Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 KM 880/17

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05. September 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.März 2017 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 745.568,82 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 27.11.2017 eines Bescheides vom 05.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2017.

2

Die Antragstellerin betrieb zwischen 2009 und 2013 öffentlichen Nahverkehr in Form von Busverkehr im Gebiet des früheren Landkreises (Nordwestmecklenburg Regionallinienverkehr) und der Stadt Wismar (Stadtlinienverkehr). Die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin und die Antragsgegnerin gewährten der Antragstellerin dafür Geldleistungen nach Maßgabe der „Richtlinie über die Gewährung von öffentlichen Zuschüssen für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Landkreis Nordwestmecklenburg“. Der Stadtlinienverkehr der Antragstellerin wurde von dieser zum 01.01.2013 an einen Eigenbetrieb des Landkreises Nordwestmecklenburg abgegeben.

3

Mit Schreiben vom 23.07.2014 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin „letztmalig“ auf, ihr Angaben zur Höhe der Ausgleichszahlungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern für den Ausbildungsverkehr – aufgeteilt nach Stadt- und Regionallinienverkehr – zu machen und die Zuwendungsbescheide des Landes einschließlich der nachträglich erfolgten Endabrechnungen sowie die Trennungsrechnungen für den Stadtlinienverkehr und den Regionallinienverkehr für die Jahre 2009 bis 2011 unter Berücksichtigung einer korrigierten Zuordnung für Ausgleichsleistungen zum Regional- und Stadtlinienverkehr vorzulegen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die angeforderten Unterlagen dienten der abschließenden Überkompensationsprüfung, nachdem sich aus von der Antragstellerin vorgelegten Abrechnungen ergeben habe, dass Ausgleichszahlungen des Landes für den Stadtlinienverkehr ca. um das 15fache überhöht und die in den Trennungsrechnungen der vergangenen Jahre angegebenen Einnahmen aus Ausgleichzahlungen für den Regionallinienverkehr um Beträge von ca. 125.000 € zu niedrig angesetzt gewesen seien. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein; eine Vorlage der angeforderten Unterlagen erfolgte nicht.

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Mit Bescheid vom 05.09.2014 hob die Antragsgegnerin die zugunsten der Antragstellerin ergangenen Zuwendungsbescheide für die Jahre 2009 – 2011 sowie einen Änderungsbescheid vom 01.02.2013 zur vorläufigen Festsetzung von Zuwendungsbeträgen auf, lehnte die Zuwendungsanträge für die Jahre 2009 bis 2011 ab und ordnete die Rückzahlung ausgezahlter Zuwendungen für die Jahre 2009 – 2011 in Höhe von 1.491.137, 65 € sowie die Verzinsung des Rückforderungsbetrages an.

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Die nach erfolglos eingelegtem Widerspruch erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.08.2017 (4 A 1090/13) ab. Die Verpflichtungsklage sei zulässig, weil der Bescheid vom 05.09.2014 ein Schlussbescheid sei, mit dessen Erlass die früheren Bewilligungsbescheide ihre Regelungswirkung verloren hätten. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zuwendungen, weil sie die Betriebskostendefizite bezogen auf den Stadt- und Regionallinienverkehr nicht hinreichend dargelegt habe. Die von der Antragsgegnerin berechtigterweise angeforderten Nachweise über die vom Land gewährten Ausgleichszahlungen getrennt nach Regional- und Stadtlinienverkehr habe die Antragstellerin nicht beigebracht.

6

Mit Bescheid vom 27.11.2017 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung des endgültigen Zuwendungsbescheides vom 05.09.2014 an. Die Klage gegen den Bescheid sei vom Verwaltungsgericht abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen worden. Angesichts der Vermögenssituation der Antragstellerin und ihrer (im Einzelnen dargelegten) Erklärungen und Ankündigungen zur Stellung von Sicherheiten für die Rückforderungssumme sei die ernstliche Gefährdung der Forderungen zu befürchten und auch, dass die Antragstellerin versuchen könnte Vermögenswerte beiseite zu schaffen oder sie anderweitig einer künftigen Vollstreckung durch den Landkreis zu entziehen.

7

Die Antragstellerin hat dagegen am 01.12.2017 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Bescheid vom 05.09.2014 sei offensichtlich rechtswidrig und es fehle daher am Vollzugsinteresse. Die Antragsgegnerin sei zur Anforderung der mit Schreiben vom 23.07.2014 näher bezeichneten Nachweise und Unterlagen nicht berechtigt. Die Zuwendungsbescheide des Landes differenzierten nicht nach dem Regional- und Stadtlinienverkehr, so dass die angeforderten differenzierten Bescheide nicht hätten vorgelegt werden können. Die Antragsgegnerin habe Kenntnis von den Bescheiden des Landes gehabt, weil die Ausgleichszahlungen im Prüfbericht der Wirtschaftsprüfer X. genannt und in den Bilanzen der Antragstellerin testiert worden seien. Diese Bilanzen hätten der Antragsgegnerin vorgelegen. Aus der nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in den Zuwendungsbescheid inkorporierten und damit bindenden einschlägigen Richtlinie ergebe sich entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht, dass die angeforderten differenzierten Nachweise hätten vorgelegt werden müssen. Vielmehr verlange die Richtlinie nur eine unternehmensbezogene Darlegung eines Betriebskostendefizits. Dies sei auch das Rechtsverständnis der Antragsgegnerin bei der Bewilligung der Zuwendungen gewesen. Bei einer Interessenabwägung überwögen die Interessen der Antragstellerin. Die Durchsetzung der Rückforderung würde die Antragstellerin in die Insolvenz treiben und damit die Durchsetzung der Rückforderung unmöglich machen. Die Antragstellerin verfüge über keine Vermögenswerte, die annähernd den Wert der Rückforderung erreichten. Bei einer Insolvenz der Antragstellerin sei der Schüler- und Linienverkehr im Landkreis nicht mehr ununterbrochen sichergestellt.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. September 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2017 wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, die Vorlage der Bescheide des Landes über die Ausgleichszahlungen sei möglich. Eventuell sich daraus ergebende Unklarheiten hinsichtlich der Differenzierung nach Regional- und Stadtlinienverkehr hätten auf der Grundlage dieser Bescheide und der ebenfalls angeforderten Endabrechnung geklärt werden können. Die Antragstellerin selbst habe die Differenzierung der Landeszahlungen im Zuge der Abgabe des Stadtlinienverkehrs 2013 vorgenommen. Die Richtlinie des Landkreises sehe die zwischen Regionallinien- und Stadtlinienverkehr getrennte Abrechnung vor. Der Vortrag der Antragstellerin über fehlende nennenswerte Vermögenswerte belege die Dringlichkeit der Durchsetzung der Rückforderung; im Übrigen werde dieser Vortrag mit Nichtwissen bestritten. Eine Nicht-Erfüllung der Verkehrsverträge zwischen dem Verkehrsunternehmen des Landkreises und der Antragstellerin sei auch bei einer Insolvenz der Antragstellerin nicht zu befürchten.

13

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die Antragsgegnerin erklärt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung beziehe sich entsprechend der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nur auf die Rückforderung und die Verzinsungsanordnung, nicht aber auf den Schlussbescheid.

14

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten verwiesen.

II.

15

Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 05.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2017 hat Erfolg.

16

Die von der Antragstellerin begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage setzt voraus, dass ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist im konkreten Einzelfall vom Gericht zu überprüfen. Diese Überprüfung orientiert sich zunächst an den Erfolgsaussichten der Klage. Ist diese offensichtlich erfolglos, überwiegt im Allgemeinen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Wird die Klage hingegen offensichtlich erfolgreich sein, überwiegt im Allgemeinen das Interesse des Klägers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten der Klage im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht mit der für das Offensichtlichkeitsurteil erforderlichen Gewissheit zu beurteilen, trifft das Gericht eine eigenständige Interessenabwägung. Dabei hat das Gericht zu berücksichtigen, dass die Prüfungsintensität mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG davon abhängt, in welcher Intensität der angeordnete sofortige Vollzug die Rechtsstellung des Adressaten des Verwaltungsaktes berührt. Je stärker in diese Rechtsstellung eingegriffen wird, desto intensiver hat die gerichtliche Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsaktes zu erfolgen.

17

Im vorliegenden Fall ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass über die Rechtmäßigkeit des für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsaktes bereits ein erstinstanzliches klagabweisendes, wenn auch noch nicht rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Dies führt dazu, dass die Prüfungsintensität des für die Entscheidung im Eilrechtsschutzverfahren nach Stellung des Zulassungsantrages als Gericht der Hauptsache zuständigen Oberverwaltungsgerichts trotz des geltend gemachten schweren Eingriffs in die Rechtsstellung der Antragstellerin beschränkt ist.

18

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt nicht bereits dann vor, wenn im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines aus materiell-rechtlichen Gründen klageabweisenden Urteils bestehen. Offensichtliche Rechtswidrigkeit verlangt vielmehr, dass dem Verwaltungsakt seine Rechtswidrigkeit gewissermaßen auf der Stirn geschrieben steht.

19

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ist nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin meint, dass die Antragsgegnerin ihr zuletzt im Schreiben vom 23.07.2014 eine tatsächlich unmögliche Leistung auferlegt hat, missversteht sie die im Schreiben der Antragsgegnerin vom 23.07.2014 enthaltene Aufforderung, zum Nachweis der von ihr abverlangten Angaben die Zuwendungsbescheide des Landes einschließlich der nachträglich erfolgten Endabrechnungen vorzulegen. Damit wird nur verlangt, die Zuwendungsbescheide vorzulegen. Nicht verlangt worden ist, Bescheide vorzulegen, aus denen sich die Höhe der Zuwendungen für den Stadtlinienverkehr und den Regionallinienverkehr durch das Land ergibt. Mit der weitergehenden selbständigen Aufforderung, Angaben zur Höhe der Ausgleichszahlungen des Landes für den Ausbildungsverkehr nach § 45a PBefG aufgeschlüsselt für den Stadtlinienverkehr und den Regionallinienverkehr für die Jahre 2009 bis 2011 vorzulegen, setzt sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang nicht auseinander.

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Diese Aufforderung zur Vorlage der Bescheide und der dazugehörigen Endabrechnungen ist auch nicht deswegen offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin bereits über entsprechende Kenntnisse verfügte. Damit macht die Antragstellerin rechtlich wohl einen Verstoß gegen das Übermaßverbot geltend. Ein solcher Verstoß ist aber nicht offensichtlich gegeben. Selbst wenn in den vorgelegten Prüfberichten der Antragstellerin entsprechende Zahlen enthalten sind, besteht grundsätzlich ein rechtliches Interesse der Antragsgegnerin an der Vorlage der Nachweise für diese Zahlenangaben, um diese im Rahmen der Schlussabrechnung zu prüfen. Dieses rechtliche Interesse ist im vorliegenden Fall darin begründet, dass es für das Jahr 2012 erhebliche Differenzen in den Angaben der Antragstellerin zu den Ausgleichszahlungen bzw. von ihr errechneten Ausgleichsansprüchen gibt. So hat sie für das Jahr 2012 Ausgleichzahlungen für den Stadtlinienbetrieb in Höhe von 148.752, 70 € angegeben, jedoch nach Abgabe der Stadtbuslinie an einen Eigenbetrieb der Antragstellerin zum 01.01.2013 einen Ausgleichsanspruch „für das Kalenderjahr 2013 für erbrachte Leistungen im Ausbildungsverkehr auf der Stadtverkehrslinie im Jahr 2012“ in Höhe von 2.606,40 € errechnet. Die Gründe für diese Differenz sind von der Antragstellerin nicht in der Weise erklärt worden, dass die Anforderung der Bescheide und Endabrechnungen unverhältnismäßig erscheinen.

21

Im Übrigen ist die Antragsgegnerin der Auffassung, dass die bereits früher von der Antragstellerin vorgelegten Zahlen über die Höhe der Ausgleichsleistungen des Landes aufgegliedert nach dem Regionalbus- und dem Stadtbusverkehr auf einer fehlerhaften Berechnungsgrundlage beruhen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Rechtsauffassung offensichtlich rechtswidrig ist.

22

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus der Überlegung, dass die Richtlinie des Landkreises, die dem Bewilligungsverfahren zugrunde liegt, eine Trennung zwischen den Nachweisen für die Stadtbuslinie und den Regionalbusverkehr nicht kennt. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, das einzelne Vorgaben der Richtlinie entsprechend auslegt und auf die gelebte Verwaltungspraxis verweist, lässt sich nicht mit der für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit erforderlichen Gewissheit von der Hand weisen, zudem die Antragstellerin selbst entsprechende Angaben im Bewilligungsverfahren vorgelegt hat.

23

Umgekehrt ist auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen, dass der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Bereits aus den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts ergibt sich, dass die vom Verwaltungsgericht erkannte Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes - im Übrigen in Abkehr von einer Entscheidung in einem Eilverfahren, in der die Frage nach dem Charakter der Bewilligungsbescheide als vorläufige Bescheide anders als im Urteil entschieden wurde - auf einer Auslegung der in diesem Punkt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im Wortlaut nicht eindeutigen Richtlinie beruht. Gegen diese Auslegung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin Argumente vorgebracht, die jedenfalls geeignet sind, die Annahme einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides – gemessen an den strengen Anforderungen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens an die Offensichtlichkeit - zu verhindern.

24

Bei der hier erforderlichen gerichtlichen Interessenabwägung sind die jeweiligen Interessen der Beteiligten zu ermitteln, für sich zu gewichten und schließlich in einer Art Folgenabwägung zu entscheiden, welches Interesse überwiegt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein besonderes Vollzugsinteresse verlangt, das über das allgemeine Interesse am Vollzug eines Verwaltungsaktes hinausgeht.

25

Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass ein überwiegendes Interesse eines der beiden Beteiligten unter Berücksichtigung der Folgen einer Entscheidung sowohl zugunsten der Antragstellerin oder der Antragsgegnerin nicht erkennbar vorliegt. So ist nicht sicher feststellbar, dass bei einer Ablehnung des Antrages die Antragstellerin zwingend in die Insolvenz mit der weiteren Folge der Aufgabe des Geschäftsbetriebes gehen wird. Umgekehrt ist nicht sicher zu erkennen, dass die Antragstellerin bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit ihrer Forderung endgültig ausfallen wird. Dazu reichen die sich aus den Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgängen ermittelbaren Tatsachen nicht aus. In einer solchen Situation setzt sich zugunsten der Antragstellerin der Grundsatz des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch, von dem § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Ausnahme macht. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift nicht sicher feststellbar, bleibt es bei der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung.

26

Wenn dieser Überlegung nicht gefolgt wird, ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass rein fiskalische Interessen nur unter besonderen Umständen überwiegen (vgl. OVG Münster B.v. 06.07.2010 – 13 B 663/10, juris). Als ein Fall des Überwiegens des öffentlichen fiskalischen Interesses ist anerkannt, dass die Verwirklichung eines Leistungsbescheides erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens ernsthaft gefährdet erscheint.

27

Im vorliegenden Fall macht die Antragsgegnerin als besonderes Vollzugsinteresse geltend, es bestehe die Besorgnis, dass die Realisierung der Rückzahlungsforderung ernsthaft gefährdet sei. Dies ergebe sich aus den Erklärungen und Ankündigungen der Antragstellerin zu ihren Vermögensverhältnissen. Dies allein reicht für ein besonderes Vollzugsinteresse nicht aus. Denn aus den Erklärungen der Antragstellerin über ihre wirtschaftliche Situation ergibt sich nur, dass sie gegenwärtig nicht in der Lage sein soll, die Rückforderung zu begleichen, weil sie nicht über ausreichende liquide Mittel verfügt und auch keine Sicherheiten bieten kann. Dies als zutreffend unterstellt kann auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nichts zugunsten der Antragsgegnerin bewirken; durch die sofortige Vollziehung wird die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin nicht verbessert. Soweit die Antragsgegnerin die mangelnde Leistungsfähigkeit der Antragstellerin mit Nichtwissen bestreitet, ergibt sich daraus kein besonderes über das allgemeine Vollzugsinteresse hinausgehendes Vollzugsinteresse.

28

Die Antragsgegnerin stützt die Anordnung der sofortigen Vollziehung darüber hinaus auf die Überlegung, bei einem Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung über die Klage drohe das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten durch die Antragstellerin. Diese Sorge gründe in dem bisherigen Verhalten der Antragstellerin, die als Sicherheiten im Wesentlichen Vermögenswerte angeboten habe, über die sie nicht verfügen könne, und auch keine prüffähigen Unterlagen über die angebotenen Sicherheiten vorgelegt habe. Ob sich daraus bereits der begründete Verdacht auf ein „Beiseiteschieben“ von – vermutet - vorhandenen Vermögenswerten ableiten lässt, kann offen bleiben. Maßgeblich dagegen spricht der Umstand, dass der Ausgangsbescheid vom September 2014 stammt und die Antragstellerin ausreichend Zeit hatte, ihr zur Verfügung stehende Vermögenswerte aus ihrem Vermögen zu entfernen und gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen Dritter zu verbergen. Warum sie erst nach Erlass des klagabweisenden Urteils „der Versuchung erliegen könn(t)e, vorhandene Vermögenswerte – ggfs. auch unter Einbeziehung dritter Personen oder Unternehmen – beiseite zu schaffen oder sie anderweitig einer künftigen Vollstreckung durch den Landkreis zu entziehen“, bedarf einer auf konkrete Anhaltspunkte gestützten Begründung. Daran fehlt es vorliegend. Dass die Antragstellerin bestimmten Mitwirkungspflichten im Subventionsüberprüfungsverfahren nicht nachgekommen ist genügt dafür ebenso wenig wie der Umstand, dass die Antragstellerin in den Verhandlungen über das Stellen von Sicherheiten im Wesentlichen Sicherheiten angeboten hat, über die sie entweder nicht verfügen kann oder aber die bestritten sind. Das mag wenig seriös erscheinen, rechtfertigt aber noch nicht für sich genommen die Vermutung, sie werde ohne sofortige Vollziehung ihr Vermögen zu Lasten des Landkreises schmälern.

29

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass aus dieser Entscheidung im selbständigen Eilrechtsschutzverfahren keine Schlussfolgerungen für die Entscheidung im Berufungszulassungsverfahren abgeleitet werden können. Im Berufungszulassungsverfahren wird nach anderen rechtlichen Maßstäben entschieden, für sich aus den obigen Ausführungen zum Prüfungsmaßstab der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ergibt.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

31

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1, 53 Abs. 2 GKG.

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