Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 15 UF 36/10

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – Besigheim vom 8. Januar 2010 wird

zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 3.000 EUR

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin betreibt die Aufhebung der Adoption, die auf ihren und der verstorbenen E. Antrag (Urkundenrolle Nr. .../2003 Notariat M. am Neckar) durch das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Vaihingen/Enz durch Beschluss vom 13. 1. 2004 - XVI 8/03 - ausgesprochen worden ist. Danach hat die am 17. 3. 2005 verstorbene E. die Antragstellerin, geboren am 10.5.1953, mit den Wirkungen einer "schwachen" Adoption als Kind angenommen. Da die Antragstellerin bereits verheiratet war, wurde angeordnet, dass sie ihren Ehenamen als Familienname weiter behält, ebenso ihre Vornamen.
Die Antragstellerin hat die Annehmende als Alleinerbin beerbt. Sie hat die Erbschaft, die sich ihren Angaben gegenüber dem Nachlassgericht zufolge auf 65.812,26 EUR bzw. 71.404,26 EUR belaufen hat, angenommen.
Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 1.9.2009, beim Familiengericht eingegangen am 11.9.2009 die Aufhebung der der Adoption beantragt. Sie hat dies damit begründet, sie habe zufällig im Jahr 2007 „über den Kfz-Schein“ erfahren, dass sie - was ihr bei der Stellung des Adoptionsantrags nicht bewusst gewesen sei – durch die Adoption ihren Geburtsnamen verloren habe und nun den Geburtsnamen „H." statt ihres leiblichen Geburtsnamens „W.“ trage. Dadurch fühle sie sich „in ihrer Identität beschränkt“ und "entwurzelt“ und befinde sie sich in einer nicht weiter hinnehmbaren „tiefgreifenden psychologischen Aufwühlung“ mit „erhebliche[n] psychologischen wie auch gesundheitliche[n] Einschränkungen“. Sie sei „über das tatsächliche Vorgehen getäuscht“ worden, zumal „über das Beibehalten der bisherigen Namen gesprochen wurde“.
Die Antragstellerin verweist weiter darauf, sie habe „bewusst in Kauf [genommen], dass wegen „eventuelle[r] in Anspruch genommene[r] steuerliche[r] Freibeträge im Wege der Erbschaft eine Nachzahlung zu erfolgen hat.“
Bei ihrer Anhörung durch das Familiengericht am 3.12.2009 hat die Antragstellerin ausgeführt, zwar sei die Adoption „für sie richtig und stimmig gewesen.“ Doch sei ihr „Lebensabschnitt als G. W. durch die Namensänderung wie gelöscht, es solle eine G. W. nicht mehr geben.“ In „psychologischer Behandlung bei Herrn S. beschäftige [sie sich damit], ob sie mit der Adoption nur einem Wunsch ihrer Tante nachgekommen sei und ob es nicht besser gewesen sei, auch an ihre eigenen Interessen zu denken.“
Das Familiengericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der Adoption durch Beschluss vom 8.1.2010, der Antragstellerin zugestellt am 14.1.2010,
zurückgewiesen.
Mit ihrer am 15.2.2010 (Montag) beim Familiengericht eingegangenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf
Aufhebung der Adoption
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weiter.
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Sie führt dazu aus, die gesetzliche Regelung in § 1771 S. 1 BGB, wonach die Adoption nur auf gemeinsamen Antrag des Annehmenden und des Angenommenen aufgehoben werde könne, sei wegen einer erheblichen, zu einer Ungleichbehandlung führenden Benachteiligung verfassungskonform dahin auszulegen, dass jedenfalls nach Versterben des Annehmenden der Aufhebungsantrag auch einseitig gestellt werden könne. Im Übrigen verweist sie erneut auf ihre „erhebliche psychische Belastung.“
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Der Senat hat die Adoptionsakte XVI 8/03 AG Vaihingen/Enz und die Nachlassakte NA 10779 Notariat Mühlacker I - Nachlassgericht - beigezogen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.
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1. Dahingestellt bleiben kann, ob entgegen dem eindeutigen Wortlaut von § 1771 S. 2 BGB eine Adoption auch auf einseitigen Antrag des Angenommenen aufgehoben werden kann. Die ganz überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die auch der Intention des Gesetzgebers entspricht (BT-Drucks. 7/5087 S. 21), lehnt dies ab, eine abweichende Mindermeinung bejaht dies bei im Übrigen vorliegenden Voraussetzungen - „wichtiger Grund“ - aus § 1771 S. 2 BGB (s. dazu die Darstellung des Meinungsstands bei Staudinger/Frank, BGB, §§ 1741-1772, Adoption, Bearbeitung 2010, § 1771 Rz. 11).
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Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGHZ 103, 12 = NJW 1988, 1139 = FamRZ 1988, 390, 391) hält am Erfordernis eines gemeinsamen Antrags fest. Ihr folgt der Senat auch deshalb, weil der Wortlaut der gesetzlichen Regelung eindeutig und sie auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts nicht verfassungswidrig ist (OLG München OLGR 2007, 559, 560; LG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 9 = FamRZ 2001, 648, 649 f.; Staudinger/Frank, a.a.O., § 1771 Rz. 15; MünchKomm/Maurer, BGB, Band 8, 5. Aufl., Vor § 1741 Rz. 32), zumal in den wichtigsten Fällen der Willensmängel die Adoption auch auf einseitigen Antrag des Angenommenen aufgehoben werden kann (§§ 1771 S. 2, 1760 BGB; s. dazu auch BT-Drucks. a.a.O.; MünchKomm/Maurer, a.a.O., § 1771 Rz. 9).
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2. Nach Auffassung des Senats liegt nämlich kein wichtiger Grund für eine Aufhebung der Adoption vor.
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Ein wichtiger Grund ist dann gegeben, wenn Annehmendem oder Angenommenem das Fortbestehen der Adoption nicht zugemutet werden kann (Staudinger/Frank, a.a.O., Rz. 9), weil die Entstehung einer einem Eltern-Kind-Verhältnisses entsprechenden emotionalen Beziehung zwischen ihnen unmöglich ist (MünchKomm/Maurer, a.a.O., Rz. 3).
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Solche Umstände macht die Antragstellerin nicht geltend, sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin wegen des Verlustes ihres ehemaligen Geburtsnamens "W." mit der Adoption den Geburtsnamen "H." erhalten hat, rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin geltend gemachten psychosomatischen Beschwerden wegen Identitätsverlustes eine Aufhebung der Adoption nicht. Zwar geht der Senat davon aus, dass solche Beschwerden tatsächlich aufgetreten sind. Angesichts deren Behandelbarkeit - tatsächlich ist die Antragstellerin auch in psychotherapeutischer Behandlung bei Herrn S. von deren Erfolglosigkeit hat sie nicht berichtet - kann aber davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin diese Belastungen in absehbarer Zeit überwinden kann.
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In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Keineswegs erschöpfen sich die Rechtsfolgen einer Aufhebung der Adoption darin, dass die Antragstellerin ggf. Steuern wegen der - im Nachhinein unberechtigten - Inanspruchnahme von steuerlichen Freibeträgen nachentrichten muss. Vielmehr fiele sie jedenfalls als Alleinerbin aus, da sie nicht Abkömmling der Annehmenden wäre und deshalb ggf. nach § 1925 BGB höchstens als Erbin zweiter Ordnung zum Zuge käme. Denn die verstorbene G. H. hat ihr notariell errichtetes Testament vom 11.2.1980, in dem die Antragstellerin zur Alleinerbin eingesetzt wurde, durch privatschriftliches Testament vom 21.12.2003 widerrufen, sodass es bei der gesetzlichen Erbfolge verbliebe. Da nach den Feststellungen im Testament vom 11.2.1980 die Antragstellerin aber die Nichte des Ehemannes der Verstorbenen ist, wäre sie gar nicht zur Erbin nach der Verstorbenen berufen. Jedenfalls aber hätte sie das Erbe an die dann - mit oder ohne ihre Beteiligung - bestehende Erbengemeinschaft zurückzuerstatten.
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3. Das Annahmeverhältnis kann auch nicht wegen arglistiger Täuschung (§§ 1771 S. 2, 1760 Abs. 2 lit. c BGB) darüber, dass die Antragstellerin mit der Adoption ihren Geburtsnamen "W." verliert und den Geburtsnamen "H." erwirbt (§ 1757 Abs. 1 S. 1 BGB), aufgehoben werden. Sollte überhaupt eine Täuschung vorgelegen haben - was nicht ersichtlich ist -, wäre diese jedenfalls nicht arglistig erfolgt.
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Die Antragstellerin sagt zwar nicht, wer sie getäuscht haben soll, doch kann davon ausgegangen werden, dass sie den den Adoptionsantrag beurkundenden Notar meint. In einer Nichtbelehrung über den Wechsel des Geburtsnamens kann jedoch schon keine Täuschungshandlung gesehen werden, jedenfalls aber keine arglistige Täuschung, weil nicht ersichtlich ist, dass der Notar damit ein eigen- oder fremdnütziges Interesse verfolgt hätte.
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Nach § 37 BeurkG hat der Notar die Beteiligten über die rechtliche Trageweite ihrer Erklärungen zu belehren. Der den Adoptionsantrag beurkundende Notar hat nach IV. des Adoptionsantrags die Beteiligten darüber belehrt, dass
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"durch die Annahme der Frau G. T. diese die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes der Frau E. H. mit allen sich daraus entstehenden Wirkungen erlangt."
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Damit ist aber davon auszugehen, dass der Notar auch auf die Änderung des Geburtsnamens jedenfalls hingewiesen hat. Allein mit ihrem gegenteiligen Vortrag kann die Antragstellerin den Beweiswert der Urkunde nicht entkräften. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob der Notar angesichts der weitreichenden Folgen hinsichtlich der Verwandtschaftsverhältnisse über die eher untergeordnete Änderung des Geburtsnamens überhaupt zu belehren hatte.
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4. Der Senat sieht von der erneuten persönlichen Anhörung der Antragstellerin ab, weil sie zeitnah vom Familiengericht angehört worden ist und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 FamFG).
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5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 42 Abs. 3 FamFGKG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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