Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 Bf 313/20.AZ

Tenor

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. November 2020 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

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Die Klägerin verfolgt mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung ihr Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 26 AsylG in Ableitung von ihren Kindern weiter.

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Die xxxx geborene Klägerin ist syrische Staatsangehörige. Sie verließ mit ihrem Ehemann und ihren Kindern Ende 2012 Syrien, lebte zwischenzeitlich in Ägypten und reiste im Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Die Beklagte erkannte dem Ehemann der Klägerin mit Bescheid vom 3. November 2015 die Flüchtlingseigenschaft zu. Die Klägerin beantragte nach ihrer Einreise zunächst eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs, welche ihr am 23. Juni 2016 erteilt wurde.

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Am 18. Mai 2017 stellte die Klägerin für sich und ihre Kinder einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 erkannte die Beklagte der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Mit weiterem Bescheid vom 17. Oktober 2017 erkannte die Beklagte den Kindern der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zu.

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Die am 30. Oktober 2017 erhobene Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat das Verwaltungsgericht mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. November 2020 als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 AsylG zu. Der Klägerin stehe auch kein Flüchtlingsschutz in Ableitung von ihrem Ehemann gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 AsylG zu, da die Klägerin, die nach der Flüchtlingszuerkennung an ihren Ehemann in das Bundesgebiet eingereist sei, nicht – wie § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG dies in einem solchen Fall erfordere – „unverzüglich“ nach ihrer Einreise den Asylantrag gestellt habe. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Zuerkennung einer von ihren Kindern abgeleiteten Flüchtlingseigenschaft gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG zu. Eine derartige Ableitung eines Flüchtlingsschutzes von ihren Kindern sei gemäß § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG ausgeschlossen, da die Kinder der Klägerin ihren Flüchtlingsschutz selbst gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG von einem Familienangehörigen – dem Vater – abgeleitet hätten. Insoweit verweist das Verwaltungsgericht auf die ausführliche Begründung im Urteil des VGH München vom 26. April 2018, 20 B 18.30332 (juris Rn. 27 ff.), auf weitere obergerichtliche Entscheidungen zum Ausschluss von derartigen Ableitungsketten sowie auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 1993 zum Ausschluss von Ableitungsketten nach der früheren Rechtslage. Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19. November 2020 zugestellt worden.

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Die Klägerin hat mit am 15. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht Hamburg eingegangenem Schriftsatz den vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung erhoben und zugleich begründet. Sie macht geltend, dass grundsätzlich klärungsbedürftig sei, ob eine „Kettenableitung“ von Familienflüchtlingsschutz von Kindern, die ihrerseits den Flüchtlingsschutz vom anderen Elternteil ableiteten, gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 AsylG zu gewähren sei.

II.

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Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die von der Klägerin gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht im Rahmen des Zulassungsverfahrens beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die Berufung wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.

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1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Berufungsentscheidung erhebliche tatsächliche oder rechtliche Frage aufwirft, die bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und daher im Interesse der Einheit, der Fortbildung oder der einheitlichen Auslegung und Anwendung des Rechts der Klärung durch das Rechtsmittelgericht bedarf (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, NVwZ 2017, 1204, juris Rn. 3; OVG Hamburg, Beschl. v. 6.12.2019, 5 Bf 386/19.AZ, n.v.). Dementsprechend verlangt das Darlegungsgebot des § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass der Rechtsmittelführer – erstens – eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, dass er – zweitens – ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist (Klärungsfähigkeit), dass er – drittens – erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist, und dass er – viertens – darlegt, inwieweit ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 2.2.2015, 1 Bf 208/14.AZ, AuAS 2015, 103, juris Rn. 8, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits aufgrund höchstrichterlicher oder vorhandener obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 2.2.2015, 1 Bf 208/14.AZ, juris Rn. 12; GK-AsylG, Stand November 2020, § 78 AsylG Rn. 117, 607 ff.) geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, a.a.O.; Beschl. v. 1.4.2014, 1 B 1.14, AuAS 2014, 110, juris Rn. 2). Die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Rechtsfrage im Berufungsverfahren setzt dabei voraus, dass substantiiert dargetan wird, warum sie im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich der Zulassungsantrag mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der geltend gemachten abweichenden Rechtsauffassung zu folgen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.11.2020, 10 LA 229/20, juris Rn. 17; vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO: BVerwG, Urt. v. 27.6.2019, 5 BN 4.18, juris Rn. 3).

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2. Gemessen an diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag nicht auf, dass die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzlich klärungsbedürftig ist.

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a) Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,

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„ob eine „Kettenableitung“ von Familienflüchtlingsschutz von den eigenen Kindern, die ihrerseits die Flüchtlingseigenschaft vom anderen Elternteil ableiten, zu erfolgen hat und insofern in einem solchen Fall entsprechend § 26 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 AsylG für das nicht wegen einer Verfolgung als Flüchtling anzuerkennende Elternteil Flüchtlingsschutz zu gewähren ist.“

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Zur Begründung führt die Klägerin aus, die Frage sei „klärungsbedürftig (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 25.06.2020 -6 A 227/18, Seite 2).“ Im vorliegenden Fall lägen die Voraussetzungen für die Klärungsbedürftigkeit vor, weil die Frage im Hinblick auf § 26 AsylG weder vom Bundesverwaltungsgericht noch vom OVG Hamburg entschieden worden sei und zu der Frage „unterschiedliche Auffassungen vertreten werden“. Einige der Obergerichte lehnten eine Ableitung des Asylrechts des einen Elternteils nach § 26 Abs. 3 AsylG von einem minderjährigen Kind, dessen Asylrecht selbst vom anderen Elternteil nach § 26 Abs. 2 AsylG abgeleitet worden ist, ab. Dieser ablehnenden Rechtsprechung stehe jedoch der Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG entgegen (vgl. Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 26 AsylG Rn. 7). Für eine derartige Kettenableitung spreche auch, dass der tragende Grund für die Zuerkennung des Familienflüchtlingsschutzes die Vermutung einer potentiellen Gefährdungslage sei, die daraus resultiere, dass unduldsame Staaten dazu neigten, anstelle des politischen Gegners, dessen sie nicht habhaft werden könnten, auf diesem besonders nahestehende und von ihm abhängige Personen zurückzugreifen und sie gewissermaßen stellvertretend für den Adressaten von Verfolgungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Dem vom Verwaltungsgericht angeführten Urteil des VGH München liege zudem eine andere Fallkonstellation zugrunde. Die aufgezeigte Rechtsfrage sei auch verallgemeinerungsfähig.

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b) Mit diesen Ausführungen legt die Klägerin eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat sich für seine Rechtsansicht maßgeblich auf die ausführliche Begründung im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München vom 26. April 2018 (20 B 18.30332, juris Rn. 27 ff.) gestützt und auf weitere obergerichtliche Entscheidungen Bezug genommen. Im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München wird ausgeführt (juris Rn. 27 – 31):

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„b) Daneben steht § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für den Kläger, abgeleitet von dessen Sohn, entgegen. Nach § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG gelten die Absätze 2 und 3 nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Abs. 2 oder Abs. 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Aufgrund der Beschränkung des Ausschlusses auf „Kinder eines Ausländers“ hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 9) ausgeführt, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus auf Grund § 26 AsylG nicht entgegenstehe, weil diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut, der eine andere Auslegung nicht zulasse, die Geltung des § 26 Abs. 2 und 3 AsylG eben nur für Kinder, nicht aber für einen Elternteil eines Ausländers ausschließe, der abgeleitet von einem Stammberechtigten (nur) nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG anerkannt worden sei. Diese Auslegung durch das Verwaltungsgericht trägt aber weder der Entstehungsgeschichte der Norm noch dem Sinn und Zweck der Regelung Rechnung. Tatsächlich ist § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG weit dahingehend auszulegen, dass eine Gewährung von abgeleitetem Schutz nach § 26 AsylG von einem Familienangehörigen, der selbst diesen Schutzstatus über § 26 AsylG erhalten hat, nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

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§ 26 AsylG hat seine derzeitige Fassung im Wesentlichen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (BGBl 2013, 3474) erhalten. Damit wurde in § 26 Abs. 3 AsylG einerseits die Möglichkeit eröffnet, auch den Eltern oder minderjährigen ledigen Geschwistern eines anerkannten Asylberechtigten einen abgeleiteten Schutzstatus zu gewähren. Darüber hinaus wurde in Absatz 5 die entsprechende Anwendung der auf Asylberechtigte abzielenden Regelung in den Absätzen 1 bis 4 auf international Schutzberechtigte, also Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutzberechtigung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), eingeführt. Die Gesetzesmaterialien führen zu Absatz 4 Satz 2 lediglich aus, dass dieser Ableitungsketten ausschließe. Die Möglichkeit für Familienangehörige, einen Asylantrag auf eigene Verfolgungsgründe zu stützen, bleibe unberührt (BT-Drs. 17/13063, S. 21). Mit der Verwendung des Begriffs „Ausschluss von Ableitungsketten“ bezieht sich die Gesetzesbegründung auf die alte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren § 26 AsylVfG (U.v. 16.8.1993 – 9 C 7/93 – DVBl 1994, 58, juris 1. Leitsatz; U.v. 7.3.1995 – 9 C 389/94 – BayVBl 1995, 471). Dieses hat ausgeführt, dass Asyl nach § 26 AsylVfG nur Ehegatten und Kindern eines aufgrund Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. bzw. Art. 16a Abs. 1 GG Asylberechtigten, nicht jedoch eines seinerseits nur aufgrund § 26 AsylVfG Berechtigten zustehe. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 26 AsylVfG. Die Vorschrift definiere in ihrem Abs. 1 Nr. 1 die Familienasyl vermittelnde Person als „Asylberechtigten“, der „politisch verfolgt wird“ und versage in ihrem Abs. 3 Familienasyl den Kindern eines Ausländers, der selbst nur gemäß § 26 Abs. 2 AsylVfG Familienasyl berechtigt sei (BVerwG, Urteil v. 16.8.1993 – 9 C 7/93 – juris Rn. 8). Auch in der Rechtsprechung zur Frage der Asylberechtigung von Familienangehörigen politisch Verfolgter sei es immer um die Asylberechtigung von Familienangehörigen eines im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. politisch Verfolgten gegangen. Eine der maßgebenden Überlegungen dieser Rechtsprechung sei gewesen, dass nächste Angehörige nicht völlig außerhalb der Reichweite der einem politisch Verfolgten drohenden Gefahr gesehen werden könnten (BVerwG a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, Urteil v. 25.6.1991 – 9 C 48.91 – BVerfGE 88, 326). Im Falle einer Ableitungskette, also wenn zwischen dem originär Schutzberechtigten und dem den abgeleiteten Schutz nach § 26 AsylG Begehrenden weitere Personen stehen, greift dieser Grundgedanke der Nähe des den Schutz nach § 26 AsylG Begehrenden zum originär Schutzberechtigten und damit politisch Verfolgten nicht (vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 32).

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Zudem fand sich die Beschränkung auf „Kinder eines Ausländers“ bereits in der vor dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU geltenden Fassung des § 26 AsylVfG vom 2. September 2008 (BGBl 2008, 1798). Nach dieser Fassung des § 26 AsylVfG konnte ein abgeleiteter Schutzstatus nur für Ehegatten nach § 26 Abs. 1 AsylVfG a.F. bzw. für minderjährige ledige Kinder nach § 26 Abs. 2 AsylVfG a.F. eines Asylberechtigten gewährt werden. Die Begrenzung im damaligen § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG a.F. auf Kinder eines Ausländers war also zum diesem Zeitpunkt folgerichtig. Sie wurde bei der Erweiterung des Geltungsbereichs des § 26 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (s.o.) übernommen, ohne dass dabei gesehen wurde, dass der Anwendungsbereich des § 26 AsylVfG sich enorm vergrößert hatte. Nachdem die Gesetzesbegründung insoweit lediglich ausführt, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG Ableitungsketten ausschließen solle, deutet dies darauf hin, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.

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Zudem knüpfen § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG jeweils an den Staat, in dem der „Asylberechtigte“ bzw. i.V.m. § 26 Abs. 5 AsylG der international Schutzberechtigte politisch verfolgt wird. Politisch verfolgt ist aber nur der Stammberechtigte, nicht der seinerseits nur nach § 26 AsylG Berechtigte (Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 32).

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Damit spricht auch § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG im Falle des Klägers gegen eine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus an diesen abgeleitet von seinem Sohn: Denn der Sohn des Klägers hat den subsidiären Schutzstatus wiederum nur abgeleitet von seiner Mutter erhalten. Er wird daher nicht im Sinne von § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG in seinem Heimatland Somalia politisch verfolgt bzw. droht ihm dort kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG. Vielmehr hat er diesen Schutzstatus abgeleitet von seiner Mutter und ungeachtet der Frage, ob ihm selbst dort ein Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG droht, erhalten (vgl. die Begründung des ihm subsidiären Schutz gewährenden Bescheids des Bundesamts vom 19. April 2017). Daher steht der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus an den Kläger auch § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG entgegen (im Ergebnis ebenso Günther in Beck-OK Ausländerrecht, § 26 Rn. 22 und 26; Bodenbender in GK-AsylG, Stand Juni 2008, § 26 Rn. 71). Das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 19. Mai 2017 (A 3 K 3301/16 – juris) verhält sich zu dieser Frage nicht.“

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aa) Auf der Grundlage der vorhandenen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 17.2.2021, 5 LA 28/21, juris Rn. 5; OVG Münster, Urt. v. 24.6.2020, 14 A 4681/19.A, juris Rn. 41 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.10.2019, 4 LA 217/19, AuAS 2020, 8, juris Rn. 6; OVG Saarlouis, Urt. v. 21.3.2019, 2 A 7/18, juris Rn. 23), die - wie vom Verwaltungsgerichtshof München ausgeführt - auf einer entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 26 AsylVfG a.F. (vgl. zu § 26 AsylVfG a.F. auch: VGH Mannheim, Urt. v. 21.7.1994, A 13 S 452/94, VBlBW 1995, 287, juris Rn. 17 ff.) beruht, ist hinreichend geklärt, dass die Gewährung von Familienasyl nicht auf der Grundlage einer Ableitungskette erfolgen kann (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 17.2.2021, 5 LA 28/21, juris Rn. 5). Dieser eindeutigen und in der Sache überzeugenden Bewertung schließt sich der erkennende Senat an (vgl. ebenso: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2020, § 26 AsylG Rn. 53; Epple in: GK-AsylG, Stand November 2020, § 26 AsylG Rn. 77), ohne dass es insoweit der Durchführung eines Berufungsverfahren bedarf. Der Zulassungsantrag wirft insoweit auch keinen neuerlichen Klärungsbedarf auf.

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bb) Unabhängig davon hat der Zulassungsantrag auch deshalb keinen Erfolg, weil sich die Klägerin mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichtshofs München nicht – wie erforderlich – substantiiert auseinandersetzt. Soweit die Klägerin im Zulassungsantrag aufgreift, dass der Wortlaut der Auslegung des Verwaltungsgerichts entgegenstehe, greift dies zu kurz, weil – wie der Verwaltungsgerichtshof München überzeugend ausführt – diese Auslegung weder der Entstehungsgeschichte noch dem Sinn und Zweck der Regelung Rechnung trägt. Dabei hat der VGH München überzeugend herausgearbeitet, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG nach seiner Entstehungsgeschichte, insbesondere den Gesetzgebungsmaterialien, Ableitungsketten insgesamt ausschließen will und der Gesetzgeber sprachlich an die bestehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.8.1993, 9 C 7.93) angeknüpft hat, wonach Familienasyl nur Ehegatten und Kindern eines seinerseits aufgrund von Art. 16 Abs. Satz 2 GG a.F. bzw. Art. 16a Abs. 1 GG Berechtigten zusteht. Zudem ist der Wortlaut nicht derart eindeutig, wie die Klägerin geltend macht, da § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG voraussetzt, dass die Familie bereits in dem Staat bestanden haben muss, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt worden ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 17.2.2021, 5 LA 28/21, juris Rn. 5). Bei Ausländern, denen Flüchtlingsschutz (wie den Kindern der Klägerin) nach § 26 Abs. 2 AsylG zuerkannt wurde, steht dies aber gerade nicht fest.

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Der Einwand, dass der tragende Grund für die Zuerkennung des Familienflüchtlingsschutzes die Vermutung einer potentiellen Gefährdungslage sei, die daraus resultiere, dass unduldsame Staaten dazu neigten, anstelle des politischen Gegners, dessen sie nicht habhaft werden könnten, auf diesem besonders nahestehende und von ihm abhängige Personen zurückzugreifen und sie gewissermaßen stellvertretend für den Adressaten von Verfolgungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, greift ebenfalls nicht durch. Denn zum einen ist es zunächst Aufgabe des Gesetzgebers den Kreis der Personen zu bestimmen, für den diese Vermutung gelten soll; ergibt – wie hier – die Auslegung der Norm, dass eine Kettenableitung vom Gesetzgeber nicht gewollt war, so kommt darin zum Ausdruck, dass er in diesem Fall die Vermutung nicht angeordnet hat. Zum anderen würde sich in der vorliegenden Fallkonstellation, in der die Klägerin im Grundsatz § 26 Abs. 1 AsylG unterfällt, deren näheren tatbestandlichen Voraussetzungen sie jedoch nicht erfüllt, die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes im Wege einer Kettenableitung gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. § 26 Abs. 3 AsylG dazu führen, dass die in § 26 Abs. 1 AsylG normierten besonderen Voraussetzungen für die Gewährung von Familienasyl für Ehegatten unterlaufen würden, obwohl die Klägerin letztlich die Gewährung von Familienasyl von dem Ehegatten ableitet.

21

Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig beruft, genügt dies bereits deshalb nicht dem Darlegungserfordernis, weil es sich um eine – soweit ersichtlich - unveröffentlichte Entscheidung handelt und eine Auseinandersetzung mit der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht erfolgt.

22

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch Art. 23 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) keine andere Auslegung von § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG gebietet. Denn danach haben die Mitgliedstaaten allein dafür Sorge zu tragen, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann sowie Sorge dafür zu tragen, dass die Familienangehörigen (vgl. hierzu: Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU) der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, Anspruch auf die in Art. 24 bis 35 RL 2011/95/EU genannten Leistungen haben, insbesondere auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. Art. 24 RL 2011/95/EU). Damit gebietet die Qualifikationsrichtlinie gerade nicht, den Familienangehörigen i.S.d.Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach Art. 9 ff. RL 2011/95/EU bzw. § 3 ff. AsylG erfüllen, ebenfalls den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.

III.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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