Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 7. Juni 2004 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen,
„Die erbrachten 40 Stunden gemeinnützige Arbeit werden in der Form angerechnet, dass dadurch 1 Woche Freiheitsstrafe als verbüßt anzusehen ist.“
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
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Das Amtsgerichts Böblingen verhängte gegen den Beschwerdeführer am 11. Mai 1999 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung es auf 3 Jahre zur Bewährung aussetzte. Nach Widerruf der Strafaussetzung - wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen - befand sich der Verurteilte in Haft in der Vollzugsanstalt Rottenburg. Durch seit 1. Mai 2001 rechtskräftigen Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 19. April 2001 wurde die Vollstreckung der Reststrafe auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt und dem Beschwerdeführer auferlegt, 40 Stunden gemeinnützige Arbeit zu erbringen. Diese Auflage hat er in der Folgezeit vollständig erfüllt. Nachdem der Verurteilte in der Bewährungszeit straffällig geworden war und ihn das Amtsgericht Böblingen am 7. November 2002 wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. zu der Freiheitsstrafe von 10 Monaten mit Bewährung verurteilt hatte, verlängerte die Strafvollstreckungskammer durch Beschluss vom 19. November 2003 die Bewährungszeit um 1 Jahr.
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Am 20. April 2004 erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den Beschwerdeführer wegen einer am 26. Februar 2004 begangenen Trunkenheitsfahrt Anklage beim Amtsgericht Stuttgart und beantragte den Widerruf der mit Beschluss vom 19. April 2001 gewährten Strafrestaussetzung. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 7. Juni 2004 entsprach die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen diesem Antrag und ordnete - in den Gründen - an, dass die erbrachten Arbeitsstunden in der Form angerechnet werden, dass 1 Woche der Freiheitsstrafe als verbüßt anzusehen ist. Am 22. Juni 2004 wurde der Beschwerdeführer - nachdem er in der Hauptverhandlung die Tat eingeräumt hatte - vom Amtsgericht Stuttgart wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu der Freiheitsstrafe von 6 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil hat R. C. Berufung eingelegt.
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Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerrufsbeschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen vom 7. Juni 2004 ist nicht begründet.
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1. Durch die in der Bewährungszeit begangene einschlägige Straftat hat der Verurteilte gezeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB).
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Dem Bewährungswiderruf steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2004 Berufung eingelegt hat und somit eine rechtskräftige Aburteilung wegen der neuerlichen Straftat (noch) nicht erfolgt ist, denn es besteht aufgrund des richterlichen Geständnisses des Beschwerdeführers kein Zweifel, dass er in der Bewährungszeit eine einschlägige neue Straftat begangen hat.
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Zwar ist nach der Entscheidung des EGMR vom 3. Oktober 2002 (NJW 2004, 43 = NStZ 2004, 159 = StraFo 2003, 47 = StV 2003, 82) grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftaten vor deren rechtskräftiger Aburteilung die Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs. 2 EMRK verletzt und nur noch in Ausnahmefällen zulässig ist. Der EGMR hat jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass der von ihm entschiedene Fall keine Entsprechung zu früher entschiedenen Fällen aufweist, in denen der Widerruf der Strafaussetzung auf das Schuldeingeständnis des Betroffenen zurückzuführen war und unbeanstandet geblieben ist.
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Sofern ein glaubhaftes Geständnis vorliegt, ist ein Zuwarten mit dem Widerruf bis zum - möglicherweise Jahre dauernden - rechtskräftigen Abschluss des neuen Verfahrens in der Regel nicht zwingend geboten und widerspräche im Einzelfall auch dem Resozialisierungsgedanken, etwa wenn der Verurteilte sich über die Unvermeidlichkeit eines Widerrufs im Klaren ist und die umgehende Verbüßung der zu widerrufenden Strafe anstrebt.
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Vor dem Hintergrund der vorgenannten Entscheidung des EGMR vom 3. Oktober 2002 hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, dass auch vor einer rechtskräftigen Entscheidung die Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerrufen werden kann, sofern das widerrufende Gericht aufgrund eigener Überzeugungsbildung ein strafbares Verhalten des Verurteilten feststellt (Beschluss vom 20 Dezember 1995 - 4 Ws 228/95 - im Anschluss an OLG Stuttgart Justiz 1990, 303; MDR 1991, 982 - jeweils 1. Strafsenat).
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Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat ohne rechtskräftige Aburteilung der Anlasstat ist jedenfalls dann zulässig, wenn der Verurteilte die neue Straftat glaubhaft vor einem Richter eingestanden hat (ebenso OLG Düsseldorf NJW 2004, 790; vgl. hierzu auch OLG Celle StV 2003, 575; OLG Nürnberg NJW 2004, 2032; ThürOLG OLGSt MRK Art. 6 Nr. 20 und StV 2003, 575; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 56f Rn 7).
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Dies ist vorliegend der Fall.
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Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2004 hat der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung die am 26. Februar 2004 in Stuttgart Heslach begangene Trunkenheitsfahrt eingeräumt und dabei die Gründe für sein Handeln genannt. Dieses Geständnis ist glaubhaft und wird vom Verurteilten auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht angegriffen. Vielmehr hat er in der Beschwerdebegründung sein Bewährungsversagen nochmals bestätigt.
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2. Mildere Maßnahmen als der Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung kommen nicht in Betracht. Der Verurteilte ist wenige Monate nach Verlängerung der Bewährungszeit durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen vom 19. November 2003 erneut straffällig geworden. Auch der Umstand, dass der Verurteilte im Februar 2004 - also wenige Tage vor der neuerlichen Straftat - in H. ein Restaurant eröffnet hat und fürchtet, dieses im Falle seiner Inhaftierung wieder schließen zu müssen, rechtfertigt ein Absehen vom Widerruf nicht. Das Amtsgericht Stuttgart sah aufgrund des unmittelbaren Eindrucks vom Verurteilten in der Hauptverhandlung ebenfalls keine Veranlassung, die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.
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3. Die nach § 56f Abs. 3 S. 2 StGB von der Strafvollstreckungskammer vorgenommene Anrechnung der zur Erfüllung der Auflage geleisteten Arbeitsstunden ist mit dem Widerruf zu verbinden und demzufolge in die Entscheidungsformel aufzunehmen. Der Senat hat dies nachgeholt.
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