Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (8. Senat) - 8 PA 17/10

Gründe

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Die Beschwerde der Kläger gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens der Kläger (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) zu Recht verneint. Der von den Klägern angefochtene, die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ablehnende Bescheid des Beklagten vom 9. September 2009 ist voraussichtlich rechtmäßig. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen.

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Ein Anspruch der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG (Bleiberechtsregelung 2009, vgl. Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11.12.2009 - 42.12 - 12230/1-8 (§ 23) -) besteht nicht. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung setzt voraus, dass der Ausländer bereits Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe (§ 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG) ist, woran es hier fehlt.

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Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und er über ausreichenden Wohnraum verfügt (Nr. 1), über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne der Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt (Nr. 2), bei Kindern im schulpflichtigen Alter den tatsächlichen Schulbesuch nachweist (Nr. 3), die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat (Nr. 4), keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen hat und diese auch nicht unterstützt (Nr. 5) und nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben (Nr. 6). Sichert der Ausländer seinen Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit, wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt. Im Übrigen wird sie nach §104a Abs. 1 Satz 1 erteilt.

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Hier ist - wie es das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - die tatbestandliche Voraussetzung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht erfüllt. Der in dieser Bestimmung geforderte „tatsächliche Schulbesuch“ stellt ein bildungsbezogenes Integrationskriterium dar. Gerade die nachhaltige Erfüllung der Schulpflicht stellt eine wesentliche Voraussetzung für eine Erfolg versprechende sprachliche und soziale Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse dar. Dementsprechend muss der Schulbesuch für den gesamten Zeitraum zwischen Beginn und Ende des schulpflichtigen Alters durch Zeugnisvorlage oder Bescheinigungen der Schulen nachgewiesen werden. Ein tatsächlicher Schulbesuch kann danach nur dann angenommen werden, wenn das schulpflichtige Kind während eines Schuljahres allenfalls an einzelnen, wenigen Tagen unentschuldigt dem Schulunterricht ferngeblieben ist. (vgl. Senatsbeschl. v. 10.11.2009 - 8 LB 89/09 - und v. 20.2.2009 - 8 LA 9/09 - jeweils m.w.N.).

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Den hiernach erforderlichen Nachweis über den ordnungsgemäßen Schulbesuch ihrer Kinder, der Kläger zu 3. bis 5., haben die Kläger zu 1. und 2. nicht erbracht. Ausweislich der vorliegenden Schulzeugnisse hat der Kläger zu 3. im Schuljahr 2000/2001 insgesamt 11 Tage, im Schuljahr 2007/2008 insgesamt 14 Tage und im Schuljahr 2008/2009 insgesamt 29 Tage, der Kläger zu 4. im Schuljahr 2003/2004 insgesamt 16 Tage, im Schuljahr 2005/2006 insgesamt 26 Tage und im Schuljahr 2007/2008 insgesamt 11 Tage, und die Klägerin zu 5. im Schuljahr 2008/2009 insgesamt 16 Tage unentschuldigt gefehlt. Ein derartiges, über Jahre sich fortsetzendes "Schulschwänzen" im Umfang von mehr als 10 unentschuldigten Fehltagen in mehreren Schuljahren steht der Annahme des in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG geforderten "tatsächlichen" Schulbesuchs entgegen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.2.2009 - 8 LA 9/09 -). Einer weitergehenden Prüfung, ob sich das Fehlen auch negativ auf die schulische Entwicklung und/oder Integration des Kindes ausgewirkt hat oder solche Auswirkungen haben kann, bedarf es nicht (vgl. Senatsbeschl. v. 20.2.2009 - 8 LA 9/09 -). Für das Nichtvorliegen der Voraussetzung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist es daher unerheblich, dass die Kläger zu 3. bis 5 in der Regel in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt worden sind und der Kläger zu 3. derzeit ein sechsmonatiges Praktikum ausübt, das ihn in die Lage versetzen soll, auch ohne den Hauptschulabschluss eine Ausbildung aufzunehmen.

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Kann den Klägern somit schon wegen des unregelmäßigen Schulbesuches ihrer schulpflichtigen Kinder, der Kläger zu 3. bis 5., keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG erteilt werden, so kann hier offen bleiben, ob der Kläger zu 1. wie von ihm zur Beschwerdebegründung vorgetragen, in der Vergangenheit den Lebensunterhalt zumindest überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit sicherstellen konnte, sich regelmäßig um eine Erwerbstätigkeit bemüht und (ggf. unter Berücksichtigung der derzeit gewährten Leistungen nach dem SGB III und etwaiger Kindergeldzahlungen) zukünftig der Lebensunterhalt der Familie gesichert sein wird und die Kläger sich ernsthaft um die Ausstellung von Nationalpässen bemüht haben.

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Die Kläger haben schließlich auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK. Ein Ausländer, der im Bundesgebiet über keinen Aufenthaltstitel verfügt hat und verfügt und freiwillig in das Land seiner Staatsangehörigkeit zurückkehren konnte und kann, kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 1.9.2006 - 8 LA 101/06 -, NordÖR 2006, 472) für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in der Regel nicht erfolgreich auf den Schutz seines Privatlebens nach Art. 8 EMRK berufen. Die 1992 in das Bundesgebiet eingereisten Kläger zu 1. und 2. haben bis auf die insoweit nach § 55 Abs.3 AsylVfG unerhebliche Zeit, in der ihnen für die Durchführung ihres ersten Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden war, im Bundesgebiet nicht über einen Aufenthaltstitel verfügt, konnten und können dies aber verlassen und freiwillig in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren. Hierzu waren sie auch verpflichtet. Schon deshalb können sie sich nicht erfolgreich auf einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK berufen.

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Selbst wenn man jedoch entgegen dieser Ansicht den Schutzbereich des Art. 8 EMRK auch bei einem langjährigen lediglich geduldeten Aufenthalt für eröffnet ansieht, ergibt sich im Ergebnis keine andere Beurteilung. Denn in jedem Fall fehlt es an der weitergehend erforderlichen Integration in die hiesigen Verhältnisse und der Loslösung aus den Verhältnissen des Heimatlandes (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 28.4.2008 - 10 ME 195/07-). Die Kläger zu 1. und 2. sind im Alter von 23 bzw. 17 Jahren in das Bundesgebiet eingereist. Trotz ihres mittlerweile fast 18 Jahre andauernden Aufenthalts ist derzeit nicht ersichtlich, dass es ihnen gelungen wäre, sich in die hiesigen Verhältnisse derart zu integrieren, dass ihnen beim Verlassen der Bundesrepublik Deutschland eine Entwurzelung droht und ein Leben in ihrem Heimatland nicht mehr zugemutet werden kann. Zwar beherrschen sie die deutsche Sprache. Sie sind aber nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sicherzustellen. So hat der Kläger zwar vorgetragen, seit zwei Jahren einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen zu sein. Aber selbst in dieser - bezogen auf die Gesamtdauer ihres Aufenthalts in Deutschland nur sehr kurzen - Phase waren die Einkünfte des Klägers nicht ausreichend, um den Lebensunterhalt der Familie vollständig ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu sichern. Dass sich hieran trotz der behaupteten Bemühungen jedenfalls des Klägers zu 1. um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zukünftig etwas ändern könnte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Ebenso fehlen überzeugende Anhaltspunkte für eine über diese wirtschaftliche Integration hinausgehende soziale Eingebundenheit der Kläger in die hiesigen Lebensverhältnisse.

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Die damit allein verbleibende, ohne Frage lange Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland führt hingegen nicht zu einer von Art. 8 EMRK geschützten Verwurzelung in Deutschland (vgl. EGMR, Urt. v. 7.10.2004 - 33743/03 -, NVwZ 2005, 1043, das eine Familie betraf, die seit 14 Jahren ihren Aufenthalt im Bundesgebiet hatte), zumal die Kläger sich nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ohne jeden Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten. Dabei war ihnen zu jeder Zeit bewusst, dass eine Rückkehrpflicht in ihr Heimatland besteht. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf einen längerfristigen Aufenthalt in der Bundesrepublik konnten die Kläger daher zu keiner Zeit aufbauen. Darüber hinaus sind keine nachvollziehbaren und unüberwindbaren Gründe erkennbar, die den erst im Alter von 23 und 17 Jahren nach Deutschland eingereisten Klägern zu 1. und 2. eine (Re-)Integration in ihrem Heimatland unmöglich machen würden. Gleiches gilt für ihre Kinder, die Kläger zu 3. bis 6. Minderjährige Kinder teilen grundsätzlich aufenthaltsrechtlich das Schicksal ihrer Eltern (sog. familienbezogene Gesamtbetrachtung, vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 29.1.2009 - 11 LB 136/07 -, juris Rn. 75 m.w.N.). Steht den Eltern wegen deren mangelnder Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland über Art. 8 EMRK i.V.m. § 25 Abs. 5 AufenthG kein Aufenthaltsrecht zu, so ist davon auszugehen, dass auch ein Minderjähriger, der im Bundesgebiet geboren wurde oder dort lange Zeit gelebt hat, grundsätzlich auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen im Heimatland verwiesen werden kann.

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Soweit die Kläger zu 1. und 2. darüber hinaus zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse aus Gesundheitsgründen geltend machen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in den vorhergehenden Asylverfahren bestandskräftig und gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG mit bindender Wirkung für den Beklagten als Ausländerbehörde getroffene negative Feststellung verwiesen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.2006 - 1 B 126/05 -, NVwZ 2006, 830). Im Übrigen haben die Kläger zu 1. und 2. mit ihrer bloßen Behauptung, sie seien "in nicht unerheblichem Maße psychisch erkrankt" und bedürften "aus diesem Grund der ständigen psychotherapeutischen Behandlung sowie medikamentösen Behandlung …, die sie ebenfalls in ihrem Heimatland nicht erhalten werden", nicht nachvollziehbar dargelegt, welche konkreten Erkrankungen bestehen, diese im Heimatland nicht behandelbar seien und daher ihrer Abschiebung entgegen stehen würden.

 


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