Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 M 51/14
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 9. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über das Recht der Antragsgegnerin, auf dem Grundstück der Antragstellerin den Durchfluss eines Gewässers baulich neu zu gestalten.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Flurstücks 1 der Flur 2 der Gemarkung C.. Das Flurstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Das Flüßchen D. fließt unterirdisch in einem Gewölbe quer durch den südlichen Teil des Flurstücks 1, und mündet an der Flurstücksgrenze der Flurstücke 1 und 3 in ein offenes Flussbett.
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Die Antragstellerin stand bei früheren schriftlichen Auseinandersetzungen mit der Antragsgegnerin auf dem Standpunkt, die Durchleitung der D. durch das Flurstück 1 entbehre einer rechtlichen Grundlage und erfolge widerrechtlich. Die Antragsgegnerin informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.12.2011 über das Ergebnis einer Bauwerkshauptprüfung des Gewölbes. Dabei stellte der Prüfer massive Bauwerksmängel fest, die eine Grundinstandsetzung oder einen Ersatzneubau notwendig machten. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin schlossen am 24.09.2013/07.10.2013 eine Vereinbarung „zur vorübergehenden Inanspruchnahme der Flächen für die Maßnahme BV Brücke im Zuge der E. Straße über die D. in C.“.
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Mit Schreiben vom 28.10.2013 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass die Vereinbarung nur die vorübergehende Inbesitznahme während der Baumaßnahme betreffe und die fehlende Rechtsgrundlage für die bestehende Unterführung oder die künftige Unterführung nicht ersetze. Dem widersprach die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 06.11.2013. In der Folgezeit scheiterten die Verhandlungen der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin über die Eintragung einer Dienstbarkeit für die unterirdische Nutzung des Flurstücks 1.
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Der Landkreis Ludwigslust-Parchim erteilte der Antragsgegnerin am 05.12.2013 eine Plangenehmigung für das Vorhaben „Ersatzneubau der Brücke im Zuge der E. Straße über die D. in C.“. Teil dieses Vorhabens ist auch die Schaffung eines neuen unterirdischen Gewölbes im Bereich des südwestlichen Zipfels des Flurstücks 1, durch das die D. in den offenen Flussverlauf auf dem Flurstück 3 geleitet werden soll. Die Plangenehmigung wurde der Antragstellerin nicht bekannt gegeben und das Vorhaben begonnen. Teilflächen des Flurstücks 1 wurden in Anspruch genommen.
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Die Antragstellerin hat am 06.05.2014 ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen die Antragsgegnerin mit dem Ziel eingeleitet, dieser zu untersagen, die bereits begonnenen Erdarbeiten auf dem Flurstück 1 der Flur 2 der Gemarkung C. fortzuführen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag als unbegründet abgelehnt.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin mit der Begründung, die von der Antragsgegnerin bereits begonnenen Bauarbeiten auf dem Flurstück 1 entbehrten der erforderlichen Genehmigung der Antragstellerin.
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Sie beantragt sinngemäß,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 9. Mai 2014 zu ändern und der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € zu untersagen, die bereits begonnenen Bauarbeiten auf dem Grundstück E. Straße 4 in C. fortzusetzen oder auf diesem Grundstück neue Bauarbeiten zu beginnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss.
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Einigungsverhandlungen zwischen den Beteiligten im Beschwerdeverfahren scheiterten. Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO gegenüber dem Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nachrangig sein und daher die Beschwerde kaum Erfolgsaussichten haben dürfte.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus den für die Entscheidung über die Beschwerde maßgeblichen Beschwerdegründen ergibt sich nicht, dass der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern ist.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist bereits unzulässig, weil für das Begehren der Antragstellerin das Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht zur Verfügung steht, sondern sie nach § 123 Abs. 5 VwGO auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren nach § 80 VwGO zu verweisen ist.
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In welchem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Anspruch geltend gemacht werden kann, bestimmt sich nach § 123 Abs. 5 VwGO. Danach gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. Die beiden Verfahrensarten stehen nicht alternativ nebeneinander, sondern schließen sich in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich aus. Soweit dem Rechtsschutzbegehren eines Antragstellers dadurch ausreichend Rechnung getragen werden kann, dass die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs angeordnet oder wiederhergestellt wird, ist der Antragsteller auf das Verfahren nach §§ 80, 80a VwGO verwiesen; das vorläufige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO ist unstatthaft. Wann dies der Fall ist, bemisst sich nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragstellers: ist es in der Hauptsache auf die Erhebung einer Anfechtungsklage gerichtet, muss er im vorläufigen Rechtsschutzverfahren den Weg der §§ 80, 80a VwGO beschreiten; andernfalls steht das Verfahren nach § 123 VwGO zur Verfügung (vgl. zum Ganzen Puttler in Sodan/Ziekow VwGO 4. Aufl. 2014 § 123 Rn. 28 ff.). Vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO gegenüber dem Vorhabenträger kommt nur in Betracht, wenn ein (planfeststellungsbedürftiges) Vorhaben ohne Planfeststellung verwirklicht wird (Schütz in Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014 § 8 Rn. 124).
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Im hier zu entscheidenden Einzelfall vollzieht die Antragsgegnerin eine wasserrechtliche Plangenehmigung, die sie berechtigt, auch auf dem Grundstück der Antragstellerin eine wassertechnische Maßnahme durchzuführen. Die Antragstellerin legt nicht dar, dass die wassertechnischen Maßnahmen der Antragsgegnerin über das hinausgehen, was durch die Plangenehmigung erlaubt wird oder sich gar gänzlich außerhalb der Plangenehmigung bewegen. In der Sache wendet sich die Antragstellerin gegen den Vollzug eines sie belastenden Verwaltungsaktes durch den Vorhabenträger, der durch diesen Verwaltungsakt begünstigt wird. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Rechtsverletzung liegt nicht in der tatsächlichen Inanspruchnahme ihres Grundeigentums, sondern in der durch die Plangenehmigung erfolgte Ermächtigung der Antragsgegnerin, diese Inanspruchnahme des Grundeigentums der Antragsstellerin vorzunehmen. In der Hauptsache ist gegen diese rechtliche Belastung die Anfechtungsklage gegen die Plangenehmigung zu erheben mit der Folge, dass das vorläufige Rechtsschutzverfahren nach §§ 80, 80a VwGO zu wählen ist. Das gilt unabhängig davon, ob in der Hauptsache bereits eine Anfechtungsklage erhoben worden ist.
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Dass die Antragsgegnerin die Plangenehmigung ausnutzen durfte, solange kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gegen die Plangenehmigung eingelegt worden war, wirkt sich auf die Abgrenzung der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht aus. Der durch die Plangenehmigung Belastete, hier die Antragstellerin, kann durch die Einlegung eines die aufschiebende Wirkung auslösenden Rechtsbehelfs diese Voraussetzung für vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO schaffen.
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Soweit die Plangenehmigung ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung faktisch vollzogen wurde, obwohl in der Hauptsache bereits eine Anfechtungsklage anhängig geworden ist, bietet der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO dagegen ausreichenden Rechtsschutz, weil in den Fällen des faktischen Vollzuges jedenfalls die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs festgestellt werden und damit der Vollzug beendet werden kann. Sofern die sofortige Vollziehung nachträglich angeordnet worden ist, gelten §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO unmittelbar.
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Eine Umdeutung des Antrages scheidet vorliegend aus. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat auf den gerichtlichen Hinweis, dass Zweifel an der Statthaftigkeit des von ihr gewählten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bestehen, ausdrücklich an diesem Verfahren festgehalten. Zudem scheitert die Umdeutung daran, dass im Verfahren nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO die Antragsgegnerin nicht passivlegitimiert ist, weil der angefochtene Verwaltungsakt nicht von ihr, sondern von der unteren Wasserbehörde erlassen worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht keine rechtliche Veranlassung für eine wechselseitige Kostentragungspflicht. Bereits im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Plangenehmigung der Antragstellerin bekannt geworden; sie hätte bereits in diesem Verfahren darauf reagieren können. Dass der Berichterstatter Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Beteiligten ausgelotet hat, entsprach der Besonderheit des konkreten Falles, in dem die Beteiligten über mehrere Ansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin stritten, die mit der Plangenehmigung in keinem sachlichen Zusammenhang standen, sondern die bauliche Ausnutzung des Grundstücks der Antragstellerin durch diese zum Gegenstand bzw. zum Hintergrund haben. Diesen Konflikt zu lösen war Anlass und Gegenstand der letztlich gescheiterten Vergleichsgespräche unter Mitwirkung des Berichterstatters.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
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Hinweis:
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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 8x
- VwGO § 80a 8x
- VwGO § 152 1x
- § 47 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 10x
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)