Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LA 187/21

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 30. September 2021 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 4.000 EUR festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird insoweit geändert.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Zwangsgeldfestsetzung; sie meinen, die mit dieser durchzusetzende Beseitigungsverfügung sei durch von ihnen vorgenommene Veränderungen an den betroffenen Gebäuden gegenstandslos geworden.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines Wochenendhauses in einem durch Bebauungsplan als Sondergebiet Wochenendhausgebiet festgesetzten Gebiet. Bei zwei Ortsbesichtigungen im Jahr 2011 stellte der Beklagte fest, dass auf dem Grundstück der Kläger, teilweise außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen, ein Garagengebäude mit Satteldach in Holzbauweise mit einer Grundfläche von ca. 5 x 7,50 m und an dieses angebaut ein weiteres Nebengebäude mit Pultdach (aus Wellblech, Eternit o.ä.) in Holzbauweise mit einer Grundfläche von ca. 5 x 5 m errichtet worden waren; ferner war der Zwischenraum zwischen Haupthaus und Garage mit einer Grundfläche von ca. 3,50 x 7,50 m mit einer Überdachung aus Folie und Dachlatten versehen. Mit inzwischen bestandskräftiger Verfügung vom 10. September 2012 untersagte der Beklagte den Klägern „die weitere Nutzung der Garage mit Geräteraum zu Ziffer 2 und des angebauten Geräteschuppens zu Ziffer 3“ und forderte sie auf, „die Garage mit Geräteraum und den Geräteschuppen [innerhalb einer inzwischen abgelaufenen Frist] zu beseitigen und die Abbruchmaterialien ordnungsgemäß an einer dafür zugelassenen Stelle abzulagern.“ Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte er ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 EUR (500 EUR je Gebäude) an.

3

Nachdem die Kläger am 13. Juni 2019 mitgeteilt hatten, die bauaufsichtliche Anordnung umgesetzt zu haben, stellte der Beklagte bei einer Vorortkontrolle am 26. Juni 2019 fest, dass das Garagengebäude auf Schwerlastrollen gesetzt worden war. Bei dem ursprünglich angebauten Nebengebäude waren die Dachplatten durch eine Folie ersetzt worden. Daraufhin setzte der Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Juli 2019 das in der Beseitigungsverfügung angedrohte Zwangsgeld fest und drohte unter Fristsetzung ein weiteres Zwangsgeld i.H.v. 6.000 EUR an.

4

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die auf § 64 ff. NPOG gestützte Zwangsgeldfestsetzung sei rechtmäßig. Die u.a. auf Beseitigung der Garage und des Geräteschuppens sowie ordnungsgemäße Lagerung der Abbruchmaterialien gerichtete Grundverfügung sei unanfechtbar; ob eine Durchsetzung ausscheide, wenn diese nach Rechtskraft rechtswidrig geworden sei, könne dahinstehen, denn das sei nicht der Fall. Die von den Klägern vorgenommenen Maßnahmen bewirkten nicht, dass die betroffenen Anlagen nunmehr im Einklang mit öffentlichem Baurecht stünden. Die Garage sei weiter eine bauliche Anlage, da sie auch nach Anbringung der Schwerlasträder auf dem Erdboden ruhe. Auch der Austausch der Bedachung des Schuppens ändere nichts an dessen Eigenschaft als bauliche Anlage. Beide Anlagen verstießen weiter gegen öffentliches Baurecht; die ungenehmigte Garage sei nicht genehmigungsfrei, da sie die in Nr. 1.2 des Anhangs zu § 60 Abs. 1 NBauO genannte Maximalgröße von 30 m² überschreite. Zudem überschreite die Größe von Garage und Schuppen die für derartige Nebenanlagen im Bebauungsplan festgesetzten Maximalgrößen. Die Grundverfügung sei nicht beachtet worden. Die Verfügung sehe die Beseitigung der benannten Anlagen vor; diese sei nicht erfolgt. Ob die von den Klägern vorgenommenen Veränderungen bewirkten, dass es sich bei diesen Anlagen nunmehr um ein aliud handele, sei unerheblich, zumal die Grundverfügung ausdrücklich die ordnungsgemäße Ablagerung der Abbruchmaterialien an einer dafür vorgesehenen Stelle vorsehe. Die Zwangsgeldfestsetzung sei ermessensfehlerfrei erfolgt.

II.

5

Der dagegen gerichtete, auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel und besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1.

6

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann dargelegt, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens eine erhebliche Tatsachenfeststellung oder einen tragenden Rechtssatz mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich; es genügt, wenn sich diese als offen erweisen. Das darzulegen, ist den Klägern nicht gelungen.

7

Ohne Erfolg greifen die Kläger ihren bereits im erstinstanzlichen Verfahren zentralen Vortrag auf, die Garage, deren Beseitigung ihnen aufgegeben worden sei, existiere nicht mehr, da diese durch die Aufsetzung auf Schwerlastrollen und ihre Verschiebung auf dem Grundstück - nach den im Verwaltungsvorgang befindlichen Lichtbildern um ca. einen Meter vom angebauten Schuppen weg in Richtung Osten - ihre Identität verloren habe. Die den Klägern aufgegebene Handlung war die „Beseitigung“ der baulichen Anlage und die Entsorgung des Abbruchsmaterials. Beseitigung in diesem Sinne ist nicht die Veränderung der Anlage in einen Zustand, der baurechtlich schon als ein „aliud“ angesehen werden könnte, sondern - um im Bild der Kläger zu bleiben - die Überführung in den Zustand eines baurechtlichen „nullums“. Es mag sein, dass im Einzelfall die Bauaufsichtsbehörde eine Umwandlung der baulichen Anlage in eine „andere“ bauliche Anlage unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als Austauschmittel gegenüber der angeordneten Beseitigung akzeptieren muss, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr keinen Bedenken begegnet, weil dadurch ein dauerhaft baurechtmäßiger Zustand hergestellt wird. Davon kann hier indes keine Rede sein. Zum einen machen die von den Klägern vorgenommen Alternativmaßnahmen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands allzu leicht und ergeben kaum Sinn, wenn dies nicht auch tatsächlich beabsichtigt ist. Auf ein „Katz-und-Maus-Spiel“, in dem die Kläger den Beklagten durch geringfügiges Versetzen des Garagengebäudes zum Erlass ständig neuer bauaufsichtlicher Verfügungen zwingen könnten, muss sich der Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr nicht einlassen. Zum anderen ist der nunmehr herbeigeführte Zustand im Wesentlichen denselben baurechtlichen Bedenken ausgesetzt wie der ursprüngliche. Die Verschiebung des Garagengebäudes um einen Meter führt - wie die der Grundverfügung beigefügte Karte zeigt - nicht dazu, dass dieses innerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen läge; zudem überschreitet seine Grundfläche weiterhin die Verfahrensfreistellungsgrenze der Nr. 1.2 des Anhangs zu § 60 Abs. 1 NBauO sowie materiell-rechtlich die Höchstgrundfläche bzw. das Höchstvolumen für Nebenanlagen nach dem Bebauungsplan, die für offene Carports bei 15 m², für Geräteschuppen bei 15 m³ liegt. Allseits geschlossene Garagen sind insgesamt unzulässig.

8

Weshalb die am Geräteschuppen vorgenommenen Änderungen den Anforderungen an eine Beseitigung genügen sollen, haben die Kläger mit ihrem fristgemäßen, d.h. bis zum 30. Januar 2022 eingegangenen Zulassungsvorbringen nicht dargelegt. Der Austausch des Bedachungsmaterials würde nicht einmal die Identität des Vorhabens in Frage stellen. Soweit die Kläger erstmals in ihrem Schriftsatz vom 24. März 2022 geltend machen, der Schuppen sei vollständig beseitigt, kann dies schon aus formalen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass dieser Vortrag völlig unsubstantiiert bleibt und im Widerspruch zu den Ausführungen in der Zulassungsantragsbegründung vom 31. Januar 2022 - dort ist nur von einer Entfernung des Daches die Rede - steht.

2.

9

Die von den Klägern geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Frage, „ob eine Veränderung einer baulichen Anlage in der Weise, dass sie auf einen fahrbaren Untersatz gesetzt wurde und diese vom Grundstück entfernt worden ist, zur Folge hat, dass auch die erforderliche Identität mit der Anlage verloren gegangen ist, deren Beseitigung […] aufgegeben wurde“, würden sich im Berufungsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil eine Entfernung des Garagengebäudes vom Grundstück nicht einmal behauptet, geschweige denn substantiiert wurde. Im Übrigen würde, wie dargelegt, ein Identitätsverlust des ursprünglichen Gebäudes keine Erfüllung der bauaufsichtlichen Verfügung bedeuten und die Zwangsgeldfestsetzung nicht rechtswidrig machen.

10

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 12 d) sowohl der Streitwertannahmen des Senats für nach dem 1. Januar 2002 eingegangene, wie auch aus den Streitwertannahmen für nach dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren (abrufbar jeweils auf der Internetseite des Nds. Oberverwaltungsgerichts) und berücksichtigt neben der Zwangsgeldfestsetzung auch die Zwangsgeldandrohung. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war dementsprechend gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG zu ändern.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 


Abkürzung FundstelleWenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE220006731&psml=bsndprod.psml&max=true

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen