Urteil vom Oberlandesgericht Rostock (5. Zivilsenat) - 5 U 8/08

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.09.2006 - Az.: 4 O 165/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 200.094,59 ε festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger verfolgte ursprünglich gegen alle drei Beklagten Forderungen auf Schmerzensgeld und Ersatz immaterieller Schäden, der Zahlung einer Rente sowie der Feststellung weitergehender Ansprüche.

2

Die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 11.01.2005, mit der die Klage gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) abgewiesen wurde (Bd. I, Bl. 170 ff. d.A.), hat der Kläger vor dem Oberlandesgericht gegen den Beklagten zu 2.) eingeschränkt und mit Schriftsatz vom 25.07.2005 zurückgenommen (Bd. II, Bl. 307 d.A.). Verfolgt wird damit nur noch das Verfahren gegen den Beklagten zu 3.), im Folgenden nur noch: der Beklagte.

3

Der 1960 geborene Kläger stürzte am 10.11.2001 gegen 23.30 h auf der Treppe seines Wohnhauses. Die gegen 23.54 h herbeigerufene Notärztin (ursprünglich die Beklagte zu 1.)) fand den bewusstlosen Kläger im Wohnzimmer liegend in einer stabilen Seitenlage vor. Sie wurde von den Angehörigen des Klägers informiert, er habe am Abend zuvor Fasching gefeiert und Alkohol zu sich genommen. Sie hätten ein lautes Poltern gehört und den Kläger am Treppenabsatz nicht ansprechbar vorgefunden. Die Notärztin untersuchte den Kläger. Dieser wies zumindest Abschürfungen im Bereich der unteren Brust- und der Lendenwirbelsäule auf. Die Pupillen waren beidseitig gleich eng, der Kläger reagierte auf Schmerzreize. Die Patellar- und Achillessehnenreflexe waren nicht sicher auslösbar. Die Notärztin legte einen venösen Zugang und hielt diesen durch die Gabe einer Ringer-Laktat-Infusionsöffnung offen.

4

Es erfolgte der Transport des Klägers in das Kreiskrankenhaus D.; während des Transports wurden sowohl die Kreislaufverhältnisse als auch der Sauerstoffpartialdruck kontrolliert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Während der Fahrt wachte der Kläger kurzzeitig auf und erbrach sich.

5

Gegen 0.45 h erfolgte die stationäre Aufnahme durch den diensthabenden Chirurgen, der eine Röntgenuntersuchung anordnete. Im Aufnahmebogen vermerkte der Chirurg, der Kläger sei stark alkoholisiert und nicht ansprechbar. Er weise enge Pupillen und eine durchschnittliche Reaktion auf Licht sowie keine Divergenz auf. Als vorläufige Diagnose vermerkte er : "Überwachung ITS, Schädelbasisfraktur, N.a. Gesichtsschädelfraktur aber äußerlich keine Zeichen der Gewalteinwirkung, CT n. Ausnüchterung b.B."

6

Der Kläger wurde von 1.30 h bis 13.15h auf der Intensivstation des Krankenhauses durch den Beklagten zu 3.), der Chefarzt der Station war, behandelt. Nachdem der Kläger weiterhin bewusstlos war, sich sehr unruhig verhielt und eine Erhöhung der Körpertemperatur festgestellt wurde, veranlasste der Beklagte zu 3.) etwa neun Stunden nach der stationären Aufnahme die Anfertigung einer Computertomographie. In dem Befundbericht (Bl. 97/98 d.A.) wurden eine Schädelbasis- und Kalottenfraktur rechts, ein Ödem in Höhe des Hirnstammes, ein deutliches diffuses kortikales Ödem und Kontusionsblutungen rechts temporal sowie links frontal dokumentiert. Der Kläger wurde sediert, intubiert und per Hubschrauber an die Universitätsklinik G. verlegt.

7

Der dort behandelnde Neurochirurg stellte gegen 14.55 h fest, dass eine Therapie der Hirnschwellung nicht erforderlich sei. Am gleichen Tage wurde dem Kläger eine Hirndrucksonde implantiert, deren Messwerte an diesem Tag und der folgenden Nacht jeweils keinen erhöhten Druck ergaben. In den folgenden Tagen stabilisierte sich der Zustand des Klägers. Dieser wurde am 15.11.2001 extubiert und zeigte spezifische Reaktionen. Auf Grund von am 21.11.2001 nachgewiesener Chlamydien und Legionellen wurde der Kläger erneut intubiert. Am Morgen des 22.11.2001 zeigte der Kläger eine Pupillenerweiterung und eine Anisokorie. Bei dem Kläger wurde ein basal betontes Hirnödem festgestellt, aufgrund dessen eine Dekompressionstrepanation durchgeführt wurde.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihn fehlerhaft behandelt, indem er ein CT nicht angeordnet und die Intubation des Klägers nicht veranlasst habe. Aufgrund der Bewusstlosigkeit und des Schädelhirntraumas mit einem CGS unter 8, einer respiratorischen Insuffizienz mit einer Sauerstoffsättigung unter 90 % und einer Alkoholisierung mit mehrfachem Erbrechen habe eine eindeutige Notfallindikation vorgelegen. Er leide nunmehr unter einer Hirnschädigung mit Gedächtnisausfällen und aggressiven Anfällen. Er könne weder Farben, Formen, Gegenstände noch Personen erkennen, sondern könne nur Schatten im Viertel des unteren rechten Gesichtsfeldes sehen sowie hell und dunkel unterscheiden. Er sei impotent, zu 100 % schwerbehindert, erwerbsunfähig und werde bis zu seinem Tod pflegebedürftig bleiben.

9

Der Beklagte meinte, die medizinische Überwachung des Klägers sei ausreichend gewesen. Er hat die Auffassung vertreten, weitere Maßnahmen seien nicht erforderlich gewesen und in diesem Zusammenhang behauptet, auch die frühere Verlegung nach G. hätte nicht zu anderen therapeutischen Maßnahmen geführt oder Einfluss auf die gesundheitliche Entwicklung des Klägers genommen.

10

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, insbesondere auch zu der Begründung der Höhe der gestellten Anträge, wird Bezug genommen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils.

11

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Dr. M. abgewiesen. Dem Beklagten seien zwar ärztliche Behandlungsfehler vorzuwerfen, diese seien aber für die vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Folgen nicht kausal geworden, weil sich die zeitliche Verzögerung bei der Anfertigung des CTs auf den Gesundheitszustand des Klägers nicht ausgewirkt habe; insoweit hätten auch die nachfolgenden CT-Untersuchungen und Hirndruckmessungen keine Veranlassung für weitere therapeutische Maßnahmen gegeben. Aus diesen Gründen könne auch dahinstehen, ob überhaupt eine Aspirationspneumonie vorgelegen habe, was der Sachverständige verneint habe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.

12

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die form - und fristgerecht eingereicht und begründet worden ist. Er ist der Auffassung, dass das Landgericht bei Abfassung des Beweisbeschlusses nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass es sich bei der Frage, ob ein grober Behandlungsfehler vorliege, um eine Rechtsfrage handele. Auch habe das Landgericht den Sachverständigen fehlerhaft ausgesucht (Bd. III, Bl. 510 d.A.). Da es sich beim Beklagten - unstreitig- um einen Facharzt für Anästhesie handele, sei der Sachverständige als Facharzt für Chirurgie nicht hinreichend kompetent gewesen (Bd. III, Bl. 511 d.A.). Auch habe das Landgericht die Kausalität zwischen dem auch vom Sachverständigen festgestellten Behandlungsfehler einer verspäteten CT-Untersuchung und der beim Kläger eingetretenen Gesundheitsschädigung nicht hinreichend geprüft und sich nicht hinreichend mit dem vom Kläger vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt (Bd. III, Bl. 512 ff. d.A.). Zudem sei nicht beachtet worden, dass der Kläger eine Pneumonie erlitten habe, die bei rechtzeitiger Intubation durch den Beklagten hätte vermieden werden können und die die Ursache der nachfolgenden Hirnschädigung war (Bd. III, Bl. 514 ff. d.A.).

13

Der Kläger beantragt,

14

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn

15

a) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 100.000,-- ε liegen soll, zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2004;

16

b) eine monatliche Schmerzensgeldrente zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 150,-- ε liegen soll;

17

c) Schadensersatz für den erlittenen Verdienstausfall für den Zeitraum vom 11.11.2001 bis zum 31.05.2004 i.H.v. 22.340,-- ε zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2004;

18

d) eine monatliche Verdienstausfallrente vom 01.06.2004 bis zum 31.10.2004 i.H.v. 964,54 ε/Monat zu zahlen;

19

e) Schadensersatz für den beim Kläger entstandenen Mehrbedarf i.H.v. 7.925,99 ε zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

20

f) Schadensersatz für entstandene Fahrtkosten für tägliche Besuche der Ehefrau im Neurologischen Rehabilitationszentrum G. in der Zeit vom 01.01.2002 bis 13.03.2002 i.H.v. 1.707,98 ε zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

21

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, beginnend mit dem 01.11.2004 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers, d.h. bis zum 17.09.2025, dem Kläger eine angemessene monatliche Verdienstausfallrente zu zahlen;

22

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitere materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen, die dem Kläger infolge der pflichtwidrig unterlassenen notwendigen Behandlung durch den Beklagten in der Nacht vom 10.11./11.11.2001 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese nicht auf Dritte, insbesondere auf Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, durch die Fassung des erstinstanzlichen Beweisbeschlusses sei der Kläger jedenfalls nicht beschwert. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme sei eine Haftung des Beklagten nicht gegeben. Es könne auch nicht zweifelhaft sein, dass der vom Gericht ausgewählte Sachverständige als Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie über die erforderliche Sachkunde verfüge.

26

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten, bei der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

27

Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. M. sowie durch Einholung eines erneuten schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. K. sowie dessen mündliche Erörterung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die vorliegenden schriftlichen Ausführungen der Sachverständigen (Gutachten Dr. M. Bd. II, Bl. 137 ff. d.A., Stellungnahme Dr. M. vom 30.12.2005, Bd. II, Bl. 351 ff. d.A., Gutachten Prof. Dr. K. Bd. IV, Bl. 104 ff. d.A.) sowie die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.06.2007 (Bd. IV, Bl. 53 ff. d.A.) und 28.11.2008 (Bd. IV, Bl. 207 ff. d.A.).

II.

28

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

29

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers gegen den (verbliebenen) Beklagten auf materiellen Schadensersatz oder auf Schmerzensgeld besteht nicht.

30

Nach Durchführung der Beweisaufnahme vermag der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass sich die dem Beklagten vorzuwerfenden Behandlungsfehler auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Kläger seit dem 10.11.2001 erfahren hat, auf einen schicksalhaften Verlauf seiner Erkrankung zurückzuführen sind. Dass insoweit in der nachfolgenden Behandlung des Klägers durch die Universitätsklinik G. weitere Behandlungsfehler unterlaufen seien, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen; auch hätte der Beklagte hierfür nicht einzustehen. Dies gilt insbesondere für die Behauptung des Klägers, während der Behandlung in G. hätte ein CT zeitlich deutlich vor dem 22.11.2001 angefertigt werden müssen (Bd. IV, Bl. 138 d.A.).

1.)

a)

31

Zwar ist dem Beklagten vorzuwerfen, nicht zu einem früheren Zeitpunkt eine CT-Untersuchung angeordnet zu haben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. M. war nach den Röntgenbildern davon auszugehen, dass eine erhebliche Schädelverletzung vorhanden sei und diese hätte weiter aufgeklärt werden müssen. Der Beklagte hätte auch über die Hinzuziehung eines Radiologen ein CT anfertigen lassen können, wie in der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2007 unstreitig gestellt wurde.

32

Dies stellt sich nach Auffassung des Senats als einfacher Behandlungsfehler dar, der letztlich jedem Arzt unterlaufen kann. Ein grober Behandlungsfehler setzt dagegen einen Verstoß gegen bewährte elementare Behandlungsregeln, gegen gesicherte grundlegende Erkenntnisse der Medizin voraus. Es muss um Fehler gehen, die aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich sind, weil sie einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfen.

33

Zwar hat der Sachverständige Dr. M. die Auffassung vertreten, dass es sich um einen schwerwiegenden Behandlungsfehler handelte, dies jedoch auf die Behandlung durch den Chirurgen bezogen. Der Beklagte als Anästhesist (und dem Chirurgen in der Behandlung des Klägers nachfolgender Arzt) durfte nach Auffassung des Senats insoweit aber auf die fachärztliche Einschätzung des vorbehandelnden Chirurgen vertrauen, der eine CT-Anfertigung nur im Bedarfsfall nach der Ausnüchterung des Patienten für erforderlich hielt. Dies bedeutet, dass der Patient beobachtet werden sollte und in Abhängigkeit von Symptomen, die auf Verschlechterungen, bezüglich des Hirnbereichs insbesondere auf Hirndruckerhöhungen hinweisen, eine CT- Untersuchung für erforderlich gehalten wird.

34

Es erscheint nicht schlechterdings unvertretbar, dass der Beklagte zunächst der Einschätzung des Chirurgen vertraut hat. Soweit er aufgrund eigener Einschätzung zu einem früheren Zeitpunkt eine CT-Untersuchung hätte anordnen müssen, wertet der Senat das darin liegende Verschulden aus vorstehenden Gründen nicht als so schwerwiegend, dass es die Schwelle zum groben Behandlungsfehler überschreitet.

35

Einer Auseinandersetzung mit dem eingereichten Privatgutachten des Herrn Prof. em. Dr. C. bedurfte es insoweit nicht, weil auch er zum gleichen Ergebnis kommt (S. 7 des Gutachtens, Bd. IV, Bl. 201 d.A.). In dem eingereichten Privatgutachten des Herrn Dr. H. wird nicht darauf abgestellt, welchem der behandelnden Ärzte die unterlassene Untersuchung vorgeworfen wird; einer weiterer Auseinandersetzung bedurfte es deshalb insoweit ebenfalls nicht.

b)

36

Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Behandlungsfehler eine gesundheitliche Schädigung des Klägers hervorgerufen hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M., denen sich der Senat insoweit vollinhaltlich anschließt, ist vielmehr davon auszugehen, dass die beim Kläger eingetretenen gesundheitlichen Folgen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die primären Verletzungen und nicht auf die im Rahmen der Behandlung eingetretenen zeitlichen Verzögerungen zurückzuführen sind (Bl. 246 d.A.). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass auch nach der Anfertigung des CT andere Behandlungsmaßnahmen nicht eingeleitet wurden, die im Krankenhaus D. begonnene Therapie der Oberkörperhochlagerung, Infusionstherapie, Oxygenierung und Konstanthalten des Blutdrucks wurde nicht verändert (Gutachten Dr. M., S. 9, Bd. II, Bl. 245 d.A.). Die Anlegung einer Hirndrucksonde stellt nur eine diagnostische Maßnahme dar. Dies läßt nur den Schluss zu, dass auch bei einer vorzeitigeren Einlieferung des Klägers in die Universitätsklinik G. andere Maßnahmen nicht eingeleitet worden wären. Die Ausführungen des Sachverständigen sind diesbezüglich für den Senat eindeutig und verständlich. Der Senat hat keinerlei Anlass, die Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

37

Soweit der Kläger behauptet, dass während des Aufenthalts des Klägers auf der Station des Beklagten ein unkontrollierter Hirndruck entstanden sei, der auch teilweise Spitzenwerte erreicht habe, handelt es sich ersichtlich um eine Behauptung ins Blaue hinein, weil der Kläger diese Behauptung sofort relativiert ("Dies ist jedenfalls sehr wahrscheinlich") und nicht mit konkreten Tatsachen unterlegt (Bd. IV, Bl. 57 d.A.).

c)

38

Die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden trägt bei einem einfachen Behandlungsfehler der Patient; eine Beweislastumkehr tritt nicht ein.

39

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass, selbst wenn man von einem groben Behandlungsfehler ausgehen würde, vorliegend eine Beweislastumkehr ebenfalls nicht eingreifen würde, weil dies nur dann der Fall ist, wenn sich gerade dasjenige Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Behandlungsfehler als grob erscheinen lässt, was aus den o.g. Gründen nicht der Fall ist (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., B Rn. 257 m.w.N.). Denn auch bei Durchführung einer CT-Untersuchung wäre eine anderweitige Behandlung des Klägers nicht angezeigt gewesen (s.o.).

2.

a)

40

Es kann dahinstehen, ob in der nichtdurchgeführten Intubation während der Behandlung des Klägers auf der vom Beklagten geführten Intensivstation ein (einfacher) Behandlungsfehler liegt. Denn auch insoweit kann nicht festgestellt werden, dass der Krankheitsverlauf bei einer früher greifenden Intubation anders verlaufen wäre.

a)

41

Der Senat hält die unterlassene Intubation des Klägers nicht für behandlungsfehlerhaft. Zwar hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. dieser eine Intubation des Klägers durchgeführt. Er selbst hielt aber das Unterlassen der Intubation für gerade noch vertretbar, da ein Hustenreflex des Patienten noch vorhanden gewesen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. war eine Indikation hingegen nicht gegeben, weil der Kläger über ausreichende Schutzreflexe verfügte, die eine Aspiration aller Wahrscheinlichkeit nach verhinderten. Der Kläger sei in der Nacht vom Pflegepersonal als "schläfrig" und "desorientiert" bezeichnet worden. Der entsprechende Hustenreflex sei aber erst im Koma aufgehoben. Der Senat schließt sich dieser nachvollziehbar dargelegten Auffassung des auf dem Fachgebiet der Anästhesiologie tätigen Prof. Dr. K. an, wenngleich es hierauf aus den nachfolgenden Gründen nicht ankommt.

b)

42

Denn der Sachverständige Prof. Dr. K. hat nicht feststellen können, dass der Kläger tatsächlich während des Aufenthalts auf der vom Beklagten geführten Intensivstation eine Aspirationspneumonie erlitten hat; auch der Sachverständige Dr. M. hielt es für möglich, dass der Kläger bereits im Rahmen der Erstbehandlung Mageninhalt aspiriert haben könnte (Bd. II, Bl. 352 d.A.). Insofern hat Prof. Dr. K. insbesondere darauf hingewiesen, dass eine Aspiration wahrscheinlich eher vor der Aufnahme auf die Station erfolgt sein müsste, weil keine wesentliche Verschlechterung der Parameter während des Aufenthalts auf der Intensivstation eingetreten sei. Diesbezüglich hat er ergänzend in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass eine Aspiration, wäre sie auf der Station erfolgt, hätte bemerkt werden müssen, weil sie zu einer schlagartigen Änderung der durch die Mitarbeiter beobachteten Vitalwerte, insbesondere der Sauerstoffwerte, geführt hätte. Auch Dr. M. hat keine erhöhten Leukozytenwerte in der fraglichen Zeit feststellen können (Bd. II, Bl. 352 d.A.).

43

Auch die von der Klägerin eingereichten Privatgutachten des Herrn V. (Bd. II, Bl. 326 ff. d.A.) und des Prof. em. Dr. C. haben diesbezüglich keine weiteren Feststellungen treffen können (S. 11 d. Gutachtens C., Bd. IV, Bl. 205). Auch einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten des Herrn Dr. H. und Dr. Sch. bedurfte es insoweit nicht, weil die Ausführungen, die Aspirationspneumonie wäre dem Kläger möglicherweise erspart geblieben, nicht weiter belegt wurde ( S. 2 des Gutachtens Dr. Sch., Bd. III, Bl. 541 d.A.); auch berücksichtigen sie nicht, dass der Kläger bereits vor dem Transport ins Krankenhaus erbrochen hatte.

44

Darüber hinaus ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. davon auszugehen, dass - hätte eine Aspiration während des Aufenthalts auf der Intensivstation stattgefunden - diese ebenfalls für den weiteren Krankheitsverlauf nicht kausal gewesen ist. Denn die weiteren Behandlungsunterlagen lassen erkennen, dass die durch eine Aspiration verursachte Pneumonie bereits vollständig abgeheilt war, bevor der Kläger den weiteren schweren Krankheitsverlauf, der dann zur Hirnschädigung führte, erlitt. Dieser schwere Verlauf begann am 21.11.2001. Zu dieser Zeit war aber der Kläger bereits seit einigen Tagen nicht mehr intubiert worden. Aus den Laborwerten war zu entnehmen, dass die Entzündungsparameter normale Werte anzeigten. Die Leukozytenwerte und auch die PCT-Marken wiesen keine Entzündungswerte aus. Auch die Röntgenbilder und der Bronchoskopiebefund hätten ein völlig normales Bild gezeigt. Dies hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung vom 28.11.2008 erneut bestätigt.

45

Soweit der Privatgutachter Prof. em. Dr. C. in seinen Gutachten ausführt, man müsse annehmen, dass das massive Hirnödem als Ausgangspunkt die erworbene Aspirationspneumonie gehabt habe (S. 10, Bd. IV, Bl. 204 d.A.), vermag dem der Senat aus den o.g. Gründen nicht zu folgen. Der Privatgutachter hat insbesondere die Verursachung einer Pneumonie durch die Legionellen und Chlamydien nicht bewertet, auch den verbesserten Gesundheitszustand, der letztlich zur Extubation um den 15.11.2001 führte, nicht berücksichtigt. Das Privatgutachten des Herrn V. geht zwar davon aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Aspirationspneumonie vorgelegen habe, die "sicher ein wesentlicher Faktor für die Notwendigkeit der erneuten Intubation" war und letztere "gut eine Rolle gespielt haben kann bei der sich bis zum Morgen dramatisch verschlechternden intrakraniellen Situation" (Bd. II, Bl. 339). Auch dieses Gutachten würdigt die vom Sachverständigen Dr. K. dargelegten Aspekte nicht und beschränkt sich auf Wahrscheinlichkeiten, die nicht näher begründet werden. Gerade die festgestellten Befunde des Legionellen - und Chlamydienbefalles werden nicht ansatzweise bewertet. Es vermag daher nicht zu überzeugen.

46

Der Schriftsatz des Klägers vom 17.12.2008 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

III.

47

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO.

48

Bei der Streitwertfestsetzung wurden folgende Werte zugrundegelegt:

49

1a)     

                 

 100.000,-- €

1b) 150,-- € x 12 Mo x 5 a

        

 =    

 9.000,-- €

1c)     

                 

 22.340,-- €

1d) 964,54 € x 5 Mo

        

 =    

 4.822,70 €

1e)     

                 

 7.925,99 €

1f)     

                 

 1.707,98 €

2. 964,54 x 12Mo x 5 a = 57.872, 40 x 80 %

        

 =    

 46.297,92 €

3. 10.000,-- € x 80 %

        

 =    

 8.000,-- €

50

Dabei hat der Senat - wie bereits das Landgericht (vgl. Bd. II, Bl. 212 d.A.) den Streitwert für den Feststellungsantrag anhand der vom Kläger selbst für angemessen erachteten Rente von 964,54 €/monatlich und den Streitwert für den Feststellungsantrag zu 3.) als mit 10.000,-- € angemessen angesehen. Von beiden Streitwerten war ein 20 %-iger Abzug zu machen, da allein ein Feststellungsantrag verfolgt wird.

IV.

51

Der Senat hatte keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen