Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 Bs 241/19
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. September 2019 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt im Wege einer Beschwerde die Gewährung einer Kindertagesförderung im Umfang von acht Stunden wochentäglich mit Kostenerstattung.
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Der am 2016 geborene Antragsteller wird seit dem 2. Januar 2019 in einer Kindertageseinrichtung betreut. Für die Zeit bis zum 23. Juli 2019 wurde die Kostenerstattung für die Leistungsart „Krippe“ im Umfang von fünf Stunden täglich bewilligt. Für den Zeitraum vom 24. Juli 2019 bis zum 31. Dezember 2019 bewilligte die Antragsgegnerin die Kostenerstattung für die Leistungsart „Elementar“ ebenfalls im Umfang von bis zu fünf Stunden täglich. Die Bewilligungen erfolgten jeweils durch einen Bewilligungsbescheid (sog. „Kita-Gutschein“) vom 11. Dezember 2018.
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Die Mutter des Antragstellers als dessen gesetzliche Vertreterin beantragte unter dem 20. Mai 2019 die Förderung des Antragstellers in einer Tageseinrichtung im Umfang von acht Stunden täglich in der „Leistungsart K8/E8“ für die Zeit „ab sofort“. Mit Bescheid vom 31. Mai 2019 lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung der Kostenerstattung für den Zeitraum 24. Mai 2019 bis 23. Juli 2019 und die Inanspruchnahme der Leistungsart „Krippe“ bis zu acht Stunden täglich ab: Der Antragsteller habe keinen von Seiten der Behörde zu berücksichtigenden Bedarf für die gewünschte Leistung. Belege für den beantragten Betreuungsumfang seien nicht eingereicht worden. Der Rechtsanspruch ohne Bedarfsprüfung umfasse nur bis zu fünf Stunden Betreuung. Es stehe dem Antragsteller jedoch frei, mit der Kita einen ergänzenden privatrechtlichen Betreuungsvertrag über zusätzliche Betreuungsstunden abzuschließen, für den kein Gutschein erforderlich sei.
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 28. Juni 2019 Widerspruch, den die Antragsgegnerin, soweit ersichtlich, bisher nicht beschieden hat.
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Am 13. August 2019 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag gestellt, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, ihm Kindertagesförderung und Kostenerstattung für eine Betreuung im Umfang von acht Stunden täglich (Leistungsart E8) zu gewähren.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 27. September 2019 abgelehnt: Der Antragsteller habe schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er habe nicht dargelegt, einen etwaigen Nachteil durch Vorfinanzierung von drei zusätzlichen Betreuungsstunden nicht selbst abwenden zu können. Solch ein „Zukauf“ sei gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 KibeG möglich. Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Gemessen an § 6 KibeG, der die Bundesnorm in § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Landesebene ausgestalte, habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller den vom Gesetz vorgesehenen Umfang von fünf Stunden wochentäglicher Betreuung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bewilligt. Die landesrechtlichen Vorschriften seien nicht im Lichte des § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII dahingehend auszulegen, dass die Antragsgegnerin zu verpflichten wäre, dem Antragsteller einen Betreuungsanspruch an fünf Tagen pro Woche im Umfang von acht Stunden täglich zuzusprechen. Nach dieser Vorschrift habe der Antragsteller einen subjektiven Anspruch auf Kindertagesförderung, dessen Umfang der Bundesgesetzgeber nicht vorgebe. Der von dem Antragsteller unmittelbar auf § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gestützte Anspruch sei - soweit die Norm eine Regelung treffe - erfüllt, da dem Antragsteller ein Betreuungsplatz im Umfang von acht Stunden an fünf Tagen in der Woche zur Verfügung stehe und ein Anspruch auf Finanzierung dieses Platzes nicht bestehe. Die bundesrechtliche Vorschrift treffe hierzu keine Regelung. Mithin ergebe sich der Anspruch auf Finanzierung allein aus den konkretisierenden Regelungen des Landesrechts, hier § 7 i.V.m. § 6 Abs. 1 - 6 KibeG. Eine Kostenerstattung für eine Betreuungszeit von über fünf Stunden täglich stehe dem Antragsteller nicht zu, weil seine Mutter keiner Berufstätigkeit nachgehe oder an einer sonst in § 6 Abs. 2 Satz 1 KibeG vorgesehenen Maßnahme teilnehme. Auch einen besonderen individuellen Förderungsbedarf, der eine Leistungserbringung über die bewilligte fünfstündige Betreuung hinaus angezeigt erscheinen ließe, habe der Antragsteller nicht geltend gemacht. Zudem sei eine für einen Anspruch aus § 6 Abs. 6 KibeG erforderliche Ermessensreduktion auf Null nicht ersichtlich. Die Regelungssystematik des § 6 KibeG sei von der Landesgesetzgebungsbefugnis des § 26 Satz 1 KibeG (gemeint ist: SGB VIII) gedeckt, der mit den Begriffen „Inhalt“ und „Umfang“ vor allem die Voraussetzungen von Rechtsansprüchen und deren Inhalt meine. Die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 2 GG greife nur, „soweit“ der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe. Die Landesrechtsvorbehalte (etwa § 22 Abs. 1 Satz 3, § 23 Abs. 2a und § 26 SGB VIII) brächten zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber „Rahmenbedingungen“ für die Kinderbetreuung und Kindertagespflege habe bilden wollen. Von der Ausgestaltungsbefugnis des Landesgesetzgebers sei auch die Entscheidung umfasst, den zeitlichen Rahmen einer bedingungslosen frühkindlichen Förderung jedes Kindes pauschal festzulegen sowie eine darüberhinausgehende von dem Bedarf der Eltern (§ 6 Abs. 2 KibeG) oder einem besonderen sozialbedingten oder pädagogischen Bedarf des Kindes (§ 6 Abs. 3 KibeG) abhängigen Regelung vorzusehen. Denn § 24 Abs. 3 SGB VIII treffe keine konkrete Regelung zum Umfang des Förderungsanspruchs. Das gelte schon deshalb, weil nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kein Anspruch auf eine ganztägige Förderung bestehe, wie ein Umkehrschluss aus § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zeige. Hinzu komme, dass § 24 Abs. 3 SGB VIII keinen Verweis auf § 24 Abs. 1 Satz 3 VIII enthalte, worin der Betreuungsumfang geregelt werde. Allerdings folge aus dem systematischen Zusammenhang zu §§ 22 Abs. 2 Nr. 3, 22a Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VIII sowie aus dem Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 24 SGB VIII, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Betreuung nicht allein auf den Bedarf des Kindes abzustellen sei, sondern im Regelfall auch auf den der Eltern. Die Kriterien des § 24 Abs. 1 SGB VIII könnten als Anhaltspunkte für die Bestimmung des zeitlichen Umfangs der Förderung herangezogen werden. Durch die Regelungssystematik des § 6 Abs. 1 - 3 und 6 KibeG habe der Landesgesetzgeber den vom Bundesgesetzgeber angestrebten Spannungsabbau zwischen Berufs- und Familienleben abgebildet. Aus den Darlegungen des Antragstellers gehe nicht hervor, warum das Ziel seiner frühkindlichen Förderung in fünf Stunden nicht erreicht werden könne. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2018 (5 C 15.17). In diesem sei keine verbindliche Aussage zu dem Verhältnis von § 24 Abs. 3 SGB VIII zu den landesrechtlichen Vorschriften getroffen worden.
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Der Antragsteller hat gegen den ihm am 8. Oktober 2019 zugestellten Beschluss am 21. Oktober 2019 Beschwerde erhoben und diese mit am 8. November 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Weiterer Vortrag des Antragstellers ist mit den Schriftsätzen vom 2. Februar 2020, vom 7. Februar 2020, vom 20. Februar 2020, vom 20. März 2020 sowie vom 3. August 2020 erfolgt. Auf den Inhalt der genannten Schriftsätze wird verwiesen.
II.
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
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Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht vorliegend gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO einzig zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben. Die von dem Antragsteller vorgebrachte Beschwerdebegründung ist nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in ihren tragenden Erwägungen zu erschüttern und ihr Ergebnis in Frage zu stellen.
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1. Der Antragsteller trägt zunächst vor, das Verwaltungsgericht behaupte, sein Anspruch sei bereits erfüllt, denn er könne die von ihm im Umfang von fünf Stunden täglich besuchte Kindertageseinrichtung privatrechtlich auch im Umfang von acht Stunden in Anspruch nehmen. Weiter trägt der Antragsteller vor, er habe einen Anspruch auf Gewährung von Kindertagesförderung im Umfang von acht Stunden täglich und Kostenerstattung hierfür gegen die Antragsgegnerin unmittelbar aus § 24 Abs. 3 SGB VIII. Sein hiernach bestehender Anspruch auf „Förderung in einer Tageseinrichtung“ sei nicht erfüllt. Eine Förderung in einem Umfang von acht Stunden täglich sei abhängig davon, dass die beantragte Leistung von Seiten der Antragsgegnerin (in diesem Umfang auch) „gewährt“ werde. Der Anspruch auf Kindertagesförderung schließe den Anspruch auf die Übernahme der Kosten ein.
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Dieser Vortrag geht an dem vorbei, was das Verwaltungsgericht entschieden hat. Das Verwaltungsgericht hat nicht entschieden, dass der Anspruch des Antragstellers wegen der privatrechtlichen Zukaufsmöglichkeit erfüllt sei. Die privatrechtliche Zukaufsmöglichkeit hat das Verwaltungsgericht vielmehr als Argument dafür herangezogen, dass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei.
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Der Antragsteller scheint ausweislich seines Vortrags - an der Entscheidung vorbei - davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf den Besuch der Tageseinrichtung in einem Umfang von acht Wochenstunden täglich anerkannt habe, und es nur noch darum gehe, dass die über die kostenfrei zuerkannten fünf Stunden hinausgehende Betreuungszeit auch „gewährt wird“. Zu diesem Verständnis der angegriffenen Entscheidung kann man selbst dann nicht gelangen, wenn man auf die Formulierung des Verwaltungsgerichts abstellt, der „Anspruch“ des Antragstellers auf Förderung in einer Tageseinrichtung sei erfüllt, da ihm ein Betreuungsplatz im Umfang von „acht Stunden“ an fünf Tagen in der Woche zur Verfügung stehe. Hiermit hat das Verwaltungsgericht nicht entschieden, dass der Antragsteller gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung im Umfang von acht Stunden an fünf Tagen in der Woche hat. Das Verwaltungsgericht hebt im Gegenteil in Form eines Obersatzes (BA S. 5) hervor, die landesrechtlichen Vorschriften seien nicht im Lichte des § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII dahingehend auszulegen, dass die Antragsgegnerin zu verpflichten sei, dem Antragsteller einen Betreuungsanspruch an fünf Tagen pro Woche im Umfang von acht Stunden täglich zuzusprechen. Das Verwaltungsgericht präzisiert seine Feststellung, der Anspruch auf Förderung sei erfüllt, mit dem § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII betreffenden Zusatz „soweit die Norm eine Regelung trifft“. Hierzu führt das Verwaltungsgericht aus, nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bestehe kein Anspruch auf eine ganztägige Förderung. Im Hinblick auf die Ganztagsbetreuung in § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII sei eine bloß objektiv-rechtliche Hinwirkungspflicht formuliert (BA S. 7). Demgemäß unterscheidet das Verwaltungsgericht auch zwischen dem „Zusprechen“ eines Anspruchs durch Verwaltungsakt und dem faktischen „Zur-Verfügung-Stehen“ eines Betreuungsplatzes. Mithin hat das Verwaltungsgericht, indem es festgestellt hat, der aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für den Antragsteller folgende subjektive Anspruch auf Kindertagesförderung sei erfüllt, da ihm ein Betreuungsplatz (sogar) im Umfang von acht Stunden an fünf Tagen in der Woche zur Verfügung stehe und ein Anspruch auf Finanzierung dieses Platzes für mehr als fünf Stunden täglich nicht bestehe, lediglich entschieden, dass der Antragsteller nicht mehr beanspruchen kann, als ihm bereits von der Antragsgegnerin zugesprochen worden ist, nämlich die (beitragslose) Förderung in einer Tageseinrichtung in einem Umfang von fünf Stunden wochentäglich.
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Vor diesem Hintergrund geht auch der Vortrag des Antragstellers, die These des Verwaltungsgerichts, der Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 3 SGB VIII beinhalte nicht die Übernahme der Kosten der zu beanspruchenden Leistung, sei offenkundig falsch, ins Leere. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Passage (BA S. 6) ausdrücklich ausgeführt, ein Anspruch auf Kostenerstattung richte sich nach § 7 KibeG, wonach ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Antragsgegnerin nur bestehe, wenn ein Anspruch auf Förderung bestehe oder bewilligt worden sei. Eine solche Bewilligung liege hier nur im Umfang von fünf Betreuungsstunden an fünf Tagen vor, und dem Antragsteller stehe auch kein weitergehender Anspruch zu.
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2. Auch mit seinem weiteren Vortrag greift der Antragsteller die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch auf Gewährung von Förderung in einer Tageseinrichtung im Umfang von acht Stunden an fünf Tagen in der Woche nebst Kostenerstattung nicht glaubhaft gemacht, vielmehr könne er nicht mehr als die bereits zugesprochene (beitragslose) Förderung in einer Tageseinrichtung in einem Umfang von fünf Stunden wochentäglich verlangen, nicht überzeugend an. Diese Entscheidung ist zudem nicht zu beanstanden.
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Das Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (KibeG) vom 27. April 2004 (HmbGVBl. 2004, 211) trat zeitgleich mit § 24 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Dezember 2014 (BGBl. I S. 3852, 3853) zum 1. Januar 2005 in Kraft. Seither regelt es u.a. den - auch zeitlichen - Umfang der in § 24 SGB VIII geregelten Leistungen. Das ist in § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (derzeit gültig i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012
) der Anspruch für Kinder vom dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt auf Förderung in einer Tageseinrichtung.
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Nach § 6 Abs. 1 KibeG in der seit dem 1. August 2013 - und derzeit - gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juni 2013 (HmbGVBl. 2013, 300) hat jedes Kind vom vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung im zeitlichen Umfang von fünf Stunden an fünf Wochentagen. § 6 Abs. 2 KibeG ergänzt dies dahin, dass jedes Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr Anspruch auf Tagesbetreuung in dem zeitlichen Umfang hat, in dem seine Sorgeberechtigten aus im einzelnen genannten Gründen - u.a. wegen Berufstätigkeit - die Betreuung nicht selbst übernehmen können. Nach § 6 Abs. 3 KibeG haben Kinder mit dringlichem sozialbedingten oder pädagogischen Bedarf Anspruch auf Tagesbetreuung in dem zeitlichen Umfang, der es erlaubt, sie bedarfsgerecht zu fördern. Für den im Juli 2016 geborenen Antragsteller bedeutet dies, dass er aktuell einen Betreuungsanspruch im Umfang von fünf Stunden an fünf Wochentagen in einer Tageseinrichtung hat, da seine Mutter nicht berufstätig ist und auch sonst keine hinreichenden Gründe für einen zeitlich erhöhten Betreuungsbedarf glaubhaft gemacht worden sind. Ein darüberhinausgehender Betreuungsanspruch ist daher nicht zuzuerkennen.
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§ 6 KibeG ist wirksam. Der Senat geht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon aus, dass diese Vorschrift nicht wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes gegen Bundesrecht verstößt und nicht gemäß Art. 31 GG durch das Bundesrecht gebrochen wird, weil sie mit diesem nicht kollidiert. Hierzu verweist der Senat zunächst auf die diesbezügliche Begründung in seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 (4 Bs 193/19, juris Rn. 12 - 14).
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Der Landesgesetzgeber durfte den Umfang der in § 24 SGB VIII geregelten Leistungen aufgrund des Landesrechtsvorbehalts in § 26 Satz 1 SGB VIII näher ausgestalten (OVG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2020, 4 Bs 193/19, juris Rn. 14). § 26 Satz 1 SGB VIII, wonach das Nähere über Inhalt und Umfang der in diesem Abschnitt (§§ 22 - 25 SGB VIII) geregelten Aufgaben und Leistungen das Landesrecht regelt, bezieht sich auch auf den hier streitigen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung gemäß § 24 Abs. 3 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift hat ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
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§ 6 Abs. 1 - 3 KibeG regelt gemäß dem Landesrechtsvorbehalt in § 26 Satz 1 SGB VIII das „Nähere“ über den Umfang dieser Leistung und widerspricht der Regelung des § 24 Abs. 3 SGB VIII damit nicht. § 24 Abs. 3 SGB VIII bietet entsprechenden Raum für eine konkretisierende landesrechtliche Regelung zum zeitlichen Umfang der Leistung. Nach dieser Vorschrift besteht ein „Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung“. Damit gewährt die Vorschrift den Anspruch als solchen. Sie enthält hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Leistung keine in Stunden gemessene Regelung und begründet damit einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung, zumindest ohne dass sich aus ihr ein bestimmter zeitlicher Mindestumfang der Betreuung ergibt.
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Eine Umfangsregelung dahingehend, dass regelmäßig eine achtstündige Betreuung zu gewährleisten sei, ist nicht dem Umstand zu entnehmen, dass der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf den Besuch einer „Tageseinrichtung“, also eine Einrichtung gerichtet ist, in der sich Kinder nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII für einen Teil des Tages oder „ganztägig“ aufhalten. Denn da eine „Tageseinrichtung“ gemäß der Begriffsbestimmung in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII keine Ganztagsplätze bieten muss, sondern auch dann eine „Tageseinrichtung“ ist, wenn sich Kinder in ihr lediglich „für einen Teil des Tages“ aufhalten können, wird der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII schon durch die Gewährung einer Förderung erfüllt, die in einer Tageseinrichtung erfolgt, in der sich Kinder „für einen Teil des Tages“, und eben nicht „ganztägig“ aufhalten.
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Auch aus der den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber erfolgten Auferlegung der auf ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen gerichteten Hinwirkungspflicht in § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII kann nicht geschlossen werden, dass Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt ohne weiteres einen Ganztagsplatz in einer Tageseinrichtung beanspruchen können. Die Hinwirkungspflicht ist eine objektiv-rechtliche Verpflichtung und begründet für den Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.2002, 5 C 57.01, BVerwGE 117, 184, juris Rn. 21).
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Es kann im Gegenteil aus § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII geschlossen werden, dass der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII eine Ganztagsbetreuung in einer Tageseinrichtung nicht ohne Weiteres umfasst. Der Hinwirkungspflicht bedürfte es nicht, wenn sich der Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf eine Ganztagsbetreuung bezöge (Grube, in: Hauck, Noftz, SGB, Stand September 2019, § 24 SGB VIII Rn. 50; vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.7.2019, 10 ME 154/19, NJW 2019, 3256, juris Rn. 4).
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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daraus, dass im Hinblick auf die Ganztagsbetreuung in § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII eine bloß objektiv-rechtliche Hinwirkungspflicht formuliert sei, lasse sich ableiten, dass eine Ganztagsbetreuung nicht Inhalt des Anspruchs aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei, trifft zu. Zwar dürfte grundsätzlich eine objektiv-rechtliche Hinwirkungsverpflichtung des Jugendhilfeträgers das Bestehen eines subjektiven Anspruchs des Kindes auf Förderung in einer Tageseinrichtung nicht ausschließen. So wurde etwa in der Fassung des § 24 SGB VIII vom 3. Mai 1993 (BGBl. I S. 637, 645) der bundesrechtliche „Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens“ flankiert von der Hinwirkungspflicht, dass „für jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt ein Platz im Kindergarten zur Verfügung steht“ (§ 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII i.d.F. vom 3. Mai 1993). Allerdings enthielt § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gemäß Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398, 1400) bis zum 31. Dezember 1995 weiterhin die Vorgabe, dass der Anspruch „nach Maßgabe des Landesrechts“ galt. Maßgeblich geworden sind mithin nur Fassungen des § 24 SGB VIII, in denen Hinwirkungspflichten nicht mit einem bundesrechtlichen Rechtsanspruch korrespondieren, sondern sie diesen nur vorbereiten. Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht über die „Systematik des § 24 SGB VIII“ ausgeführt, dass die Vorhaltepflicht des Jugendhilfeträgers nicht mit einem subjektiv-rechtlichen Anspruch gekoppelt sei (BVerwG, Urt. v. 27.1.2000, 5 C 19.99, BVerwGE 110, 320, juris Rn. 20, 21).
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Dass der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII eine Ganztagsbetreuung in einer Tageseinrichtung nicht ohne weiteres umfasst, also nicht jedes Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt einen Ganztagsplatz beanspruchen kann, ist zudem aus § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zu schließen, weil danach lediglich darauf hinzuwirken ist, dass „ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen“ zur Verfügung steht, mithin ein auf einen Bedarf an Ganztagsplätzen beschränktes Angebot, und nicht ein Ganztagsplatz „für jedes Kind“. Ein Platzangebot „für jedes Kind“ hatte die Hinwirkungspflicht in § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII i.d.F. vom 3. Mai 1993 vorgesehen. Aus dieser Fassung ergibt sich, dass zwischen der Vorhaltung eines Platzes in einer Tageseinrichtung und der eines Ganztagsplatzes zu unterscheiden ist und ein „bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen“ weniger Plätze umfasst als es Kinder mit einem Anspruch auf Förderung in einem Kindergarten bzw. einer Tageseinrichtung gibt. Nach § 24 Abs. 2 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Mai 1993 hatten die Träger der öffentlichen Jugendhilfe darauf hinzuwirken, dass, „1. für jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt ein Platz im Kindergarten zur Verfügung steht“ sowie „3. ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen vorgehalten wird“.
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Für die Frage, wann ein Bedarf an einem Ganztagsplatz anzuerkennen ist, mithin für die Bestimmung des Bedarfs, macht § 24 SGB VIII für Kinder im Alter zwischen dem vollendeten dritten Lebensjahr und dem Schuleintritt keine gesonderten Vorgaben. Der Umstand, dass § 24 Abs. 3 SGB VIII anders als § 24 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 SGB VIII nicht ausdrücklich bestimmt, dass sich der Umfang der täglichen Betreuungszeit nach dem „individuellen Bedarf“ richtet, besagt allerdings nicht, dass der individuelle Bedarf im Rahmen des § 24 Abs. 3 SGB VIII nicht zu beachten sei. Vielmehr hat sich auch in den Fällen des § 24 Abs. 3 SGB VIII der Umfang der täglichen Förderung nach dem individuellen Bedarf zu richten.
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Der Senat stimmt mit der Ansicht des Antragstellers überein, dass der Rechtsanspruch für Kinder im Alter von über drei Jahren zeitlich nicht geringer zu veranschlagen sei als für die jüngere Altersgruppe, und dass es für den Gesetzgeber selbstverständlich gewesen sei, dass sich auch für die Kinder zwischen vollendetem dritten Lebensjahr und Schuleintritt der zu beanspruchende Umfang der Förderung nach dem individuellen Bedarf richte. Diese Ansicht wird allerdings nicht dadurch gestützt, dass das Bundesverwaltungsgericht ohne Differenzierung zwischen § 24 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII tenoriert hat, dass maßgeblich für die Bestimmung des Betreuungsbedarfs die subjektive Bewertung der Erziehungsberechtigten sei. Denn die Bedeutung dessen, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Oktober 2018 (5 C 15.17) - im Leitsatz wie in den Entscheidungsgründen - nicht zwischen den Absätzen des § 24 SGB VIII differenziert hat, erschöpft sich in der inhaltlichen Reichweite der Entscheidung, wonach den in § 24 SGB VIII geregelten Leistungen gemein ist, dass das „Ob“ der Leistung bzw. die Beendigung ihrer Inanspruchnahme in der Hand der Sorgeberechtigten liegt (dazu siehe unten II. 2. b.).
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Die Richtigkeit der Ansicht ergibt sich indes bereits aus dem erklärten Gesetzgeberwillen. Hinsichtlich der täglichen Betreuungszeit knüpft ausweislich der Gesetzesmaterialien „die Vorschrift“, und damit die gesamte unter der Überschrift „Anspruch auf Förderung in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege“ stehende Vorschrift des § 24 SGB VIII an den „individuellen Bedarf“ an (BT-Drs. 16/9299 S. 15). Vor diesem Hintergrund gelten die zu § 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII erfolgten Ausführungen des Senats zur Bemessung des individuellen Bedarfs in dem Beschluss vom 28. Januar 2020 auch in Bezug auf § 24 Abs. 3 SGB VIII.
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Weiterhin gilt, dass der Landesgesetzgeber durch Bundesrecht nicht verpflichtet ist, einen zeitlichen Umfang der täglichen Förderung über das hinaus zu gewähren, was zur Anspruchserfüllung geboten ist. Zur Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 3 SGB VIII gewährleistet werden muss, was zur „Förderung in einer Tageseinrichtung“ gemäß §§ 22, 22a SGB VIII erforderlich ist. Demgemäß erkennt § 6 Abs. 1 KibeG einen voraussetzungslos gesicherten fünfstündigen (Grund)Anspruch zu (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2020, 4 Bs 193/19, juris Rn. 19). Der Landesgesetzgeber ist bundesrechtlich nicht gehalten, zusätzlich zu diesem Grundanspruch einen zeitlichen Umfang der täglichen Förderung über das hinaus zu gewähren, was zur Erfüllung der Bedarfe entsprechend der in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgeführten Bedarfskriterien erforderlich ist. Die Bedarfskriterien sind Mindestkriterien und „können“ durch landesrechtliche Regelungen ausgedehnt werden (BT-Drs. 15/3676 S. 34), sie müssen also nicht ausgedehnt werden.
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Der Landesrechtsvorbehalt des § 26 SGB VIII wird nicht durch § 24 Abs. 6 SGB VIII angetastet, wonach weitergehendes Landesrecht unberührt bleibt. Mit dieser Regelung soll lediglich verhindert werden, dass bestehendes weitergehendes Landesrecht unter Berufung auf die „Mindestregelung“ der Bedarfskriterien abgebaut wird (BT-Drs. 15/3676 S. 34).
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a. Der Antragsteller trägt vor, dass der zum 1. Januar 2005 in § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII a.F. eingefügte Zusatz, der Umfang der täglichen Betreuungszeit richte sich nach dem individuellen Bedarf „im Hinblick auf die in Satz 1 genannten Kriterien“ zum 16. Dezember 2008 entfallen sei, zeige, dass der „individuelle Bedarf“ nicht mehr davon abhängig sein solle, ob die Erziehungsberechtigten etwa einer Erwerbstätigkeit nachgingen.
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Diese Schlussfolgerung teilt der Senat nicht. Bis zum 16. Dezember 2008 lautete § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII a.F.: „Der Umfang der täglichen Betreuungszeit richtet sich nach dem individuellen Bedarf im Hinblick auf die in Satz 1 genannten Kriterien“. Satz 1 bestimmte die Bedarfskriterien. Damit stellte der Gesetzgeber den objektiv-rechtlichen Maßstab für die Vorhalteverpflichtung dar (BT-Drs. 15/3676 S. 34). Der Zusatz „im Hinblick auf die in Satz 1 genannten Kriterien“ stand nicht im Zusammenhang mit einem Rechtsanspruch. Im Gegensatz dazu betraf die um den Zusatz gekürzte Bestimmung „Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf“ einen Rechtsanspruch (§ 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. Dezember 2008
). Dies ist auch in der derzeit geltenden Fassung des § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII der Fall.
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Aus der Streichung des Zusatzes „im Hinblick auf die in Satz 1 genannten Kriterien“ ist nicht zu schließen, dass der Begriff des individuellen Bedarfs eine inhaltliche Erweiterung erfahren hätte bzw. nicht mehr an die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Form der darin genannten Bedarfskriterien gekoppelt wäre. Vielmehr kann der „individuelle Bedarf“ im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII nicht losgelöst von den Bedarfskriterien bestimmt werden, weil über die in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten anspruchsbegründenden Umstände hinaus kein (bundesrechtlicher) Anspruch besteht. Der Zusatz „im Hinblick auf die in Satz 1 genannten Kriterien“ dürfte allein deshalb entfallen sein, weil er sich erübrigte (und er erübrigt sich auch heute noch), weil der Umfang der täglichen Förderung nicht über das hinausgehen kann, was Inhalt des Anspruchs ist. Dementsprechend kann auch die Bezugnahme auf § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII in § 24 Abs. 2 und Abs. 4 SGB VIII, wonach die Umfangsbestimmung „entsprechend“ gilt, nicht zu einer inhaltlichen Erweiterung des dem Anspruchsumfang zugeordneten Bedarfsbegriffs führen. Dass § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII „entsprechend“ gilt, ist vielmehr nur den unterschiedlichen Regelungsinhalten geschuldet.
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Der Senat fasst die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII nicht dahin auf, dass das Kind eines Erziehungsberechtigten im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII im Wege einer erweiterten Auslegung des Begriffs „individueller Bedarf“ eine Förderung in einem Umfang beanspruchen kann, der nicht im Zusammenhang mit den Bedarfskriterien steht. Dafür, dass der individuelle „Bedarf“ an den in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Kriterien auszurichten ist, spricht bereits der vom Gesetzgeber verwendete Begriff „Bedarfskriterien“. Im Übrigen ergäben sich anderenfalls Bedenken in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber Kindern mit Erziehungsberechtigten, die die Bedarfskriterien nicht erfüllen. Zudem würde die Auffassung, die Bestimmung, der Umfang der täglichen Förderung richte sich nach dem individuellen Bedarf, sei nicht an die Bedarfskriterien gekoppelt, die Vorschrift in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII obsolet werden lassen.
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b. Der Antragsteller trägt weiter vor, § 26 SGB VIII betreffe nicht den zeitlichen Betreuungsumfang, dieser ergebe sich vielmehr aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht habe in dem amtlichen Leitsatz seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2018 (BVerwG, Urt. v. 23.10.2018, 5 C 15/17, BVerwGE 163, 262, juris) grundsätzlich - und mithin auch für § 24 Abs. 3 SGB VIII - bezogen auf die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und das Kriterium des „individuellen Bedarfs“ festgestellt, dass maßgeblich für die Bestimmung des jugendhilferechtlichen Bedarfs der Betreuungswunsch der für das Kind agierenden Eltern und damit deren subjektive Bewertung des Betreuungsbedarfs sei. Insbesondere für die hier einschlägige Anspruchsnorm § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gelte, dass es den Eltern überlassen bleibe darüber zu entscheiden, ob und inwieweit sie eine Betreuung für notwendig erachteten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätten die Eltern ein „Interpretationsprimat“ bezüglich der Bedarfseinschätzung, das sich der Überprüfung anhand objektiver Kriterien durch den Jugendhilfeträger entziehe. Dahinter zurückbleibendes Recht billige der Bundesgesetzgeber, wie § 24 Abs. 6 SGB VIII zeige, nicht. Der Senat billige in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2020 (OVG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2020, 4 Bs 193/19, juris) das Interpretationsprimat indes nur den berufstätigen Eltern zu.
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Auch wenn dem Antragsteller zuzugestehen ist, dass Leitsätze von gerichtlichen Entscheidungen wegen ihrer Außenwirkung als mit besonderer Sorgfalt gefertigt gelten können, so müssen sie dennoch im Lichte dessen gelesen werden, was das Gericht inhaltlich entschieden hat. Maßgeblich sind die „wirklichen Gründe“ der Entscheidung. Dem Leitsatz kommt demgegenüber „nur“ eine untergeordnete Rolle zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.9.1992, 4 NB 17.92, NVwZ 1993, juris Rn. 9). Der hier inmitten stehende Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (5 C 15.17) lautet: „Maßgeblich für die Bestimmung des jugendhilferechtlichen Bedarfs, den die Gewährleistungen über die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 24 SGB VIII) zu decken bestimmt sind, ist der Betreuungswunsch der für das Kind agierenden Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und damit deren subjektive Bewertung des Betreuungsbedarfs.“.
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Die Entscheidung betrifft allein den „Bedarf im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs (§§ 86 ff. SGB VIII)“ (BVerwG, Urt. v. 23.10.2018, 5 C 15/17, BVerwGE 163, 262, juris Rn. 25) und fokussiert die Beendigung einer Jugendhilfeleistung. Während die Beendigung einer Jugendhilfeleistung regelmäßig aufgrund einer Entscheidung des Jugendhilfeträgers basierend auf der Annahme eintritt, dass ein objektiv erkennbarer Bedarf nicht mehr fortbesteht, endet die Jugendhilfeleistung der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen zuständigkeitsrechtlich regelmäßig schon dann, wenn die Sorgeberechtigten das Betreuungsverhältnis zu der Tageseinrichtung auflösen. Insoweit ist stets der durch die Erziehungsberechtigten definierte individuelle Bedarf, begrenzt durch das Wohl des zu betreuenden Kindes, maßgeblich (BVerwG, Urt. v. 23.10.2018, 5 C 15/17, BVerwGE 163, 262, juris Rn. 20, 23, 26, 27, 29). Es bleibt den Sorgeberechtigten überlassen, darüber zu entscheiden, ob und inwieweit sie die Betreuung des Kindes für notwendig erachten. (Nur) insoweit definieren sie den individuellen Hilfebedarf selbst. Eine hierüber hinausgehende Bedeutung für die Bestimmung des Bedarfsbegriffs, wie die vom Antragsteller vorgebrachte, kann der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnommen werden.
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c. Der Antragsteller trägt zudem vor, § 6 Abs. 1, Abs. 2 KibeG beinhalte eine Einschränkung gegenüber dem weitergehenden Bundesrecht und sei deshalb nach Art. 31 GG unwirksam. Der Wertung des Bundesgesetzgebers, dass der Rechtsanspruch für jedes Kind ab dem 1. August 2018 für Kinder ab dem ersten Lebensjahr nicht mehr „an weitere Kriterien geknüpft“ werde (BT-Drs. 16/9299 S. 15), werde das Hamburgische Landesrecht nicht gerecht. Auch stehe der Anspruch aus § 24 Abs. 3 SGB VIII nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt. Die Differenzierung zwischen einem für alle Kinder zugänglichen Grundangebot und einem darüber hinaus gehenden erweiterten Angebot sei eine Festlegung von Kapazitäten. Die Reservierung bestimmter Kapazitäten für bestimmte Personengruppen stelle einen unzulässigen Kapazitätsvorbehalt dar. In seinem Fall werde ein zur Verfügung stehender Ganztagsplatz nicht genutzt.
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Dieser Vortrag überzeugt nicht. Die Vorschrift des § 6 KibeG wird der Wertung des Bundesgesetzgebers gerecht, indem sie den Anspruch jedes Kindes vom vollendeten ersten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt auf den Besuch einer Tageseinrichtung gewährt, ohne dass die Entstehung des Anspruchs - wie bei unter einjährigen Kindern und bis zum 1. August 2013 noch bei unter dreijährigen Kindern - an weitere Kriterien geknüpft ist. Es trifft zu, dass der Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 3 SGB VIII nicht unter einen Kapazitätsvorbehalt gestellt ist (BVerfG, Urt. v. 21.7.2015, 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65, juris Rn. 43 und BVerwG, Urt. v. 26.10 2017, 5 C 19/16, BVerwGE 160, 212, juris Rn. 35 zu § 24 Abs. 2 SGB VIII). Allerdings muss der Rechtsanspruch bestehen. Eine vorhandene Kapazität begründet den Rechtsanspruch nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2000, 5 C 19.99, BVerwGE 110, 320, juris Rn. 21).
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d. Des Weiteren wendet sich der Antragsteller gegen die vom Verwaltungsgericht sowie vom Senat in der Entscheidung vom 28. Januar 2020 (4 Bs 193/19, juris) vertretene „Zweiteilung“ in einen Grundanspruch auf Gewährung von fünf Betreuungsstunden wochentäglich und einen kriterienabhängigen Anspruch für eine zeitlich darüberhinausgehende Betreuung. Sinn und Zweck der Kinderbetreuung sei der Bildungsaspekt. Das gelte insbesondere im Elementarbereich vor dem Schuleintritt. Die Notwendigkeit, die Betreuung von Kindern berufstätiger Eltern sicherzustellen, habe stets nur neben dem Bildungsaspekt gestanden. Die fürsorgerischen und bildungsbezogenen Aufgaben des Kindergartens seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts untrennbar miteinander verbunden. Da Bildung in der Kindertagesstätte ganztägig stattfinde, würde die Aufteilung in einen Grundanspruch und einen erweiterten Anspruch entsprechend § 6 KibeG trennen, was nicht zu trennen sei. Das Hamburgische Landesrecht weise den Tageseinrichtungen ausschließlich Bildungsaufgaben und keine Kinderaufbewahrungsfunktion zu. Eine Differenzierung des Bildungsangebots danach, ob die Eltern erwerbstätig seien oder nicht, verbiete sich im Bildungsbereich. Der von seinen Personensorgeberechtigten für ihn definierte individuelle Bedarf sei mit Blick auf § 22 Abs. 2 SGB VIII vom Zweck des Bundesgesetzes gedeckt. Eine achtstündige Betreuung und Förderung in der Kita verwirkliche den Zweck, die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern und die Erziehung und Bildung in der Familie zu unterstützen und zu ergänzen. Es gehe um den Bedarf des Kindes, und nicht um den Bedarf der Eltern. Die „Zweiteilung“ in einen bedarfsunabhängigen Grundanspruch und eine Erweiterung des Grundanspruchs um kind- und elternbezogene Bedarfe sei überholt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 26.10.2017, 5 C 19.16, BVerwGE 160, 212, juris Rn. 42) habe ausdrücklich „keine Bedenken“ gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH München, Urt. v. 22.7.2016, 12 BV 15.719, juris) geäußert, wonach eine Differenzierung zwischen einem infrastrukturellen Regelangebot (Grundanspruch) und einer einzelfallindizierten Erweiterung dieses Regelangebots in § 24 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 3 SGB VIII keine Stütze finde.
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Dies trifft so nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat „keine Bedenken“ bezüglich der „Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, maßgeblich sei stets der durch die Erziehungsberechtigten definierte individuelle Bedarf“ ausschließlich „gemessen daran“ geäußert, dass der individuelle Bedarf durch die Verhältnisse des anspruchsberechtigten Kindes und seiner Erziehungsberechtigten gekennzeichnet sei. Dass insoweit nicht allein auf den Bedarf des Kindes abzustellen sei, sondern im Regelfall auch die Verhältnisse seiner Eltern zu berücksichtigen seien, folge insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang zu § 22 Abs. 2 Nr. 3, § 22a Abs. 3 Satz 1 und 2, § 23 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wie auch aus Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 24 SGB VIII, der unter anderem auf eine Stärkung der Verlässlichkeit der nicht durch Erziehungsberechtigte erfolgten Kinderbetreuung und der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben ziele (BVerwG, Urt. v. 26.10.2017, 5 C 19.16, BVerwGE 160, 212, juris Rn. 42). Eine Billigung der Ansicht, eine „Zweiteilung“ finde im Gesetz keine Stütze, geht daraus gerade nicht hervor. Es wird auch nichts getrennt, was nicht zu trennen sei. Die fürsorge- und bildungsbezogene Förderung wird lediglich nicht ganztags gewährt, sofern nicht ein Bedarf hierfür besteht. Dass sich der Bedarf nicht ausschließlich nach den Wünschen des Kindes und der Sorgeberechtigten richtet, hat das Bundesverwaltungsgericht, wie oben zu II. 2. a. ausgeführt, entschieden.
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e. Der Antragsteller trägt darüber hinaus vor, der Gesetzgeber habe den Entwurf (BT-Drs. 12/1179 S. 13), dass Kinder von drei Jahren an bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf Förderung im Kindergarten auf einem Ganztagsplatz nur dann hätten, „wenn die Betreuung durch die Familie nicht gewährleistet ist“, verworfen (BT-Drs. 12/2605). Was der Gesetzgeber vor 28 Jahren nachweislich verworfen habe, könne heute nicht als zulässige Konkretisierung des Bundesrechts angesehen werden. Die Hinwirkungsverpflichtung legitimiere nicht die Verweigerung einer Förderung.
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Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Gesetzesentwurf lautete: „Ein Personensorgeberechtigter hat Anspruch auf Förderung seines Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege, wenn die Betreuung durch die Familie nicht gewährleistet ist.“ (BT-Drs. 12/1179). Gesetz geworden ist folgende Fassung des § 24 SGB VIII in der Bekanntmachung vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398, 1400): „(1) Ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an hat nach Maßgabe des Landesrechts Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens. Für Kinder im Alter unter drei Jahren und Kinder im schulpflichtigen Alter sind nach Bedarf Plätze in Tageseinrichtungen und, soweit für das Wohl des Kindes erforderlich, Tagespflegeplätze vorzuhalten. (2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die kreisangehörigen Gemeinden ohne Jugendamt haben darauf hinzuwirken, dass 1. für jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt ein Platz im Kindergarten zur Verfügung steht, 2. das Betreuungsangebot für Kinder im Alter unter drei Jahren und Kinder im schulpflichtigen Alter bedarfsgerecht ausgebaut wird und 3. ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen vorgehalten wird.“
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Dass die Entwurf gebliebene Bedingung „wenn die Betreuung durch die Familie nicht gewährleistet ist“ nicht übernommen wurde, heißt keinesfalls, dass ein Anspruch auf eine Förderung im Umfang von acht Stunden wochentäglich nicht von einer solchen Bedingung abhängig gemacht werden kann. Die Bedingung ist nämlich nicht deswegen verworfen worden, weil ein Anspruch nicht von dieser Bedingung abhängig gemacht werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Entwurf verworfen, weil er einen bundesrechtlichen „Anspruch“, wenngleich unter der genannten Bedingung, vorsah. Verworfen wurde der Vorschlag eines bundesrechtlichen „Anspruchs“, und lediglich damit einhergehend ist auch die Bedingung entfallen.
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Man kann im Gegenteil aus diesem Vorgang schließen, dass (auch) ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an nach Bundesrecht nicht ohne Weiteres einen Anspruch auf Gewährung eines Ganztagsplatzes hat. Denn die Vorschrift unterscheidet zwischen einem „Platz im Kindergarten“, der für jedes Kind zur Verfügung zu stehen hat, und „Ganztagsplätzen“. Diese Unterscheidung wird auch noch in der (insoweit nicht zur Geltung gelangten) Fassung vom 3. Mai 1993 (BGBl. I S. 637, 645) vorgenommen, die einen bundesrechtlichen Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens vorsah.
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Wie der Antragsteller zu Recht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62, BVerfGE 22, 180, juris Rn. 81) vorträgt, hat der Gesetzgeber mit der Hinwirkungspflicht lediglich die Verpflichtung der öffentlichen Jugendhilfe aufgenommen, dafür zu sorgen, dass „durch behördliche und freie Tätigkeit das Erforderliche geschieht“. Der Antragsteller trägt ebenfalls zu Recht vor, dass die Hinwirkungspflicht eine Verweigerung der Förderung nicht legitimiere. Indes erwächst dem Antragsteller daraus nicht ein subjektives Recht auf Gewährung einer Ganztagsbetreuung.
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f. Der Hinweis des Antragstellers, der Bundesgesetzgeber habe die den Ländern übergangsweise zugestandene Gestaltungsmöglichkeit („nach Maßgabe des Landesrechts“) zum 31. Dezember 1995 ausdrücklich genommen, führt nicht zu der Annahme, ihm - dem Antragsteller - stehe nach Bundesrecht ein Anspruch auf einen Ganztagsplatz zu. Auch gilt der Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII dadurch nicht losgelöst von § 26 SGB VIII allein nach Maßgabe des Bundesrechts.
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Der Bundesgesetzgeber hat Kindern vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt mit Wirkung vom 1. Januar 1996 erstmalig einen „Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens“ zuerkannt. Hierdurch ist die bis zum 31. Dezember 1995 geltende Fassung des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII abgelöst worden, nach der der Anspruch lediglich „nach Maßgabe des Landesrechts“ galt. Die Vorgabe „nach Maßgabe des Landesrechts“ bedeutete, dass der Landesgesetzgeber - bis zum 31. Dezember 1995 - auch über die Anspruchsvoraussetzungen und damit über das „Ob“ eines Anspruchs bestimmen konnte, und nicht - wie seit dem 1. Januar 1996 nach § 26 Satz 1 SGB VIII - nur noch über Inhalt und Umfang der Leistung und damit lediglich über das „Wie“ des unabhängig vom Landesrecht dem Grunde nach bestehenden bundesrechtlichen Anspruchs. Die Streichung der Vorgabe „nach Maßgabe des Landesrechts“ ließ und lässt den Landesrechtsvorbehalt des § 26 Satz 1 SGB VIII unberührt. Der Landesrechtsvorbehalt des § 26 Satz 1 SGB VIII, wonach das „Nähere“ über Inhalt und Umfang“ der u.a. in § 24 SGB VIII geregelten Aufgaben und Leistungen das Landesrecht regelt, gilt für die im Dritten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VIII (§§ 22 – 26 SGB VIII) geregelten Aufgaben und Leistungen seit Inkrafttreten des SGB VIII am 1. Januar 1991 unverändert.
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3. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass in seinem Fall die konkretisierende Regelung des § 6 KibeG den vom Bundesrecht gesteckten Rahmen nicht einhält und ihm zu Unrecht ein Anspruch auf eine wochentägliche Betreuung von acht Stunden versagt wird.
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Der Antragsteller trägt vor, der Senat habe in seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 selbst bekundet, dass § 6 Abs. 2 KibeG insofern zu eng gefasst sein könnte, als weitere elternbezogene Bedarfe denkbar seien. Eine Verpflichtung, solche möglicherweise höchst intimen elternbezogenen Gründe offenzulegen, bestehe nicht und dürfe auch nicht bestehen. Es sei die Absicht des Bundesgesetzgebers, dass Eltern nicht mehr begründen müssten, warum sie in dem von ihnen bestimmten Umfang die Förderung ihres Kindes für erforderlich hielten. Der Antragsteller macht weiter geltend, die anhaltende Covid-19-Pandemie habe erhebliche Auswirkungen auf den Bedarf von Kindern an Kindertagesförderung. Zudem verstoße seine Situation gegen Art. 3 GG. Faktisch sei auch in Hamburg der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsförderung nach § 6 Abs. 2 KibeG der Regelanspruch. Im Jahr 2017 seien 53,6 % aller geförderten Kinder im Alter ab drei Jahren bis zum Schuleintritt mit einer Betreuungszeit von mehr als 7 Stunden täglich betreut worden. Die Kürzung des Anspruchs von Kindern, deren Eltern nicht berufstätig oder in Aus- bzw. Fortbildung seien, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich für eine eigene Anspruchsinhaberschaft des Kindes entschieden. Einem Kind sei es nicht möglich, die Minderung staatlicher Leistungen durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden. Der Elternteil, der nicht berufstätig sei, könne seinem Kind die Förderung in der Tageseinrichtung nicht ersetzen. Insbesondere fehle im häuslichen Umfeld das soziale Lernen in einer Kindergruppe. Der Förderbedarf von Kindern, deren Eltern nicht berufstätig seien, sei nicht geringer als derjenige berufstätiger Eltern. Eine Kürzung des Förderanspruchs für Kinder nicht berufstätiger Eltern ziele auf eine staatliche Bewertung unterschiedlicher Familienmodelle. Die Festlegung eines Regelanspruchs auf Kindertagesbetreuung im Umfang von fünf Stunden verfestigte das Rollenmodell des voll berufstätigen Vaters und der hinzu verdienenden Mutter. Zudem geböte aus Gründen des Art. 3 Abs. 1 GG der Umstand, dass Schülerinnen und Schüler nach § 13 Abs. 1 HmbSchG ohne Bedarfskriterien von der Vorschulklasse bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einen Betreuungsanspruch in der Zeit von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr an jedem Schultag hätten, eine Ganztagsbetreuung.
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Mit diesem Vortrag dringt der Antragsteller nicht durch. § 13 des Hamburgischen Schulgesetzes regelt die ganztägige Bildung und Betreuung ausweislich § 13 Abs. 1 Satz 1 HmbSG für „Schülerinnen und Schüler von der Vorschule bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres“. Angesichts dessen dürfte es bereits an einer Vergleichbarkeit mit der Situation von Kindern fehlen, die - wie der gerade vier Jahre alt gewordene Antragsteller - nicht im Vorschulalter sind. Jedenfalls hat der Antragsteller eine Ungleichbehandlung nicht dargelegt. Abgesehen davon enthält der Vortrag nicht die Geltendmachung eines - zumal nicht einzelfallbezogen glaubhaft gemachten - erhöhten individuellen Bedarfs des Antragstellers, der - gegebenenfalls im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null - zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung führen könnte, sondern betrifft im wesentlichen generelle Bedarfe und rechtspolitischer Erwägungen.
- 51
4. Das Vorbringen des Antragstellers gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, er habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, kann jedenfalls deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde führen, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2,188 Satz 2 VwGO.
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