Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 A 2433/14
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 31. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Ordnungsverfügung der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) vom 26. Oktober 2012 sei rechtmäßig, weil die Klägerin im Sinne des § 15 Abs. 2 Sätze 1 und 2 MPG ihre Pflichten verletzt habe. Die Benannten Stellen im Sinne der §§ 3 Nr. 20, 15 Abs. 1 MPG seien nach Anhang V Abschnitte 3.3 und 6.2 der Richtlinie 93/42/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/47/EG verpflichtet, bei Produkten der Klasse IIa auch die technische Dokumentation zu prüfen und festgestellte Mängel bei der Entscheidung über die Konformitätsbescheinigung zu berücksichtigen. Dies ergebe sich im Wege der Auslegung der Richtlinienbestimmungen. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass insoweit festgestellte Mängel anders zu handhaben seien als Mängel im Qualitätssicherungssystem.
4Die Klägerin hält dem ihre Auslegung von Abschnitt 6.2 Anhang V Richtlinie 93/42/EWG entgegen. Ernstliche Zweifel an der allein maßgeblichen Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben sich daraus nicht. Nach Abschnitt 6.2 Anhang V Richtlinie 93/42/EWG – der gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 MPG i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 3 Nr. 1 MPV hier anwendbar ist – prüft die Benannte Stelle für Produkte der Klasse IIa im Rahmen der Überprüfung gemäß Abschnitt 3.3 die in Anhang VII Abschnitt 3 beschriebenen Unterlagen für zumindest eine repräsentative Probe für jede Unterkategorie von Produkten auf Einhaltung der Anforderungen dieser Richtlinie. Durch diese mit der Richtlinie 2007/47/EG eingeführte Bestimmung wird die stichprobenartige Prüfung der technischen Dokumentation in die Überprüfung des Qualitätssicherungssystems integriert („im Rahmen“). Auch die Bezugnahme auf den gesamten Abschnitt 3.3 erlaubt nur den Schluss, dass das Ergebnis dieser Überprüfung – genauso wie das Ergebnis der Prüfung der Qualitätssicherung – wesentlich für die Konformitätsbescheinigung ist. Denn Abschnitt 3.3 Anhang V Richtlinie 93/42/EWG bestimmt in seinem 3. Unterabsatz, dass die Entscheidung dem Hersteller nach der letzten Besichtigung mitgeteilt wird und die Mitteilung die Ergebnisse der Überprüfung und eine Begründung der Entscheidung enthält. Die von der Klägerin vorgenommene Differenzierung zwischen der bloßen Prüfung und der Entscheidungserheblichkeit ist Abschnitt 6.2 Anhang V der Richtlinie 93/42/EWG danach nicht zu entnehmen.
5Dass der Wortlaut für ihre Auffassung streite, macht die Klägerin auch nicht geltend. Das Antragsvorbringen zur Systematik der Vorschriften überzeugt nicht. Die aus der ursprünglichen Richtlinienfassung stammende Überschrift von Anhang V der Richtlinie 93/42/EWG (Qualitätssicherung Produktion) erlaubt keine Rückschlüsse auf das Verständnis von Abschnitt 6, der erst mit der Richtlinie 2007/47/EG eingefügt worden ist. Die Regelungssystematik mag zwar missglückt sein, Abschnitt 6 insbesondere nicht in Anhang V hineinpassen. Dies ändert aber nichts am Verständnis der im oben ausgeführten Sinne eindeutigen Regelung in Abschnitt 6.2. Die von der Klägerin praktizierte Beschränkung auf eine Prüfung und bloße Feststellung von Mängeln legt die Richtlinie hingegen nicht fest; dies hätte im Übrigen auch Regelungen zu darüber zu erstellende Bescheinigungen, Berichte o.ä. sowie Informationspflichten erfordert. Auch Abschnitt 6.1 Anhang V Richtlinie 93/42/EWG erfordert keine andere Auslegung. Danach erklärt der Hersteller, dass die Produkte der Klasse IIa im Einklang mit der technischen Dokumentation gemäß Anhang VII Abschnitt 3 hergestellt werden und den einschlägigen Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen. Wie die ZLG zutreffend angeführt hat, ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für diese Konformitätserklärung bei Produkten der Klasse IIa die Bescheinigung einer Benannten Stelle.
6Der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/47/EG verdeutlicht entgegen der Auffassung der Klägerin, dass ihre Pflichten dahingehend erweitert worden sind, dass nicht nur die Prüfung ausgeweitet, sondern diese auch für die Konformitätsbescheinigung relevant ist. Darin heißt es unter anderem: „Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Konformitätsbewertung mittels der Module Qualitätssicherung und Prüfung […] müssen die benannten Stellen unbedingt die Auslegungsunterlagen des betreffenden Medizinprodukts überprüfen […]“. Die Prüfung der technischen Dokumentation soll danach zum Bestandteil der Konformitätsbewertung werden und ist als solcher dann auch entscheidungserheblich. Dass es sich um eine zunächst folgenlose bloße Prüfung handeln soll, widerspräche ferner dem auch im Eingangssatz des 22. Erwägungsgrunds angesprochenen Zweck der Konformitätsbewertung, die Sicherheit und Gesundheit der Patienten zu schützen. Der Hinweis auf die Marktüberwachung und die Verpflichtung der Klägerin nach § 18 MPG überzeugen nicht. Erstgenannte findet nach den Angaben der ZLG – ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre – nicht derart turnusmäßig und engmaschig statt, dass etwaige Mängel unmittelbar auffielen, und bezöge sich im Übrigen wohl auch nicht auf die Prüfberichte der Benannten Stellen. Das Vorbringen zu § 18 MPG genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen. Die Unterrichtungspflichten der Klägerin nach § 18 Abs. 3 MPG kommen nach dem angefochtenen Urteil nicht zum Zuge, wenn man mit der Klägerin eine mängelfreie technische Dokumentation gerade nicht als Voraussetzung für die Ausstellung einer Konformitätsbescheinigung erachtet. Mit diesen – im Übrigen zutreffenden – Erwägungen setzt sich die Klägerin in der Antragsbegründung schon nicht auseinander. Das weitere Vorbringen zur historischen Auslegung verhilft dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Auf die vom Verwaltungsgericht ohnehin lediglich ergänzend herangezogenen „Materialien“ kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
7Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Diese ergeben sich weder aus dem europarechtlichen Bezug noch aus dem Fehlen von Rechtsprechung und Literatur zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage oder aus dem Umstand, dass in erster Instanz die Kammer entschieden hat. Besondere rechtliche Schwierigkeiten lägen vor, wenn die Angriffe der Klägerin begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtstreits muss als offen erscheinen. Dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.
8Die Berufung ist ferner nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Klägerin wirft schon keine konkrete, einer Klärung im Berufungsverfahren zugängliche Rechtsfrage auf. Unabhängig davon zeigt sie nicht auf, dass die sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden Fragen Bedeutung über den Einzelfall hinaus haben. Die ZLG hat unwidersprochen vorgetragen, dass mit Ausnahme der Klägerin alle von ihr überwachten deutschen Benannten Stellen die Vorgaben der Richtlinie im hier verstandenen Sinne praktizieren und dass Vertreter der Behörden in anderen EU-Mitgliedstaaten Entsprechendes für ihre Stellen berichtet hätten. Abgesehen davon ergibt sich, wie ausgeführt, ohne Weiteres im Wege der Auslegung aus der Richtlinie, dass nunmehr der Prüfumfang ‑ einschließlich der damit verbundenen Konsequenzen ‑ auf die technische Dokumentation ausgeweitet ist. Vor diesem Hintergrund kommt auch die erwähnte Vorlage an den EuGH nicht in Betracht.
9Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
10Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 124 2x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- MPG § 3 Begriffsbestimmungen 1x
- MPG § 15 Benennung und Überwachung der Stellen, Anerkennung und Beauftragung von Prüflaboratorien 2x
- MPG § 18 Einschränkung, Aussetzung und Zurückziehung von Bescheinigungen, Unterrichtungspflichten 2x
- §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 3 Nr. 1 MPV 2x (nicht zugeordnet)