Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 B 2556/94
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 16.178,50 DM festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung ihrer im Verfahren 4 K 5387/94 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Oberstadtdirektors der Antragsgegnerin vom 19. Mai 1994 wiederherzustellen, war entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts abzulehnen. Gründe, die die begehrte Regelung der Vollziehung rechtfertigen könnten, liegen nämlich nicht vor:
4Die Vollziehungsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO beruht jedenfalls nicht auf Mängeln, die die Antragstellerin geltend machen kann (1.). Die Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO fällt zu ihren Ungunsten aus (2.), da sich a) ihre Abberufung nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist und b) nach den sonstigen in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkten ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abberufung besteht.
51. Soweit das Verwaltungsgericht in der in der Ratssitzung vom 18. Mai 1994 erfolgten Beschlußfassung des Rates über die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Abberufung einen Verstoß gegen die in § 3 der Geschäftsordnung für den Rat und die Bezirksvertretungen der Antragsgegnerin und die Ratsausschüsse vom 23. Januar 1985 in der Fassung der 2. Änderung vom 4. November 1992 (GeschO) enthaltenen Vorschriften zur Tagesordnung erkannt hat, spricht aus der Sicht des Senats schon vieles dafür, daß die Tagesordnung ordnungsgemäß nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 GeschO durch den Antrag vom 16. Mai 1994 ergänzt worden ist. Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung handelt es sich um eine Angelegenheit, die zu den dringenden Fällen i.S.d. § 3 Abs. 2 GeschO gerechnet werden kann.
6Sinn der Anordnung ist es nämlich, für den Fall der Anfechtung des Verwaltungsaktes die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels deshalb auszuschließen, weil die Vollziehung keinen Aufschub duldet. Auch dürfte der Behandlung des genannten Nachtrages im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung vom 18. Mai 1994 gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 GeschO auf einem Beschluß des Rates entsprechen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin zu Beginn der Sitzung ausweislich der Sitzungsniederschrift und des Wortprotokolls zunächst die Frage nach etwaigen Wünschen zur Änderung der - den in Rede stehenden Nachtrag mitumfassenden - Tagesordnung gestellt und erst nach der Feststellung, daß hierzu keine Wortmeldungen vorlagen, in die Tagesordnung eingetreten ist. Diesen Vorgang als (konkludente) Fassung eines dem Erfordernis des § 3 Abs. 2 Satz 3 GeschO genügenden Beschlusses anzusehen, dürfte um so näher liegen, als diese Verfahrensweise nach der zu den Gerichtsakten gereichten Stellungnahme des damaligen Protokollführers offenbar der ständigen Praxis des Rates bei der Handhabung der genannten Vorschrift entsprach.
7Unabhängig hiervon bedarf die Frage, ob den Erfordernissen des § 3 Abs. 2 GeschO bei der Beschlußfassung des Rates zur Anordnung der sofortigen Vollziehung Genüge getan ist, ebenso wie die Frage einer möglichen Heilung des vom Verwaltungsgericht angenommenen Verfahrensmangels
8- vgl. OVG NW, Beschl. v. 9. April 1981
9- 12 B 441/81 -, DÖD 1981, 210 -
10jedoch nicht der abschließenden Stellungnahme. Die Antragstellerin könnte sich nämlich auf eine etwaige - insoweit unterstellte - Verletzung des § 3 Abs. 2 GeschO jedenfalls nicht berufen. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Geschäftsordnung als einem Rechtssatz, dessen zwingende Bestimmungen ausschließlich für die Ratsmitglieder unmittelbare Rechte und Pflichten begründen.
11Siehe hierzu BVerwG, Beschl. v. 15. September 1987 - 7 N 1.87 -, NVwZ 1988, 1019; OVG Frankfurt (Oder), Urt. v. 27. April 1994 - 1 A 33/92 -, LKV 1995, 42; von Loebell-Kirchhof, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 31 Anm. 9; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, § 31 Anm. II 2; Rauball/Pappermann/Roters, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., § 36 Rdnr. 2 m.w.N.
12So begründet auch die Bestimmung des § 3 Abs. 2 GeschO allein (Mitwirkungs- )Rechte des einzelnen Ratsmitgliedes, wohingegen außerhalb des Vertretungsorgans stehende Dritte - wie die Antragstellerin - durch sie nicht begünstigt werden. Das Erfordernis der rechtzeitigen Ladung unter Angabe der Tagesordnung soll das einzelne Ratsmitglied in die Lage versetzen, sein Mitgliedsschaftsrecht durch sachgerechte Vorbereitung möglichst effektiv ausüben zu können. Mängel der Tagesordnung könnten folglich nur von den insoweit unmittelbar berechtigten Ratsmitgliedern geltend gemacht werden; der behauptete Verfahrensmangel würde also nicht "absolut" wirken, sondern ließe die Wirksamkeit des dennoch gefaßten Beschlusses unberührt.
13Vgl. den Beschluß des Senats vom 15. Juli 1994 - 15 B 826/94 -; ferner von Loebell-Kirchhof, a.a.O.; Rauball/Pappermann/Rotersr a.a.O. § 36 Rdnr. 3; anderer Ansicht noch: OVG NW, Urt. v. 8. Juli 1959 - III A 611/59 -, OVGE 15, 87 (92).
14Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, Verstöße gegen die Geschäftsordnung hätten stets die Unwirksamkeit der betroffenen Ratsbeschlüsse gegenüber jedermann zur Folge,
15vgl. Rehn/Cronauge, a.a.O.; Behnel, NWVBl. 1993, 406 (407) m.w.N.,
16mag dem für Rechtssetzungsakte des Rates zu folgen sein.
17Siehe allerdings zur Bedeutung von Verfahrensfehlern für die Wirksamkeit einer Norm BVerfG, Beschl. v. 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 -, DVBl. 1995, 97.
18Für sonstige Regelungen des Rates einschließlich der hier in Rede stehenden Anordnung der sofortigen Vollziehung gilt jedenfalls anderes, weil der Rechtsschutz insoweit auf die Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit der Regelungen wegen der Verletzung eigener Rechte beschränkt ist.
19Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Abberufung der Antragstellerin genügt ferner den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die hiernach erforderliche Schriftform hat die Vollziehungsanordnung durch die Verfügung des Oberstadtdirektors vom 19. Mai 1994 erhalten, der insoweit den entsprechenden Beschluß des Rates vom 18. Mai 1994 ausgeführt hat (§ 47 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NW - in der hier maßgeblichen bis zum 16. Oktober 1994 geltenden alten Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1984, GV NW S. 475). Auch genügt die dort niedergelegte Begründung für die Vollziehungsanordnung dem mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verfolgten Gesetzeszweck. Die Vorschrift soll die Behörde zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewußt zu werden und die Frage der sofortigen Vollziehung besonders sorgfältig zu prüfen. Daneben hat sie die Funktion, den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gründe ihrer Entscheidung zu informieren sowie dem Gericht in einem möglichen Rechtsschutzverfahren die Erwägungen der Behörde zur Kenntnis zu bringen.
20Vgl. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, 1275 f.
21Dem an diesem Regelungszweck zu messenden Formerfordernis wird die Vollziehungsanordnung zweifelsfrei gerecht.
222. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, ob ein öffentliches Interesse am Vollzug eines Verwaltungsaktes oder das Suspensivinteresse des davon Betroffenen überwiegt, erfordert eine umfassende Interessenabwägung, bei der nicht nur die Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners, sondern auch alle in der Sache sonst betroffenen öffentlichen oder privaten Interessen zu berücksichtigen sind.
23Vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 83.
24Dabei sind auch, soweit diese in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes überschaubar sind, die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen u.a. mit der Folge, daß jedenfalls bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des in Frage stehenden Verwaltungsaktes regelmäßig kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung besteht und in diesem Fall wegen des erfolgversprechenden Rechtsbehelfs des Antragstellers dessen Suspensivinteresse überwiegt.
25Vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., Rdnrn. 650 ff.
26a) Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, daß sich die Verfügung des Oberstadtdirektors der Antragsgegnerin vom 19. Mai 1994 nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist.
27Für kommunale Wahlbeamte, die seit jeher im Grenzbereich zwischen Beamten- und Kommunalverfassungsrecht bzw. im Schnittpunkt politischer Willensbildung und fachlicher Verwaltung stehen,
28BVerwG, Urt. v. 14. Januar 1965 - II C 53.62 -, BVerwGE 20, 160; BVerwG, Urt. v. 14. Juli 1978 - 7 C 45.76 -, BVerwGE 56, 163 -,
29ist eine Abberufungsmöglichkeit in § 49 Abs. 4 GO NW a.F. normiert, der sowohl mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) als auch mit sonstigen beamtenrechtlichen Vorschriften vereinbar ist.
30Vgl. OVG NW, Urt. v. 8. Februar 1983 - 12 A 1559/82 -; Urt. v. 16. September 1986 - 12 A 821/85 -, jeweils für die frühere Fassung des § 49 Abs. 4 GO NW; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 1993 - 2 BvR 1327/87 -, NVwZ 1994, 473; BVerwG, Urt. v. 15. März 1989 - 7 C 7/88 -, NVwZ 1989, 972; BVerwG, Beschl. v. 22. September 1992 - 7 B 40/92 -, NVwZ 1993, 377.
31Dabei ist, was auch Folgerungen für die gerichtliche Überprüfung einer Abberufungsentscheidung hat, anerkannt, daß diese entsprechend der gesetzlichen Regelung an keinen bestimmten gesetzlichen Tatbestand gebunden ist, sondern rechtmäßigerweise schon dann ergehen kann, wenn zwischen der Gemeindevertretung und dem Wahlbeamten nicht mehr das für wünschenswert gehaltene Vertrauen besteht. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abberufungsentscheidung, die keiner Begründung bedarf und diese praktisch "in sich selbst" trägt, ist demgemäß allein die - bereits in der Abberufung selbst zum Ausdruck kommende - Tatsache des Vertrauensverlustes; auf die Gründe, die zu diesem Vertrauensverlust geführt haben, kommt es grundsätzlich nicht an. Die für die Abberufungsentscheidung maßgebenden Motive der einzelnen Ratsmitglieder sind deshalb ebenso wie abwertende Urteile über die Eignung des Abberufenen grundsätzlich unerheblich, zumal der Abberufungsbeschluß auch nicht mit einer Entfernung aus dem Dienst in einem Disziplinarverfahren zu vergleichen ist und grundsätzlich keine Diskriminierung darstellt. Das "kommunalpolitische Umfeld" einer Abberufungsentscheidung einschließlich der für die einzelnen Ratsmitglieder maßgeblichen Motive entzieht sich der rechtlichen Qualifikation und Kategorisierung und ist daher für die Beurteilung der Abberufungsentscheidung grundsätzlich ohne Bedeutung. Infolgedessen erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle allein darauf, ob sich mit der Abberufung verfassungswidrige oder sonstige mit dem Gesetz nicht zu vereinbarende Zwecke verbinden, sowie darauf, ob die Abberufungsentscheidung auf Form- oder Verfahrensfehlern beruht, auf die sich die Antragstellerin berufen kann.
32Vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. September 1992 - 7 B 40/92 -, NVwZ 1993, 377; OVG Frankfurt (Oder), Urt. v. 27. April 1994, a.a.O.
33Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, daß mit der Abberufung der Antragstellerin verfassungswidrige oder sonstige mit dem Gesetz nicht zu vereinbarende Zwecke verbunden sein könnten. Auch leidet die Abberufungsentscheidung an keinen Form- oder Verfahrensfehlern, die sie offensichtlich rechtswidrig machen könnten. Vielmehr bestehen auch insoweit keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Verfügung. Dies gilt namentlich auch hinsichtlich des Vorliegens eines ordnungsgemäßen Antrages auf Abberufung und der in § 49 Abs. 4 Satz 3 GO NW vorgesehenen Frist von mindestens 6 Wochen zwischen dem Eingang des Antrages und der Sitzung des Rates, in der über den Antrag auf Abberufung abgestimmt werden soll. Der Senat, der zugunsten der Antragstellerin unterstellt, daß sie sich auf eine Verletzung der letztgenannten Vorschrift berufen könnte, geht dabei insbesondere davon aus, daß bei verständiger Würdigung der Vorgänge vom 5. April 1994, durch die das Abberufungsverfahren bezüglich der Antragstellerin eingeleitet worden ist, ein Abberufungsantrag i.S.d. § 49 Abs. 4 GO NW gegeben ist. Die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegende gegenteilige Auffassung beruht demgegenüber wesentlich auf der Annahme, daß der am 5. April 1994 von Mitgliedern der CDU-Ratsfraktion gestellte Antrag dahin zu verstehen sei, daß die ausschließlich von Ratsmitgliedern der Fraktionen der SPD und der Grünen gewollte Abwahl der Antragstellerin lediglich zum Beratungsgegenstand der Ratssitzung vom 18. Mai 1994 gemacht werden sollte. Diese allein an seinem Wortlaut orientierte Würdigung des Antrags verbietet sich aber schon deshalb, weil über einen Antrag auf Abberufung ohne Aussprache abzustimmen ist (vgl. § 49 Abs. 4 Satz 4 GO NW); die Ansetzung dieses Themas als Tagesordnungspunkt, um das von anderen Ratsfraktionen initiierte Abberufungsbegehren diskutieren zu können, würde diese gesetzliche Vorgabe gerade unterlaufen. Zudem spricht gegen die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegende Auslegung des von Mitgliedern der CDU-Ratsfraktion gestellten Antrags, daß in der entscheidenden Ratssitzung am 18. Mai 1994 ein Antrag auf Absetzung des Tagesordnungspunktes "Antrag auf Abberufung von Frau Beigeordnete xxx" nur seitens der FDP-Fraktion gestellt worden ist, nicht aber auch von Mitgliedern der CDU-Fraktion bzw. von der Fraktion selbst, was aber nahegelegen hätte, wenn eine Abwahl der Antragstellerin in dieser Ratssitzung von CDU-Ratsmitgliedern nicht gewollt gewesen wäre. Auch das Ergebnis der geheimen Abstimmung in der Ratssitzung am 18. Mai 1994 stellt letztlich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Antrages der CDU-Fraktion vom 5. April 1994 in Frage.
34Geht man dementsprechend davon aus, daß sämtliche am 5. April 1994 beim Oberstadtdirektor der Antragsgegnerin eingegangenen genannten Anträge übereinstimmend auf eine Abwahl der Antragstellerin gerichtet waren, so bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß diese Anträge nicht auf einem Schriftstück aufgeführt waren. § 49 Abs. 4 Satz 2 GO NW schreibt lediglich vor, daß der Abberufungsantrag von der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Rates gestellt wird. Daraus läßt sich nicht herleiten, daß ein solcher Antrag - was im übrigen angesichts des vorgeschriebenen Quorums kaum praktikabel wäre - nur zugleich und in einer Antragsschrift eingebracht werden kann. Die Umstände, unter denen die beiden am 5. April 1994 eingegangenen Antragsschreiben miteinander verbunden wurden, sind für die rechtliche Würdigung der Abberufungsentscheidung mithin unerheblich.
35b) Bei der nach dem Dargelegten gebotenen Abwägung der sonstigen für die Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten relevanten Gesichtspunkte überwiegt im Hinblick auf die ausgeführte besondere Stellung kommunaler Wahlbeamter und die die mit ihrer Abberufung verbundenen Auswirkungen nach Ansicht des Senats das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abberufung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin. Insoweit erhebliche Gesichtspunkte sind bereits in der Abberufungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19. Mai 1994 dargelegt worden. Durch die Abberufung eines kommunalen Wahlbeamten wird dokumentiert, daß eine Gemeindevertretung das Vertrauen zu diesem verloren hat, wobei das Vertrauen schon dann gestört ist, wenn die Gemeindevertretung Zweifel daran hegt, daß ein höchstmöglicher Grad einer zielstrebigen, wirkungsvollen Zusammenarbeit im Sinne der von ihr verfolgten Politik gewährleistet ist. Ist durch einen mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Abberufungsbeschluß erkennbar, daß für eine Gemeindevertretung derartige Zweifel bestehen, wird die Durchsetzung der Abberufungsentscheidung regelmäßig keinen Aufschub dulden. Mit der Abberufungsentscheidung lehnt die Gemeindevertretung es nämlich gegenüber der Öffentlichkeit ab, weiterhin die politische Verantwortung für die Amtstätigkeit des betroffenen Beamten zu übernehmen. Zusätzlich wird in einem solchen Fall eine etwaige weitere Amtstätigkeit des Beamten dadurch auf das schwerste belastet, daß zwischen ihm und der Gemeindevertretung, mit der er in ständiger Zusammenarbeit stehen muß, durch die Abberufung eine Konfrontation eingetreten ist, die nicht mehr durch Kompromißbildung aufgelöst werden kann. Unter diesen Umständen ist eine weitere Amtsausübung sowohl für die Kommune als auch für den betroffenen Beamten selbst unvertretbar, weil es ihm in seiner Lage nahezu unmöglich ist, die Interessen der Gemeinde angemessen wahrzunehmen und als deren Vertreter aufzutreten. Deshalb muß dem öffentlichen Interesse an einer möglichst effektiven Erledigung der Verwaltungsgeschäfte und damit der sofortigen Vollziehung der Abberufung der Vorrang gebühren vor dem entgegenstehenden Interesse des Beamten, bis zu einer abschließenden gerichtlichen Überprüfung dieser Maßnahme im Amte zu verbleiben.
36Vgl. OVG NW, Beschl. v. 9. April 1981, a.a.O.
37Private Interessen der Antragstellerin, die einen Vorrang gegenüber dem dargelegten öffentlichen Vollzugsinteresse begründen können, sind nicht ersichtlich. Wirtschaftliche Interessen sind insoweit nicht ausschlaggebend, weil mit der Abberufungsentscheidung zwar finanzielle Einbußen verbunden sind, diese aber nicht annähernd das Ausmaß einer Existenzbedrohung erreichen. Vermeintliche Rehabilitationsinteressen der Antragstellerin sind ebenfalls nicht maßgeblich. Dies ergibt sich schon daraus, daß das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem lediglich eine Interessenabwägung stattzufinden hat, ohnehin nicht geeignet ist, einem etwaigen Ansehensverlust entgegenzuwirken. Eine derartige Wirkung kann allenfalls in einem Hauptverfahren erreicht werden.
38Vgl. OVG NW, Beschl. v. 11. Juli 1984 - 12 B 1446/84 -,
39Hinzu kommt, daß - wie dargelegt - in der Abberufung eines kommunalen Wahlbeamten ohnehin kein negatives Werturteil über den Abgewählten enthalten ist und diese demzufolge grundsätzlich auch keine Diskriminierung beinhaltet.
40Vgl. BVerwG, Urt. v. 15. März 1989, a.a.O.; OVG Frankfurt (Oder), Urt. v. 27. April 1994, a.a.O.
41Auch insoweit kann deshalb dahinstehen, ob die Überprüfung der wechselseitigen Vorhaltungen und Vorwürfe im Hauptsacheverfahren zu einem für die Antragstellerin günstigen Ergebnis führen wird.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b) Satz 2 GKG.
43Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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