Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (13. Senat) - 13 PS 208/22

Tenor

Beschluss

Der ehrenamtliche Richter A., A-Straße, A-Stadt, wird mit Wirkung vom 1. Januar 2023 von seinem Amt als Beamtenbeisitzer im Fachsenat für Disziplinarsachen des Landes bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht entbunden.

Gründe

1

Die Entbindung des ehrenamtlichen Richters vom Amt des Beamtenbeisitzers beruht auf §§ 4, 46 NDiszG und § 24 Abs. 3 VwGO.

2

1. Gemäß § 4 NDiszG ist der beschließende Senat in entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 3 Satz 1 VwGO nach erfolgter Anhörung des ehrenamtlichen Richters (§ 24 Abs. 3 Satz 2 VwGO) dazu berufen, die Entscheidung über dessen Entbindung zu treffen (vgl. Senatsbeschl. v. 1.7.2014 - 13 PS 90/14 -, V.n.b. Umdruck S. 1; Bieler/Lukat/Struß, NDiszG, § 46 Rn. 13 (Stand: November 2017)).

3

2. Nach § 46 Abs. 1 Nr. 4 NDiszG ist ein ehrenamtlicher Richter von seinem Amt als Beamtenbeisitzer zu entbinden, wenn er nach seiner Bestellung nicht mehr Landesbeamter ist.

4

a. Der ehrenamtliche Richter A. ist als Landrat Hauptverwaltungsbeamter des Landkreises A-Stadt (§§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4, 80 Abs. 6 Satz 1 und 2 NKomVG) und als solcher zwar kein Landesbeamter im Sinne des § 1 Nr. 1 NBG (Beamter des Landes Niedersachsen), sondern Kommunalbeamter im Sinne des § 1 Nr. 2 NBG (Beamter einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbands, vgl. zu letzterem §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 1 NKomVG).

5

§ 46 Abs. 1 Nr. 4 NDiszG ist ungeachtet seines Wortlauts (vgl. zur Wortlautgrenze bei Auslegungen: BVerfG, Beschl. v. 28.7.2015 - 2 BvR 2558/14 -, juris Rn. 46 m.w.N.) aber dahin auslegen, dass ein ehrenamtlicher Richter von seinem Amt als Beamtenbeisitzer nicht nur dann zu entbinden ist, wenn er nach seiner Bestellung nicht mehr Landesbeamter im Sinne des § 1 Nr. 1 NBG ist, sondern auch dann, wenn er nach seiner Bestellung nicht mehr Kommunalbeamter im Sinne des § 1 Nr. 2 NBG oder nicht mehr Körperschaftsbeamter im Sinne des § 1 Nr. 3 NBG (Beamter einer sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts) ist.

6

Gesetzessystematisch korrespondieren die in § 46 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 NDiszG genannten Gründe für die Entbindung vom Amt des Beamtenbeisitzers mit den in § 43 Abs. 1 NDiszG bestimmten Voraussetzungen für die Bestellung zum Beamtenbeisitzer. Nach letztgenannter Vorschrift muss der ehrenamtliche Richter ein dort genannter Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit sein und bei seiner Bestellung seinen dienstlichen Wohnsitz im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts haben, bei dem er als Beamtenbeisitzer bestellt werden soll. Fällt eine oder fallen beide dieser Voraussetzungen nach der Bestellung weg, ist der ehrenamtliche Richter - im Falle des § 46 Abs. 1 Nr. 3 NDiszG auf seinen eigenen Antrag (vgl. Senatsbeschl. v. 22.12.2017 - 13 PS 431/17 -, juris Rn. 1) und im Falle des 46 Abs. 1 Nr. 4 NDiszG auf Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts (vgl. Senatsbeschl. v. 30.7.2021 - 13 PS 330/21 -, V.n.b. Umdruck S. 1) - von seinem Amt zu entbinden (vgl. Niedersächsische Landesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts, LT-Drs. 15/1130, S. 74 f.; Niedersächsischer Landtag, Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts, LT-Drs. 15/2260, S. 17).

7

Während die Regelung zu den Entbindungsgründen in § 46 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 NDiszG seit ihrer Einführung durch das Gesetz zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts (NDiszNOG) vom 13. Oktober 2005 (Nds. GVBl. S. 296) unverändert geblieben ist, wurde die Regelung zu den Bestellungsvoraussetzungen in § 43 Abs. 1 NDiszG durch den Landesgesetzgeber aber geändert. Nach ihrer Einführung durch das NDiszNOG lautete sie zunächst "Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter müssen unmittelbare oder mittelbare Landesbeamtinnen oder Landesbeamte auf Lebenszeit oder auf Zeit sein und bei ihrer Bestellung ihren dienstlichen Wohnsitz (§ 15 des Bundesbesoldungsgesetzes) im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts haben." Diese Regelung nahm Bezug auf die Bezeichnung der Beamten in § 2 Abs. 2 NBG in der bis zum 31. März 2009 gültigen Fassung, wonach ein Beamter, der das Land zum Dienstherrn hat, als unmittelbarer Landesbeamter, und ein Beamter, der eine Gemeinde, einen Landkreis oder eine der Aufsicht des Landes unterstehende andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zum Dienstherrn hat, als mittelbarer Landesbeamter bezeichnet worden war. Nach der Änderung der Bezeichnung der Beamten durch § 1 NBG in der ab dem 1. April 2009 geltenden Fassung ("Dieses Gesetz gilt … für die Beamtinnen und Beamten 1. des Landes (Landesbeamtinnen und Landesbeamte), 2. der Gemeinden und Gemeindeverbände (Kommunalbeamtinnen und Kommunalbeamte) sowie 3. der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (Körperschaftsbeamtinnen und Körperschaftsbeamte).") nahm der Landesgesetzgeber mit Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Beamtenversorgungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. November 2011 (Nds. GVBl. S. 422) eine Folgeänderung in § 43 Abs. 1 NDiszG vor und bestimmte dort: "Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter müssen Landesbeamtinnen oder Landesbeamte, Kommunalbeamtinnen oder Kommunalbeamte oder Körperschaftsbeamtinnen oder Körperschaftsbeamte auf Lebenszeit oder auf Zeit sein und bei ihrer Bestellung ihren dienstlichen Wohnsitz (§ 15 des Bundesbesoldungsgesetzes) im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts haben." Diese Folgeänderung in § 43 Abs. 1 NDiszG war allein redaktioneller Art (vgl. Niedersächsische Landesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung und Änderung des Beamtenversorgungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 16/3207, S. 154 (zu Art. 5 Nr. 4 des Gesetzentwurfs); Niedersächsischer Landtag, Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung und Änderung des Beamtenversorgungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 16/4150, S. 129). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die Änderung den zuvor bestehenden Gleichlauf zwischen den Bestellungsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 NDiszG und den Entbindungsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 NDiszG beseitigen und nur noch den Wegfall der Eigenschaft als Landesbeamter, aber nicht mehr den Wegfall der Eigenschaft als Kommunal- oder Körperschaftsbeamter als Grund für die Entbindung vom Amt des Beamtenbeisitzers ansehen wollte, ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien nicht ansatzweise. Vielmehr drängt sich dem Senat der Eindruck auf, dass - in den ohnehin nur lückenhaften Regelungen der materiellen Entbindungsgründe und des förmlichen Entbindungsverfahrens im Ersten Kapitel des Vierten Teils des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (§§ 41 bis 47 NDiszG; vgl. hierzu bspw. Senatsbeschl. v. 22.12.2017 - 13 PS 431/17 -, juris Rn. 1; Bieler/Lukat/Struß, NDiszG, § 46 Rn. 12 f. (Stand: November 2021)) - die naheliegende redaktionelle Folgeänderung auch des § 46 Abs. 1 Nr. 4 NDiszG im Gesetzgebungsverfahren schlicht übersehen wurde.

8

Für die hier vorgenommene Auslegung des § 46 Abs. 1 Nr. 4 NDiszG sprechen schließlich Sinn und Zweck dieses Entbindungsgrundes und der damit korrespondierenden Bestellungsvoraussetzung des § 43 Abs. 1 NDiszG. Die hiernach bestehenden statusrechtlichen Anforderungen an den Beamtenbeisitzer sind begründet in dessen besonderer Sachkunde und sollen sicherstellen, dass aktive Beamte ihre Kenntnisse und Erfahrungen des Wesens, der Anforderungen und der Abläufe der öffentlichen Verwaltung in die verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis in Disziplinarsachen einbringen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.1.2013 - BVerwG 2 B 89.11 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Dies gilt in gleicher Weise für Landes-, Kommunal- und Körperschaftsbeamte, die als Beamtenbeisitzer tätig werden.

9

b. Der ehrenamtliche Richter A. hat mit Schreiben vom 2. August 2022 mitgeteilt, dass er mit Ablauf des 31. Dezember 2022 seine Tätigkeit als Landrat des Landkreises A-Stadt beenden wird. Somit wird er ab dem 1. Januar 2023 nicht mehr Kommunalbeamter sein. Er ist deshalb nach der vom Senat vorgenommenen Auslegung des § 46 Abs. 1 Nr. 4 NDiszG auf den Antrag des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. August 2022 nach Anhörung mit Wirkung vom 1. Januar 2023 von seinem Amt zu entbinden.

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Der Beschluss ist entsprechend § 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO unanfechtbar.

 


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