Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 L 8/14

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28. Oktober 2013 – 4 A 526/10 – wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 75,67 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die Beteiligten streiten um Straßenreinigungsgebühren.

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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück .../..., Postanschrift A-Straße. Das Grundstück grenzt an das Wegegrundstück Flurstück .../..., das in nördlicher Richtung von der Straße „Am B...“ abzweigt, sich sodann nochmals in östlicher Richtung verschwenkt und dann die fünf Grundstücke Am B... ...-... mit zwei Betonplattenstreifen erschließt. Nur bis zu dieser Verschwenkung führt die A-Stadt die Straßenreinigung durch.

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Mit Bescheid vom 9. Februar 2010 setzte der Beklagte gegen den Kläger für das Erhebungsjahr 2010 Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 75,67 Euro fest (Reinigungsklasse 4, Frontmeter: 23). Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2010 zurück. Das Grundstück des Klägers sei als Hinterliegergrundstück von der Straßenreinigung bevorteilt, da es über eine Zuwegung zur gereinigten öffentlichen Straße verfüge.

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Am 29. April 2010 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 28. Oktober 2013 – 4 A 526/10 – den Gebührenbescheid des Beklagten vom 9. Februar 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 6. April 2010 aufgehoben. Die Nichtleistung der kommunalen Reinigungspflicht im Bereich der öffentlichen Straße vor dem klägerischen Grundstück schließe den Gebührenanspruch aus. Das Urteil wurde dem Beklagten am 12. Dezember 2013 zugestellt.

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Am 9. Januar 2014 hat der Beklagte beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Am 23. Januar 2014 hat er den Antrag begründet.

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Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere fristgemäß gestellt und begründet (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO). Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

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Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt.

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Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

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Der Beklagte begründet sein Zulassungsbegehren damit, dass es sich bei der abzweigenden öffentlichen Straße im Bereich der Grundstücke Am B... ...-... um einen unselbstständigen Bestandteil der Hauptstraße handeln würde. Die Eigentümer der an die Stichstraße angrenzenden Grundstücke seien deshalb als Anlieger der gereinigten Straße im Wege von Gebühren zu den Kosten der Straßenreinigung heranzuziehen. Das Verwaltungsgericht habe die Frage nach der straßenreinigungsgebührenrechtlichen Unselbstständigkeit der Stichstraße nicht offenlassen dürfen. Es komme nicht ausschließlich darauf an, ob der Stichweg gereinigt werde oder nicht.

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Mit diesem Vortrag sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils dargelegt. Der Beklagte verfehlt den rechtlichen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts. Ob ein Grundstück ein anliegendes oder ein durch die Straße erschlossenes (das heißt: hinterliegendes) Grundstück im Sinne von § 50 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StrWG M-V ist, beurteilt sich danach, ob es an der zu reinigenden Straße anliegt oder durch diese erschlossen wird (OVG Greifswald, Urt. v. 21.12.1995 – 6 L 200/95 –, LKV 1996, 379, 381). Maßgeblich ist die räumliche Beziehung zu der zu reinigenden Straße. Welche Verkehrsflächen einer Straße in die öffentliche Reinigung einbezogen sind, ergibt sich wiederum aus dem Satzungsrecht der reinigungspflichtigen Gemeinde. Ein Regelungsbedürfnis besteht dabei insbesondere, soweit Stichstraßen denselben Straßennamen wie der Hauptzug führen (Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand: September 2012, § 6, Anm. 10.4.1). Daraus folgt vorliegend, dass das klägerische Grundstück an einer zu reinigenden Straße anliegt. Nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1, 3 der Straßenreinigungssatzung der Hansestadt Wismar vom 29. Oktober 2009 i.V.m. der Anlage zur Straßenreinigungssatzung der Hansestadt Wismar rechnet die Straße „Am B...“ zur Reinigungsklasse 4 und ist mithin 14-tägig in der Teileinrichtung Fahrbahn zu reinigen, im Winterdienst sind Schnee und Glätte von der Fahrbahn zu beseitigen. Die Reinigungspflicht der Hansestadt erstreckt sich dabei mangels einer satzungsrechtlichen Einschränkung auf die Straße „Am B...“ in ihrer gesamten Länge, also auch auf den in Rede stehenden Stichweg mit den fünf anliegenden Grundstücken Am B... ...-.... Das ist im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt, ohne dass sich das Zulassungsvorbringen damit auseinandersetzen würde.

11

Auf die in das Zentrum der Antragsbegründung gerückte Frage, ob die benannte Stichstraße einen Erschließungszusammenhang im Sinne von § 50 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StrWG M-V zum gereinigten Teil der Straße vermittelt, kommt es folglich gar nicht an. Diese Frage würde sich in entscheidungserheblicher Weise erst dann stellen, wenn das in den Vorteilsausgleich einbezogene Grundstück nach den ortsrechtlichen Bestimmungen kein Anliegergrundstück der öffentlich zu reinigenden Straße mehr wäre. Allein dadurch, dass die Straße im Bereich der Grundstücke Am B... ...-... tatsächlich nicht von der Gemeinde gereinigt wird, verlieren diese nicht ihre Eigenschaft als anliegende Grundstücke im straßenreinigungsrechtlichen Sinne.

12

Mit der weiteren tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts, das vollständige Ausbleiben der Reinigung der öffentlichen Stichstraße lasse die Gebührenpflicht dort insgesamt entfallen (dahingehend auch OVG Greifswald, Urt. v. 21.12.1995 – 6 L 200/95 -, LKV 1996, 379, 381), setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander. Auch insoweit sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargetan, zumal sich die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Folgerung auch aus § 5 Abs. 5 Satz 3 der Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar vom 29. Oktober 2009 – jedenfalls in entsprechender Anwendung – ergibt.

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Der Beklagte legt schließlich auch nicht hinreichend dar, dass die Rechtssache die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.

14

Eine Streitsache weist besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn ihre Beurteilung voraussichtlich im Verhältnis zu den Standards verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen überdurchschnittliche Anforderung stellt (Seibert, in: Sodann/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 124, Rn. 117 ff.). Die Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfordert daher eine einzelfallbezogene Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils insofern, als die besonderen Schwierigkeiten als solche zu benennen sind und aufzuzeigen ist, aus welchen Gründen sich diese in ihrer Bewertung von den durchschnittlichen Schwierigkeiten eines Verwaltungsrechtsstreits abheben. Soweit das Zulassungsbegehren darauf verweist, dass die Fallkonstellation einer gemäß § 62 StrWG M-V als öffentlich zu qualifizierenden Stichstraße noch nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gewesen sei und sich die Rechtsprechung ausschließlich mit privaten Stichstraßen beschäftigt habe, ist damit nicht dargelegt, dass sie Rechtssache überdurchschnittlich schwierig wäre. Zudem kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf diese Frage – wie oben gezeigt – nicht an. Deswegen scheidet eine Zulassung der Berufung auch unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) aus, der im letzten Satz der Antragsbegründung vom 21. Januar 2014 angesprochen wird.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

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Hinweis:

18

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

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