Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (12. Senat) - 12 LA 14/12

Gründe

I.

1

Mit Schreiben vom 19. April 2011 verwarnte die Beklagte den Kläger, weil dieser nach Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen und sich ein Punktestand - nach Reduzierung - von 17 Punkten ergeben habe. In der nachfolgenden Aufstellung ist auch eine mit 5 Punkten bewertete Straftat der falschen Verdächtigung (Tattag 19.8.2010, Rechtskraft 7.3.2011) enthalten. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, diese Tat mit 5 Punkten zu bewerten.

2

Die mit dem entsprechenden Antrag erhobene Feststellungsklage hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Urteil als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Gericht teile die rechtliche Einschätzung der Beteiligten, dass die nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 StVG erfolgte bloße Verwarnung durch die Fahrerlaubnisbehörde keinen anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle. Dem Kläger stehe wegen des mitgeteilten Punktestandes die Möglichkeit der Klageerhebung nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht zur Seite. Die Eintragungen, die das Kraftfahrt-Bundesamt aufgrund der ihm zugehenden Mitteilungen in das Register aufzunehmen habe, lösten keine unmittelbaren Rechtsfolgen für den Verkehrsteilnehmer aus. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde habe die jeweilige Mitteilung durch das Kraftfahrt-Bundesamt zu überprüfen und den tatsächlichen Punktestand zu ermitteln um festzustellen, ob Eingriffsmaßnahmen geboten seien. Bei dieser Punktbewertung handele es sich um eine behördliche Verfahrenshandlung, die erst bei Ergehen einer Sachentscheidung gerichtlich zu überprüfen sei. Derzeit wirke sich der für den Kläger ermittelte Punktestand nicht aus. Es bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Darüber hinaus fehle es auch an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Für den vom Kläger begehrten vorbeugenden Rechtsschutz sei kein Raum. Es sei dem Kläger zuzumuten, den Eintritt der befürchteten Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde abzuwarten und nachträglichen Rechtsschutz, der mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verbunden werden könne, in Anspruch zu nehmen, zumal ungewiss sei, wie sich der Punktestand entwickeln werde. Das Interesse eines Fahrerlaubnisinhabers, im Vorfeld rechtsverbindlich zu erfahren, in welchem Umfang er sich weitere mit Punkten zu bewertende Verkehrsverstöße „noch erlauben“ könne, sei rechtlich nicht schutzwürdig.

II.

3

Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen des vom Kläger allein benannten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

4

Wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache geltend gemacht, so ist eine die Zulassung der Berufung eröffnende Grundsatzfrage nur dann im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufgeworfen wird, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll. Der Zulassungsantrag des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er meint zwar, die Sache habe insofern grundsätzliche Bedeutung, als er die gerichtliche Überprüfung einer Bewertung innerhalb einer Verwarnung verlange, die selbst keinen Verwaltungsakt darstelle, also aus formellen Gründen nicht angefochten werden könne, die Bewertung ihn aber belaste und deshalb geklärt werden müsse, ob der Bürger in einem derartigen Fall gerichtlichen Rechtsschutz genieße. Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen des Klägers geeignet ist, die bezeichneten formellen Anforderungen an die Darlegung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes zu erfüllen. Jedenfalls besteht ein Klärungsbedarf in dieser Sache nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der Verwarnung mangels eines eigenständigen Regelungsgehalts nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt. Dem Verwaltungsgericht ist auch darin beizutreten, dass die Punktebewertung gerichtlich nicht isoliert zu überprüfen ist und für den insoweit begehrten vorbeugenden Rechtsschutz kein anzuerkennendes Interesse besteht. Es entspricht der Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts, dass die mit einer Verwarnung mitgeteilte Punktezahl als solche keine Bindungswirkung entfaltet und Rechtsfolgen sich erst aus den Entscheidungen ergeben können, die die zuständigen Stellen, wenn auch gestützt auf eine Eintragung im Verkehrszentralregister und die Mitteilung darüber, in eigener Verantwortung zu treffen haben. Gleichermaßen geklärt ist, dass wegen der fehlenden Bindungswirkung der in der Verwarnung mitgeteilten Punktezahl „nachträglicher“ Rechtsschutz gegen ergehende straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen, gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, dem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes genügt (BVerwG, Beschl. v. 16.10.2007 - 3 B 25.07 -, juris; Beschl. v. 15.12.2006 - 3 B 49.06 -, NJW 2007, 1299; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 9.1.2007 - 10 S 1386/06 -, NJW 2007, 1706; Senat, Beschl. v. 19.6.2001 - 12 LA 2108/01 -, DAR 2001, 471; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 StVG Rdnr. 63 m. w. N.).

 


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