Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 Nc 263/14

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

A

1

Die Beteiligten streiten sich um die Zulassung zum Studium im Fach Psychologie (Bachelor) bei der Antragsgegnerin nach den Rechtsverhältnissen für das Wintersemester 2014/2015.Die Antragsgegnerin hat die Zulassung mit der Begründung verweigert, die in dem Studiengang zu vergebenden Studienplätze seien mit vorrangig zu berücksichtigenden Studienbewerbern besetzt. Die Zahl der zu vergebenden Studienplätze sei in der Satzung der Hochschule über die Zulassungshöchstzahlen für das Wintersemester 2014/2015 vom 9. Juli 2014 geregelt, die auf der Kapazitätsvereinbarung mit der Behörde für Wissenschaft und Forschung für das Jahr 2014 und dem Gesetz zur Regelung der Ausbildungskapazitäten an den staatlichen hamburgischen Hochschulen (Ausbildungskapazitätsgesetz – AKapG) vom 14. März 2014 (HmbGVBl. S. 99) beruhe.

2

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Verpflichtung zur vorläufigen Zulassung zum Studium stattgegeben. Es fehle an einer wirksamen Begrenzung der Aufnahmekapazität für den Studiengang durch oder aufgrund eines Gesetzes. Das Ausbildungskapazitätsgesetz sei hinsichtlich einzelner Fächer an den verfassungsrechtlichen Maßstäben eines absoluten Numerus clausus zu messen und nach diesen Maßstäben verfassungswidrig, weil es nicht sicherstelle, dass die knappen Kapazitäten ausgeschöpft würden und der Gesetzgeber nicht die wesentlichen Vorgaben zur Kapazitätsbestimmung selbst geregelt habe. Es sei aber auch zweifelhaft, ob das Gesetz für andere Studiengänge Bestand haben könne. Denn Art. 12 Abs. 1 GG schütze nicht nur die Berufswahl, sondern auch die freie Wahl der Ausbildungsstätte. Weil das Ausbildungskapazitätsgesetz nicht selbst sicherstelle, wie die Kapazitäten in den einzelnen Studiengängen zu ermitteln sei, fehle es an einer hinreichenden Legitimation des Grundrechtseingriffs. Soweit das Ausbildungskapazitätsgesetz jedenfalls für Fächer mit einem absoluten Numerus clausus den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge, biete es auch keine hinreichende Grundlage für die Kapazitätsvereinbarung. Damit sei die Vereinbarung insgesamt unwirksam, weil sie nicht teilbar sei. Unabhängig von den verfassungsrechtlichen Bedenken genügten weder die Kapazitätsvereinbarung noch die Satzung über die Zulassungshöchstzahlen den gesetzlichen Vorgaben. Da somit keine Kapazitätsbegrenzung durch oder aufgrund eines Gesetzes vorliege, sei die Kapazität nur dadurch begrenzt, dass eine weitere Zulassung von Studienanfängern zu einer Funktionsunfähigkeit der Antragsgegnerin führen würde. Diese Grenze sei erreicht, wenn durch die Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger die Ausbildung unmöglich werde. Dabei gehe das Gericht davon aus, dass eine Überbuchung um 15 % auf die in der Satzung festgesetzte und nach altem Kapazitätsrecht errechnete Anzahl von Studienanfängerplätzen für die Antragsgegnerin vertretbar sei. Da die Zahl der um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchenden Studienbewerber die sich hieraus ergebene Zahl von Studienplätzen übersteige, sei eine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung von Härtefällen, Leistung und Wartezeit zu treffen.

3

Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde macht die Antragsgegnerin u.a. geltend, auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen, wie vorliegend, faktisch die Hauptsache vorweg genommen werde, sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG erforderlich. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass eine Vielzahl von Berufen nach dem Studium in unterschiedlicher Fachrichtung ergriffen werden könne. Durch die Einschränkung des Zugangs zu einem dieser Studienfächer werde der Berufszugang nicht verhindert. Die Zulassungshöchstzahlensatzung sei nach einem poltisch-demokratischen Prozess aufgrund der Kapazitätsvereinbarung erfolgt, die ihrerseits als planerische Entscheidung mit jahrzehntelanger Entwicklungsgeschichte die in § 1 Abs. 1 Satz 1 AKapG genannten Belange berücksichtige. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Kapazitätsgrenze „kurz vor dem Zusammenbruch des Lehrbetriebs“ könne nicht valide ermittelt werden. Sei das Ausbildungskapazitätsgesetz unwirksam, sei zwangsläufig wieder der frühere Rechtszustand und damit die Zulassungsgrenze auf der Grundlage der KapVO zugrunde zu legen. Damit sei auch die Lehrkapazität voll ausgeschöpft und die Grenze der Funktionsunfähigkeit erreicht.

4

Durch die Aufnahme von weiteren 16 Antragstellern im Bachelor- und 12 im Masterstudiengang sowie zwei weiteren im Nebenfach Psychologie Studierenden sei das Betreuungsverhältnis im Studienfach Psychologie, das schon deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liege, nochmals verschlechtert. Aufgrund des didaktischen Lehrkonzepts sei die Teilnehmerzahl in einzelnen Lehrveranstaltungen insbesondere im Bereich der Patientenseminare – auch räumlich - beschränkt. Zusätzliche Lehrkapazität und Räumlichkeiten stünden nicht zur Verfügung. Die zusätzlich aufgenommenen Studenten hätten daher ihr Studium nicht ordnungsgemäß aufnehmen können. Eine Umorganisation von Personalkapazitäten aus anderen Lehreinheiten sei wegen mangelnder Fachnähe nicht möglich, auch wenn andere Studiengänge der Antragsgegnerin nicht ausgelastet seien. Zusätzliche finanzielle Mittel zur Finanzierung weiterer Plätze stünden nicht zur Verfügung. Die der Lehreinheit Psychologie zugewiesenen Räume und Sachmittel seien nachhaltig ausgelastet, eine beliebige Umorganisation anderer Lehreinheiten mit Unterauslastung sei nicht möglich.

B

5

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, der auch für Beschwerdeverfahren gilt, in denen Antragsteller die vorläufige Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität erstreben, prüft das Beschwerdegericht zunächst nur die fristgemäß dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung nach Auffassung des jeweiligen Beschwerdeführers zu ändern oder aufzuheben ist. Ergibt diese Prüfung, dass das Beschwerdevorbringen die Begründung des Verwaltungsgerichts in erheblicher Weise erschüttert, indem es – im vorliegenden Fall einer Beschwerde der Hochschule – darlegt, dass aufgrund fehlerhafter Annahmen des Verwaltungsgerichts weniger Studienplätze zur Verfügung stehen als von diesem angenommen und deshalb zumindest in einem Fall die Verpflichtung zur vorläufigen Zuweisung eines Studienplatzes zu Unrecht erfolgt ist, prüft das Beschwerdegericht wie ein erstinstanzliches Gericht, ob der geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium besteht (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5.2.2013, 3 Nc 228/12, juris Rn. 8 m.w.N.).

6

Die mit der Beschwerde vorgetragenen Argumente der Antragsgegnerin erschüttern die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts (I.). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg (II.).

I.

7

Es kann dahinstehen, ob die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle an einer wirksamen Begrenzung der Aufnahmekapazität für den Studiengang durch oder aufgrund eines Gesetzes, ausreichen, um die Richtigkeit der Annahme hinreichend in Zweifel zu ziehen. Denn jedenfalls hat die Antragsgegnerin die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine 15%-ige Überbuchung auf die in der Satzung festgesetzte und nach altem Kapazitätsrecht errechnete Anzahl von Studienanfängerplätzen müsse für die Antragsgegnerin in jedem Studiengang vertretbar sein, damit ernsthaft in Zweifel gezogen, dass sie ausführt, die vom Verwaltungsgericht angenommene Kapazitätsgrenze „kurz vor dem Zusammenbruch des Lehrbetriebs“ könne nicht valide (und auch nicht mit der Grenze von 15 %-iger Überbuchung) ermittelt werden.

II.

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Die damit uneingeschränkt zu prüfende Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin mit Recht zur Zulassung weiterer Studienbewerber über die festgesetzte Zulassungshöchstzahl hinaus (und nicht zur vorläufigen Immatrikulation) verpflichtet (1.). Bei dem im Rahmen des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens von Studienplatzbewerbern anzulegenden Maßstab (2.) stellt sich sowohl die auf dem AKapG beruhende Satzung über die Zulassungshöchstzahlen als auch die zugrundeliegende Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Behörde für Wissenschaft und Forschung als nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dar (3.). Fehlt es somit an einer auf gesetzlicher Regelung beruhenden Zulassungshöchstzahl, hat die Antragsgegnerin Studienbewerber bis zur Grenze der Funktionsunfähigkeit zuzulassen. Die Antragsgegnerin hat nicht in dem erforderlichen Maße detailliert und nachvollziehbar begründet, dass und weshalb infolge der Zulassung der Studienplatzbewerber, die um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen, die Funktionsfähigkeit ihres Lehr-, Lern- und Forschungsbetriebs in dem hier streitgegenständlichen Studiengang ausgeschlossen sein werde (4.). Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Interessenabwägung überwiegt daher das Interesse der Studienbewerber an der Zulassung gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an einer geringeren Zahl von Studenten (5.).

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1. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Studienplatzbewerber nach § 36 Abs. 1 HmbHG einen Anspruch auf Immatrikulation besitzen, wenn sie über die erforderliche Hochschulzugangsberechtigung verfügen und kein Versagungsgrund vorliegt. Da sich die Beteiligten aber lediglich darüber streiten, ob die Zulassung zum Studium mit Recht abgelehnt worden ist und die Antragsgegnerin zur vorläufigen Zulassung zum Studium verpflichtet ist, ist Gegenstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zutreffend die (vorläufige) Zulassung zum Studium, nicht aber die (vorläufige) Immatrikulation, die – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen -, von der Antragsgegnerin nach Zulassung unstreitig zu erfolgen hat. Den Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium hat das Verwaltungsgericht mit Recht bejaht.

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2. Die Gerichte haben in Streitigkeiten, in denen es um die vorläufige Zulassung zum Studium geht, die Sach- und Rechtslage eingehend zu prüfen. Gerade in Fällen, in denen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu einer erheblichen Ausbildungsverzögerung führt, sind besondere Erfordernisse an die Effektivität des Rechtsschutzes zu stellen. Besondere verfassungsrechtliche Bedeutung kommt dem Rechtsschutzbegehren zu, weil die Begrenzung von Studienplätzen auf der Grundlage einer Numerus-Clausus-Regelung für das Studium einer bestimmten Fachrichtung einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Effektiver Rechtsschutz in Hochschulzulassungsverfahren gebietet, dass dem Studienbewerber eine reelle Chance auf eine möglichst zeitnahe Zuteilung eines Studienplatzes eröffnet wird, soweit vorhandene Kapazitäten noch ungenutzt geblieben sind. Da eine Entscheidung in der Hauptsache für den Studienbewerber aufgrund der Dauer eines Verfahrens über drei Instanzen im Regelfall schwere Nachteile mit sich bringt, bedeutet dies, dass dem Bewerber diese Chance schon im Eilverfahren eröffnet sein muss (BVerfG, Beschl. v. 31.03.2004,1 BvR 356/04, NVwZ 2004, 1112 m.w.N.). Im Streit ist hier lediglich die Verpflichtung auf vorläufige Zulassung zum Studium. Art. 100 Abs. 1 GG hindert daher nicht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, auch wenn das Gericht im Rahmen des Eilverfahrens die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig hält (BVerfG, Beschl. v. 24.6.1992, 1 BvR 1028/91, BVerfGE 86, 382). Die endgültige Zulassung zum Studium ist der Entscheidung der Hauptsache vorbehalten, im Rahmen derer eine Vorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG ggfls. zu erfolgen hat.

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3. Sowohl die auf dem AKapG beruhende Satzung über die Zulassungshöchstzahlen (d) als auch die zugrundeliegende Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Behörde für Wissenschaft und Forschung (c) stellen sich als nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Denn der mit dem AKapG vorgesehene Eingriff in das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs entbehrt sowohl hinsichtlich der Einschränkung der Möglichkeit, Hamburg als Studienort zu wählen (b) als auch hinsichtlich des auf dem AKapG fußenden und die Berufswahl objektiv beschränkenden absoluten Numerus clausus zumindest für das hier streitige Studienfach (a) hinreichend bestimmter Regelung der Einschränkung durch nachvollziehbare und überprüfbare gesetzliche Vorgaben zur Bestimmung der Zulassungshöchstzahlen für den Studiengang. Solche Regelungen sind auch nicht in dem Gesetz zur Unterstützung der Einführung eines neuen Kapazitätsrechts und zur Bereitstellung vergleichender Daten in der Übergangszeit vom 14. März 2014 (Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Kapazitätsrechts, HmbGVBl. S. 100) für das Wintersemester 2014/2015 vorhanden (e).

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a) Der Studiengang, zu dem vorläufige Zulassung begehrt wird, stellt sich nach den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes möglichen tatsächlichen und rechtlichen Erkenntnissen als solcher dar, für den die Zulassung im gesamten Bundesgebiet an öffentlichen Hochschulen mit Präsenz beschränkt ist (aa). Als Maßstab für die Vereinbarkeit der Zulassungsbeschränkung in Hamburg mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ist daher die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den sog. „harten“ NC-Fächern (Humanmedizin, Zahnmedizin) heranzuziehen (bb). Bei Anwendung dieses Maßstabes ist der aufgrund der Vorschriften des AKapG vorgesehene Eingriff in die Berufswahlfreiheit nicht mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu vereinbaren (cc).

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aa) Die Antragsgegnerin hat nicht vorgetragen, ein dem hier streitigen Studiengang vergleichbares Studium könne auch an anderen Hochschulen aufgenommen werden, an denen hierfür keine Zulassungsbeschränkungen bestünden. Sowohl die Vergleichbarkeit der Studiengänge anderenorts plausibel darzulegen als auch den zulassungsfreien Zugang zu einem vergleichbaren Studiengang durch eine Auskunft der jeweiligen Hochschule glaubhaft zu machen, obliegt der Antragsgegnerin, weil sie sich auf diese für sie günstigen Tatsachen beruft, für die sie im Zweifel beweisbelastet ist und es im Eilverfahren angesichts der damit verbundenen Zeitdauer nicht Aufgabe des Gerichts ist, Ermittlungen zu den nicht zweifelsfreien Behauptungen der Antragsgegnerin, für die sie die größere Sachnähe und Fachkompetenz besitzt, vorzunehmen. Bei dem Vergleich der Studiengänge darauf abzustellen, welche Berufe nach deren erfolgreichem Abschluss ergriffen werden können, ist nicht angebracht. Art. 12 Abs. 1 GG berechtigt auch zur freien Wahl der Ausbildungsstätte und damit zur Wahl eines in Form eines Studienganges konkretisierten Ausbildungsweges. Darüber hinaus sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Berufsbilder in der Abgrenzung zu unscharf, als dass sich daraus belastbare, insbesondere hinreichend bestimmte Kriterien für die Vergleichbarkeit gewinnen ließen.

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bb) Es bedarf keiner weiteren Untersuchung und Aufklärung, ob der hier streitige Studiengang deshalb bundesweit nicht ohne vorherige Zulassung aufgenommen werden kann, weil das Studium in allen vergleichbaren Studiengängen anderenorts ebenfalls erst nach vorheriger Zulassung möglich ist oder weil der hier streitige Studiengang derartige Besonderheiten aufweist, dass vergleichbare (Präsenz-) Studiengänge an anderen staatlichen Hochschulen im Bundesgebiet nicht angeboten werden. Denn in beiden Fällen wird für die Aufnahme des Studiums in dem angestrebten Studiengang nicht nur die Wahl einer bestimmten Hochschule erschwert, sondern es besteht ein absoluter Numerus clausus für Studienanfänger in dieser konkreten Fachrichtung. Für die Vereinbarkeit der Zulassungsbeschränkung in Hamburg mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ist daher die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum absoluten Numerus clausus (z.B. Urt. v. 18.7.1972, 1 BvL 32/70 und 25/71, BVerfGE 33, 303; Beschl. v. 22.10.1991, 1 BvR 393/85, 610/85, BVerfGE 85, 36) heranzuziehen. Danach gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Inanspruchnahme dieses Rechts hängt von tatsächlichen Voraussetzungen ab, deren Fehlen das Recht wertlos machen kann. Schafft der Staat mit öffentlichen Mitteln Ausbildungseinrichtungen, so muss er auch den freien und gleichen Zugang zu ihnen gewährleisten. Deshalb ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgrundsatz für jeden Bürger, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl. Zulassungsbeschränkungen sind nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und sind nur dann verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes - Funktionsfähigkeit der Hochschulen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium - und nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden. Um allen Studienbewerbern gleiche Zugangschancen zu gewährleisten, sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG objektivierte und nachprüfbare Kriterien für die Kapazitätsermittlung in normativer Form durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erforderlich. Aus dem Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung lassen sich allerdings keine konkreten Berechnungsgrundsätze ableiten, die als allein zutreffend gelten könnten. Vielmehr geht es um die Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen. Das Zugangsrecht der Studienbewerber muss abgestimmt werden mit der grundrechtlich gewährleisteten Forschungs- und Lehrfreiheit der Hochschullehrer (Art. 5 Abs. 3 GG) und mit den Ausbildungsbedürfnissen der bereits zugelassenen Studenten. Die dazu erforderliche Konkretisierung ist zwar mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsfreiraum des Normgebers verbunden, sie muss aber den Bedingungen rationaler Abwägung genügen. Der Normgeber muss von Annahmen ausgehen, die dem aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen und eine etwaige Kapazitätsbeschränkung auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzen. Insoweit ist eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle unentbehrlich. Sie setzt voraus, dass die Annahmen und Wertungen des Normgebers, die seine Wertungen bestimmt haben, im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit offen gelegt werden.

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cc) Bei Anwendung dieses Maßstabes ist der aufgrund der Vorschriften des AKapG vorgesehene Eingriff in die Berufswahlfreiheit nicht mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu vereinbaren. Es ist nicht erkennbar, dass die Beschränkung des Hochschulzugangs zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter erfolgt (1) und sich auf das unbedingt erforderliche Maß des Eingriffes beschränkt (2). Ein Gebot, die Ausbildungskapazität der mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Hochschulen erschöpfend zu nutzen, ist dem Gesetz weder zu entnehmen (3) noch ergeben sich daraus nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien und Regeln für die Ermittlung der Zahl der zuzulassenden Studienanfänger des konkreten Studienganges (4).

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(1) Das AKapG geht, wie auch seine Begründung (Bü-Drs. 20/9095, S. 3/4), davon aus, dass das Gesetz durch seine Begrenzung auf Studiengänge, die nicht dem zentralen Vergabeverfahren nach dem Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 8. März 2008 bis 5. Juni 2008 (HmbGVBl. 2009 S. 37) unterliegen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AKapG), nur lokale Zulassungsbeschränkungen betreffe. Damit sei ein Grundrechtseingriff in die Wahl der Ausbildungsstätte (Studienortwahl) gerechtfertigt, wenn er durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls legitimiert sei. Die Sicherstellung qualitativ hochwertiger Studienbedingungen, die gut ausgebildete Absolventen und eine hohe Studienerfolgsquote gewährleiste, sei eine solche Gemeinwohlerwägung. Dem entsprechend definiert § 1 Abs. 1 Satz 1 AKapG diese Ziele und ergänzt sie um das Ziel, den Hochschulen Gestaltungsraum für autonome Schwerpunktsetzungen in der Lehre wie in der Profilierung der Studienangebote einzuräumen. Damit ist nicht das überragende Gemeinschaftsgut der Funktionsfähigkeit der Hochschulen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium gekennzeichnet. An die Stelle der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Hochschule treten Profilierung von Studienangeboten, autonome Schwerpunktsetzung in der Lehre sowie hochwertige Studienbedingungen.

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(2) Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass es sich auf das unbedingt erforderliche Maß des Eingriffes in die Rechte der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs beschränkt. Die Nachfrage nach Studienplätzen bedarf nach den definierten Zielen des Gesetzes (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AKapG) lediglich einer „angemessenen“ Befriedigung. Die Nachrangigkeit der Rechte der Studienbewerber kommt nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass ihre Nachfrage nur in angemessenem Umfang befriedigt werden soll, sondern auch dadurch, dass sie lediglich als letztes der gesetzlichen Ziele benannt werden. Außerdem wird die Zahl der Studienplätze nach der Intention des Gesetzes nicht nur im Wesentlichen im Vereinbarungswege zwischen der für das Hochschulwesen zuständigen Behörde und der Hochschule bzw. Fakultät festgesetzt, sondern die Begründung des Gesetzentwurfes sieht darin auch eine Planungsentscheidung, an der die Studienbewerber in keiner Weise beteiligt sind und die gerichtlich nur bei groben Verfahrens- oder Abwägungsfehlern beanstandet werden könne (Bü-Drs. 20/9095, S. 5). Das ohnehin nur auf „angemessene Befriedigung“ der Nachfrage nach Studienplätzen gerichtete gesetzliche Ziel ist bei der Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 AKapG lediglich abzuwägen. Zwar sollen ausweislich der Begründung (Bü Drs. 20/9095, S. 15) nach wie vor möglichst viele Studienbewerberinnen und -bewerber einen Studienplatz erhalten. Dies gilt allerdings nur im Rahmen der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AKapG gestalteten Studienbedingungen und der von der Hochschule vorgenommenen Schwerpunktsetzung und Profilierung. Angesichts der vorrangig genannten Ziele des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AKapG ist daraus schwerlich zu erkennen, nach welchen konkreten Vorgaben der Eingriff in die Rechte der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu beschränken ist, geschweige denn, dass und wie er auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden soll.

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(3) Ein Gebot, die Ausbildungskapazität der mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Hochschulen erschöpfend zu nutzen, ist in dem Gesetz nicht geregelt. Der Begründung zum Gesetzentwurf lässt sich entnehmen (Bü-Drs. 20/9095, S. 15), dass ein solches Gebot auch nicht intendiert ist. Im Rahmen der Abwägung der hochschulpolitischen Ziele gemäß § 2 Abs. 3 AKapG, wie sie in § 1 Abs. 1 Satz 1 AKapG vorgegeben sind, ist die Zahl der Studienplätze, wie vorstehend dargestellt, nur von tertiärer Bedeutung.

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Auch hinsichtlich der mit Mitteln Dritter finanzierten Studienplätze ist das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht berücksichtigt. Der in § 1 Abs. 2 AKapG angeordnete Ausschluss von der Anwendung des Gesetzes auf Studienplätze, die aus Mitteln Dritter oder im Rahmen von besonderen Programmen gemeinsam mit Dritten finanziert werden, betrifft zumindest auch Studienplätze, die aus staatlichen Mitteln ganz oder teilweise finanziert werden. Sie werden nach § 2 Satz 2 des Hochschulzulassungsgesetzes vom 28. Dezember 2004 i.d.F. des Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Kapazitätsrechts vom 14. März 2014 (HmbGVBl. 99) vom Präsidium der Hochschule lediglich entsprechend den jeweiligen Vorgaben oder Vereinbarungen gesondert festgelegt. Eine Ausschöpfung der damit geschaffenen Kapazität ist nicht vorgeschrieben.

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(4) Nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien und Regeln für die Ermittlung der Zahl der zuzulassenden Studienanfänger des konkreten Studienganges ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Das gilt nicht nur für die ohne jede konkrete gesetzliche Vorgabe erfolgende Festlegung von Studienplätzen, die aus Mitteln Dritter oder im Rahmen von besonderen Programmen gemeinsam mit Dritten finanziert werden (§ 2 Satz 2 Hochschulzulassungsgesetz). Das gilt ebenso für die Regelungen, die das AKapG selbst enthält. Bei der Vereinbarung der Aufnahmekapazität zwischen Behörde und Hochschule bzw. Fakultät sind „insbesondere“ die in § 1 Abs. 1 Satz 1 AKapG genannten Ziele abzuwägen. Diese Ziele sind ihrerseits ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe ohne Anhalt für Art, Ziel oder Methode ihrer Ausfüllung, deren Gehalt auch nicht durch langjährige Rechtsprechung konkretisiert ist. Welche Kriterien Studienbedingungen erfüllen müssen, um als „qualitativ hochwertige“ bezeichnet werden zu können ist ebenso unklar wie die Frage, was unter einem hohen Ausbildungsniveau und gutem Studienerfolg zu verstehen ist. Auch ein „Gestaltungsraum für autonome Schwerpunktsetzungen in der Lehre wie in der Profilierung der Studienangebote“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AKapG) lässt nach seinem Wortlaut und der erkennbaren Intention, der Hochschule keine Vorgaben zu machen, keinerlei konkrete gesetzgeberische Vorgaben für die Ausfüllung dieser Ziele erkennen. Schließlich gibt der Gesetzgeber mit der Vorgabe, die Nachfrage nach Studienplätzen „angemessen“ zu befriedigen, den Vertragsparteien des § 2 Abs. 1 Satz 1 AKapG keinerlei Kriterien an die Hand, was angemessen ist. Auch aus der Gesetzbegründung (Bü-Drs. 20/9095, S. 15) lässt sich wenig Konkretes und Nachvollziehbares herausarbeiten. Dort wird ausgeführt:

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„Die Studienbedingungen an den hamburgischen Hochschulen sollen – wo erforderlich – verbessert werden. Dies drückt sich insbesondere in einer verbesserten Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden aus. Eine Kennzahl ist insoweit der – z.B. in Semesterwochenstunden quantifizierbare – Lehraufwand für einzelne Studierende, wobei für die Qualität insbesondere auch der Anteil der professoralen Lehre maßgeblich ist. Die Lehre soll didaktisch hochwertig sein und den fachlichen Anforderungen sowie den Bedürfnissen der Studierenden Rechnung tragen, so dass möglichst viele Studierende ihr Studium erfolgreich abschließen können und eine qualitätsvolle Grundlage für die berufliche Entwicklung erhalten. Neben der Betreuungsrelation sind hierfür auch der Anteil der professoralen Lehre an der Gesamtlehrleistung der verschiedenen Bereiche sowie die fachspezifischen Betreuungsbedarfe von Bedeutung.“

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Wann eine Verbesserung der Studienbedingungen erforderlich ist, wird daraus nicht deutlich. Erkennbar geht der Entwurf zwar davon aus, dass für die Verbesserung der Studienbedingungen die Betreuungsrelation und auch der Anteil der professoralen Lehre an der Gesamtlehrleistung der verschiedenen Bereiche sowie die fachspezifischen Betreuungsbedarfe von Bedeutung sind und die Lehre didaktisch hochwertig sein und den fachlichen Anforderungen sowie den Bedürfnissen der Studierenden Rechnung tragen soll. Anhand welcher Kriterien diese Zielvorgaben allerdings konkret bestimmt werden sollen, wie und wo zusätzlicher Lehraufwand zur Verbesserung der Studienbedingungen führt und wie didaktisch hochwertige und fachlichen Anforderungen Rechnung tragende Lehre zu ermitteln ist, bleibt damit ungeregelt und den Vereinbarungen von Behörde und Hochschule überlassen. Ob die Vereinbarungen damit den gesetzlichen Anforderungen genügen, lässt sich daher mangels hinreichender gesetzlicher Vorgaben weder nachvollziehen noch gerichtlich überprüfen.

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b) Unabhängig davon entbehrt der mit dem AKapG vorgesehene Eingriff in das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte hinsichtlich der Einschränkung der Möglichkeit, Hamburg als Studienort zu wählen der gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". Ob und inwieweit dies Regelungen des parlamentarischen Gesetzgebers erfordert, richtet sich allgemein nach der Intensität, mit der die Grundrechte des Regelungsadressaten durch die jeweilige Maßnahme betroffen sind (BVerfG, Urt. v. 14.7.1998, 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218, 251 m.w.N.).

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In Bezug auf das Grundrecht der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG führt der Eingriff angesichts der zeitkritischen Komponente der Studienortswahl regelmäßig zu einer massiven Behinderung der Ausübung, teilweise sogar zu einer endgültigen Verhinderung der Möglichkeit das Grundrecht wahrzunehmen. Diese Intensität des Grundrechtseingriffes gebietet es, dass der Gesetzgeber das Grundrecht des Studienbewerbers auf freien Zugang zu dem Studiengang mit der in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Forschungs- und Lehrfreiheit der Hochschullehrer und dem ebenfalls auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG beruhenden Recht der bereits Studierenden auf die Möglichkeit zur erfolgreichen Durchführung des Studiums selbst abwägt. Etwa erforderliche Konkretisierungen kann der Gesetzgeber zwar auf untergesetzliche Normgeber übertragen, die Maßstäbe und Kriterien hierfür muss er jedoch selbst vorgeben. Daran fehlt es vorliegend, wie oben gezeigt.

25

Das mit dem AKapG vorgesehene „Vereinbarungsmodell“, bei dem Umfang und Intensität des Eingriffes in das Grundrecht auf freie Ausbildungsstättenwahl der Studienbewerber von den jeweils getroffenen Vereinbarungen zwischen Behörde und Hochschule/Fakultät abhängen, ohne dass der Gesetzgeber konkrete, nachprüfbare Kriterien vorgibt, ist mit den oben dargestellten Anforderungen an den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen zu einem solchen Grundrechtseingriff selbst zu treffen, nicht vereinbar. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht angesichts der „Beteiligung“ der Bürgerschaft gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AKapG. Danach sind die nach § 2 AKapG geschlossenen Vereinbarungen der Bürgerschaft zur Kenntnisnahme vorzulegen, sie stehen unter dem Vorbehalt, dass die Bürgerschaft den der Vereinbarung zugrundeliegenden Betrag der Globalzuweisung (§ 6 Abs. 1 HmbHG) mit dem Haushaltsbeschluss feststellt. Die Gesamtzahl der Studienanfängerplätze ist als Kennzahl in den Haushaltsplan aufzunehmen. Die Einfluss- und Kontrollmöglichkeit der Bürgerschaft geht damit kaum über das in Art. 66 Abs. 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) statuierte Budgetrecht und die in § 6 Abs. 1 HmbHG ohnehin vorgeschriebene Globalzuweisung der den Hochschulen für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung zu stellenden Mittel hinaus. Eine Kontrolle der Vereinbarungen durch die Bürgerschaft ist damit ebenso wenig statuiert wie auch nur möglich. Als Kennzahlen in den Haushaltsplan aufgenommen werden ohnehin nur die Gesamtzahlen der Studienanfängerplätze der jeweiligen Hochschulen, nicht aber die konkret die freie Studienortwahl beschneidende Zulassungshöchstzahlen für die einzelnen Studienfächer, die von dem Präsidium der jeweiligen Hochschule festgesetzt werden (§ 3 AKapG).

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c) Stellt das AKapG nach alledem nicht wie geboten, die wesentlichen und konkreten Kriterien für einen Eingriff in die Freiheit der Berufs- und Ausbildungsstättenwahl der Studienbewerber auf, setzt sich dieser Mangel in der Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Behörde für Wissenschaft und Forschung nach § 2 AKapG fort. Selbst wenn sie gesetzeskonform geschlossen und begründet worden sein sollte, fehlt es ihr an der hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für die damit verbundenen Zulassungsbeschränkungen. Daher kann es dahinstehen, ob den gesetzlichen Anforderungen mit der Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AKapG genügt ist.

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d) Die Satzung über die Zulassungshöchstzahlen für den hier streitigen Studiengang beruht auf § 3 AKapG sowie der Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 AKapG. Diese Grundlagen stellen ihrerseits weder eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einschränkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs dar noch lassen sie sich von einer solchen ableiten. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist die Satzung über die Zulassungshöchstzahlen daher als nichtig zu betrachten. Der Einholung einer Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts hierzu ist in Art. 64 Abs. 2 HV nicht vorgesehen.

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e) Das Gesetz zur Unterstützung der Einführung eines neuen Kapazitätsrechts und zur Bereitstellung vergleichender Daten in der Übergangszeit (Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Kapazitätsrechts vom 14.3.2014, HmbGVBl. S. 99) enthält keine nachvollziehbaren und überprüfbaren gesetzlichen Vorgaben zur Bestimmung der Zulassungshöchstzahlen für eine Übergangszeit. Zwar müssen die Hochschulen nach Absatz 1 dieses Gesetzes bis zum Wintersemester 2015/2016 ergänzend zu den Vereinbarungen nach § 2 AKapG der für das Hochschulwesen zuständigen Behörde in entsprechender Anwendung von § 4 KapVO Kapazitätsberichte vorlegen. Auch muss nach Abs. 2 des Gesetzes für die Übergangszeit in den Vereinbarungen gemäß § 2 Abs. 1 AKapG die Bandbreite des Curricularwertes angegeben werden, und ist mit den Beschlüssen der Präsidien über die Zulassungshöchstzahlen gemäß § 3 AKapG für jeden Studiengang die je Studierender beziehungsweise Studierendem einzusetzende Lehrleistung (Curricularwert) festzulegen. Ob und wie diese Daten in die Vereinbarungen und Entscheidungen über die Zulassungshöchstzahlen nach dem AKapG einzustellen sind und anhand welcher Kriterien der Curricularwert ermittelt wird, ist nicht geregelt. Die Anwendung der KapVO ist nur für die Erstellung der Kapazitätsberichte vorgesehen. Anderer als ein nachrichtlicher Charakter ist den Kapazitätsberichten damit nicht beigemessen.

29

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die auf der Grundlage des AKapG erfolgten Zulassungsbeschränkungen sich als nicht mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbarer Eingriff in das Recht der Studienbewerber auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs erweisen. Denn selbst wenn sich im Hauptsacheverfahren die Verfassungswidrigkeit des gesamten Ausbildungskapazitätsgesetzes erweisen sollte, ist damit nicht die Verfassungswidrigkeit der Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes und der Kapazitätsverordnung durch Art. 4 und Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Kapazitätsrechts festgestellt. Eine Rückkehr zur Regelung der Zulassungshöchstzahlen auf der Grundlage des bisherigen Rechts ergibt sich daher nicht aus der Annahme der teilweisen oder gesamten Verfassungswidrigkeit des Ausbildungskapazitätsgesetzes, sondern bedarf angesichts der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die im Kapazitätsrecht möglich sind, eines ausdrücklichen Tätigwerdens des Gesetzgebers.

30

4. Ist nach dem oben Ausgeführten davon auszugehen, dass die Zulassung zum Studium nicht wirksam beschränkt ist, kommt eine Versagung der Zulassung nur dann in Betracht, wenn durch die Aufnahme weiterer Studienbewerber die Funktionsunfähigkeit in diesem Studiengang eintritt. Hierzu zählt u.a. eine Unmöglichkeit der Ausbildung. Eine solche ergibt sich allein aus der Überschreitung der durch das Berechnungssystem der Kapazitätsverordnung gebildeten Grenze aber noch nicht (OVG Hamburg, Beschl. v. 29.3.2000, 3 Nc 1/00, juris). Auch wird die Grenze nicht durch das Maß zulässiger Überbuchung nach § 5 Abs. 2 Satz 4 der Universitäts-Zulassungssatzung (v. 15. u. 17.7.2013, Amtl. Anz. S. 1181) bestimmt, da dieses Instrument nicht zur Ausschöpfung der Kapazitäten bis zur Grenze der Funktionsunfähigkeit dient, sondern darauf abzielt, dass eine rechtswirksam festgesetzte Zulassungszahl erreicht wird (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 3.6.2014, 3 Nc 122/13, juris Rn. 9). Maßgeblich für die Funktionsunfähigkeit sind allein die tatsächlichen Verhältnisse.

31

Die Antragsgegnerin hat nicht in dem erforderlichen Maße detailliert und nachvollziehbar begründet, dass und weshalb infolge der Zulassung der Studienplatzbewerber, die um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht haben, die Funktionsfähigkeit ihres Lehr-, Lern- und Forschungsbetriebs in dem hier streitgegenständlichen Studiengang ausgeschlossen ist.

32

a) Soweit die Antragsgegnerin meint, es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Hochschule verpflichtet sein solle, die Qualität ihrer Ausbildung letztlich zu Lasten der Studierenden unter ein Niveau senken zu müssen, das nach einhelliger Auffassung auch bei harten NC-Fächern dem Kapazitätserschöpfungsgebot genüge, ist darauf hinzuweisen, dass die Grenze der Funktionsunfähigkeit nicht identisch ist mit einer sich am Kapazitätserschöpfungsgebot orientierenden, die Wertungsspielräume durch hinreichend bestimmte (und nachvollziehbare) Kriterien ausfüllenden gesetzlichen Kapazitätsgrenze.

33

b) Von einer „Sanktionierung“ der Universität durch das Verwaltungsgericht kann mithin keine Rede sein. Dessen richterliche Rechtsschöpfung eines „Sicherheitszuschlages“ bei der Ermittlung der Kapazitätsgrenze stellt eine tatsächliche Schätzung zugunsten der Universität dahingehend dar, dass bei Überschreitung dieses „Sicherheitszuschlages“ bei der Antragsgegnerin Funktionsunfähigkeit hinsichtlich des Studiums in diesem Studienfach angenommen wird. Es ist dabei davon ausgegangen, dass in den Vorsemestern teilweise deutlich mehr Studienbewerber zu dem Studienfach zugelassen worden seien, als dies nach der Zulassungshöchstzahl vorgesehen sei. Die Antragsgegnerin hat auf die Nachfrage des Beschwerdegerichts nicht plausibel und nachvollziehbar dargetan, dass diese Umstände unzutreffend sind.

34

c) Wenn die Antragsgegnerin darauf verweist, dass die Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V. (einer Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologen und Psychologinnen) einen CNW-Wert zwischen mindestens 2,5 und idealer Weise 3,8 empfehle, verkennt sie, dass es bei der Feststellung der Grenze der Funktionsunfähigkeit der Lehre nicht um Empfehlungen einer Interessenvertretung für die Ausbildung geht, sondern darum, ob die Ausbildung durch die Anzahl der Studenten unmöglich wird. Die Gewährleistung von „… hochwertige(r) Ausbildung mit intensiver Kleingruppen- und Individualbetreuung“ ist hierfür nicht der geeignete Maßstab.

35

d) Auch das Argument, die zusätzliche Aufnahme weiterer Studenten zum Wintersemester sei nicht möglich gewesen, weil die Seminare, insbesondere im Masterstudiengang, vollständig belegt gewesen seien, verkennt, dass die Funktionsunfähigkeit der Lehre in dem Studiengang nicht davon abhängt, ob und wie die Teilnehmerzahl von Seminaren von der Universität oder den Lehrenden begrenzt wird. Erst wenn plausibel und nachvollziehbar dargelegt ist, dass und weshalb Lehrveranstaltungen trotz Ausschöpfung aller sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten wegen der Zahl der Teilnehmer keinen Lerneffekt mehr zu bewirken vermögen, kann davon ausgegangen werden, dass hier Lehre unmöglich geworden ist. Gleiches gilt, wenn nachvollziehbar und plausibel dargelegt wird, dass für das Studium notwendige Sachmittel (insbesondere Praktikumsplätze) erschöpft sind und durch Umschichtung und Umorganisation anderweitig freier Ressourcen der Universität nicht für weitere Studienplätze herangezogen werden können. Die Befürchtung, Seminare und Übungen würden zu Vorlesungen und eine aktive und eigenständige Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten sei nicht mehr möglich, ist lediglich eine pauschale, nicht nachvollziehbare und nicht plausibilisierte Behauptung. Weshalb Patientenseminare und Demonstrationen nicht mittels technischer Hilfsmittel (z.B. Videodemonstration) einem größeren Kreis von Studenten zugänglich gemacht werden können, ist ebenso wenig dargelegt wie ein Grund dafür, weshalb eine begrenzte Teilnehmerzahl in den Wahlpflichtmodulen Klinische Psychologie zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieser Lehrveranstaltungen erforderlich ist. Auch ist nicht erkennbar, weshalb die Zulassung weiterer Studienbewerber von einer möglicherweise begrenzten Aufnahmekapazität in einem Wahlpflichtbereich abhängen soll, wenn die Ausbildung auch in anderen Wahlpflichtbereichen möglich ist. Wenn der Wunsch einer Mehrzahl der Studenten, eine anschließende zusätzliche Ausbildung zum Psychotherapeuten aufnehmen zu können, erschwert wird, wird dadurch die Lehre im Studienfach Psychologie nicht insgesamt unmöglich.

36

e) Wenn die Antragsgegnerin von einer Limitierung der Studienplätze durch fixierte Lehrnachfrage spricht und anführt, hinsichtlich der behaupteten Studienordnungen und Studienpläne stehe ihr ein sich aus Art. 5 Abs. 3 GG ergebendes Bewertungs- und Einschätzungsvorrecht zu, so verkennt sie, dass Studienordnungen und Studienpläne allenfalls als Satzungsrecht der Antragsgegnerin keine hinreichende gesetzliche oder von einem Gesetz abgeleitete Ermächtigung geben, in das Grundrecht der der Satzungsgewalt der Antragsgegnerin (noch) nicht unterworfenen Studienbewerber auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs durch Nichtzulassung vernichtend einzugreifen. Hierzu bedarf es, wie oben ausgeführt, einer gesetzlichen Regelung, die einen Ausgleich der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG herbeiführt. Ein Bewertungs- und Einschätzungsvorrecht steht der Antragsgegnerin insoweit nicht zu.

37

f) Wenn die Antragsgegnerin ausführt, die Kosten für zusätzliche Lehre aufgrund der Verpflichtung zur Zulassung weiterer Studienbewerber zum Studium seien nicht aufzubringen, fehlt die vom Beschwerdesenat erbetene Stellungnahme dazu, es möge auch strukturiert und plausibel glaubhaft gemacht werden, dass in anderen Studiengängen der Hochschule keine Ressourcen zur Verfügung stehen, die dem hier in Rede stehenden Studiengang zur Verfügung gestellt werden können. Angesichts der Hinweise auf die teilweise nicht genutzten Ausbildungsressourcen in anderen Studienfächern, liegt die Möglichkeit der Umschichtung von dort nicht benötigten Mitteln nicht fern.

38

Die geäußerten Bedenken, wissenschaftliches Personal könne in der Regel nicht kurzfristig akquiriert und eingearbeitet werden, überzeugen angesichts der vielfach genutzten Möglichkeit zur Vergabe von Lehraufträgen nicht.

39

g) Schließlich reicht der bloße Hinweis der Antragsgegnerin, die der „Lehreinheit Psychologie“ zugewiesenen Räume und Sachmittel seien nachhaltig ausgelastet und eine beliebige Umorganisation anderer Lehreinheiten mit Unterauslastung sei nicht möglich, nicht hin, um eine Funktionsunfähigkeit der Lehre bei der Zulassung weiterer Studienbewerber aufgrund fehlender Räumlichkeiten und Sachausstattung darzulegen.

40

5. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem das Gericht zum einen von der Unvereinbarkeit des AKapG mit Art. 12 Abs. 1 GG ausgeht und zum anderen angesichts der Dauer eines Verfahrens auf endgültige Zulassung zum Studium die deshalb erforderliche vorläufige Zulassung regelmäßig zumindest einer Vorwegnahme in der Hauptsache nahe kommt, ist eine Abwägung der Interessen auch dann geboten, wenn sich, wie hier, die Versagung der Zulassung als voraussichtlich nicht rechtmäßig darstellt. Hier überwiegt das Interesse der Studienbewerber an der vorläufigen Zulassung gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an einer geringeren Zahl von Studenten. Die Folgen der Versagung des Zugangs zum Studium für den einzelnen Studienbewerber sind wesentlich gravierender, als die Folgen der vorläufigen Zulassung zum Studium für die Antragsgegnerin. Während aufseiten der Antragsgegnerin in erster Linie das Interesse an der Vermeidung einer zusätzlichen (Arbeits-) Belastung und der Aufrechterhaltung des erreichten Niveaus von Lehre und Forschung sowie Studienbedingungen streiten, wird für jeden der abgelehnten Studienbewerber die Wahrnehmung des Grundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufes massiv beeinträchtigt, möglicherweise mangels zeitlicher und sachlicher Alternativen auch endgültig vereitelt. Um dem entgegenzuwirken, ist es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG geboten, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Zulassung zum Studium nach den Verhältnissen des Wintersemesters 2014/2015 zu verpflichten.

C

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

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