Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 11 UF 229/17

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leonberg vom 17.08.2017 - 1 F 134/17 - abgeändert und der Antrag des Antragstellers auf Abänderung des vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 13.09.2016 - 8 UF 46/15 - geschlossenen Vergleichs der Beteiligten abgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

4. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 3.472,00 EUR

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragstellers, der Antragsgegnerin weiterhin Altersvorsorgeunterhalt zu bezahlen.
Die Beteiligten haben am 13.09.2016 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart - 8 UF 46/15 - einen Vergleich geschlossen, in welchem sich der Antragsteller verpflichtete, an die Antragsgegnerin neben rückständigem Unterhalt laufenden Unterhalt ab Oktober 2016 in Höhe von 911 EUR Elementarunterhalt und 217 EUR Altersvorsorgeunterhalt zu bezahlen.
Die Antragsgegnerin eröffnete daraufhin ein Vermögensdepot bei der mit dem Anlageziel Altersvorsorge und einer Anlagedauer von 15 Jahren. In dieses Vermögensdepot zahlte sie nach Erhalt des Rückstandsbetrages aus dem Unterhaltsvergleich von insgesamt 22.000,00 EUR am 16.11.2016 einen Teilbetrag von 10.200,00 EUR ein, weiterhin erteilte sie einen Dauerauftrag über jeweils 110 EUR zu Gunsten zweier Sparpläne ab dem 01.02.2017, für welche in das eröffnete Depot Wertpapiere erworben wurden. Im Jahr 2017 erzielte sie eine Rendite von 2 %.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass diese Anlageform den an eine Altersvorsorge zu stellenden Anforderungen nicht genügt und hat aus diesem Grund beantragt, den Altersvorsorgeunterhalt ab dem 01.01.2017 in Wegfall geraten zu lassen.
Die am geborene Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass sie sich über die verschiedenen Formen der Altersvorsorge habe beraten lassen. Der Abschluss einer Lebensversicherung sei ihr wegen einer Krebserkrankung im Jahr 2014 nicht zugänglich gewesen, eine zertifizierte Anlageform sei angesichts ihres Alters wegen der hohen Gebühren und Nebenkosten nicht mehr rentabel und die Einzahlung des Vorsorgeunterhalts in die gesetzliche Rentenversicherung führe selbst bei fortlaufender Zahlung bis zur gesetzlichen Altersrente lediglich zu einer Rentenzahlung von 34 EUR monatlich. Hilfsweise wendete sie ein, dass für den Fall des Wegfalls des Altersvorsorgeunterhalts es zumindest bei dem in erster Stufe berechneten Elementarunterhalt von 1.009.- EUR verbleiben müsse.
Das Familiengericht hat unter Aufrechterhaltung des in zweiter Stufe errechneten Elementarunterhalts von 911.- EUR den Altersvorsorgeunterhalt zum 01.01.2017 in Wegfall gebracht.
Mit der Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin weiterhin gegen den Wegfall des Altersvorsorgeunterhalts. Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und beantragt für den Fall der Stattgabe der Beschwerde die Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Der Senat hat die Beteiligten persönlich angehört.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
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Sie hat auch in der Sache Erfolg, da die Antragsgegnerin den erhaltenen Altersvorsorgeunterhalt bestimmungsgemäß verwendet hat und auch im Übrigen der Wegfall des Altersvorsorgeunterhalts aus Rechtsgründen nicht veranlasst ist.
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Die Einzahlungen in die Investmentfonds stellen eine zulässige Altersvorsorge dar.
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Nach gesicherter Rechtsprechung des BGH ist der Unterhaltsberechtigte nicht verpflichtet, den Altersvorsorgeunterhalt zur Aufstockung seiner Rentenanwartschaft aus dem Versorgungsausgleich in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Vielmehr ist ihm die Art seiner Altersversorgung nicht zwingend vorgeschrieben. Es kommt daneben oder an deren Stelle auch der Abschluss einer privaten Rentenversicherung in Betracht; dies jedenfalls liegt nicht außerhalb der unterhaltsrechtlichen Zweckbindung (BGH FamRZ 2007, 117 unter wörtlicher Zitierung der entsprechenden Ausführungen in BGH FamRZ 1987, 1130 und BGH FamRZ 1983, 152). Zum Zeitpunkt der Entscheidungen aus 1982 und 1987 war eine Unterscheidung nach zertifizierten und nicht zertifizierten Vorsorgeverträgen nicht möglich, da eine Zertifizierung überhaupt erstmals durch das Altersvorsorgeverträge-ZertifizierungsG (AltZertG) vom 26.06.2001 ermöglicht wurde. Die Übernahme der früheren Rechtsprechung nach Inkrafttreten des AltZertG ohne Differenzierung nach zertifizierten und nicht zertifizierten Verträgen in der Entscheidung vom 25.10.2006 (BGH FamRZ 2007, 117) belegt, dass die unterhaltsrechtliche Eignung zur Altersversorgung jedenfalls nicht von der Zertifizierung eines privaten Vorsorgevertrages abhängig zu machen ist.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Kommentierung in Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl, § 4 Rn. 872, auf die sich der Antragsteller in erster Instanz berufen hatte. Dort wird ausgeführt, dass bisher nicht geklärt sei, ob es eine Obliegenheit gebe, zweckentsprechende Vorsorgeleistungen in einer steuerbegünstigten Form zu erbringen und die entsprechenden Steuervorteile in Anspruch zu nehmen. Gutdeutsch spricht sich in der Kommentierung dafür aus, eine Obliegenheit anzunehmen, da eine gegenwärtige Steuerentlastung zu einer Verringerung der gegenwärtigen Bedürftigkeit und damit zu einer Entlastung des Unterhaltspflichtigen führe, während anderenfalls der Steuervorteil erst im Versorgungsfall anfällt. Als Rechtsfolge denkt Gutdeutsch über eine Kürzung des Unterhalts wegen mutwilliger Herbeiführung der Bedürftigkeit gemäß § 1579 Nr. 4 BGB im Umfang des nicht wahrgenommenen Steuervorteils nach. Dies betrifft jedoch gerade nicht die unterhaltsrechtliche Ungeeignetheit der Anlageform, sondern vielmehr allenfalls die Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs (so auch OLG Brandenburg FamRZ 2016, 1684) für den Fall, dass eine anderweitige, steuerbegünstigte Anlageform in der Person der konkreten Unterhaltsberechtigten möglich und zumutbar gewesen wäre, was vorliegend nicht zu entscheiden ist, da der Wegfall oder die Kürzung des Altersvorsorgeunterhalts aus Rechtsgründen insoweit nicht in Betracht kommt.
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Neben der gesetzlichen Rentenversicherung und privaten Rentenversicherungsverträgen stehen der unterhaltsberechtigten Antragsgegnerin auch weitere Möglichkeiten der Anlage des Altersvorsorgeunterhalts in zulässiger Weise zur Verfügung (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2010 - 2 UF 63/10 - Rz. 82 - juris - für Einzahlungen auf ein Sparbuch).
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Im Bereich der sekundären Altersvorsorge hat der BGH als zulässige Anlageformen Tilgungsleistungen zur Hausfinanzierung (BGH FamRZ 2005, 1817; 2007, 793; 2012, 956), Riesterrentenverträge (BGH FamRZ 2008, 963), Direktversicherungen (BGH FamRZ 2008, 1793), Zusatzversorgungen, Bausparverträge und Lebensversicherungen (BGH FamRZ 2009, 1207), aber auch Sparvermögen oder ähnliche Kapitalanlagen (BGH FamRZ 2006, 1511; 2015, 1172) anerkannt, welche beispielsweise der Antragsteller in Form von Tagesgeldanlagen bei der und vergleichbaren Anlageformen im Umfang von 792.- EUR monatlich einkommensmindernd bei sich in Anspruch nimmt. Unter sonstige Kapitalanlagen fallen dabei insbesondere fondsbasierte Anlagen, zumal derzeit nahezu ausschließlich solche Anlagen eine nennenswerte Rendite abwerfen, so im Fall der Antragsgegnerin von 2 % p.a.
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Die Ausführungen des BGH zur sekundären Altersvorsorge sind auf den Altersvorsorgeunterhalt zu übertragen, auch hier obliegt es der freien Disposition des Unterhaltsschuldners, auf welche Weise er für sein Alter vorsorgt. Jede Art von langfristiger, der Alterssicherung dienender Geldanlage ist anzuerkennen. Das gilt für den Erwerb von Immobilien, Wertpapieren oder Fondsbeteiligungen ebenso wie für Lebensversicherungen (juris-PK/Viefhues BGB, 8. Aufl. 2017, § 1361 Rn. 149).
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Die Argumentation des Antragstellers in der Beschwerdeerwiderung, eine Übertragbarkeit der Grundsätze komme nicht in Betracht, da die zusätzliche Altersvorsorge des Unterhaltspflichtigen eigennützig, der Altersvorsorgeunterhalt wegen Entlastung des Unterhaltspflichtigen im Rentenfall dagegen fremdnützig sei, greift zu kurz, da auch der Pflichtige im Rentenfall die angesparte Altersvorsorge zweckentsprechend einzusetzen und gegebenenfalls daraus Unterhalt zu bezahlen hat (BGH FamRZ 2013, 203).
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Unabhängig von der weitgehenden Dispositionsbefugnis der Antragsgegnerin ist die Wahl der Anlageform auch bezogen auf die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht zu beanstanden.
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Die gewählten Fonds sind zwar kursabhängig und damit risikobehaftet, haben jedoch bereits im zweiten Anlagejahr eine Rendite von 2 % erbracht. Damit bewegen sie sich im Ertrag aktuell ungefähr im gleichen Bereich wie die gesetzliche Rentenversicherung, welche zwar nicht kursabhängig ist, jedoch einerseits dem Risiko politischer Entscheidungen ausgesetzt ist und andererseits den Nachteil aufweist, dass nach Einzahlung freiwilliger Beiträge das Kapital verbraucht und nicht rückforderbar ist, während es bei der gewählten Anlageform im Alter in Notsituationen zusätzlich zur erzielten Rendite weiterhin der Antragsgegnerin zur Verfügung steht.
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Ob der im Jahr 2014 krebserkrankten Antragsgegnerin der Zugang zu privaten Lebensversicherungen, ob zertifiziert oder nicht, zur Verfügung steht, kann dahingestellt bleiben, da diese jedenfalls angesichts des Alters der Antragsgegnerin von Jahren eine nennenswerte Rendite nicht abwerfen, im Falle von sogenannten Riester-Verträgen sogar zu einer negativen Rendite führen.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.
22 
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Frage zu, ob die Dispositionsbefugnis einer unterhaltsberechtigten Person zur Anlage des Altersvorsorgeunterhalts in gleicher Weise zu beurteilen ist wie bei der Anlage von Beiträgen zu einer sekundären Altersvorsorge, § 70 FamFG.

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