Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 Ws 164/07

Tenor

Die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2007 wird als unbegründet

v e r w o r f e n .

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Gründe

 
I.
Die Angeklagte ist aufgrund Haftbefehls des Amtsgericht vom 5. Februar 2007 seit dem 8. Februar 2007 in Untersuchungshaft.
Der Haftbefehl wirft der Angeklagten insgesamt 91 Vermögens - und Urkundsdelikte vor, bei denen ein Gesamtschaden i.H.v. gut 48.000 EUR entstanden sei.
Am 5.4.07 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Landgericht und legte der Angeklagten einen Teil der Taten aus dem Haftbefehl zur Last; darüber hinaus werden in der Anklageschrift Vorwürfe erhoben, die nicht Gegenstand des Haftbefehls waren, während sich ein Teil der Taten aus dem Haftbefehl in der Anklage nicht wiederfindet. Folgerichtig beantragte die Staatsanwaltschaft zugleich, einen neuen Haftbefehl im Umfang der Anklage zu erlassen und Haftfortdauer anzuordnen. Ein neuer Haftbefehl ist noch nicht ergangen.
Am 16.5.2007 eröffnete das Landgericht das Hauptverfahren, ließ die Anklage unbeschränkt zu und ordnete an, dass die Untersuchungshaft aus den bisherigen Gründen fortzudauern habe.
Am 24. Mai 2007 fand vor der Strafkammer auf Antrag des Verteidigers die mündliche Haftprüfung statt. Mit Beschluss vom selben Tage beschloss die Kammer, dass der Haftbefehl des Amtsgericht Nürtingen vom 8.2.2007 aufrechterhalten und in Vollzug bleibt. Der hiergegen erhobenen Beschwerde half das Landgericht nicht ab.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1) Die Angeklagte ist nach wie vor eines Großteils der Taten, die ihr im Haftbefehl vom 5.2.2007 vorgeworfen werden, dringend verdächtig.
a) In Haftbefehl und Anklage werden der Angeklagte gleichermaßen eine Unterschlagung, Computerbetrug in 38 Fällen, Betrug in 4 Fällen und Urkundenfälschung je in Tateinheit mit Betrug in 13 Fällen (Gesamtschaden: ca. 31.000 EUR) zur Last gelegt.
Zwar wurden mit der Anklage nicht alle im Haftbefehl erhobenen Vorwürfe weiterverfolgt. Die folgenden Taten sind aber unverändert Gegenstand des Verfahrens:
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- Die Tat Ziff. 1 des Haftbefehls entspricht Ziff. 40 der Anklage,
- die Taten Ziff. 2 bis 12 des Haftbefehls entsprechen Anklage Ziff. 41 bis 48 und 68 sowie 76 bis 78,
- die Taten Ziff. 13 bis 14 des Haftbefehls sind in Ziff. 82 der Anklage als eine Tat zusammengefasst,
- die 14 Taten Ziff. 15 bis 28 des Haftbefehls finden sich in den 16 Vorwürfen Ziff. 49 bis 59 bzw. 65 und 69 bis 71 und 74 wieder,
- die Taten 29 und 30 aus dem Haftbefehl entsprechen Ziff. 83 und 84 der Anklage
- von den Taten Ziff. 31 bis 53 aus dem Haftbefehl finden sich 13 in den Anklageziffern 60 bis 65, 67,72,73,75,79 bis 81 wieder,
- die Tat Ziff. 54 des Haftbefehls entspricht der Tat Ziff. 85 der Anklage,
- von den 15 Vorwürfen Ziff. 77 bis 91 finden sich 13 in den Ziff. 1 bis 39 wieder.
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Die übrigen Taten aus dem Haftbefehl sind in der Anklageschrift nicht enthalten, so dass sie bei der Prüfung des dringenden Tatverdachtes nicht mehr herangezogen werden können.
12 
b) Hinsichtlich dieser Taten besteht dringender Tatverdacht.
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Die Angeklagte räumt ein, die Abhebungen mit der Visa-Karte getätigt zu haben und die Schecks eingereicht zu haben, behauptet aber, hierzu berechtigt gewesen zu sein; die Visakarte sei ihr von ihrer Vorgängerin übergeben worden.
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Bei ihrer mündlichen Haftprüfung gab sie an, mit dem Geld habe sie zum Einen Zahlungsverpflichtungen der C. GmbH erfüllt. Daneben habe sie persönlich Anspruch auf Zahlungen gehabt, weil ihr ein höheres Gehalt als das ihr im Arbeitsvertrag zugesicherte aufgrund einer Erweiterung ihres Aufgabenbereiches zugestanden sei. Der Zeuge W. sei ausdrücklich einverstanden gewesen, dass sie hierfür Geld abhebe.
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Die Schecks habe sie im Übrigen nicht mit einer falschen Unterschrift versehen, sondern mit ihrer eigenen; obwohl sie keine Kontovollmacht besessen habe, sei der Zeuge W. damit einverstanden gewesen.
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Diese Einlassung steht mit der Aussage des Zeugen W. im Widerspruch, der im Ermittlungsverfahren aussagte, die Angeklagte sei nur in einer untergeordneten Position ohne eigene Entscheidungsbefugnisse tätig gewesen. Insbesondere habe sie keine Gelder abheben oder Schecks einlösen dürfen.
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Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist diese Aussage auch glaubhaft, zumal die Einlassung der Angeklagten nicht plausibel ist. Dass ein erfahrener Geschäftsmann wie der Zeuge W. der Angeklagten erlaubt haben soll, sich ihr eigenes Gehalt sozusagen selbst festzulegen und auszuzahlen, erscheint nicht nachvollziehbar. Außerdem ist es im Geschäftsleben unüblich, Firmenverpflichtungen in bar zu erfüllen und dafür das Geld per Kreditkarte am Geldautomaten abzuheben, zumal hierfür 2 % Gebühren anfallen, oder Schecks einzulösen.
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Darüber hinaus ist das Einlassungsverhalten der Angeklagten widersprüchlich. Denn bei ihrer polizeilichen Vernehmung und anlässlich der Haftbefehlseröffnung räumte sie einen Großteil der Taten ein und gab an, das Geld z.T im Spielkasino verspielt zu haben.
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Insoweit als die Angeklagte behauptet, sie habe die Schecks nicht mit dem Namen des Zeugen W. unterschrieben, sondern mit ihrem eigenen, ist ihre Einlassung objektiv widerlegt. Denn die Unterschrift der Angeklagten, mit der sie die Vernehmungsprotokolle in der Akte unterschrieben und z.T. auch auf den Scheckrückseiten quittiert hat, weist keine Ähnlichkeit auf mit der Unterschrift auf den Scheckvorderseiten, vielmehr ähnelt die Unterschrift auf den Scheckvorderseiten eher der Unterschrift des Zeugen W..
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2) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§112 Abs. Abs. 2 Nr. 2 StPO). Die Angeklagte ist zweimal einschlägig vorbestraft und stand zur Tatzeit unter Bewährung. Der angerichtete Schaden ist beträchtlich. Sie hat deshalb eine Freiheitsstrafe zu erwarten, die nicht mehr zur Bewährung wird ausgesetzt werden können. Hinzu kommt, dass sie den Widerruf des Straferlasses der Bewährungsstrafe von 2 Jahren aus dem Urteil des Amtsgericht vom 2.September 2003 befürchten muss (§ 56g Abs. 2 StGB). Diese Straferwartung schafft einen beträchtlichen Fluchtanreiz, dem keine ausreichend starken sozialen Bindungen in Deutschland gegenüberstehen. Zwar leben Schwester und Mutter der Angeklagten in Deutschland, allerdings hielt sich die Angeklagte schon vor ihrer Verhaftung längere Zeit in ... auf. Dabei kann dahinstehen, ob die Mutter der Angeklagten diese vor der Verhaftung 4 Monate oder 4 Wochen nicht gesehen hatte. Fest steht, dass die Angeklagte in Deutschland keinen eigenen Haushalt unterhält, sondern bei ihrer Mutter nächtigt, wo ihr nicht einmal ein eigenes Zimmer zusteht und dass sie vor ihrer Verhaftung seit November 2006 überwiegend in ... war.
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Von daher steht zu befürchten, dass sie sich dem Verfahren entziehen würde, käme sie auf freien Fuß.
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Dem Beschleunigungsgrundsatz wurde vorliegend Genüge getan. Die Anklage wurde 2 Monate nach der Festnahme erhoben; 6 Wochen später wurde über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden; die Hauptverhandlung wird am 7. August beginnen. Mithin wurde das Verfahren noch ausreichend zügig geführt.
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Die bisherige Dauer der Untersuchungshaft steht zudem zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe auch nicht außer Verhältnis.
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Die Kammer wird den Haftbefehl dem aktuellen Verfahrensstand anzugleichen haben.

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