Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 M 211/11

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Dezember 2011 - 4 B 551/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 721,59 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den im Tenor genannten Beschluss ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 147 Abs. 1 VwGO) und mit am 10. Januar 2012 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz auch fristgerecht begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Sie bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2010 gerichteten Klage (4 A 1497/11) im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin, auf das die Prüfung durch den Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), bietet keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.

2

Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht zunächst aber nicht, wenn es den angegriffenen Bescheid wegen nicht hinreichender Erkennbarkeit der erlassenden Behörde nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 119 Abs. 3 Satz 1 AO für nichtig erachtet. Der Bescheid ist noch hinreichend deutlich erkennbar von dem Bürgermeister der Stadt Lübz – „Eigenbetrieb Abwasser der Stadt Lübz“ erlassen worden. Dies folgt aus dem insoweit eindeutigen Kopf des Bescheides und der Bezeichnung des Eigenbetriebes „Abwasser der Stadt Lübz“ am Ende des Bescheides sowie der Unterzeichnung durch den Betriebsleiter. Die in der Begründung des Bescheides gegebene Information, dass die Gemeinde A-Stadt den Anschlussbeitrag erhebe, steht dazu in keinem Widerspruch. Nach der - wie zuvor ausgeführt - klaren Bezeichnung der den Bescheid erlassenden Behörde kann der Bescheidadressat annehmen, dass der „Eigenbetrieb Abwasser“ Anschlussbeiträge für die Gemeinde erheben will, vergleichbar mit dem Tätigwerden eines Amtes für eine amtsangehörige Gemeinde nach § 127 Abs. 2 Satz 1 KV M-V. Ein gemeindlicher Eigenbetrieb kann als Organ und Behörde der Gemeinde mit der Fähigkeit zum Erlass von Verwaltungsakten tätig werden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 24.06.2008 - 1 M 54/08 -, juris, Rn. 10).

3

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers jedoch im Ergebnis zu Recht angeordnet, weil der Eigenbetrieb Abwasser der Stadt Lübz für den Erlass des Beitragsbescheides vom 13. Dezember 2010 sachlich unzuständig und der Bescheid damit aller Voraussicht nach rechtswidrig und aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Eigenbetrieb ist ein Organ der Stadt Lübz (vgl. die Satzung der Stadt Lübz für den „Eigenbetrieb Abwasser Stadt Lübz“ v. 26.07.2006) und keine Einrichtung des Amtes Eldenburg-Lübz. Das Amt ist aber nach § 127 Abs. 2 Satz 1 KV M-V gesetzlich zuständig für die Veranlagung und Erhebung der Gemeindeabgaben der amtsangehörigen Gemeinden wie der zum Amt Eldenburg-Lübz gehörenden Gemeinde A-Stadt. Nicht zuständig ist dafür die Stadt Lübz. Daran ändert auch der von der Antragsgegnerin angesprochene Umstand nichts, dass die Stadt Lübz die geschäftsführende Gemeinde (§ 126 Abs. 1 Nr. 1 KV M-V) des Amtes Eldenburg-Lübz ist. Zwar gilt nach § 148 Abs. 1 Satz 3 KV M-V für die geschäftsführende Gemeinde § 127 Abs. 1 und 2 KV M-V nicht, wonach das Amt für die amtsangehörigen Gemeinden die Veranlagung und Erhebung der Gemeindeabgaben besorgt. § 148 Abs. 1 Satz 3 KV M-V hätte jedoch Bedeutung nur für das Verhältnis zwischen der Stadt Lübz und dem Amt Eldenburg-Lübz und zwar insofern, als das Amt für die Erhebung von Abgaben der (geschäftsführenden) Stadt Lübz nicht nach § 127 Abs. 2 Satz 1 KV M-V zuständig wäre, sondern die Stadt Lübz, die die Amtsverwaltung stellt. Hier geht es jedoch um die Zuständigkeit für die Erhebung der Schmutzwasserbeseitigungsbeiträge für die amtsangehörige Gemeinde A-Stadt. Dafür bleibt zuständig das Amt Eldenburg-Lübz, das nach dem oben Gesagten nicht durch den Eigenbetrieb Abwasser der Stadt Lübz handelt. Die Bescheide des Amtes ergehen unter dessen Briefkopf (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO) und werden von den dazu befugten Mitarbeitern der geschäftsführenden Stadt Lübz unterzeichnet.

4

Die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung für die Gemeinde A-Stadt ist auch nicht auf anderem rechtlichen Wege dem Eigenbetrieb „Abwasser der Stadt Lübz“ übertragen worden. Dies ist insbesondere nicht auf Grundlage des Vertrages vom 12. Dezember 2008 über die Entsorgung von Abwasser zwischen der Gemeinde A-Stadt, der Stadt Lübz und dem Eigenbetrieb geschehen. Gegenstand dieser Vereinbarung ist lediglich die Entsorgung von Abwasser der Gemeinde A-Stadt durch den Eigenbetrieb. Die hoheitliche Erhebung von Anschlussbeiträgen durch den Eigenbetrieb ist an keiner Stelle des Vertrages erwähnt. Die Meinung der Antragsgegnerin, mit der Übertragung der Abwasserentsorgung sei auch die Abwicklung und somit Erhebung von Beiträgen umfasst, findet dort keine Grundlage. Dies erscheint auch deshalb als ausgeschlossen, weil der Träger der Aufgabe (Erhebung der Beiträge) - nach § 125 Abs. 1 Satz 3 KV M-V das Amt Eldenburg-Lübz - an dem Vertrag überhaupt nicht beteiligt ist. Die Gemeinde A-Stadt selbst konnte die Aufgabe der Erhebung von Schmutzwasserbeiträgen mangels Trägerschaft dieser Aufgabe nicht vertraglich auf den Eigenbetrieb übertragen (vgl. zu einem Fall der Aufgabenübertragung auf einen Dritten auch OVG Greifswald, Beschl. v. 09.11.2011 - 4 M 95/11 -, juris).

5

Schließlich scheidet eine Übertragung der Zuständigkeit für die Erhebung von Abgaben der Gemeinde A-Stadt auf Grundlage der dem Betriebsleiter ausgestellten Vollmachten des Bürgermeisters der Gemeinde A-Stadt vom 02. Januar 2009 aus. Die rechtsgeschäftliche Zuständigkeitsübertragung auf eine dritte Stelle ist schon wegen der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage unzulässig (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 3, Rn. 13). Auf die vorstehend dargestellten Bedenken hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen.

6

Soweit sich nach § 1 Satz 2 der Beitrags- und Gebührensatzung der Gemeinde A-Stadt vom 12. Dezember 2008 die Regelungen über Rechte und Pflichten der Gemeinde A-Stadt auf den Eigenbetrieb Abwasser der Stadt Lübz „beziehen“ sollen, lässt sich daraus wegen der gesetzlichen Aufgabenverteilung des § 127 Abs. 2 Satz 1 KV M-V ebenfalls keine wirksame Verlagerung der Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf den Eigenbetrieb ableiten.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

8

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

9

Hinweis:

10

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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