Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 M 27/07

Gründe

1

Die Antragsteller haben um vorläufigen Rechtsschutz gegen den vorbezeichneten Beitragsbescheid des Antragsgegners für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung nachgesucht. Sie sind Miteigentümer des im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücks N.straße ... in 1.... B... (Gemarkung B..., Flur ..., Flurstück ... und ...). Das Grundstück ist mit einem zweigeschossigen Wohngebäude bebaut und an die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Einrichtung der zentralen Schmutzwasserbeseitigung, Entsorgungszone II, angeschlossen. Ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte erstinstanzlich Erfolg.

2

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den ihm am 05. März 2007 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts, die mit am 13. März 2007 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs.1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit am 30. März 2007 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat Erfolg.

3

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden.

4

1. Das Beschwerdevorbringen stellt die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit durchgreifenden Argumenten, die beide tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts erfassen, erfolgreich in Frage; die angegriffene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Damit bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Nachdem auch keine unbillige Härte für die Antragsteller ersichtlich ist, ist folglich der erstinstanzliche Beschluss nach Maßgabe des Tenors abzuändern.

5

a) Das Verwaltungsgericht hat seine stattgebende Entscheidung zum einen darauf gestützt, dass insbesondere mit Blick auf Mehrfachfunktionen von (Teil-)Einrichtungen der Umfang der jeweiligen verschiedenen und nebeneinander betriebenen öffentlichen Einrichtungen in der Abwasserentsorgungssatzung vom 23. Mai 2001 i.d.F. der Ersten Änderungssatzung vom 03. Dezember 2004 (nachfolgend: AES) nicht hinreichend bestimmt definiert sei und es deshalb der "Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (Beitrags- und Gebührensatzung)" vom 03. Dezember 2004 i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 23. November 2005 (nachfolgend: Beitrags- und Gebührensatzung - BGS) an einer hinreichenden Regelung des Abgabentatbestandes und damit des Mindestinhalts einer kommunalen Abgabensatzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V fehle. Die Beitrags- und Gebührensatzung sei deshalb unwirksam, dem angegriffenen Bescheid ermangele es an einer wirksamen Rechtsgrundlage.

6

Hinsichtlich der maßgeblichen Satzungsbestimmungen, die das Verwaltungsgericht mit Blick auf die erforderliche Definition des Einrichtungsbegriffs für zu unbestimmt hält, enthält § 1 Abs. 1 bis 3 AES die Entscheidung, sieben getrennte öffentliche Einrichtungen zu betreiben, und lautet wie folgt:

7

§ 1 Allgemeines, öffentliche Einrichtung

8

(1) Der Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverband Güstrow-Bützow-Sternberg, nachstehend Verband genannt, betreibt die öffentlichen Anlagen zur Entsorgung von Schmutzwasser in seinem Gebiet als fünf öffentliche Einrichtungen, die durch ihre Belegenheit in den in § 2 Abs. 2 dieser Satzung genannten Zonen abgegrenzt sind.

9

(2) Der Verband betreibt daneben die öffentlichen Anlagen zur Entsorgung von Niederschlagswasser in seinem Gebiet als eine öffentliche Einrichtung.

10

(3) Daneben betreibt der Verband auch das Einsammeln, Abfahren und Behandeln des in Grundstückskläranlagen anfallenden Fäkalschlammes und des in abflusslosen Sammelgruben gesammelten Abwassers in seinem Gebiet als eine öffentliche Einrichtung.

...

11

Hinsichtlich des konkreten Umfangs dieser öffentlichen Einrichtungen bestimmt § 2 AES:

12

§ 2 Umfang der öffentlichen Einrichtungen

13

(1) Zu den öffentlichen Abwasseranlagen gehören:

14

a) die gesamten öffentlichen Abwassernetze, bestehend aus Druck- und Freispiegelleitungen für Schmutzwasser und Niederschlagswasser (Trennverfahren) bzw. nur für eine Schmutzwasserleitung bei modifiziertem Trennsystem oder Leitungen zur Aufnahme aller Abwässer (Mischverfahren) einschließlich des ersten Grundstücksanschlusses,

15

b) die Abwasserpumpstationen im öffentlichen Abwassernetz,

16

c) die Rückhaltevorrichtungen und Bauwerke,

17

d) die öffentlichen Kläranlagen einschließlich aller technischen Einrichtungen,

18

e) die Straßenentwässerungsanlagen, soweit sich der Verband dieser Anlagen und Einrichtungen bedient,

19

f) die Betriebsgrundstücke, -gebäude und -einrichtungen des Verbandes,

20

g) die vom Verband unterhaltenen Gräben und sonstigen Einrichtungen, soweit sie zur Ableitung der Abwässer aus den angeschlossenen Grundstücken dienen,

21

h) Anlagen und Einrichtungen, die nicht von dem Verband selbst, sondern von Dritten hergestellt und zu unterhalten sind, wenn sich der Verband dieser Anlagen und Einrichtungen zur Einleitung der Abwässer bedient.

22

(2) Die öffentlichen Anlagen zur Schmutzwasserentsorgung sind entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu der Netzstruktur der im Verbandsgebiet bestehenden Kläranlagen fünf öffentlichen Einrichtungen zugeordnet. Diese öffentlichen Einrichtungen sind als Zone I - Zone V bezeichnet. Die Zonen werden durch das Gebiet der nachfolgend genannten Verbandsmitglieder bestimmt:

23

a) Zone I: Gülzow-Prüzen, Gutow, Lüssow, Mühl-Rosin, Tarnow

24

b) Zone II: Bützow, Zepelin (außer Ortsteil Oettelin), Bernitt (nur Ortsteil Kurzen Trechow), Rühn, Steinhagen

25

c) Zone III: Laage (außer Ortsteil Liessow), Wardow (außer Ortsteile Alt Kätwin und Groß Ridsenow)

26

d) Zone IV: Baumgarten, Bellin, Bernitt (außer OT Kurzen Trechow), Bibow, Blankenberg, Borkow, Diekhof, Dobbin-Linstow, Dolgen am See, Dreetz, Glasewitz, Groß Schwiesow, Hohen Pritz, Hohen Sprenz, Hoppenrade, Jürgenshagen, Klein Belitz, Klein Upahl, Krakow am See, Kuchelmiß, Kuhlen-Wendorf, Kuhs, Laage (nur Ortsteil Liessow), Langen Jarchow, Lohmen, Mistorf, Mustin, Neuendorf, Penzin, Plaaz, Recknitz, Reimershagen, Sarmstorf, Wardow (nur Ortsteile Alt Kätwin und Groß Ridsenow), Warin, Warnow, Weitendorf bei Brüel, Weitendorf bei Laage, Witzin, Zahrensdorf, Zehna, Zepelin (nur Ortsteil Oettelin)

27

e) Zone V: Gemeinde Dabel

28

(3) Nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen im Sinne dieser Satzung gehören die Grundstücksentwässerungsanlagen im Sinne des § 4 Abs. 9.

29

(4) Ebenfalls nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen im Sinne dieser Satzung gehören Grundstückskläranlagen und abflusslose Gruben (auch als Abwasser- oder Sammelgruben bezeichnet). Die Regelung ihrer Entsorgung ist einer gesonderten Satzung (Abwassergruben- und Grundstückskläranlagensatzung) vorbehalten.

30

§ 1 BGS lautet schließlich:

31

§ 1 Anschlussbeitrag; Kostenersatz für zusätzliche Grundstücksanschlüsse

32

(1) Der Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverband Güstrow-Bützow-Sternberg, nachstehend Verband genannt, erhebt zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtungen zur Schmutzwasserentsorgung Anschlussbeiträge.

33

(2) gestrichen

34

(3) Zu dem Aufwand, der durch Beiträge gedeckt wird, gehört insbesondere der Aufwand für die Herstellung

35

a) der Kläranlagen,

36

b) von Freigefällesammlern, Druckrohrleitungen, Pumpwerken und Sonderbauwerken,

37

c) von jeweils einem Anschlusskanal zu den einzelnen Grundstücken mit Nebeneinrichtungen (wie Be- und Entlüftungsanlagen), die zur Ableitung der Schmutzwässer aus den angeschlossenen Grundstücken dienen, nicht jedoch die Grundstücksentwässerungsanlagen.

...

38

Das Verwaltungsgericht meint, die Regelungen der §§ 1 und 2 AES bzw. § 1 BGS ermöglichten den Rechtsunterworfenen nicht die notwendige Bestimmung des Umfangs jeder öffentlichen Einrichtung, da unklar sei, welcher der verschiedenen öffentlichen Einrichtungen die Anlagen nach § 2 Abs. 1 Buchst. a bis h AES zuzuordnen seien. Sofern diese Anlagen von mehreren öffentlichen Einrichtungen genutzt würden oder könnten, bleibe der Umfang der jeweiligen Nutzung und die damit notwendige Aufteilung der Anlagen offen; ein Rückgriff auf die Kalkulation sei insoweit rechtlich unzulässig.

39

Dem Verwaltungsgericht ist zwar in seinem - insbesondere unter Heranziehung der Rechtsprechung des 1. und 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern - formulierten Ausgangspunkt zuzustimmen, dass eine Abgabensatzung den ihr zugrunde liegenden Einrichtungsbegriff definieren muss, wobei dieser Begriff ein rechtlicher ist (vgl. z.B. Urt. v. 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114 - juris; Urt. v. 15.09.2004 - 1 L 214/02 -, LKV 2005, 559 - juris). Wenn es aber hiervon ausgehend mit Blick auf die konkreten, vorstehend wiedergegebenen Satzungsbestimmungen meint, die entsprechenden Definitionen gingen nicht weit genug, überspannt dies - nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens - die an die satzungsmäßige Definition des Einrichtungsbegriffs zu stellenden Anforderungen. Dies verdeutlichen folgende Überlegungen:

40

Ausgehend vom Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts wäre es z.B. für die Betriebsgrundstücke, -gebäude und sonstige Einrichtungen des Verbandes (§ 2 Abs. 1 Buchst. f AES) erforderlich, diese im Hinblick auf ihre aktuell-konkrete bzw. zukünftig-prognostizierte technische Nutzung ideell mit einem bestimmten Prozentsatz einer der verschiedenen vom Zweckverband betriebenen Einrichtungen zuzuordnen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche ideelle, technisch-bedingte Aufteilung wirklichkeitsgetreu erfolgen müsste, das heißt, die entsprechenden Werte nicht lediglich "gegriffen" werden dürften. Um diesem Erfordernis wirklichkeitsgetreuer Abbildung gerecht werden zu können, wäre es erforderlich, dass die rechtsetzende Körperschaft entsprechende Ermittlungen im Sinne einer Inventaraufnahme und Nutzungsanalyse zur jeweiligen teilweisen technischen aktuellen und künftigen Nutzung der Betriebsgrundstücke, -gebäude und sonstigen Einrichtungen des Verbandes durch die verschiedenen Einrichtungen anstellt. Erst im Ergebnis dieser Ermittlungen könnte sie die vom Verwaltungsgericht geforderte ideelle Aufteilung und Zuordnung vornehmen, indem sie eine Gewichtung der Nutzungsanteile vornimmt. Im Rahmen dieser Gewichtung liegt es nahe, diese Nutzungsanteile wertmäßig zu bestimmen.

41

Diese Überlegungen zeigen deshalb Folgendes deutlich: Der Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts verlangte von der rechtsetzenden Körperschaft bereits auf der Satzungsebene zur Definition des Einrichtungsbegriffs kalkulatorische Prozesse und Rechenoperationen, also eine teilweise und nicht unerhebliche Vorwegnahme der prinzipiell der Definition des Einrichtungsbegriffs erst nachfolgenden Beitragskalkulation. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht aber selbst darauf hin, dass die Definition der öffentlichen Einrichtung die Grundlage der Kalkulation ist, nicht umgekehrt. Es führt ebenso aus, dass der Begriff der öffentlichen Einrichtung kein technischer sei, also nicht an technische Gegebenheiten oder Anlagenzuordnungen angeknüpft werden könne: Genau dies wäre aber - widersprüchlich - die Folge der vom Verwaltungsgericht verlangten Definition.

42

Im Ergebnis spricht deshalb nach dem Maßstab des summarischen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens schon aus diesem Grunde Überwiegendes dafür, dass die in der Abwasserentsorgungssatzung enthaltene Bestimmung, derzufolge bestimmte technische Anlagen als solche zu den öffentlichen Abwasseranlagen gehören, zur Definition der vom Zweckverband betriebenen öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich hinreichend bestimmt und ausreichend ist, um den Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V - hier die Regelung des Abgabentatbestandes - zu genügen. Wie im einzelnen bzw. zu welchen Anteilen diese technischen Anlagen den verschiedenen Einrichtungen zuzuordnen sind, dürfte demgegenüber originär Gegenstand der Kalkulation der Beitragssätze für die jeweiligen Einrichtungen sein. Ob in diesem Rahmen im Einzelfall eine zutreffende und vorteilsgerechte Aufteilung vorgenommen worden ist, muss an Hand einer Auslegung der Abwasserentsorgungssatzung insbesondere orientiert am Prinzip der Vorteilsgerechtigkeit überprüft werden. Konkrete Anhaltspunkte, die vorliegend im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens eine entsprechende Überprüfung erforderlich machen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; eine solche Prüfung bleibt deshalb ggfs. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

43

Zu berücksichtigen ist - die vorstehenden Erwägungen unterstützend - zudem, dass der Entscheidung der rechtsetzenden Körperschaft über die Definition der öffentlichen Einrichtungen die Kalkulation nachfolgt, diese jedoch ihrerseits bei der Beschlussfassung über die Beitrags- und Gebührensatzung vorliegen muss und in die in ihr festgelegten Beitragssätze mündet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats fällt die Festsetzung und Kalkulation des Beitrags- und Gebührensatzes für leitungsgebundene Einrichtungen in die alleinige Kompetenz des Rechtsetzungsorgans der rechtsetzenden Körperschaft. Zur Gültigkeit der Festsetzung eines Beitrags- und Gebührensatzes bedarf es einer stimmigen Kalkulation, die vom satzungsgebenden Gremium mit der Beschlussfassung über den Abgabensatz zu billigen ist (vgl. zum Ganzen m.w.N. OVG Greifswald, Urt. v. 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174 - juris). Demnach hat die rechtsetzende Körperschaft im Rahmen der letztgenannten Entscheidung die Pflicht, die Verteilung des Aufwandes, wie sie in der Kalkulation vorgenommen wird, auch dahingehend zu überprüfen, ob diese wirklichkeitsgetreu die ideelle Aufteilung vornimmt, wie sie vom satzungsrechtlichen Einrichtungsbegriff der Sache nach vorgegeben bzw. diesem immanent ist, und ob im Ergebnis der aus dieser kalkulatorischen Verteilung resultierende Beitragssatz in diesem Sinne richtig ermittelt worden ist. Folglich dürfte sich das vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Legitimationsproblem in dieser Hinsicht nicht stellen.

44

b) Zum anderen hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Regelungen zum Flächenansatz in § 4 Abs. 3 Buchst. c BGS gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitssatz verstießen, weil die Anordnung einer Tiefenbegrenzung von 45 m in der streitgegenständlichen Entsorgungszone II den örtlichen Verhältnissen widerspreche. Mehr als 10 % - nämlich 24 % - der als repräsentativ bezeichneten Grundstücke wiesen eine bauliche Nutzung über die gewählte Tiefenbegrenzung hinausgehend auf.

45

Nach § 4 Abs. 3 Buchst. c BGS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 45m dazu verlaufenden Parallelen, soweit keine gemeindliche Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB rechtskräftig besteht, welche vorrangig Anwendung findet.

46

Das Verwaltungsgericht bezieht sich bei seiner rechtlichen Bewertung dieser Tiefenbegrenzungsregelung auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit. Dieser gestattet der rechtsetzenden Körperschaft, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.1982 - 8 C 54.81 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 20 - zitiert nach juris; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 18.05.1971 - 1 BvL 7/69 u. 1BvL 8/69 -, BVerfGE 31, 119 - zitiert nach juris). Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, als nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231 - zitiert nach juris).

47

Im Hinblick auf die Überprüfung dieser Vorschrift am Maßstab des Vorteilsprinzips und des Gleichheitsgrundsatzes unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit hat sich nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Tatsachengrundlage entscheidungserheblich mit der Folge verändert, dass vorliegend nicht mehr die Annahme gerechtfertigt ist, die Tiefenbegrenzungsregelung sei bezogen auf die Zone II gleichheitswidrig und folglich unwirksam.

48

Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren eine Überarbeitung des Gutachtens zur Ermittlung der schlichten Tiefenbegrenzung überreicht. Diese ist - entgegen dem Vorbringen der Antragsteller - auch im Beschwerdeverfahren noch zu berücksichtigen, obwohl die Vorlage erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist bei Gericht eingegangen ist. Dies folgt daraus, dass sich der Antragsgegner bereits mit seiner fristgerecht übersandten Beschwerdebegründung gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Tiefenbegrenzung gewandt hat. Diese fristgerecht geltend gemachten Gründe konnte er deshalb - auch unter dem Blickwinkel der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und zur Vermeidung eines ggfs. weiteren Verfahrens gemäß § 80 Abs. 7 VwGO wie mit der Übersendung der Überarbeitung des Gutachtens zur Ermittlung der schlichten Tiefenbegrenzung geschehen - auch nach Ablauf der Begründungsfrist - vertiefen.

49

Die Überarbeitung des Gutachtens zur Ermittlung der schlichten Tiefenbegrenzung durch die COMUNA ergibt nunmehr für die Zone II, in der das Grundstück der Antragsteller belegen ist, dass 91 % (= 559 von 613) der betrachteten Grundstücke eine Nutzungstiefe von bis zu 45 m aufweisen, also weniger als 10 % über diese Grenze hinausgehend tatsächlich baulich genutzt werden; die erhebliche Veränderung gegenüber der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Berechnung beruht dabei offenbar auf einer erheblich verbreiterten Basis hinsichtlich der betrachteten Grundstücke.

50

Mit Blick auf das Vorbringen der Antragsteller ist darauf hinzuweisen, dass insoweit § 4 Abs. 3 Buchst. c BGS jedenfalls für die selbständige Einrichtung der Zone II einen wirksamen Maßstab zur Verfügung stellt; ob dies in der Zone V nicht der Fall ist, bleibt wegen der rechtlichen Konstruktion des Betriebs mehrerer selbständiger öffentlicher Einrichtungen nebeneinander vorliegend außer Betracht.

51

c) Hinsichtlich der Rüge der Antragsteller, die Beitrags- und Gebührensatzung sei unwirksam, weil sie auch sogenannte altangeschlossene Grundstücke wie ihres zu Anschlussbeiträgen heranziehe, wird auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die der ständigen Senatsrechtsprechung entsprechen, verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

52

2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

53

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der streitige Abgabenbetrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln ist.

54

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen