Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 M 99/19

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 16. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

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Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine für sofort vollziehbar erklärte bauordnungsrechtliche Nutzungsuntersagung für eine Ferienwohnung.

2

Sie ist Eigentümerin eines Wohnhauses und vermietet eine Etage als Ferienwohnung. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. C der Stadt D, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Die Antragstellerin hatte 2016 ein Genehmigungsfreistellungsverfahren für ein Einfamilienhaus durchgeführt und die Fertigstellung zum 30. Juni 2018 angezeigt.

3

Mit Bescheid vom 24. September 2018 untersagte der Antragsgegner die Nutzung als Ferienhaus bzw. Ferienwohnung und ordnete die sofortige Vollziehung an. Über den Widerspruch der Antragstellerin ist noch nicht entschieden worden.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16. Januar 2019 abgelehnt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtmäßig und auch materiell gerechtfertigt. Die Nutzungsuntersagung begegne keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken und es bestehe ein Dringlichkeitsinteresse an der Vollziehung. Die Nutzung eines separaten Bereichs des Wohnhauses als Ferienwohnung sei mangels Baugenehmigung formell rechtswidrig. Bei der Änderung der Nutzung vom Dauerwohnen zum Ferienwohnen handele es sich um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. Die Anordnung sei inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Es handele sich um einen Fall des intendierten Ermessens, in dem regelhaft nur die Nutzungsuntersagung in Betracht komme. Eine Genehmigungsfähigkeit der Nutzung dränge sich nicht derart auf, dass der Antragsgegner auf eine Nutzungsuntersagung hätte verzichten müssen. Eine entsprechende Zusicherung liege ebenfalls nicht vor. Soweit die Antragstellerin sich auf das Schreiben des Amtes E, Sachbereich Ordnungsamt/Gewerbe vom 31. Januar 2018 berufe, mit dem ihr auf ihren Antrag mitgeteilt worden war, dass sie für die Bereitstellung von Ferienwohnungen keine Erlaubnis benötige und das Verwalten und Vermieten eigenen Vermögens nicht anzeigepflichtig im Sinne der Gewerbeordnung und eine Gewerbeanmeldung nicht zwingend erforderlich sei, stamme dieses nicht von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde und enthalte seinem Inhalt nach lediglich Ausführungen zur gewerberechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Der Anordnung stehe nicht das Gebot der Gleichbehandlung entgegen. Der Antragsgegner trage glaubhaft vor, dass ihm mögliche andere Ferienwohnungen in der unmittelbaren Umgebung bislang nicht bekannt gewesen seien und nunmehr auch gegen diese entsprechende Verfahren eingeleitet würden.

5

Gegen den am 22. Januar 2019 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 31. Januar 2019 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

II.

6

Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 146 Abs. 4 Satz 1, 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung genügt ganz überwiegend nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Danach muss die Begründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Eine Bezugnahme auf die erstinstanzliche Antragsbegründung reicht nicht aus. Jedenfalls aber führt die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Beschwerdegründe beschränkte Nachprüfung nicht zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

7

Die Antragstellerin trägt zunächst vor, sie habe die Vermietung eines Teils der Immobilie als Ferienwohnung „mit dem richtigen Formular“ bei der Gemeinde beantragt, die mitgeteilt habe, es gebe keine Bedenken und bedürfe keiner formalen Voraussetzungen. Wenn ein Bürger bei der falschen Stelle einen ordnungsgemäßen Antrag stelle, müsse er auf die fehlerhafte Zuständigkeit hingewiesen werden und dürfe nicht durch den Hinweis, dass es keines Antrags bedürfe, „in eine rechtswidrige Situation gebracht und bei Investitionen unterstützt“ werden. Mit diesem Vorbringen setzt die Beschwerde sich nicht hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinander (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), in der nicht nur auf die fehlende Zuständigkeit des Amtes E, sondern auch darauf hingewiesen wird, dass dessen Schreiben vom 31. Januar 2018 nach seinem Inhalt lediglich die gewerberechtliche, nicht aber die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens betreffe. Die Antragstellerin legt auch nicht dar, welche Rechtsfolge sie daraus herleiten will, dass das Amt E den ihres Erachtens gebotenen Hinweis unterlassen habe.

8

Der Einwand der Antragstellerin, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege ein Ermessensausfall vor, weil die Bauaufsichtsbehörde argumentiert habe, dass im konkreten Baufeld eine Ferienwohnungsvermietung nicht zulässig sei, obwohl der Bebauungsplan Ausnahmen zulasse, verkennt die Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung und ist offenkundig unzutreffend. Das Verwaltungsgericht hat die Nutzungsuntersagung allein wegen der auch vom Antragsgegner als Begründung angeführten formellen Illegalität der Ferienwohnnutzung, also mangels der erforderlichen Baugenehmigung für gerechtfertigt gehalten. Ob das Vorhaben über die Erteilung einer Ausnahme legalisiert werden kann, ist aber eine Frage der materiellen, nicht der formellen Legalität. Letztere kann nur im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens herbeigeführt werden. Denn die Genehmigungsfreistellung eines Vorhabens im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 LBauO M-V setzt voraus, dass eine erforderliche Ausnahme bereits erteilt worden ist. Dies ist aber nicht der Fall; einen entsprechenden Antrag hat die Antragstellerin auch nicht gestellt.

9

Die Antragstellerin wendet ferner eine Ungleichbehandlung ein, weil der Antragsgegner gegen andere Ferienwohnungen im Plangebiet nicht einschreite. Soweit sie geltend macht, der Antragsgegner könne sich nicht auf Unkenntnis von anderen Ferienwohnungen berufen, weil diese über ein Internet-Portal des Landkreises angeboten würden, trägt sie hierzu nicht hinreichend konkret vor. Im Übrigen hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die Angebote sich auf einer verlinkten Seite des Tourismusverbandes Mecklenburgische Seenplatte e.V. befinden.

10

Die Antragstellerin führt einen Vergleichsfall an, in dem der Antragsgegner den Eigentümern mit Schreiben vom 22. Januar 2019 mitgeteilt hat, das ordnungsrechtliche Verfahren wegen der Nutzung einer Einliegerwohnung als Ferienwohnung werde bis zu einer abschließenden Entscheidung der Stadt D über eine Änderung des Bebauungsplanes ruhend gestellt; im Interesse der Planungssicherheit für die Betroffenen werde die Nutzung der Ferienwohnung bis zum 31. Dezember 2019 nicht untersagt. Der Antragsgegner hat hierzu vorgetragen, es handele sich u.a. deshalb nicht um einen vergleichbaren Sachverhalt, weil in jenem Fall die Ferienwohnnutzung für eine genehmigte Einliegerwohnung bereits seit 2007 erfolge, also seit einem Zeitpunkt, zu dem die Bauaufsichtsbehörden im Land noch von der Zulässigkeit der Ferienwohnnutzung in allgemeinen Wohngebieten ausgegangen seien. Damit hat der Antragsgegner einen sachlichen Grund benannt, der die Differenzierung im Hinblick auf den Zeitpunkt des Einschreitens und die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt.

11

Allerdings hat der Senat bereits entschieden, dass die Regelung in einem Bebauungsplan, mit der Ferienwohnungen in reinen und allgemeinen Wohngebieten beschränkt auf diejenigen einzeln aufgelisteten Grundstücke zugelassen werden, auf denen sie – formell und materiell illegal seit der Errichtung – bereits vorhanden sind, in Ermangelung städtebaulicher Gründe für die Begünstigung gerade dieser Grundstücke im Ergebnis abwägungsfehlerhaft ist (Urt. v. 19.12.2018 - 3 K 499/15 -). Ebenso wäre die dauerhafte Duldung der bis zu einem bestimmten Stichtag formell und materiell illegal begründeten Ferienwohnnutzungen bei Einschreiten nur gegen danach entstandene Ferienwohnungen gleichheitswidrig und ermessensfehlerhaft. Eine dauerhafte Duldung steht in dem von der Antragstellerin angeführten Vergleichsfall aber nicht in Rede. Der Antragsgegner hat vielmehr bereits in dem dortigen Verwaltungsverfahren mitgeteilt, er gehe von einer formell illegalen Nutzung aus und müsse dementsprechend handeln, und stelle lediglich im Hinblick auf die Möglichkeit einer Änderung des Bebauungsplans durch die Stadt D die Untersagung der Nutzung vorläufig und befristet zurück. Im hiesigen Beschwerdeverfahren hat er ausdrücklich klargestellt, dass nach einer entsprechenden Klärung auch in dem Vergleichsfall mit Wirkung ab 1. Januar 2020 die Nutzung untersagt und die sofortige Vollziehung angeordnet werde. Damit liegt keine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle hinsichtlich der Frage vor, ob überhaupt eingeschritten wird, sondern lediglich im Hinblick auf den Zeitpunkt des Einschreitens und der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Eine solche Differenzierung ist ermessensfehlerfrei möglich. Der Antragsgegner kann sich zunächst darauf beschränken, nur in „Neufällen“ mit sofortiger Wirkung eine Nutzung zu unterbinden, deren Unzulässigkeit bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Nutzung allseits bekannt und unstreitig ist, und in „Altfällen“ aus der Zeit vor allseitiger Durchsetzung dieser Erkenntnis eine näher bestimmte – maßvolle, hier mit der Bemessung bis zum Jahresende ohne Hinzutreten weiterer Umstände jedenfalls maximal ausgeschöpfte – Frist vorsehen, binnen derer zugewartet wird, ob die Gemeinde den Bebauungsplan ändert und die Nutzung damit materiell legalisiert, und binnen derer deshalb noch nicht bzw. nicht mit sofortiger Wirkung eingeschritten wird. Damit bleibt der status quo zwar vorläufig bestehen, es wird aber verhindert, dass neue potentielle Störungen zu den bisherigen hinzutreten.

12

Anhaltspunkte dafür, dass gezielt nur gegen die Antragstellerin vorgegangen wird, sind vor diesem Hintergrund nicht dargelegt.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

14

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

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