Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 9 UF 48/05

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 11. Februar 2005 - 10 F 029/03 - in Ziffer 1 der Beschlussformel aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht -in Homburg zurückverwiesen.

II. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

IV. Der Kindesmutter wird mit Wirkung vom 14. Juli 2005 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, ..., Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt. Die Kindesmutter hat keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.

Gründe

I.

Die Kindeseltern sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe ist die am September 1997 geborene Tochter J. C. L. hervorgegangen, welche seit der Trennung der Kindeseltern Ende 2001/Anfang 2002 im Haushalt der Kindesmutter lebt.

In einem von der Kindesmutter im März 2002 eingeleiteten Sorge- und Umgangsverfahren wurde ihr - wie von ihr zuletzt erstrebt - durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 20. Juni 2002 - 10 F 122/02 - das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter übertragen. Hinsichtlich des Umgangs des Kindesvaters hatten die Kindeseltern beim Familiengericht zuvor eine einvernehmliche Regelung getroffen.

Im Januar 2003 hatte der Kindesvater beim Familiengericht darauf angetragen, die von den Kindeseltern getroffene Umgangsregelung zum Beschluss zu erheben. Die Kindesmutter hatte ihrerseits in einem von ihr im Januar 2003 eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren zur Ehesache die Aussetzung des Umgangs zwischen Vater und Tochter für die Dauer von sechs Monaten erstrebt. Beide Verfahren sind vom Familiengericht mit dem vorliegenden - aktenzeichenführenden - Verfahren verbunden worden, in welchem die Kindeseltern jeweils auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für ihre Tochter angetragen haben.

Nachdem sich der im Verfahren geäußerte Verdacht der Kindesmutter des sexuellen Missbrauchs des Kindesvaters zum Nachteil der Tochter nicht bestätigt hatte und ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken eingestellt worden war, haben die Kindeseltern beim Familiengericht hinsichtlich des Umgangs, welcher seit Januar 2003 nicht mehr stattgefunden hatte, am 20. Januar 2005 eine Vereinbarung getroffen, wonach zunächst begleitete und nach Ablauf von gerundet 6 ½ Monaten unbegleitete Umgangskontakte stattfinden sollten.

Hinsichtlich der elterlichen Sorge konnten die Parteien kein Einvernehmen erzielen.

Das Familiengericht hat ein psychologisches Sachverständigengutachten (u. A.) darüber eingeholt, "welche Sorgerechtsregelung dem Wohl des Kindes am besten entspricht“. Ferner hat es das Kind und die Kindeseltern persönlich sowie das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt angehört.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht in Ziffer 1) den Antrag des Kindesvaters und in Ziffer 2) den Antrag der Kindesmutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters - ersichtlich, soweit in Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses sein Antrag zurückgewiesen wurde. Er verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die Tochter weiter.

Die Kindesmutter trägt auf Zurückweisung der Beschwerde und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug an.

Das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

II.

Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 626 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde des Kindesvaters hat jedenfalls einen vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung von Ziffer 1) des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht, weil die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist.

Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensnorm verstoßen wurde, die den Weg zum Beschluss oder die Art und Weise seines Erlasses betrifft. Hierzu gehört insbesondere auch, dass das Familiengericht das Ergebnis der mündlichen Anhörung der Beteiligten in den Akten niederlegt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - 9 UF 133/04 -, m. w. N.).

Zwar ist das Familiengericht seiner sich aus § 50 b Abs. 1 FGG ergebenden Pflicht zur Anhörung des Kindes nachgekommen. Verlauf und Ergebnis der Anhörung ergeben sich jedoch weder aus dem Sitzungsprotokoll vom 20. Januar 2005 noch aus dem angefochtenen Beschluss noch aus einem Aktenvermerk. Dies ist aber notwendige Voraussetzung, um dem Senat als Rechtsmittelgericht die Würdigung der Beweisergebnisse und die Prüfung zu ermöglichen, ob und inwieweit alle entscheidungserheblichen Fragen erörtert worden sind oder ob und gegebenenfalls mit welchem Schwerpunkt eine erneute Anhörung zu erfolgen hat (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O., m. w. N.).

Gleiches gilt bezüglich des Ergebnisses der hier nach § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG gebotenen Anhörung der Kindeseltern in der mündlichen Verhandlung des Familiengerichts vom 20. Januar 2005.

Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob der angefochtene Beschluss auch deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil er nicht ansatzweise Ausführungen dazu enthält, aus welchen rechtlichen Erwägungen das Familiengericht eine - vom Kindesvater ersichtlich erstrebte - Abänderung seines Beschlusses vom 20. Juni 2002 - 10 F 122/02 -, mit dem der Kindesmutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter übertragen worden war, für nicht gerechtfertigt erachtet hat und auf welchen tatsächlichen Feststellungen diese Erwägungen beruhen. Der Beschluss enthält vielmehr ausschließlich Ausführungen zu den vom Familiengericht verneinten Voraussetzungen für eine "Abänderung der bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge“, welche aber jedenfalls hinsichtlich des Teilbereichs des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufgrund des vorbezeichneten Beschlusses gerade nicht mehr bestanden hat und besteht. Bleibt somit völlig offen, aus welchen Erwägungen das Familiengericht die Voraussetzungen für eine Abänderung der von ihm in dem vorbezeichneten Beschluss hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts getroffenen Regelung gemäß § 1696 BGB für nicht gegeben erachtet hat, ist den am Verfahren Beteiligten und auch dem Rechtsmittelgericht aber eine Überprüfung der Entscheidung auf der Grundlage der Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss jedenfalls insoweit nicht möglich.

Nach alldem kann der Beschluss mit der (jedenfalls auch teilweise fehlenden) Begründung des Familiengerichts in dem angefochtenen Umfang nicht aufrecht erhalten bleiben.

Da der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht für sachdienlich erachtet, war die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - in Homburg zurückzuverweisen.

Bei der gebotenen Neubefassung mit der Sache wird das Familiengericht auch Gelegenheit haben, sich mit den erstinstanzlich und im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen des Kindesvaters auseinander zu setzen, insbesondere zu der Frage, ob § 1696 Abs. 1 BGB vorliegend (auch für die neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht bestehenden Teilbereiche der elterlichen Sorge) Prüfungsmaßstab ist sowie zu dem Vorbringen zu dem von ihm erstrebten Wechsel der Tochter in seinen Haushalt und der nach seiner Auffassung nicht gegebenen Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Kindeseltern - auch im Hinblick auf die zwischenzeitliche Entwicklung in ihrer Kommunikation und der Umsetzung der vereinbarten Umgangskontakte.

Der die Gerichtskosten betreffende Kostenausspruch beruht auf § 16 KostO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Der Kindesmutter ist gemäß §§ 14 FGG, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

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