Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 Bs 159/18

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. August 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die (erneute) Erteilung einer Genehmigung zur Ausübung des Gelegenheitsverkehrs mit drei Taxen.

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Der Antragsteller betreibt seit 1993 ein Taxiunternehmen in Hamburg mit drei Taxen. Hierfür wurde ihm zuletzt am 19. Juli 2013 eine bis zum 3. August 2018 befristete Genehmigung erteilt. Mit Bescheid vom 20. Februar 2014 lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag auf Erweiterung der Genehmigung um drei weitere Taxen u. a. mit der Begründung ab, bei Prüfung der Schichtzettel seien falsche Angaben zu den Einsatzzeiten der Taxen festgestellt worden.

3

Im November 2015 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller im Rahmen einer Betriebsprüfung zur Vorlage verschiedener Unterlagen, u. a. der Schichtzettel für die Jahre 2014 und 2015, auf. In der Folge wurde mit Bescheid vom 20. April 2016 die Genehmigung vom 19. Juli 2013 widerrufen. Die Auswertung der Schichtzettel habe ergeben, dass die Taxen viel mehr im Betrieb eingesetzt gewesen seien, als in den Schichtzetteln abgebildet werde. Die sofortige Vollziehung wurde nicht angeordnet. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2018 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage (5 K 1270/18) ist noch anhängig.

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Am 8. Juni 2018 beantragte der Antragsteller eine (erneute) Genehmigung als Taxiunternehmer mit drei Taxen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2018 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab und nahm zur Begründung Bezug auf den Widerrufsbescheid vom 20. April 2016. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

5

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 30. August 2018 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Es sei dem Antragsteller nicht gelungen, die an seiner Zuverlässigkeit bestehenden Zweifel vollständig auszuräumen. Dies ergebe sich vorliegend daraus, dass sich aus einem von der Antragsgegnerin stichprobenartig durchgeführten Vergleich der Schichtzettel und Aufzeichnungen über die Einfahrten der Fahrzeuge in den sog. Taxenspeicher am Hamburger Flughafen ergebe, dass die Taxen in zahlreichen Fällen zu Zeiten eingefahren seien, zu denen sie nach den Angaben in den Schichtzetteln angeblich nicht im Einsatz gewesen seien.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

8

Die in seiner Beschwerdebegründung dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO) führen nicht dazu, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern wäre. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Weder der Haupt- (hierzu unter 1.) noch der Hilfsantrag (hierzu unter 2.) haben Erfolg.

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1. Der nach Umstellung der Anträge formulierte Hauptantrag ist sinngemäß dahin zu verstehen, dass das Gericht die Antragsgegnerin verpflichten möge, eine endgültige, allerdings zeitlich eng befristete Genehmigung zu erteilen. Eine derartige Verpflichtung widerspricht § 15 Abs. 4 PBefG nicht. Eine solche Verpflichtung ist, da eine endgültige Genehmigung erteilt wird, mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 PBefG vereinbar. Der bei der Verlängerung bestehender Genehmigungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzuwendende gerichtliche Prüfungsmaßstab hat allerdings auf Sinn und Zweck des Verbots vorläufiger Genehmigungen aus § 15 Abs. 4 PBefG Rücksicht zu nehmen. § 15 Abs. 4 PBefG will u. a. verhindern, dass personenbeförderungsrechtliche Genehmigungen nur auf der Grundlage einer vorläufigen Prüfung erteilt werden mit der Folge, dass diejenigen Interessen beeinträchtigt werden können, deren Schutz die Genehmigungsvoraussetzungen dienen. Deshalb setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung die Feststellung voraus, dass der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Dies hat das Gericht im Rahmen des Möglichen abschließend zu prüfen, bevor es eine einstweilige Anordnung erlässt (OVG Hamburg, Beschl. v. 23.5.2007, 1 Bs 85/07, NVwZ-RR 2007, 760, juris Rn. 4 m. w. N.).

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Die Feststellung, dass der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt, kann das Beschwerdegericht entgegen der Auffassung der Beschwerde vorliegend nicht treffen. Vielmehr bestehen gewichtige Zweifel daran, dass er eine Genehmigung erhalten kann.

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Es erscheint zweifelhaft, ob der Antragsteller persönlich zuverlässig ist. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer dartun. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV gelten das Unternehmen und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen als zuverlässig, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person sind nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) PBZugV insbesondere schwere Verstöße gegen arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten, insbesondere gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals. Solche Anhaltspunkte liegen hier vor. Es besteht – entgegen der Annahme des Antragstellers – der erhebliche Verdacht, dass der Antragsteller jedenfalls gegen seine arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten verstößt.

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Solche Anhaltspunkte ergeben sich vorliegend daraus, dass die Taxen des Antragstellers jedenfalls in den Jahren 2014 und 2015 in erheblichem Umfang zu Zeiten im Einsatz waren, zu denen ausweislich der Schichtzettel Pausenzeiten stattgefunden haben sollen oder das Fahrzeug überhaupt nicht in Betrieb gewesen sein soll. Ein Abgleich mit den Daten des „Taxenspeichers“ des Hamburger Flughafens ergab, dass mehrfach Fahrer in den „Taxenspeicher“ zu einem Zeitpunkt einfuhren, zu dem sie nach den eingereichten Aufzeichnungen angeblich Pause hatten (Februar 2015: 5 Einfahrten des Taxis ....; März 2015: 4 Einfahrten des Taxis ...) oder die Einfahrt sogar zwischen zwei Schichten erfolgte (Februar 2014: 4 Einfahrten des Taxis ....; Februar 2015: 2 Einfahrten des Taxis ....; März 2015: 10 Einfahrten des Taxis ...). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist das Beschwerdegericht auf die im Einzelnen dokumentierten Unstimmigkeiten in der Sachakte.

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Bei dieser Sachlage ist zu vermuten, dass die Fahrer des Antragstellers regelmäßig Arbeits- oder Bereitschaftszeiten als Pause, mithin Arbeitszeiten als unbezahlte Pausenzeiten deklarierten bzw. Fahrten auch noch nach dokumentiertem Schichtende erfolgten. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit ist, einen Fahrauftrag auszuführen, sind Arbeitszeiten i. S. d. Arbeitszeitgesetzes (LArbG Berlin, Urt. v. 7.2.2014, 2 Sa 25/14, juris Rn. 30). Pausen liegen nur dann vor, wenn der Bereitschaftsdienst für die Pause unterbrochen wird und der Fahrer sich nicht zur Ableistung von Arbeit bereit hält (vgl. BAG, Urt. v. 16.12.2009, 5 AZR 157/09, NZA 2010, 505, juris Rn. 11). In den innerhalb der deklarierten Pausenzeiten registrierten Einfahrten in den Taxenspeicher fanden ersichtlich keine Pausen statt. Eine Einfahrt nach Schichtende führt sogar zwingend am Ende zu einer Besetztfahrt. Der „Taxenspeicher“ kann nicht als reine Parkfläche genutzt werden. Abgesehen davon, dass eine Einfahrt gegenüber dem Unternehmer abgerechnet wird, ist das System in dem „Taxenspeicher“ darauf angelegt, dass man sich in eine über Reihen geführte Schlange einordnet und den „Taxenspeicher“ auch nur in Richtung Flughafen zur Fahrgastaufnahme verlassen kann. Das Ausmaß der Vorkommnisse stützt die Annahme, dass es sich hierbei aller Wahrscheinlichkeit nach entweder um das Ergebnis einer systematischen, betrieblich veranlassten Falschaufzeichnung oder aber um eine von Seiten des Antragstellers geduldete oder in Kauf genommene Vorgehensweise handelt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin keinen vollständigen Abgleich vorgenommen, sondern lediglich Stichproben für bestimmte Monate durchgeführt hat. Allein in den Monaten Februar 2014 sowie Februar und März 2015 konnten in einem erheblichen Umfang Auffälligkeiten festgestellt werden. Hierin liegt auch ein schwerwiegender Verstoß. Zum einen ist ein schwerwiegender Verstoß i. S. d. § 1 Abs. 1 PBZugV vorliegend bereits darin zu sehen, dass regelmäßig Arbeitszeiten als unbezahlte Pausenzeiten deklariert wurden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 14.11.2013, 3 Bs 255/13, n. v.). Zum anderen kann sich der Antragsteller angesichts der nachweislich falschen Angaben nicht zu seinen Gunsten auf eine Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes berufen. Denn letztlich ist eine Überprüfung dahingehend, inwieweit die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und andere Bestimmungen wie beispielsweise des Mindestlohngesetzes eingehalten wurden, mit den nachweislich unzutreffenden Aufzeichnungen des Antragstellers nicht (mehr) möglich. Jedenfalls aus den Einfahrten in den „Taxenspeicher“ nach Schichtende ergibt sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – sogar der Verdacht, dass der Antragsteller und seine Fahrer möglicherweise sog. Schwarzfahrten durchgeführt haben.

14

Soweit der Antragsteller hiergegen einwendet, dass die Antragsgegnerin im Zuge des Wiedererteilungsverfahrens keine erneute Betriebsprüfung vorgenommen habe, verhilft dies der Beschwerde im Ergebnis nicht zum Erfolg. Es ist zwar zutreffend, dass die Antragsgegnerin keine erneute Betriebsprüfung vorgenommen und auf ihre Erkenntnisse aus 2015 zurückgegriffen hat. Im vorliegenden Fall war eine erneute Betriebsprüfung jedoch nicht erforderlich. In der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr ist nicht geregelt, dass im Rahmen jedes Wiedererteilungsverfahrens stets eine (erneute) Betriebsprüfung stattfinden muss. In § 9 Abs. 4 PBZugV heißt es insoweit nur, dass Verfahren auf Erneuerung einer Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz die Kontrolle nach § 9 Abs. 1 PBZugV ersetzen, soweit dabei zugleich der Nachweis geführt wird, dass die Berufszulassungsvoraussetzungen insgesamt erfüllt sind. Aus § 9 Abs. 1 Satz 1 PBZugV ergibt sich, dass sich die zuständigen Behörden regelmäßig und mindestens alle fünf Jahre vergewissern, dass das Unternehmen die Berufszugangsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 PBefG in Verbindung mit der PBZugV noch erfüllt. Es hängt daher von den Umständen des Einzelfalles ab, ob nach einer vorangehenden Betriebsprüfung mit negativem Ergebnis, die jedoch im konkreten Fall nicht zu einer Einstellung des Betriebs geführt hat, im Rahmen des Wiedererteilungsverfahrens eine erneute Prüfung stattfinden muss. Beruhen die Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers – wie hier – auf strukturellen Problemen, muss im Rahmen eines Wiedererteilungsverfahrens eine erneute Betriebsprüfung jedenfalls vor Ablauf einer wie hier in Rede stehenden Zeitspanne von knapp drei Jahren nur dann erfolgen, wenn der Unternehmer im Einzelnen darlegt, dass er aus den früheren Beanstandungen Konsequenzen gezogen hat und die nachvollziehbare Möglichkeit besteht, dass die damaligen Anhaltspunkte für seine Unzuverlässigkeit nicht mehr gegeben sind. Dies hat der Antragsteller vorliegend nicht getan. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller nicht im Einzelnen dargelegt, dass er aus den früheren Beanstandungen konkrete Konsequenzen gezogen hat und die früheren Anhaltspunkte für seine Unzuverlässigkeit nicht mehr gegeben sind. Der Antragsteller legt nicht im Einzelnen dar, dass er nunmehr sicherstellt, dass keine Arbeits- oder Bereitschaftszeiten mehr als Pausenzeiten deklariert werden. Zunächst verhilft sein Einwand, er habe den Fahrern, die die Schichtzettel grob pflichtwidrig ausgefüllt hätten, gekündigt, nicht zum Erfolg. Zum einen wurde jedenfalls die vorgelegte Kündigung gegenüber dem Fahrer A... nicht mit Verstößen gegen die Pausenzeiten begründet. Zum anderen betrafen die Unregelmäßigkeiten nicht nur die gekündigten Fahrer. Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe seit der letzten Betriebsprüfung in allen seinen Taxen „Fiskaltaxameter“ installiert und die Aufzeichnungen seiner Fahrer besser kontrolliert, legt er auch hiermit nicht im Einzelnen dar, dass er aus den früheren Beanstandungen konkrete Konsequenzen gezogen hat. Allein die Installation eines „Fiskaltaxameters“ stellt noch keine Kontrolle der Fahrer dar. Insoweit hätte der Antragsteller etwa vortragen und durch Nachweise belegen müssen, er habe die Aufzeichnungen des „Fiskaltaxameters“, das u. a. die Besetztfahrten, Freifahrten sowie Pausenzeiten abbildet, mit den Einfahrtszeiten in den „Taxenspeicher“ abgeglichen, um zu überprüfen, ob es in den deklarierten Pausenzeiten oder nach Schichtende zu Einfahrten in den Taxenspeicher gekommen ist (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 14.11.2013, 3 Bs 255/13, n. v.). Sollte er damit überdies meinen, dass es mit „Fiskaltaxametern“ keine falschen oder unvollständigen Aufzeichnungen mehr geben könnte, so ist dies unzutreffend. Ein „Fiskaltaxameter“ kann nicht verhindern, dass Bereitschaftszeiten, in denen etwa keine (bezahlten) Fahrten stattfinden, als Pausenzeiten deklariert werden. Im Übrigen scheint der Antragsteller den Vorwurf, der ihm im Hinblick auf seine Unzuverlässigkeit gemacht wird, zu verkennen. Das Verwaltungsgericht hat – entgegen der Auffassung des Antragstellers – nicht beanstandet, dass die Fahrer vermeintliche Pausen im „Taxenspeicher“ einlegen. Dem Antragsteller werden keine Pausen im „Taxenspeicher“ vorgeworfen, sondern, dass im Rahmen einer deklarierten Pause oder sogar nach Schichtende eine Einfahrt, mithin eine Fahrt erfolgte. Auch dies spricht dafür, dass diese Praxis seit der letzten Betriebsprüfung nicht abgestellt wurde.

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Schließlich verfängt mangels Entscheidungserheblichkeit auch der weitere Einwand des Antragstellers nicht, die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Berechnungen zu den Arbeitsstunden, den Kilometerleistungen, der gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit, dem durchschnittlich gefahrenen Umsatz sowie dem durchschnittlichen Arbeitslohn seien inhaltlich unzutreffend.

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2. Entsprechend den obigen Ausführungen hat auch der Hilfsantrag keinen Erfolg.

III.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG (vgl. Nr. 47.4 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

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