Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 E 578/14
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
1
Gründe:
2Die zulässigen Beschwerden sind begründet. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts handelt es sich vorliegend nicht um eine in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallende Rechtsstreitigkeit (1.), vielmehr ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (2.).
31. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für gegeben erachtet.
4Dieser Rechtsweg ergibt sich insbesondere nicht aus der von ihm in Bezug genommenen Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG. Danach unterliegen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Es handelt sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern. Dies gilt selbst dann, wenn mit dem Verwaltungsgericht angenommen wird, dass das klagende Universitätsklinikum ausschließlich Ansprüche der bei ihm tätigen anderen Klinikdirektoren gegenüber dem Beklagten geltend macht. Die Klinikdirektoren sind und waren nicht - jedenfalls nicht sämtlich - Arbeitnehmer des Universitätsklinikums. Auch der Beklagte war in dem in Rede stehenden Zeitraum 2005-2008 durchgängig Beamter, nämlich nach BesGr C4 besoldeter Universitätsprofessor, und somit ebenfalls kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (vgl. § 5 Abs. 2 ArbGG).
5Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss des Bundesgerichtshofs. Dieser hat für die Begründung der Arbeitnehmereigenschaft auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts verwiesen, die angestellte Ärzte betrafen.
6Vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 1998 - III ZB 26/97 -, juris, mit Verweis auf BAG, Urteile vom 27. Juli 1961 - 2 AZR 255/60 -, juris, Rn. 14, und vom 11. Januar 1978 - 5 AZR 797/76 -, juris, Rn. 2.
7Entsprechendes gilt für andere arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu der Thematik.
8Vgl. etwa LAG Hamm, Urteil vom 17. Juli 1997 - 17 Sa 288/97 -; Urteil vom 18. Juni 1998 - 17 Sa 2414/97 -; Urteil vom 4. Juni 2009 - 16 Sa 1557/08 -; ArbG Hamm, Urteil vom 4. September 2012 - 1 Ca 2001/11 -, jeweils juris. Siehe jüngst auch BayVGH, Beschluss vom 7. April 2014 - 7 C 14.408 -, DVBl. 2014, 875, Rn. 12.
92. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben, weil die Klage eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art betrifft (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht aber eine bürgerliche Streitigkeit (§ 13 GVG).
10Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlichrechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient.
11Vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312, juris, Rn. 10 f.
12An dem hier streitigen Rechtsverhältnis mitsamt der daraus abgeleiteten Zahlungsansprüche ist das klagende Universitätsklinikum in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger beteiligt. Es macht nicht etwa, wie das Verwaltungsgericht annimmt, Rechte der bei ihm beschäftigten Ärzte geltend. Dies wird daran deutlich, dass in der Klageschrift auf die Rechtsbeziehung abgestellt wird, die der Beklagte mit der S. -X. U. I. ( ) B. als Trägerin des klagenden Universitätsklinikums eingegangen ist, als er 1997 den Ruf auf eine Professur annahm. Das dadurch begründete Beamtenverhältnis war, soweit es die Ausübung von Nebentätigkeiten und die Befugnis zur Privatliquidation betraf, zum einen durch die damalige Hochschulnebentätigkeitsverordnung (HNtV) des Landes Nordrhein-Westfalen, zum anderen durch die damals gerade in Kraft gesetzten internen Bestimmungen der B. , nämlich die Betriebsordnung für die erweiterte Leitung des Zentrallabors und die sog. Liquidationsvereinbarung, beide in der Fassung vom 26. November 1997, geprägt. Alle diese Bestimmungen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Dies gilt auch für die sog. Liquidationsvereinbarung. Hierbei handelt es sich trotz der Bezeichnung als „Vereinbarung“ nicht um einen privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Universitätsklinikum und den dort tätigen Universitätsprofessoren, sondern um ein einseitig durch das Universitätsklinikum erlassenes Regelwerk. Ein solcher einseitiger Erlass ist nur aufgrund von hoheitlichen Befugnissen möglich.
13Dass der Kläger die geltend gemachten Ansprüche gerade als Hoheitsträger verfolgt, verdeutlicht auch der Umstand, dass er sich dafür nicht nur auf die genannten Bestimmungen, sondern auch auf seine dienstrechtliche Fürsorgepflicht stützt.
14Die öffentlich-rechtliche Prägung der geltend gemachten Rechtsbeziehung wird nicht dadurch beseitigt, dass das klagende Universitätsklinikum - nimmt man seine bisher abgegebenen Erklärungen wörtlich - Ansprüche der bei ihm tätigen Ärzte geltend macht, und zwar die der sog. Altvertragler im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft und diejenigen der sog. Neuvertragler kraft Abtretung. Hierbei handelt es sich um rechtliche Konstruktionen, auf die der Kläger zurückgreifen zu müssen meint, weil die zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften keine Zuordnung der Liquidationserlöse zu dem Vermögen des klagenden Universitätsklinikums vorsehen. Die dafür herangezogenen Rechtsgrundlagen lassen deutlich hervortreten, dass der Kläger ungeachtet der rechtlichen Konstruktion eine originär eigene Rechtsstellung als vermeintlicher Dienstherr verfolgt.
15Ob die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung angesichts der Überleitung des Beklagten in ein Beamtenverhältnis mit der B. durch Bescheid vom 8. Januar 2007 zutrifft, ist als Frage der Aktivlegitimation für die Rechtswegfrage ohne Bedeutung. Unerheblich ist auch, ob die in Bezug genommene Liquidationsvereinbarung wirksam ist - was der Beklagte in Abrede stellt - und die von dem Kläger aufgestellten rechtlichen Konstruktionen tragfähig sind. Auch hierbei handelt es sich um Fragen der Zulässigkeit sowie der Begründetheit, die an dem Rechtsweg nichts ändern. Gleiches gilt für die Frage, ob die eingeklagten Ansprüche, sollten sie bestehen, auf eine Zahlung (Klageantrag zu 1.) oder Abführung (Klageantrag zu 2.) an den Kläger oder unmittelbar an die anderen Klinikdirektoren gerichtet wären.
16Eine Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens - Gerichtskosten fallen nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) nicht an - ist nicht veranlasst. Zwar ist grundsätzlich über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach §§ 154 ff. VwGO zu befinden.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 1 B 1.10 -, BVerwGE 137, 52.
18Das gilt bei erfolgreichem Rechtsmittelverfahren jedoch nur, soweit eine Gegenpartei vorhanden ist, der Kosten auferlegt werden können.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2010 - 1 E 119/10 -, m.w.N.
20Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil sowohl der Kläger als auch der Beklagte mit ihren Beschwerden Erfolg hatten.
21Die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG nicht vorliegen.
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Referenzen
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- 17 Sa 288/97 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 154 ff. VwGO 1x (nicht zugeordnet)
- 17 Sa 2414/97 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 5 Begriff des Arbeitnehmers 1x
- GVG § 13 1x
- III ZB 26/97 1x (nicht zugeordnet)
- GVG § 17a 1x
- 2 AZR 255/60 1x (nicht zugeordnet)
- 16 Sa 1557/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 797/76 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ca 2001/11 1x (nicht zugeordnet)