Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 138/10

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts A-Stadt – 5. Kammer – vom 10. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm nach Versagung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis eine Fiktionsbescheinigung auf der Grundlage des § 81 Abs. 5 AufenthG auszustellen.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 10. Mai 2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht wieder auflebe, auch wenn das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. September 2008 (Az. 5 B 308/08) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen u.a. die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers wiederhergestellt habe. Auch aus Art. 19 Abs. 4 GG folge kein entsprechender Anspruch des Antragstellers.

3

Die dagegen erhobene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

4

Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Änderungen des angefochtenen Beschlusses.

5

Soweit die Beschwerdebegründung sich nicht zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes verhält, dürfte hier ausnahmsweise das Vorliegen eines solchen auf der Hand liegen (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 17.06.2010 – 11 S 1050/10 -, zit. nach juris Rn. 4).

6

Das Beschwerdevorbringen, die begehrte Fiktionsbescheinigung sei aus Gründen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu erteilen, um die Wirkungen einer rechtswidrigen Behördenentscheidung für die Dauer des Hauptsacheverfahrens zu beseitigen, greift in der Sache nicht durch.

7

§ 81 Abs. 4 AufenthG fingiert ausdrücklich lediglich den bisherigen Aufenthaltstitel nach u.a. einem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis „bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde“ als fortbestehend. Einen weitergehenden Anspruch gibt die gesetzliche Regelung nicht her. Vielmehr kommt in der Regelung des § 81 Abs. 4 AufenthG eindeutig der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Fiktion nur bis zu einer behördlichen Entscheidung eingreifen zu lassen. Eine ergänzende Auslegung des § 81 Abs. 4 AufenthG für den hier zugrundeliegenden Fall, in dem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage (VG A-Stadt 5 A 1095/08) gegen den ablehnenden Bescheid betreffend die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wiederhergestellt hat (VG A-Stadt 5 B 308/08), kommt nicht in Betracht. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung soll nach dem gesetzgeberischen Willen den Ausländer gerade nicht in den Rechtszustand versetzen, den er mit einem Aufenthaltstitel oder während der Entscheidung über dessen Verlängerung hatte; es entfällt lediglich die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 – 1 C 14.99 -, zit. nach juris Rn. 10 f. m.w.N.; Hoffmann/Hoffmann, AuslR, § 81 Rn. 41). Das dem Wortlaut entsprechende Verständnis des § 81 Abs. 4 AufenthG stützt auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach lassen Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags – hier – auf Verlängerung des Aufenthaltstitels die Wirksamkeit einer Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt.

8

Weitergehendes ist auch nicht aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes des Art. 19 Abs. 4 GG geboten. Eine vollständige Wiederherstellung des früheren Rechtsstatus bedarf es zur Wahrung der Effektivität des Rechtsschutzes – hier dem Abschluss des Klageverfahrens gegen die versagte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – nicht (a.A. VGH München, Beschl. v. 18.09.2009 – 19 CE 09.2038 -, zit. nach juris Rn. 5). Es ist nicht ersichtlich und auch mit der Beschwerde nicht näher dargelegt, weshalb nur ein über den Duldungszustand hinausgehender Rechtsstatus eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG ermöglichen können soll. Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gibt dem Bürger einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Insoweit verlangt das Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass ein potentiell rechtsverletzender Akt einer Ausländerbehörde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.10.2008 – 2 BvR 1819/07 -, zit. nach juris Rn. 11 m.w.N.). Dies ist durch den derzeitigen Rechtsstatus des Antragstellers nicht in Frage gestellt. Der Antragsteller kann aufgrund der nichtvollziehbaren Ausreisepflicht nicht abgeschoben werden. Darüber hinaus hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller seitens der Antragsgegnerin die Möglichkeit eröffnet wurde, eine Bescheinigung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hinsichtlich der Fortbestandsfiktion zwecks Erwerbstätigkeit zu beantragen. Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt der Aufenthaltstitel für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine solche Bescheinigung über die beschränkte Fortgeltungswirkung der Aufenthaltserlaubnis hat selbst keinen Regelungscharakter, sondern gibt nur die bestehende Rechtslage wieder (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.2010 – 1 B 17/09 -, zit. nach juris Rn. 7). Dass eine besondere Form der Bescheinigung gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, verlangt – entgegen dem Beschwerdevorbringen – nicht, dass sie über § 81 Abs. 5 AufenthG zu beanspruchen wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.2010 – 1 B 17/09 -, a.a.O., Rn. 5).

9

Da die gesetzliche Fortbestandsfiktion dazu dient, die mit dem Duldungsstatus verbundenen Einschränkungen hinsichtlich einer Erwerbstätigkeit abzumildern, greift das Beschwerdevorbringen, der Antragsteller sei nunmehr gehindert, einer Beschäftigung nachzugehen, schon vom Ansatz her nicht durch. Einer weitergehenden Wiederherstellung der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG bedarf es im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht.

10

Soweit schließlich mit der Beschwerde die Reichweite der Anordnung der durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 angeordneten aufschiebenden Wirkung betont wird, ist eine Wiederherstellung der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG davon ersichtlich nicht mit umfasst; anderenfalls hätte es des zugrundeliegenden Verfahren nicht bedurft.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

12

Die Streitwertentscheidung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen