstellers dazu führen, dass dem Besitzinteresse des Untergebrachten der Vorrang gegenüber den Sicherheitsinteressen der Anstalt einzuräumen ist. Dies kann der Fall sei, wenn der Besitz des Gegenstandes für dessen Persönlichkeitsentwicklung oder das Vollzugsziel wichtig ist, weil er ihn etwas für die Aus- und Weiterbildung benötigt. In derartigen Fällen kann im Einzelfall gegebenenfalls auch in größerem Ausmaß ein Kontrollaufwand von der Anstalt zur Zielerreichung und die Hinnahme von gewissen Sicherheitsrisiken verlangt werden (OLG Hamm, 1 Vollz (Ws) 194/03 v. 11.11.2003, juris; Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl., G. Einzelne Grundrechte im Vollzug, Rn. 199). Ein solches Bedürfnis wurde hier nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

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cc) Die Annahme der Antragsgegnerin, dass der von der „PlayStation 4 Pro“ generell-abstrakt ausgehenden Gefahr mit einem zumutbaren Kontrollaufwand im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht begegnet werden könne, hat die Strafvollstreckungskammer, wenn auch nur pauschal unter Bezugnahme auf zwei gerichtliche Entscheidungen, jedoch im Ergebnis zutreffend als ermessensfehlerfrei bewertet.

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Die Anzahl der am Markt zur Verfügung stehenden Spielkonsolen verschiedenster Bauart ist groß. Die technischen Komponenten aus denen sich die abstrakt-generelle Gefahr ableitet (WLAN, Bluetooth, USB, Festplatten, DVD-/Blue-Ray-Player) sind im Inneren verbaut und oft nur schwer zugänglich. Häufig ist das Gehäuse nicht mehr verschraubt, sondern verklebt oder verschweißt. Der Senat teilt daher die von der Anstalt vertretene Ansicht, dass eine Deaktivierung der gefährdenden Komponenten meist nicht möglich sein wird, ohne das Gerät zu beschädigen (i.E. ebenso: OLG München, 3 Ws 1005/09 (R) v. 12.01.2010, juris [CD-Player]; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal/Goldberg, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl., 5. Kapitel, Freizeit, Rn. 27). Hierbei kann ergänzend eingestellt werden, dass die Elektronikbauteile immer kleiner und kompakter werden. Dadurch besteht bei einem Ausbau oder einer Deaktivierung die Gefahr, andere Bauteile zu beschädigen. Aufgrund der unterschiedlichsten Bauweisen und der schnellen technischen Entwicklung wäre zudem eine besondere Aus- und ständige Weiterbildung nötig, um die Komponenten überhaupt deaktivieren zu können.

27

Die Anstalt stellt zudem zutreffend darauf ab, dass bei einer Deaktivierung von einzelnen Komponenten zu befürchten ist, dass die Konsole nicht mehr einwandfrei funktioniert. Diese Sorge ist nachvollziehbar und gilt vorliegend sicherlich im Hinblick auf die Bluetooth-Funktion und die beantragten kabellosen Controller, da diese für ihren Betrieb auf diese Funktion angewiesen sind.

28

dd) Die von der Antragsgegnerin getroffene ablehnende Abwägungsentscheidung ist auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Sicherungsverwahrten und der aus dem Abstandsgebot erwachsenden Verpflichtung der Antragsgegnerin, sich um eine möglichst weitegehende Angleichung der Verhältnisse in der Sicherungsverwahrung an die allgemeinen Lebensverhältnisse zu bemühen, nicht zu beanstanden.

29

Den Zweifeln der Strafvollstreckungskammer, dass der Besitz einer Spielkonsole zu den allgemeinen Lebensverhältnissen in der Freizeit zählt, vermag der Senat sich allerdings nicht anzuschließen. Elektronische Medien sind inzwischen zu einem Teil des sozialen und gesellschaftlichen Lebens geworden. Dies gilt auch für Spielkonsolen (OLG Nürnberg, 1 Ws 242/11 v. 09.06.2011, juris Rn. 15). Im Zeitalter digitaler Medien sind Kompetenzen und Fertigkeiten im Umgang mit moderner Informationstechnologie eine Kulturtechnik, die im Beruf und Alltag unverzichtbar geworden ist (Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl., G. Einzelne Grundrechte im Vollzug, Rn. 200). Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 2,14 Millionen Spielkonsolen verkauft (Quelle:

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https://de.statista.com/statistik/daten/studie/190754/umfrage/absatz-von-spielkonsolen-in-deutschland). Die Anstalt hat dem Antragsteller jedoch nicht generell den Besitz einer Spielkonsole verboten. Versagt wurde ihm nur eine Konsole mit einem leistungsstarken Bluetooth- und WLAN Anschluss sowie USB-Steckplätzen. Der Bezug einer Spielkonsole mit vorinstallierten Spielen ohne die als gefährlich eingestuften Komponenten ist dem Antragsteller nicht untersagt. Damit scheiden aufgrund ihrer technischen Ausstattung zwar die gängigsten Spielkonsolen aus. Dies ist aber im Hinblick auf die Sicherheitsinteressen der Anstalt eine auch unter Beachtung des Abstandsgebot noch verhältnismäßige Einschränkung, die der Sicherungsverwahrte grundsätzlich zum Schutz der Anstalt und der dort Untergebrachten hinnehmen muss, wenn nicht im Einzelfall ein besonderes Bedürfnis für eine Zulassung das berechtigte Sicherheitsinteresse der Anstalt zurücktreten lässt, wofür hier jedoch nichts ersichtlich ist.

31

ee) Es liegt auch kein Ermessensfehler vor, weil die Antragsgegnerin nicht eingestellt hat, dass vermeintlich 20 weitere vergleichbare Spielkonsolen in der Anstalt von anderen Untergebrachten genutzt werden. Das Ermessen der Anstalt war nicht auf Grund einer Selbstbindung durch eine zuvor gängige Verwaltungspraxis infolge des in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichheitsgrundsatzes auf Null reduziert.

32

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hier den Feststellungen des angegriffenen Beschlusses überhaupt zu entnehmen ist, dass im wesentlichen vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist die Antragstellerin nicht gehindert, ihre Verwaltungspraxis generell zu ändern, ohne den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen. Soweit durch eine ständige Übung eine Bindung des Ermessens der Anstalt eintreten kann, ist diese nicht derart, dass sie uneingeschränkt für alle Zukunft wirken müsste. Eine spätere abweichende Ermessensausübung ist generell zulässig, wenn sie sachgerecht ist und nicht nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerwG, I WB 217.72 v. 20.03.1973, BeckRS 1973, 31327341 Rn. 18; VG Düsseldorf, 21 L 2964/92 v. 14.07.1992, juris). Hier erweist sich die Entscheidung als sachgerecht. Denn die Anstalt geht inzwischen davon aus, dass die Geräte eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt begründen. Dies allein stellt einen sachlichen Grund für die Änderung der Verwaltungspraxis dar. Sie greift damit auch nicht nachträglich ändernd in bereits abgewickelte Sachverhalte ein. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter keinem Gesichtspunkt vor.

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Der Betroffene kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Genehmigungen der anderen Gefangenen zum Besitz der Konsole nicht widerrufen werden. Insoweit ist der Gleichheitsgrundsatz keineswegs verletzt. Denn diesbezüglich liegen evident verschiedene Sachverhalte vor, da den Besitzern der Konsole – anders als dem Betroffenen – eine Genehmigung erteilt wurde, deren Widerruf nur unter den gesetzlich geregelten erschwerten Voraussetzungen des § 91 Abs. 3, Abs. 4 LSVVollzG erfolgen darf.

III.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG iVm. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

35

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 60, 52 GKG.

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