Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 M 65/09
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 26. März 2009 - 3 B 205/09 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu zwei Dritteln, die Antragstellerin zu 2. zu einem Drittel.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 16.457,85 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Antragstellerinnen auf Erlass bzw. Stundung der ihnen gegenüber für die Jahre 2006 und 2007 (Antragstellerin zu 1.) und 2008 (Antragstellerin zu 2.) jeweils in Höhe von 21.943,81 Euro festgesetzten Grundsteuer B jeweils betreffend das Grundstück ... in Prora, das mit dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex Block ... mit Querriegel als Teil des ehemals geplanten sog. "Kraft durch Freude" Seebades Rügen bebaut ist.
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Die Antragstellerin zu 1. hat erstinstanzlich das Begehren verfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Stundung der festgesetzten Grundsteuer für die Jahre 2006 und 2007 bis zur abschließenden Entscheidung über ihren Erlassantrag zu verpflichten, hilfsweise ihm bis zur abschließenden Entscheidung über ihren Erlassantrag die Vollstreckung zu untersagen.
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Die Antragstellerin zu 2. hat erstinstanzlich das Begehren verfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Stundung der festgesetzten Grundsteuer für das Jahr 2008 bis zur abschließenden Entscheidung über ihren Erlassantrag zu verpflichten, hilfsweise ihm bis zur abschließenden Entscheidung über ihren Erlassantrag die Vollstreckung zu untersagen und ihn zu verpflichten, die Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Bergen auf Rügen, Blatt..., ON ..., in Abt. ... unter den lfd. Nrn. ... und ... eingetragenen Zwangssicherungshypotheken zu bewilligen.
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Das Verwaltungsgericht hat - nach Verbindung - die Anträge abgelehnt, weil kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sei.
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Die nach Zustellung des angefochtenen ablehnenden Beschlusses am 01. April 2009 mit am 15. April 2009 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß eingelegte und u.a. mit am 28. April 2009 eingegangenem Schriftsatz gleichermaßen fristgemäß begründete Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
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Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerinnen lediglich der Sachbeschluss des Verwaltungsgerichts zu Ziffer 1 und die daran anknüpfende Kostenentscheidung. Auch wenn die Beschwerde vom 15. April 2009 "gegen den Beschluss zu 1. bis 3." eingelegt sein soll, geht der Senat davon aus, dass die Streitwertfestsetzung gemäß Ziffer 3 des Beschlusses nicht angegriffen sein soll, da es insoweit jedweder Begründung ermangelt; im Übrigen wäre eine solche Beschwerde in der Sache unbegründet.
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Die auf den Sachbeschluss bezogene Beschwerdebegründung genügt zum Teil nicht dem Darlegungserfordernis aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und weckt im Übrigen auch in der Sache keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass das Verwaltungsgericht einen Anordnungsanspruch unter den im Beschwerdeverfahren angesprochenen Gesichtspunkten verneint hat.
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§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
- 9
In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht - dem Darlegungserfordernis genügend - geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden.
- 10
Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Es ist für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich, dass die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpft und aufzeigt, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht sein Ergebnis alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinander setzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt, bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer - in aller Regel durch einen Rechtsanwalt - rechtskundig vertreten sind (insgesamt ständige Rspr. des Senats, vgl. zuletzt etwa Beschl. v. 19.08.2008 - 1 M 44/08 -).
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Die Beschwerde greift zunächst erfolglos an, dass das Verwaltungsgericht einen Erlassanspruch der Antragstellerinnen aus § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG verneint hat. Die Grundsteuer ist nach dieser Bestimmung für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt, zu erlassen, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen. Die im weiteren geregelten Voraussetzungen für Park- und Gartenanlagen von geschichtlichem Wert sind vorliegend nicht einschlägig.
- 12
Das Verwaltungsgericht ist insoweit entscheidungstragend davon ausgegangen, dass - nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 08.07.1998 - 8 C 23.97 -, NVwZ 1999, 886 - zitiert nach juris), der es sich angeschlossen hat - ein Kausalzusammenhang zwischen dem öffentlichen Erhaltungsinteresse und der Unrentabilität bestehen muss, hierzu aber prüfbare Angaben der Antragstellerinnen, die der Auffassung seien, dass es auf einen derartigen Kausalzusammenhang nicht ankomme, fehlten. Ebenfalls könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Grundbesitz der Antragstellerinnen um einen solchen handele, der bereits unwirtschaftlich war und durch den Denkmalschutz - lediglich - noch unrentabler geworden sei; auch dann sei die erforderliche Kausalität zu verneinen.
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Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen genügt nicht dem Darlegungserfordernis bzw. begründet jedenfalls in der Sache keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verneinung eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs. Die Antragstellerinnen wenden sich nicht - mehr - grundsätzlich gegen das Kausalitätserfordernis, tragen allerdings vor, dieses sei bezogen auf den betreffenden Grundbesitz erfüllt. Das entsprechende Vorbringen erschöpft sich jedoch in bloß pauschalen Ausführungen insbesondere zum Erhaltungsgebot bzw. öffentlichen Erhaltungsinteresse, ohne konkret darzutun, wie sich im einzelnen diese denkmalschutzrechtlichen Aspekte nachteilig auf den Rohertrag bzw. die Rentabilität der Immobilie ausgewirkt haben sollen. Auch die ausdrückliche Bezugnahme auf Seite 24 des Schriftsatzes der Antragstellerin zu 1. vom 13. Februar 2009 (im Verfahren des Verwaltungsgerichts Az. 3 A 1830/08, diese Angabe fehlt allerdings) führt nicht zu einer für die Antragstellerinnen günstigeren Beurteilung. Denn auch dort heißt es lediglich knapp und pauschal, das öffentliche Erhaltungsinteresse des Objekts sei ausführlich in den vereinbarten "Grundsätzen zur Entwicklung von Prora" erläutert und öffentlich-rechtlich vorgegeben, aus diesem öffentlichen Erhaltungsinteresse resultierten das B-Planverfahren und die Veränderungssperre, also eine im Betrachtungszeitraum eingeschränkte Nutzungs- und Verfügungsbeschränkung, die zwangsläufig die Unrentierlichkeit zu Folge habe, erst nach der Umsetzung dieses Entwicklungskonzeptes werde ein positiver Reinertrag für das Objekt möglich. Die dem Schriftsatz als Anlage 45 beigefügten - am 18. Dezember 1996 verabschiedeten - "Grundsätze zur Entwicklung von Prora" geben gleichermaßen nichts her für die als Voraussetzung eines Anordnungsanspruchs zu beantwortende Frage, wie sich im einzelnen diese denkmalschutzrechtlichen Aspekte nachteilig auf den Rohertrag bzw. die Rentabilität der Immobilie ausgewirkt haben. Schließlich bleibt auch der Vortrag zur Rentierlichkeit des Grundbesitzes vor dessen Unterschutzstellung als Denkmal zu dem vom Verwaltungsgericht angesprochenen Gesichtspunkt der fehlenden Kausalität auch für den Fall, dass die Immobilie dadurch lediglich noch unrentabler geworden sein könnte, oberflächlich und pauschal. Der Umstand, dass die Antragstellerinnen im vorstehenden Sinne das Darlegungserfordernis nicht erfüllt haben, führt zugleich zu der Schlussfolgerung, dass ein Anordnungsanspruch auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG nicht glaubhaft gemacht ist.
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Auch die Ablehnung eines Stundungs- bzw. Anordnungsanspruchs aus Abschn. 35 Abs. 2 Satz 12 der Grundsteuerrichtlinien (GrStR) i.V.m. § 222 AO, Art. 3 Abs. 1 GG (unter dem Blickwinkel der Selbstbindung der Verwaltung) und §§ 1 Abs. 4 Satz 1, 12 Abs. 1 KAG M-V durch das erstinstanzliche Gericht begegnet mit Blick auf das Beschwerdevorbringen keinen durchgreifenden Bedenken.
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Die Finanzbehörden können gemäß § 222 Satz 1 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Vorschrift kann nach den §§ 1 Abs. 4 Satz 1, 12 Abs. 1 KAG M-V vorliegend entsprechend zur Anwendung kommen. Kann im Anwendungsbereich des § 32 GrStG die Frage der Ertraglosigkeit eines Grundstücks im Vornhinein nicht endgültig geklärt werden, bestehen vielmehr insoweit Zweifel, unterstellt Abschn. 35 GrStR eine erhebliche Härte im Sinne von § 222 Satz 1 AO und bindet das nach dieser Vorschrift eröffnete Ermessen:
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Abschn. 35 Abs. 1 Satz 1 GrStR bestimmt - entsprechend § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG - zunächst, dass die Grundsteuer für Grundbesitz zu erlassen ist, wenn seine Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt und wenn der Rohertrag in der Regel unter den jährlichen Kosten liegt.
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Da erst rückblickend festgestellt werden kann, ob der Rohertrag in der Regel unter den jährlichen Kosten liegt, soll im Zweifelsfall die Gemeinde gemäß Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR im Sinne einer Ermessensbindung die Grundsteuer des laufenden Kalenderjahres und der beiden folgenden Kalenderjahre bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres mit dem Ziel des Erlasses stunden. Der Steuerpflichtige hat nach Ablauf der Stundungsfrist die Erlassvoraussetzungen nachzuweisen (Satz 13). Wird der Nachweis nicht erbracht oder ist in mindestens 2 Jahren ein Überschuss erzielt worden, so ist die Grundsteuer rückwirkend für diese 3 Jahre zu erheben (Satz 14). Werden die Erlassvoraussetzungen nachgewiesen, ist die Grundsteuer für diese 3 Jahre zu erlassen (Satz 15).
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Bezogen auf einen Stundungsanspruch nach Maßgabe von Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hat das Verwaltungsgericht angenommen, es komme bei ihm wegen der geringeren Prüfungstiefe nicht auf einen Kausalzusammenhang zwischen öffentlichem Erhaltungsinteresse und Unrentabilität an, er scheide aber - im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt - aus, weil eine solche Stundung nur für den Zeitraum bis zum Ablauf des dritten Steuerjahres, nach seiner Auffassung vorliegend des Jahres 2008, in Betracht komme.
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Dagegen wenden sich die Antragstellerinnen bzw. im Ergebnis wohl nur die Antragstellerin zu 2. lediglich mit dem Vortrag, der in Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR vorgesehene Dreijahreszeitraum sei für jeden Eigentümer getrennt zu beurteilen, anderenfalls hätte ein neuer Erwerber gar nicht mehr die Möglichkeit, sich auf die Regelung zu berufen, wenn der Voreigentümer zu irgendeinem Zeitpunkt bereits hiervon Gebrauch gemacht hätte. Deshalb müsse zumindest dem Antrag der Antragstellerin zu 2. stattgegeben werden.
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Dieses Vorbringen genügt nicht dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Auch wenn das Verwaltungsgericht bezogen auf die Antragstellerin zu 2. seinen Rechtsstandpunkt nicht näher erläutert, setzen die Antragstellerinnen bzw. die Antragstellerin zu 2. diesem ihre abweichende Auffassung letztlich schlicht entgegen, ohne hinreichend deutlich zu machen, warum ihre Auffassung zutreffend und der Standpunkt des Verwaltungsgerichts unrichtig sein soll. Ihre undifferenzierte Berufung auf Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR lässt unberücksichtigt, dass diese Bestimmung den hier zu beurteilenden Fall des Eigentümerwechsels bzw. Wechsels des Steuerpflichtigen im Zeitraum einer möglichen Stundung nach Stellung des Erlassantrages durch die erste Eigentümerin nicht unmittelbar regelt. Es wären deshalb zur hinreichenden Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO Ausführungen dazu erforderlich gewesen, dass und aus welchen rechtlichen Erwägungen heraus die Anwendung von Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR zu dem - von der Antragstellerin zu 2. - gewünschten Ergebnis eines Stundungsanspruchs für drei Kalenderjahre ab dem Jahr ihrer Steuerpflichtigkeit (2008, vgl. Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes Bergen vom 31. Juli 2008), also bis Ablauf des Jahres 2010, führen muss. Dies gilt umso mehr, als es sich bei Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR um eine "Soll-"Bestimmung handelt, die also in atypischen Fällen nicht die Stundung im Sinne eines Rechtsanspruchs vorgibt, sondern dann das "volle" Ermessen nach § 222 Satz 1 AO wieder eröffnet. Auf diese Normstruktur hätte das Beschwerdevorbringen angesichts der skizzierten besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhalts - nahe liegender Weise - und im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch eingehen müssen. Um einen solchen atypischen Fall dürfte es sich zudem gerade im Falle des Wechsels des Steuerpflichtigen im Zeitraum einer möglichen Stundung nach Stellung des Erlassantrages durch die erste Eigentümerin handeln. Unter Berücksichtigung des Inhalts des geltend gemachten Anspruchs, der unter dem Aspekt der Selbstbindung der Verwaltung auf eine Gleichbehandlung geht, wäre ggfs. ersatzweise eine Verwaltungspraxis im Sinne des Beschwerdevorbringens darzulegen gewesen.
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Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung dürfte dem Verwaltungsgericht - auch in Ansehung der Antragstellerin zu 2. - im Ergebnis darin beizupflichten sein, dass nach Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR insgesamt nur ein Anspruch auf eine Stundung beginnend 2006 bis zum Ablauf des Jahres 2008 bestanden haben dürfte: Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR steht im unmittelbaren Kontext zu § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG. Dessen Voraussetzungen und ebenso die von Abschn. 35 Abs. 1 Satz 1 GrStR stellen mit Blick auf den Charakter der Grundsteuer als einer - ertragsunabhängigen - Objektsteuer (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.07.1998 - 8 C 23.97 -, NVwZ 1999, 886 - zitiert nach juris) allein auf Umstände ab, die bei dem Grundstück gegeben sein müssen; auf die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Eigentümers kommt es dabei nicht an (vgl. Troll/Eisele, GrStG, 9. Aufl., § 32 Rn. 2; vgl. auch Abschn. 38 Abs. 5 Satz 1 GrStR). Wird also von einem (Vor-) Eigentümer ein Erlassantrag gestellt und liegen insoweit die Voraussetzungen des Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR vor, erhält er vermittels der Stundung bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres Zeit, die Erlassvoraussetzungen bzw. nachzuweisen, dass das Grundstück nicht rentabel ist. Veräußert dieser Eigentümer nun während dieses Stundungszeitraumes das Grundstück mit der Folge, dass der Erwerber steuerpflichtig wird, wirft dies mit Blick auf das Beschwerdevorbringen die Frage auf, ob dies eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes im Sinne des Beschwerdevorbringens erforderlich macht bzw. rechtfertigt. Diese Frage dürfte jedoch im Grundsatz zu verneinen sein, weil es - wie gesagt - auf die betreffenden Umstände des Grundstücks, nicht des Veräußerers und nicht des Erwerbers ankommt. Außerdem werden sich die maßgeblichen Verhältnisse für einen - möglichen - Erlass nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG im Allgemeinen auch für einen längeren Zeitraum nicht ändern, regelmäßig ist von Dauertatbeständen auszugehen (vgl. Troll/Eisele, GrStG, 9. Aufl., § 34 Rn. 3 und 1 zur Gesetzesbegründung). Dieser Sachverhalt hat den Gesetzgeber ersichtlich dazu veranlasst, eine spezielle Verfahrensregelung zu treffen, die das Erlassverfahren für alle Beteiligten des Verwaltungsverfahrens erheblich vereinfacht: § 34 Abs. 3 Satz 1 bestimmt nämlich, dass es in den Fällen des § 32 GrStG keiner jährlichen Wiederholung des (Erlass-) Antrags bedarf. Der Steuerschuldner ist nach § 34 Abs. 3 Satz GrStG - lediglich - verpflichtet, eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse der Gemeinde binnen drei Monaten nach Eintritt der Änderung anzuzeigen. Kommt es aber für die Erlassvoraussetzungen auf die regelmäßig dauerhaften Umstände des Grundstücks an, bleibt eine Veräußerung desselben ebenso regelmäßig ohne Einfluss auf diese Voraussetzungen. Folglich gilt gleiches für ihren Nachweis, den nun beide Steuerpflichtige, Veräußerer und Erwerber, erbringen können, wobei deren Haftung im Übrigen durch § 11 Abs. 2 GrStG verknüpft ist. Es besteht deshalb nach Sinn und Zweck der Stundungsregelung in der Regel kein Bedürfnis dafür, den Stundungszeitraum bzw. die damit eingeräumte Zeit, den Nachweis der Erlassvoraussetzungen erbringen zu können, im Veräußerungsfall zu verlängern. Nur dann, wenn sich nach der Veräußerung die maßgeblichen Verhältnisse des Grundstücks ändern, und der Erwerber deshalb einen - neuen - Erlassantrag stellt bzw. sinnvoll stellen kann, dürfte erneut eine Stundung nach Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR in Betracht kommen. Anderenfalls bestünde im Übrigen eine Missbrauchsgefahr dergestalt, dass bei mehrfacher Veräußerung jeweils während des Stundungszeitraumes auch ohne Änderung der maßgeblichen Verhältnisse immer wieder neue Stundungen erreicht werden könnten und faktisch der Nachweis der Erlassvoraussetzungen über längere Zeit als drei Jahre nicht erbracht werden müsste.
- 22
Dazu, ob unabhängig von Abschn. 35 Abs. 1 Satz 12 GrStR ein Stundungsanspruch gemäß § 222 Satz 1 AO, der allerdings eine Ermessensreduktion voraussetzte, in Betracht kommen könnte, verhält sich das Beschwerdevorbringen nicht.
- 23
Schließlich führt auch das Beschwerdevorbringen zu § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GrStG a.F. - bzw. nunmehr § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG in der seit dem 01. Januar 2008 geltenden Fassung - und zur erforderlichen Schätzung der üblichen Jahresrohmiete nicht zum Erfolg der Beschwerde.
- 24
Ist bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 vom Hundert gemindert und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer gemäß §33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F. in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht. Ist bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG nunmehr in Höhe von 25 Prozent erlassen.
- 25
Normaler Rohertrag ist nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GrStG a.F. bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Sachwertverfahren zu ermitteln ist, die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete, nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG bei bebauten Grundstücken die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete.
- 26
Das Verwaltungsgericht hat insoweit einen Anordnungsanspruch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F. mit ausführlicher Begründung - in der Sache zugleich auch tragend betreffend § 33 Abs.1 Satz 3 Nr. 2 GrStG - verneint, weil die von den Antragstellerinnen vorgenommene Schätzung der üblichen Jahresrohmiete nicht plausibel sei. Ob eine berücksichtigungsfähige Minderung des normalen Rohertrages gegeben sei, könne insoweit nicht festgestellt werden, weil die Höhe des normalen Rohertrages nicht feststehe. Das Beschwerdevorbringen verweist diesbezüglich insbesondere auf das Vorbringen der Antragstellerinnen in deren Schriftsatz vom 13. Februar 2009, das das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen habe.
- 27
Auch wenn das Verwaltungsgericht diesen Schriftsatz nicht berücksichtigt haben mag, ändert dies nichts daran, dass insoweit jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist bzw. die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend sein dürften. Das - wie gesagt - maßgeblich auf den Schriftsatz vom 13. Februar 2009 zurückgreifende Beschwerdevorbringen in diesem Punkt bzw. die darin enthaltene Behauptung alternativer Rohertragsminderungen vermag nicht zu überzeugen. Der Senat vermag sich nämlich bereits nicht deren Prämisse anzuschließen, wonach "als unterste Schätzungsgrenze ... sicherlich unstreitig die tatsächlich erzielte Miete anzusetzen (sei)". Die Ermittlung der Minderung des normalen Rohertrags erfordert - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - grundsätzlich die Gegenüberstellung des erzielten Ertrages und des an Ertrag "Üblichen", wobei § 33 GrStG mit dem "Üblichen" auf das abhebt, was Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag bringen; gefordert ist ein Vergleich mit "anderen" (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 9 C 8.07 -, DVBl. 2008, S. 1313 - zitiert nach juris). Insoweit können die von den Antragstellerinnen vorgenommenen Vergleichsberechnungen, die auf verschieden hohe tatsächlich erzielte Mieten in den verschiedenen Gebäuden gegründet sind, nicht zum Nachweis der Erlassvoraussetzungen bzw. des normalen Rohertrages herangezogen werden. Soweit ein Vergleich mit "anderen" durch die Singularität des Grundbesitzes erschwert sein könnte, hat das Verwaltungsgericht - ohne dass dies Bedenken begegnen würde - die Option des Einzelgutachtens angesprochen. Dass der Antragsgegner zu einer Schätzung in der Lage sein könnte, die zudem im Ergebnis den geltend gemachten Erlassanspruch begründen könnte, ist nicht ersichtlich. Nach alledem haben die Antragstellerinnen jedenfalls derzeit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht; auf das ergänzende Vorbringen im Schriftsatz vom 30. April 2009 kommt es nicht mehr an.
- 28
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
- 29
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der im Beschwerdeverfahren streitige Abgabenbetrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln ist.
- 30
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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