Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 M 10/14

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 17. Januar 2014 – 6 B 919/13 – wird verworfen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

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Der Antragsteller begehrt die vorläufige Weiterförderung durch den Antragsgegner mit Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für das 5. Fachsemester seines Studiums im Studiengang Wirtschaftsrecht (Bachelor) an der Hochschule A-Stadt.

2

Den Antrag des Antragstellers auf Weiterförderung mit den bisher monatlich geleisteten Zahlungen in Höhe von 597 € lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30. September 2013 ab, da der Antragsteller die hierfür gemäß § 48 Abs. 1 BAföG erforderlichen Leistungsnachweise nicht vorgelegt hatte. Den Widerspruch des Antragstellers wies er mit Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2014 zurück. Dagegen hat der Antragsteller Klage im Hauptsacheverfahren erhoben, das beim Verwaltungsgericht Schwerin (Az. 6 A 74/14) anhängig ist.

3

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgt der Antragsteller die vorläufige Weiterförderung. Er ist der Ansicht, aufgrund seiner kommunalpolitischen Mitwirkung in der Bürgerschaft der Hansestadt A-Stadt könne die erforderliche Bescheinigung gemäß § 48 Abs. 2 i. V. m. § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt werden. Mit Beschluss vom 17. Januar 2014 lehnte das Verwaltungsgericht Schwerin den Antrag mit der Begründung ab, dass die Mitwirkung in einem allgemeinpolitischen Gremium nicht ausreiche, § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG sei eine Spezialregelung für hochschulpolitisch erwünschte Gremien- oder Organtätigkeit.

4

Die nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 21. Januar 2014 mit am 04. Februar 2014 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß eingelegte und gleichermaßen fristgemäß begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zwar zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.

5

Obwohl der Antragsteller einen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlichen Antrag nicht ausdrücklich im Beschwerdeverfahren gestellt hat, ist seine Beschwerde nicht schon deshalb unzulässig. Denn das Antragsbegehren des Antragstellers lässt sich durch Auslegung seiner Antragsbegründung hinreichend ermitteln (vgl. hierzu nur Kopp/ Schenke, VwGO, 19. Aufl., 2013, § 146 Rn. 41). So hat der Antragsteller ausgeführt, dass ihm nach seiner Ansicht ein Anordnungsanspruch auf vorläufige Weitergewährung von Ausbildungsleistungen zur Seite stehe, der Beschwerde abzuhelfen und seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu folgen sei. Damit nimmt der Antragsteller hinreichend Bezug auf seinen erstinstanzlichen Antrag, mit dem er bereits die vorläufige Weiterförderung in bisheriger Höhe begehrt hat.

6

Die Beschwerdebegründung des Antragstellers genügt jedoch nicht dem weiteren Darlegungserfordernis aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und ist folglich zu verwerfen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO).

7

§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

8

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht – dem Darlegungserfordernis genügend – geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden.

9

Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Es ist für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich, dass die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpft und aufzeigt, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht sein Ergebnis alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinander setzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt, bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer – in aller Regel durch einen Rechtsanwalt – rechtskundig vertreten sind (insgesamt ständige Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschl. v. 07.09.2010 – 1 M 210/09 –, juris; Beschl. v. 19.08.2008 – 1 M 44/08 –).

10

Diesem Maßstab genügt das Beschwerdevorbringen offensichtlich nicht. Der Antragsteller begnügt sich mit der Aussage, die Formulierung „und der Länder“ in § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG sei so allgemein gehalten, dass auch allgemeinpolitische Gremien hiervon umfasst seien. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend mit der Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesformulierung auseinandergesetzt. Dieser Einschub sei erst durch Einspruch des Bundesrates im Gesetzgebungsprozess zustande gekommen. Der Antragsteller führt hierzu lediglich die Entstehungsgeschichte der Formulierung auf den Vorschlag des Bundesrats an. Er zeigt jedoch nicht auf, dass sich aus dieser Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte für die von ihm vorgenommene Auslegung ergeben. Solche drängen sich dem Senat auch weder aus dem Wortlaut, noch aus der Normsystematik oder dem Sinn und Zweck der Norm auf.

11

Die vom Antragsteller angeführte Entstehungsgeschichte spricht im Gegenteil für die Auslegung, dass mit den zitierten Worten lediglich hochschulpolitische Gremien auf Landesebene gemeint sein sollen. Denn nachdem die damalige Bundesregierung in ihrem Entwurf zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BT-Drs. VI/1975, S. 7) in § 15 Abs. 3 des Entwurfs nur die Mitwirkung in satzungsmäßigen „Organen“ der verschiedenen Hochschuleinrichtungen im Blick hatte, ohne dies näher zu begründen (ebd., S. 28), hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf (Anlage 2 der BT-Drs. VI/1975, S. 45) im Wesentlichen vorgeschlagen den Begriff „Organe“ durch den Begriff „Gremien“ zu ändern und dazu folgende Begründung gegeben (ebd., S 47):

12

„Durch die neuen Hochschulgesetze und den Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes sind Institutionen bei den Hochschulen sowie auf Länderebene vorgesehen, die eine Beteiligung der Studenten regeln aber keine Organe darstellen.“

13

Entgegen der Auffassung des Antragstellers hatte also auch der damalige Bundesrat nicht allgemeinpolitische Gremien der Länder und der Kommunen im Blick sondern lediglich hochschulpolitische. Denn nur in solchen ist eine Beteiligung von Studenten geregelt.

14

Soweit die Formulierung in § 15 Abs. 3 Nr. 3 des Entwurfs im Ausschussbericht (BT-Drs. VI/2352, S. 6) nochmals verändert worden ist, trägt diese Neufassung lediglich dem Umstand Rechnung, dass die vorherige Formulierung „Hochschulen der Länder“ sprachlich nicht zutreffend war, da sie die nach der Begründung eigentlich einzubeziehenden Gremien auf der Landesebene – die unabhängig von den Hochschulen bestehen – nicht umfasste. Dass der neuen Formulierung darüber hinaus eine inhaltliche Erweiterung des bisherigen Bundesratsvorschlags zukommen sollte – insbesondere im Sinne der vom Antragsteller vorgenommenen Auslegung –, ist weder der Begründung noch dem Vortrag des Antragstellers zu entnehmen. Vielmehr wiederholt die hierzu abgegebene Begründung (vgl. die gesonderte Bundestagsdrucksache „zu BT-Drs. VI/2352“) lediglich mit anderen Worten die bereits oben zitierte. So heißt es zu § 15 (zu BT-Drs. VI/2352, S. 6):

15

„Nach der veränderten Fassung des Absatzes 3 Nr. 3 soll auch eine Mitwirkung in „gesetzlich vorgesehenen Gremien" der Ausbildungsstätten und der Länder eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer rechtfertigen. In den neuen Hochschulgesetzen der Länder und dem Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes des Bundes sind Institutionen bei den Hochschulen sowie auf Länderebene vorgesehen, in denen die Auszubildenden mitwirken, die aber keine Organe im Rechtssinne darstellen.“

16

Soweit der Antragsteller ergänzend ausführt, die vom Verwaltungsgericht angeführte Entscheidung des BVerwG (Urt. v. 16.08.1995 – 11 C 31/94 –, zitiert nach juris) sei zu einer Zeit erfolgt, als die Studienorganisation völlig unterschiedlich zur Heutigen bestanden habe, zeigt er nicht im Ansatz auf, welche Auswirkungen diese Unterschiede, insbesondere die heutigen Bachelor- und Masterstudiengänge, auf die streitige Regelung haben sollen.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

18

Hinweis:

19

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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