Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 1170/17
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren jeweils zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert wird unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 30.000,- EUR festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die zulässigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen sind unbegründet.
3Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist aus den vom Antragsgegner und von der Beigeladenen fristgerecht dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) fehlerhaft (dazu I.). Er erweist sich aber aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (dazu II.).
4I. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von sechs Windenergieanlagen vom 30. Dezember 2016 wiederhergestellt, weil aufgrund eines Verstoßes gegen umweltschützende Vorschriften ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Genehmigung bestünden.
5Unabhängig davon, dass sich das Verwaltungsgericht nicht dazu verhalten hat, ob hier - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt - gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG auch eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung besteht, halten seine entscheidungstragenden Erwägungen einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Es kann nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Genehmigung offensichtlich gegen die Ordnungsbehördliche Verordnung zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Märkischer Kreis“ im Regierungsbezirk Arnsberg vom 18. August 2006 (LSG-VO) verstößt (dazu 1.). Ebenso wenig kann derzeit ein Verstoß gegen § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB angenommen werden, weil im Flächennutzungsplan der Stadt Neuenrade nur an anderer Stelle eine Vorrangfläche für Windenergieanlagen dargestellt sei (dazu 2.).
61. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, das Vorhaben verstoße gegen das Verbot der Errichtung baulicher Anlagen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 LSG-VO. Eine Ausnahme oder eine Befreiung komme nicht in Betracht. Der durch die Verordnung vom 11. November 2016 zur Änderung der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Märkischer Kreis“ im Regierungsbezirk Arnsberg neu eingefügte und bei der Genehmigungserteilung angewendete § 5 Abs. 2, der für Windenergieanlagen innerhalb der durch den Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ der Stadt O. neu geschaffenen Konzentrationszone für Windenergie eine Ausnahme von den Verboten des § 3 Abs. 1 LSG-VO regelt, sei offensichtlich unwirksam. Dem ist nicht zu folgen; die Frage bedarf weiterer Prüfung im Hauptsacheverfahren.
7Mit der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 11. November 2016 zur Änderung der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Märkischer Kreis“ im Regierungsbezirk Arnsberg vom 18. August 2006 hat die Bezirksregierung Arnsberg einen § 5 Abs. 2 eingefügt. Danach sind innerhalb der in der Landschaftsschutzkarte dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen von den Verboten des § 3 Abs. 1 LSG-VO von der unteren Landschaftsbehörde Ausnahmen für die Errichtung von Windenergieanlagen sowie der jeweilig erforderlichen Erschließungsanlagen zuzulassen, sofern bei dem entsprechenden Vorhaben vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterlassen werden. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen gegeben sind, um den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen.
8Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist nach derzeitigem Erkenntnisstand die dem Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 2 LSG-VO zugrunde liegende Abwägung nicht offensichtlich fehlerhaft, weil die Bezirksregierung Arnsberg sich in unzulässiger Weise vorzeitig festgelegt habe (dazu a). Ebenso wenig liegt ein offensichtlicher „Etikettenschwindel“ vor, weil nur scheinbar an den Schutzbestimmungen der Verordnung vom 18. August 2006 festgehalten werde, tatsächlich aber der Landschaftsschutz für das Gebiet Kohlberg und darüber hinaus komplett aufgegeben worden sei (dazu b).
9a) Das Verwaltungsgericht stützt sich darauf, dass die Beigeladene seit dem Jahr 2013 mit den zuständigen Behörden in intensivem Kontakt stehe und seither auch auf eine Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt O. hingewirkt habe. Aus dem Protokoll über das Abstimmungsgespräch vom 2. Februar 2016 gehe zwingend hervor, dass spätestens im Frühjahr 2016 das „Ob“ der Errichtung der Windenergieanlagen auf dem L. zugunsten der Beigeladenen entschieden gewesen sei, obwohl die Auswirkungen des Vorhabens auf den Landschaftsschutz erst danach mit den beteiligten Fachdiensten erörtert worden seien. Deshalb sei die dem § 5 Abs. 2 LSG-VO zugrunde liegende Abwägung offensichtlich fehlerhaft.
10Die vom Verwaltungsgericht und dem Antragsteller hierfür herangezogenen und sonstigen aktenkundigen Vorgänge tragen diese Schlussfolgerung jedoch nicht.
11aa) Bei der Festsetzung und Änderung von Landschaftsschutzgebieten hat der Normgeber ein „Normsetzungsermessen”. Dieses ist in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der gegenüberstehenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der von Nutzungsbeschränkungen betroffenen Grundeigentümer auf der anderen Seite geprägt (vgl. § 2 Abs. 3 BNatSchG).
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2007 ‑ 7 B 68.06 -, NVwZ 2007, 589 = juris Rn. 15.
13Nach dieser Vorschrift sind die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwirklichen, soweit es im Einzelfall möglich, erforderlich und unter Abwägung aller sich aus § 1 Abs. 1 BNatSchG ergebenden Anforderungen untereinander und gegen die sonstigen Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft angemessen ist. Als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermächtigt § 22 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG den Verordnungsgeber, Schutzgebiete in Zonen mit einem entsprechend dem jeweiligen Schutzzweck abgestuften Schutz zu gliedern, wobei auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen werden kann.
14Die dem Normgeber bei der Ausübung seines Normsetzungsermessens obliegende „Prüfung“, auch wenn sie als „Abwägung“ bezeichnet wird, ist mit der für fachplanerische Entscheidungen charakteristischen, auf ein bestimmtes Vorhaben bezogenen Abwägung aller in Betracht kommenden Belange nicht identisch. § 26 Abs. 1 BNatSchG knüpft die Festsetzung von Landschaftsschutzgebieten an bestimmte normativ vorgegebene Kriterien und Voraussetzungen, deren Vorliegen die Behörden - und gegebenenfalls auch die Verwaltungsgerichte - zu prüfen haben.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 -, BVerwGE 119, 312 = juris Rn. 13 (zu § 1 Abs. 2 BNatSchG a. F.), und Beschluss vom 16. Juni 1988 - 4 B 102.88 -, juris Rn. 3 (zu § 15 BNatSchG a. F.); Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Band II, Stand: 1. Juli 2018, § 22 BNatSchG Rn. 16 m. w. N.
16Geht es - wie hier - um die teilweise Aufhebung einer Landschaftsschutzverordnung, hat die Naturschutzbehörde dieselben rechtlichen Schranken zu beachten; sie muss prüfen, ob eine - teilweise - Preisgabe der gesetzlichen Schutzgüter mit den Zielen des Bundesnaturschutzgesetzes und der entsprechenden landesrechtlichen Regelung vereinbar und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 1988 - 4 B 102.88 -, juris Rn. 3 (zu § 15 BNatSchG a. F.).
18Ob und inwieweit in Anbetracht dieser Unterschiede zwischen der fachplanerischen und der naturschutzrechtlichen Abwägungsentscheidung das (bau‑)planungsrechtliche Erfordernis der Abwägungsoffenheit, dessen Missachtung Abwägungsdefizite vorprogrammiert,
19vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 ‑ 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287 = juris Rn. 29; Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 12 LC 18/07 -, BRS 71 Nr. 106 (2007) = juris Rn. 68,
20auf die Ausübung des naturschutzrechtlichen Normsetzungsermessens übertragbar ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
21Die Abwägungsoffenheit entfällt jedenfalls nicht schon dadurch, dass der Verordnungsgeber eine bestimmte Regelung ernsthaft in Betracht zieht, d. h. eine konkrete Normsetzungs- oder Normänderungsinitiative unternimmt, ohne sich dabei schon auf das „Ob“ oder das „Wie“ einer bestimmten Regelung endgültig festgelegt zu haben.
22Auch Besprechungen, Abstimmungen oder Ähnliches, mit denen im Vorfeld einer Abwägungsentscheidung bestimmte Regelungsvarianten erörtert werden und die spätere Entscheidung vorbereitet wird, begründen für sich genommen noch keinen Abwägungsfehler.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = juris Rn. 47 (zur Bauleitplanung).
24Dies kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn diese Erörterung erkennbar zu einer verfrühten, im Vorfeld der eigentlichen Abwägung erfolgten Zielfestlegung führt, die nicht durch eine spätere Selbstvergewisserung des Verordnungsgebers über sein Normsetzungsermessen und das Abwägungsgebot sowie durch eine (ergänzende) Abwägung geheilt wird.
25Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 12 LC 18/07 -, BRS 71 Nr. 106 (2007) = juris Rn. 68 (zur Bauleitplanung).
26Da der Verordnungsgeber die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes auch mit anderen Nutzungsinteressen abwägen muss, ist es nicht zu beanstanden, wenn er ein solches Nutzungsinteresse frühzeitig berücksichtigt oder sogar zum Anlass für eine Initiative zur Änderung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung nimmt.
27Vgl. auch OVG Schl.-H., Beschluss vom 26. April 2005 - 1 MB 19/05 -, juris Rn. 25 m. w. N. (zur Bauleitplanung).
28bb) Gemessen daran ist hier nicht die Annahme gerechtfertigt, die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 LSG-VO sei offensichtlich infolge einer unzulässigen Vorfestlegung auf das „Ob“ der Zulassung von Windkraftanlagen abwägungsfehlerhaft.
29In dem vom Verwaltungsgericht maßgeblich herangezogenen „Kurzprotokoll des Abstimmungsgespräches Teil-FNP ‚Windenergie‘“ vom 2. Februar 2016 heißt es unter anderem, der Vertreter des Bezirksregierung Arnsberg habe auf das landschaftsschutzrechtliche Bauverbot verwiesen, das der Planung derzeit entgegenstehe. In diesem Zusammenhang sehe er drei mögliche Szenarien: (1.) das Inaussichtstellen einer Befreiung, (2.) die Entlassung (des Vorhabengebiets) aus der Verordnung oder (3.) die Änderung der Verordnung durch Aufnahme von Ausnahmetatbeständen durch die Bezirksregierung in Bezug auf die Errichtung von Windenergieanlagen. Der Zeitplan bedürfe jedoch der Abstimmung.
30Hierbei handelt es sich um ein „Kurzprotokoll“, das verschiedene Äußerungen des etwa zweistündigen Gesprächs offenbar nur komprimiert wiedergibt. Eine streng am Wortlaut dieses Protokolls orientierte Auslegung, wie sie der Antragsteller unter Hinweis auf die Konjunktion „jedoch“ zur Kennzeichnung einer Gegensätzlichkeit zwischen „bereits entschieden“ (Änderung der Verordnung) und „noch abzustimmen“ (zeitliche Umsetzung) unternimmt, verbietet sich damit von vornherein.
31Selbst wenn - wofür nichts ersichtlich ist - es sich um ein wörtliches Zitat handeln würde, könnte daraus allenfalls dann auf eine unzulässige Vorfestlegung geschlossen werden, wenn die Inhaltswiedergabe eindeutig wäre und nicht durch sonstige Begleitumstände relativiert würde. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Äußerung des Vertreters der Bezirksregierung Arnsberg kann schon nicht der vom Verwaltungsgericht und vom Antragsteller unterlegte Aussagegehalt entnommen werden. Keineswegs ergibt sich daraus zwangsläufig, dass eine Entscheidung zugunsten des „Ob“ der Genehmigung des Vorhabens auf dem L. bereits getroffen worden sei. Im Gegenteil verwies der Vertreter der Bezirksregierung Arnsberg zunächst auch auf die bestehende Bauverbotsregelung des § 3 Abs. 1 LSG-VO und zeigte in diesem Zusammenhang auf, auf welchen Wegen gleichwohl eine naturschutzrechtskonforme Anlagengenehmigung erreicht werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass er unzweideutig angekündigt hat, der Verordnungsgeber werde seinen naturschutzrechtlichen Handlungsspielraum in jedem Fall in eine bestimmte Richtung ausüben. Einem solchen Verständnis steht zudem die Aufzählung der erstgenannten Variante (Inaussichtstellen einer Befreiung durch die Untere Naturschutzbehörde) entgegen, die weder auf eine Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung abzielt noch überhaupt in der Zuständigkeit der Bezirksregierung als höherer Landschaftsbehörde liegt (vgl. §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1a, 42a Abs. 1 Satz 1 LG NRW a. F.). Außerdem ist die vom Verwaltungsgericht herangezogene Äußerung im Zusammenhang mit der erörterten Änderung des Flächennutzungsplans mit dem Ziel der Verlegung der Vorrangfläche für Windenergieanlagen zu sehen. Es liegt nahe, rechtfertigt aber jedenfalls noch nicht den Schluss auf eine unzulässige Vorfestlegung, dass vor diesem Hintergrund insbesondere konstruktive, die Flächennutzungsplanung und den Landschaftsschutz abstimmende Optionen erörtert und im Kurzprotokoll festgehalten wurden.
32Dass dabei im Zeitpunkt des Gesprächs am 2. Februar 2016 das „Ob“ der Änderung des Flächennutzungsplans und damit korrespondierend der Landschaftsschutzgebietsverordnung noch keineswegs feststand, ergibt sich auch daraus, dass ausweislich des Kurzprotokolls zum damaligen Zeitpunkt ausdrücklich noch keine abschließende Feststellung darüber getroffen wurde, ob die Errichtung und der Betrieb von Windkraftanlagen im fraglichen Gebiet mit dem Artenschutz vereinbar sind, und eine weitere Prüfung für erforderlich gehalten wurde.
33Aus dem vom Antragsteller zitierten Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg an den Bürgermeister der Stadt O. vom 10. Mai 2016 ergibt sich nichts anderes. Darin heißt es, im Rahmen des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 5 LPlG NRW habe der Verordnungsgeber mit Stellungnahme vom 25. April 2016 signalisiert, dass in einem noch einzuleitenden Änderungsverfahren ein Ausnahmetatbestand in die bestehende Landschaftsschutzgebietsverordnung zugunsten der Errichtung von Windenergieanlagen und der dazugehörigen Erschließung aufgenommen werden soll. Das Verfahren solle zeitlich parallel mit dem Flächennutzungsplanverfahren geführt werden. Dies bringt in erster Linie zum Ausdruck, dass hier entsprechend dem Windenergieerlass a. F. - für sich genommen nicht zu beanstandende - parallele Änderungen der Landschaftsschutzverordnung und des Flächennutzungsplans betrieben werden.
34Vgl. Nr. 8.2.2.5 des Erlasses für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung vom 4. November 2015 (Windenergieerlass a. F.).
35Jedenfalls aber ist diese Äußerung keine hinreichend belastbare Grundlage für die Annahme, die Bezirksregierung habe sich unzweifelhaft schon unverrückbar auf das Einfügen eines Ausnahmetatbestands zugunsten von Windenergieanlagen in die Landschaftsschutzgebietsverordnung festgelegt.
36Dasselbe gilt für die E-Mail der Kreisdirektorin E. -L1. des Märkischen Kreises vom 25. Oktober 2016. Darin heißt es, auf Nachfrage nach dem Stand des Verfahrens zur Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung habe die Bezirksregierung erklärt, dass derzeit noch die eingegangenen Stellungnahmen geprüft würden. Das verwundere sie (Frau E. -L1. ), weil doch offensichtlich eine entsprechende Änderung der Verordnung im Rahmen der O1. Änderung des Flächennutzungsplans in Aussicht gestellt worden sei - also vor Ablauf der Prüfung der eingegangenen Stellungnahmen. Abgesehen davon, dass es hierbei um die Interpretation der Regelungsabsicht einer anderen Behörde geht, belegt diese E-Mail auch sonst keine Vorfestlegung der Bezirksregierung. Im Gegenteil geht aus ihr gerade hervor, dass diese die eingegangenen Stellungnahmen prüfe, sie also offenbar in ihren Entscheidungsprozess einbeziehen werde.
37Schließlich gibt auch die vom Antragsteller angeführte Aussage in der als „unverbindliche Einschätzung“ bezeichneten Stellungnahme der Frau E1. vom 6. Oktober 2017 nichts für eine Vorfestlegung her. Zwar heißt es darin auch, „dass schon im Sommer 2015 bei der BR eine Auseinandersetzung mit den Planungsunterlagen stattgefunden hat und auf der Grundlage der dortigen Daten und Informationen eine sachgerechte Abwägungsentscheidung zu Gunsten der Änderungsverordnung getroffen wurde.“ Diese Aussage steht aber im Gesamtzusammenhang mit der weiteren Schilderung der Frau E1. . Danach sei die Bezirksregierung im Zeitpunkt der Besprechung vom 2. Februar 2016 bereits in den Prozess zur Änderung des Flächennutzungsplans eingebunden gewesen. Diese habe Prüfungen zum Artenschutz und zum Landschaftsbild durchgeführt, wobei ausweislich des Kurzprotokolls weitere artenschutzrechtliche Prüfungen noch erfolgen sollten. Die Bezirksregierung habe mithin weder eine Vorfestlegung getroffen noch ohne jede abwägende Vorüberlegung die Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung ins Gespräch gebracht.
38Auch in einer Gesamtschau verdichten sich die einzelnen Äußerungen nicht zu einer tragfähigen Grundlage für die Annahme einer offensichtlichen Vorfestlegung der Bezirksregierung.
39b) Das Verwaltungsgericht meint weiter, die Verordnung zur Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung sei auch deshalb unwirksam, weil ein sog. „Etikettenschwindel“ vorliege. Die Bezirksregierung halte nur scheinbar am Landschaftsschutz fest, bewirke aber tatsächlich dessen komplette Aufhebung. Auch dieser Erwägung ist nicht zu folgen.
40Ein „Etikettenschwindel“ ist nur anzunehmen, wenn ein bestimmtes Vorhaben oder Regelungsziel nicht ernsthaft beabsichtigt, sondern nur vorgeschoben ist, um die tatsächlich angestrebte Realisierung eines anderen, an sich möglicherweise nicht zulässigen Vorhabens oder Regelungsziels zu ermöglichen.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 -, BVerwGE 149, 373 = juris Rn. 20, und vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287 = juris Rn. 44; OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2007 - 10 A 4372/05 -, NWVBl. 2008, 181 = juris Rn. 10; Nds. OVG, Urteil vom 20. Februar 2014 - 1 KN 75/11 -, AUR 2014, 155 = juris Rn. 22 (jeweils zum Baurecht).
42Dies ist hier nicht der Fall.
43Die Auffassung des Verwaltungsgerichts beruht im Kern wohl auf der Annahme, die Errichtung von Windenergieanlagen sei mit den Schutzzwecken einer Landschaftsschutzgebietsverordnung schlechthin unvereinbar.
44Vgl. zu Windenergieanlagen im Landschaftsschutzgebiet auch Bay. VGH, Urteil vom 27. Oktober 2017 ‑ 14 N 16.768 -, NuR 2018, 416 = juris Rn. 32; Sächs. OVG, Urteil vom 30. August 2016 - 4 C 7/15 ‑, juris Rn. 27.
45Seine daraus unter dem Begriff des „Etikettenschwindels“ der Sache nach gezogene Schlussfolgerung, die hier durch § 5 Abs. 2 LSG-VO angeordnete Erteilung von Ausnahmen für Windenergieanlagen führe zwangsläufig zu einer unauflösbaren Kollision mit den Schutzzwecken der Landschaftsschutzgebietsverordnung, insbesondere der Schönheit des Landschaftsbildes, und ziehe deshalb die Unwirksamkeit der nachträglich eingefügten Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 LSG-VO nach sich, trifft aber in dieser Allgemeinheit nicht zu.
46aa) Ist die zuständige Behörde um des Schutzes bestimmter Teile von Natur und Landschaft willen grundsätzlich nicht gezwungen, ein Schutzgebiet auszuweisen, darf sie eine von ihr vorgenommene Schutzgebietsfestsetzung nachträglich aufheben oder beschränken, sofern sachliche Gründe dies rechtfertigen.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom Beschluss vom 21. Juli 1997 - 4 BN 10.97 -, NVwZ-RR 1998, 98 = juris Rn. 6; Bay. VerfGH, Entscheidung vom 27. September 2013 - Vf. 15-VII-12 -, NVwZ-RR 2014, 7 = juris Rn. 85.
48Dabei muss sich die Aufhebung oder Beschränkung des Landschaftsschutzes an den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gemäß § 1 BNatSchG ausrichten und erforderlich sein. Eine Verkleinerung von Schutzgebieten oder sonstige Einschränkungen des Schutzstandards dürfen nicht dazu führen, dass der mit der Unterschutzstellung verfolgte Zweck nicht mehr gewahrt wäre.
49Vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung vom 27. September 2013 - Vf. 15-VII-12 -, NVwZ-RR 2014, 7 = juris Rn. 78, 85 f.
50Da rechtsverbindliche Ausweisungen von Landschaftsschutzgebieten im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung zu beachten sind (vgl. die §§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe g), 5 Abs. 2 Nr. 10, 6 Abs. 2, 10 Abs. 2 Satz 2 BauGB), kann eine Gemeinde keine Flächennutzungs- oder Bebauungspläne erlassen, die mit den naturschutzrechtlichen Vorgaben unvereinbar sind. Um den Gemeinden auch in Landschaftsschutzgebieten die Steuerungsmöglichkeit der §§ 5 Abs. 2b, 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bei der Errichtung von Windkraftanlagen zu eröffnen, kann die Schutzgebietsverordnung in engen Grenzen teilweise oder vollständig aufgehoben werden. Daneben erlaubt § 22 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG als weniger einschneidende Regelung die Zonierung, wonach bestimmte Zonen innerhalb des jeweiligen Landschaftsschutzgebiets für die Windenergienutzung freigegeben werden können, es aber im Übrigen beim bisherigen Schutz bleibt.
51Vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung vom 27. September 2013 - Vf. 15-VII-12 -, NVwZ-RR 2014, 7 = juris Rn. 81 m. w. N.
52Voraussetzung ist, dass ein abgestufter Schutz in Abhängigkeit von dem jeweiligen Schutzzweck rechtlich zulässig ist. Insoweit sind die einzelnen Schutzzwecke eines Landschaftsschutzgebiets in den Blick zu nehmen. Je schützenswerter bestimmte Naturgüter sind und je stärker Vorhaben diese Schutzgüter tangieren würden, desto eher scheidet eine Herabstufung des Schutzes aus. So kann insbesondere die Schönheit der Landschaft einem herabgesetzten Schutz zu Gunsten von Windenergieanlagen entgegenstehen.
53bb) Gemessen daran ergibt sich ein „Etikettenschwindel“ bei der Einfügung der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 2 LSG-VO hier nicht bereits daraus, dass der Verordnungsgeber im Bereich der Konzentrationszone für Windenergieanlagen für diese Anlagen und die jeweils erforderlichen Erschließungsanlagen unter der Voraussetzung des Unterlassens vermeidbarer Beeinträchtigungen von Natur- und Landschaft die Zulassung von Ausnahmen zwingend angeordnet hat.
54Eine vollständige Verfehlung des mit der Unterschutzstellung verfolgten Zwecks ist hier nicht ersichtlich. Der Verordnungsgeber dürfte hier eine Zonierung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG vorgenommen haben.
55Vgl. Nr. 8.2.2.5 des Windenergieerlasses a. F.
56Dabei hat er nicht den Umfang des Schutzgebiets verändert, sondern lediglich einen bestimmten Bereich abgegrenzt, in dem der Landschaftsschutz ausnahmsweise hinter der Nutzung des Gebiets durch Windenergieanlagen zurücktreten soll. Es ist schon nicht davon auszugehen, dass in diesem Bereich sämtliche in § 2 LSG-VO aufgezählten Schutzzwecke verfehlt werden. Jedenfalls liegt dies in Bezug auf das gesamte Schutzgebiet fern, zumal die Konzentrationszone für Windenergie lediglich etwa 84,34 ha des insgesamt ca. 31.162 ha großen Landschaftsschutzgebiets „Märkischer Kreis“ in Anspruch nimmt.
57Vgl. zu Einschränkungen des Schutzstandards von Landschaftsschutzgebieten auch Bay. VerfGH, Entscheidung vom 27. September 2013 - Vf. 15-VII-12 -, NVwZ-RR 2014, 7 = juris Rn. 86.
58c) Ob der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 2 LSG-VO ein Abwägungsfehler zugrunde liegt, weil der Verordnungsgeber den Belangen des Landschaftsschutzes einschließlich der Erholungsfunktion ein zu geringes Gewicht beigemessen oder sie aus anderem Grund unzureichend gegen das Interesse an der Nutzung der Windenergie abgewogen hat, hat das Verwaltungsgericht ausgehend von den vorstehenden Maßstäben nicht hinreichend geprüft.
59Diese Prüfung wird nicht geleistet durch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der L. sei nach sämtlichen Erkenntnissen im Hinblick auf die von § 35 BauGB geschützten öffentlichen Belange in hervorragendem Maße schutzbedürftig und schutzwürdig, er sei der Errichtung von Windenergieanlagen der hier geplanten Art schlechterdings verschlossen, die entgegenstehenden Belange könnten nicht „weggewogen“ werden. Die dieser Annahme zugrunde liegenden Erwägungen sind unzureichend. Das Verwaltungsgericht setzt sich nicht ausreichend mit den Erkenntnissen und Erwägungen auseinander, die den fachbehördlichen Wertungen zugrunde liegen. Es hat lediglich vereinzelte Stellungnahmen herangezogen und auf Wertungen aus seinem Beschluss vom 12. August 2012 (8 L 668/15) abgestellt, die sich allerdings auf das Wittgensteiner Land und damit ein anderes Gebiet bezogen.
60Ob die Beeinträchtigung der in ihrer Wertigkeit umstrittenen Landschaft einschließlich ihres Erholungswerts durch die Errichtung der geplanten Windenergieanlagen in § 5 Abs. 2 LSG-VO fehlerfrei abgewogen worden ist, wird im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein.
612. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann derzeit auch kein Verstoß gegen § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB angenommen werden, weil im Flächennutzungsplan der Stadt O. nur an anderer Stelle eine Vorrangfläche für Windenergieanlagen dargestellt sei.
62Es meint, infolge der von ihm angenommenen Unwirksamkeit des § 5 Abs. 2 LSG-VO sei auch die Änderung des Flächennutzungsplans durch den Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ der Stadt O. , in dessen neuer Vorrangzone für Windenergieanlagen die hier genehmigten Anlagen errichtet werden sollen, unwirksam, so dass es bei der ursprünglichen Ausweisung der Vorrangzone an anderer Stelle bleibe. Diese Erwägung ist aus den vorstehend unter 1. ausgeführten Gründen nicht tragfähig.
63Des Weiteren sieht das Verwaltungsgericht einen Abwägungsfehler des Teilflächennutzungsplans „Windenergie“ darin, dass sich der Rat der Stadt O. bei seiner Entscheidung „mit Sicherheit“ von der Vorstellung habe leiten lassen, aufgrund der Änderung des Landschaftsschutzrechts sei das Vorhaben der Beigeladenen ohne Weiteres zulässig, so dass diesem Sachverhalt mit einer Änderung des Flächennutzungsplans Rechnung getragen werde. Diese Erwägung ist Spekulation. Sie unterstellt ein Abwägungsdefizit, das weder vom Verwaltungsgericht weiter begründet wird noch in den vorliegenden Behördenakten eine Stütze findet.
64Dasselbe gilt für die weitere, nicht entscheidungstragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, die Änderung des Flächennutzungsplans sei ausschließlich im Interesse der Beigeladenen erfolgt. Ohnehin ist es nicht von vornherein sachwidrig, im Rahmen der Bauleitplanung auf bekannte Interessen eines Vorhabenträgers Rücksicht zu nehmen, solange dadurch die Abwägungsoffenheit nicht verloren geht.
65Vgl. OVG Schl.-H., Beschluss vom 26. April 2005 ‑ 1 MB 19/05 -, juris Rn. 25 (zur Bauleitplanung).
66Ob der Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ tatsächlich an einem Abwägungsfehler leidet, bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
67II. Der angegriffene Beschluss erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, was der Senat insoweit von Amts wegen prüft.
68Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 8 B 1060/17 -, juris Rn. 2; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 146 Rn. 43 m. w. N.
69Die angefochtene Genehmigung leidet an einem absoluten Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) UmwRG, auf den sich der Antragsteller gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG berufen kann. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG steht eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG in der hier nach § 74 Abs. 1 UVPG n. F. anwendbaren Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94; UVPG a. F.) genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) UmwRG gleich.
70Es kann offen bleiben, ob die UVP-Vorprüfung hier im richtigen Zeitpunkt durchgeführt wurde (vgl. § 3a Satz 1 UVPG a. F.). Jedenfalls ist das Ergebnis dieser während des Gerichtsverfahrens immer wieder thematisierten Prüfung nicht gemäß § 3a Satz 4 UVPG a. F. nachvollziehbar (dazu 1.). Dabei kann hier auf sich beruhen, welche Bedeutung dem Vermerk der Unteren Landschaftsbehörde des Antragsgegners vom 22. September 2016 zukommt, wonach in einer gemeinsamen Antragskonferenz vom 14. September 2016 festgelegt worden sei, dass für die geplanten Windenergieanlagen eine UVP durchzuführen sei. Die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Vorprüfungsergebnisses ergibt sich hier in Bezug auf das Schutzgut „Landschaft“ bzw. das Qualitätskriterium „Landschaftsschutzgebiete“ (dazu 2.). Ob die UVP-Vorprüfung auch aus anderen Gründen gemäß § 3a Satz 4 UVPG a. F. zu beanstanden wäre, bedarf keiner Prüfung.
711. Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung der UVP-Pflichtigkeit unterliegt gemäß § 3a Satz 4 UVPG a. F. nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Einschätzung, eine UVP solle unterbleiben, ist im gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG a. F. durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben, und das Ergebnis darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Diese Beschränkung verdeutlicht, dass der zuständigen Behörde für ihre prognostische Beurteilung ein Einschätzungsspielraum zusteht. Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist.
72Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 -, BVerwGE 151, 138 = juris Rn. 30, und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353 = juris Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 ‑ 8 A 870/15 -, juris Rn. 107.
73Die Behörde darf einerseits nicht bereits im Rahmen der Vorprüfung mit einer der UVP vergleichbaren Prüftiefe „durchermitteln“ und damit die eigentliche UVP unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen. Sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, BVerwGE 150, 92 = juris Rn. 18 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 - 8 A 870/15 -, juris Rn. 103 m. w. N.
75Bei der Prüfung der Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses der UVP-Vorprüfung kommt der von § 3c Satz 6 UVPG a. F. angeordneten Dokumentation der Durchführung und des Ergebnisses der Vorprüfung eine maßgebliche Bedeutung zu. Sie ist das zentrale Erkenntnismittel dafür, ob die Behörde von dem ihr im Rahmen der Vorprüfung zustehenden Einschätzungsspielraum fehlerfrei Gebrauch gemacht hat.
76Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 8 D 21/07.AK -, juris Rn. 86.
77Die Dokumentationspflicht nach § 3c Satz 6 UVPG a. F. soll den vom Gerichtshof der Europäischen Union gestellten Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Entscheidung, dass ein Projekt keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen zu werden braucht, Rechnung tragen. Danach muss die Entscheidung alle Angaben enthalten oder als Anlage umfassen, die erforderlich sind, um kontrollieren zu können, dass sie auf eine angemessene, den Anforderungen der UVP-Richtlinie entsprechende Vorprüfung gestützt ist. Dem wird entsprochen, wenn die der Vorprüfung zugrunde gelegten Unterlagen, die wesentlichen Prüfschritte und die dabei gewonnenen Erkenntnisse über nachteilige Umweltauswirkungen zumindest grob skizziert in der Zulassungsentscheidung oder in einem zu den Verwaltungsakten genommenen Dokument niedergelegt sind.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 7 B 1.17 -, juris Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20. Juli 2018 - 10 S 2378/17 -, juris Rn. 16.
792. Gemessen daran ist die UVP-Vorprüfung hinsichtlich des Qualitätskriteriums „Landschaft“ (Nr. 2.2 der Anlage 2 zum UVPG a. F.) bzw. der Schutzkriterien nach Nr. 2.3.4 der Anlage 2 zum UVPG a. F. (Landschaftsschutzgebiete gemäß § 26 BNatSchG) nicht nachvollziehbar.
80Ausweislich der unter dem 22. Dezember 2016 erstellten Dokumentation führte der Antragsgegner die Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der von ecoda Umweltgutachten erstellten „Studie zur Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls“ vom 29. April 2016 durch. Diese Studie war keine ausreichende Grundlage für die Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hinsichtlich der Landschaft bzw. der Schutzkriterien nach Nr. 2.3.4 der Anlage 2 zum UVPG a. F. haben kann (dazu a). Unabhängig davon ist auch die unter dem 22. Dezember 2016 vorgenommene Vorprüfung für sich genommen unschlüssig (dazu b).
81a) Die „Studie zur Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls“ vom 29. April 2016, wonach keine begründeten Hinweise darauf bestünden, dass durch das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen ausgelöst werden könnten, ist keine ausreichende Erkenntnisgrundlage.
82Dabei kann hier dahinstehen, ob - was der Antragsteller bezweifelt - die Annahme tragfähig ist, der betroffenen Landschaft komme im Wesentlichen lediglich eine mittlere Qualität bzw. Wertigkeit zu. Ebenso kann hier offen bleiben, ob bei Eingriffen von Windenergieanlagen in das Landschaftsbild ein modifizierter Maßstab für das Bestehen einer UVP-Pflicht anzulegen ist. Insoweit ist fraglich, ob die mit der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen nahezu zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds, die typischerweise durch Ersatzgeldzahlungen ausgeglichen werden, stets als erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3c Satz 3 UVPG a. F. (heute: § 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG) zu qualifizieren sind.
83Verneinend: Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. August 2015 - 22 ZB 15.458 -, juris Rn. 36 und - 22 ZB 15.457 -, juris Rn. 28; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6. Juli 2015 - 8 S 534/15 -, juris Rn. 94 ff.
84Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil im vorliegenden Fall nicht nur die typischen nachteiligen Einwirkungen auf das Landschaftsbild vorliegen, sondern die geplanten Windenergieanlagen auf eine wegen ihrer Schönheit unter besonderen Schutz gestellte Landschaft einwirken.
85Die Studie ist jedenfalls deshalb defizitär, weil sie hinsichtlich der Belastbarkeit der Schutzkriterien im Sinne von Nr. 2.3 des Anhangs 2 zum UVPG a. F. den Untersuchungsraum auf 1.000 m um die Standorte der geplanten Windenergieanlagen herum festlegt und das in diesem Raum befindliche Landschaftsschutzgebiet „Balve, Mittleres Hönnetal“, das sich etwa 150 m nordöstlich der geplanten WEA 3 anschließt, nicht hinreichend würdigt. Sie beschränkt sich auf die Feststellung, eine Beeinträchtigung dieses Gebiets sei aufgrund der gegebenen Abstände auszuschließen. Dies ist unzureichend. Wird hinsichtlich betroffener Landschaftsschutzgebiete ein Untersuchungsraum von 1.000 m im Umkreis der Anlagen für erforderlich gehalten und befindet sich innerhalb dieses Bereichs ein solches Gebiet, kann dessen erhebliche Beeinträchtigung nicht schon mit dem stichwortartigen Hinweis auf die „gegebenen Abstände“ verneint werden. Auch der Umstand, dass bei der Prüfung der Qualitätskriterien die Landschaft in einem Umkreis von 3.103,95 m und damit faktisch auch ein Teil der Fläche des Landschaftsschutzgebiets „Balve Mittleres Hönnetal“ in den Blick genommen und bewertet wurde, ersetzt nicht die zielgerichtete Auseinandersetzung mit dem nicht notwendigerweise deckungsgleichen Schutzkriterium „Landschaftsschutzgebiet“.
86Dieses Defizit wirkt sich auf die eigentliche Vorprüfung vom 22. Dezember 2016 aus. Darin wurde das Landschaftsschutzgebiet „Balve, Mittleres Hönnetal“ - wohl gestützt auf die Einschätzung der Studie vom 26. April 2016 - überhaupt nicht in den Blick genommen.
87b) Unabhängig davon ist die UVP-Vorprüfung vom 22. Dezember 2016 hinsichtlich der Bewertung der Beeinträchtigungen des Landschaftscharakters und der Erholungsfunktion auch aus einem anderen Grund unschlüssig. Die Erwägungen, weshalb der Antragsgegner trotz seiner eigenen Einschätzung der Qualität der Landschaft und der Erholungsfunktion sowie der Intensität der Beeinträchtigung durch das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen annimmt (dazu aa), tragen das Ergebnis der Vorprüfung nicht (dazu bb).
88aa) Anders als die zugrunde gelegte Studie vom 26. April 2016 stellt der Antragsgegner bei seiner UVP-Vorprüfung vom 22. Dezember 2016 nicht darauf ab, dass das Potential für das Landschafts- und Naturerleben in dem von den Anlagen betroffenen Raum in großen Teilen lediglich als mittel bewertet werde und in Anbetracht der vorhandenen Überformung der Landschaft und des bereits herabgesetzten ästhetischen Eigenwerts die geplanten Anlagen zwar den Landschaftseindruck veränderten, deren Wert aber nicht übermäßig schmälerten. Stattdessen geht er von „als hoch“ zu bewertenden Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes aus, misst den betroffenen Flächen als Erholungsbereich „eine hohe Qualität“ zu, charakterisiert die Gesamtheit der Landschaft als „schön“ und attestiert, dass sich die „deutlichsten Beeinträchtigungen“ für den Landschaftscharakter ergäben.
89Zur Begründung, weshalb in Anbetracht dessen keine die UVP-Pflicht auslösenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien, macht der Antragsgegner zwar auch die Unmaßgeblichkeit individueller Wahrnehmungen der Anwohner und der Erholungssuchenden geltend und weist - auch - auf die im geänderten Flächennutzungsplan der Stadt O. dargestellte Konzentrationszone hin, für die eine strategische Umweltprüfung positiv durchgeführt worden sei. Als zentrales Argument dafür, dass keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien, beruft sich der Antragsgegner aber durchgängig darauf, dass die geänderte Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet (gemeint ist offenbar das Landschaftsschutzgebiet „Märkischer Kreis“) Ausnahmen für Windenergieanlagen zulasse. Dies ist nicht lediglich eine von mehreren selbstständig tragenden Erwägungen oder eine bloße Hilfserwägung, sondern das durchweg tragend herangezogene Kernargument seiner Einschätzung. Dies zeigt sich besonders deutlich an der zusammenfassenden Ergebnisdarstellung. Darin wird zwar auch auf die strategische Umweltprüfung im Rahmen der Änderung des Flächennutzungsplans abgestellt. Im Anschluss daran heißt es aber, dass sich die deutlichsten Beeinträchtigungen bezüglich des Landschaftscharakters der betroffenen Flächen ergäben. Hier sei allerdings zwingend zu berücksichtigen, dass in der zugehörigen Landschaftsschutzgebietsverordnung der Windenergie ein Sonderstatus durch die Bezirksregierung eingeräumt worden sei, indem für diese Anlagen grundsätzlich eine Ausnahme von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung erteilt werden soll.
90bb) Diese Erwägung trägt das Ergebnis der Vorprüfung nicht. Der Verweis auf den Ausnahmetatbestand in der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Märkischer Kreis“ greift zu kurz.
91Es ist der Behörde zwar nicht schlechthin verwehrt, bei ihrer Einschätzung, ob erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind, darauf abzustellen, dass der Verordnungsgeber in einem Landschaftsschutzgebiet Ausnahmen von den dort geltenden Verboten zugelassen hat, und sich die darin zum Ausdruck kommende Wertung und Abwägung des Verordnungsgebers zu eigen zu machen. Beschränkt sich die Behörde aber - wie dies der Antragsgegner hier getan hat - bei ihrer Prüfung im Wesentlichen auf die Bezugnahme auf einen solchen Ausnahmetatbestand, muss mindestens gewährleistet sein, dass die dieser Ausnahme zugrunde liegende Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers Aussagekraft für das gesamte bei der Vorprüfung in den Blick zu nehmende Untersuchungsgebiet hat.
92Dies ist hier nicht der Fall. Der im Rahmen der Vorprüfung in den Blick genommene Untersuchungsraum (Umkreis von 1.000 m bzw. 3.103,95 m um die Standorte der Windenergieanlagen) und die räumliche Reichweite der dem Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 2 LSG-VO zugrunde liegenden Abwägungsentscheidung (Bereich dieser Landschaftsschutzgebietsverordnung) sind nicht deckungsgleich:
93Ausweislich der Bezugnahme auf die „Studie zur Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls“ vom 29. April 2016, von der sich der Antragsgegner insoweit nicht erkennbar distanziert hat, wurde für die Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die naturgebundene Erholung ein Untersuchungsraum in der Größe der 15-fachen Gesamt-Anlagenhöhe, also von 3.103,95 m, um die Standorte der geplanten Windenergieanlagen, berücksichtigt. Hinsichtlich der Belastbarkeit der Schutzgüter, zu denen Landschaftsschutzgebiete zählen, betrug der Untersuchungsraum 1.000 m um die Standorte der geplanten Windenergieanlagen.
94Die Entscheidung des Verordnungsgebers, den Schutzstandard in einem Landschaftsschutzgebiet zu reduzieren, muss - wie bereits ausgeführt wurde - auf einer Abwägung zwischen den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes mit anderen Nutzungsinteressen beruhen. Schafft er - wie hier - in einem abgegrenzten Bereich für bestimmte Vorhaben Ausnahmen von den Verboten der Landschaftsschutzverordnung, liegt darin regelmäßig nur die Entscheidung, die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes innerhalb des Geltungsbereichs der jeweiligen Landschaftsschutzgebietsverordnung insoweit hinter dem konkurrierenden Nutzungsinteresse zurücktreten zu lassen. Eine automatische Abwägungsentscheidung für außerhalb des Geltungsbereichs der Landschaftsschutzgebietsverordnung liegende Flächen, insbesondere für benachbarte Landschaftsschutzgebiete geht damit nicht einher.
95Jedenfalls für das im Untersuchungsraum gelegene Landschaftsschutzgebiet „Balve, Mittleres Hönnetal“, das sich in etwa 150 m Entfernung zur geplanten WEA 3 nordöstlich an das Landschaftsschutzgebiet „Märkischer Kreis“ anschließt, ist deshalb die Bezugnahme auf den für das Landschaftsschutzgebiet „Märkischer Kreis“ geschaffenen Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 2 LSG-VO unzureichend, um erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hinsichtlich des Qualitätskriteriums „Landschaft“ bzw. der Schutzkriterien nach Nr. 2.3.4 der Anlage 2 zum UVPG a. F. zu verneinen.
96Gerade weil im Untersuchungsraum ein (weiteres) Landschaftsschutzgebiet liegt und die geplanten Windenergieanlagen im südwestlichen Bereich dieses Landschaftsschutzgebietes auf den unbewaldeten Flächen um die Ortschaft M.---ringhausen überwiegend sichtbar sein werden (vgl. die Karte der Sichtbarkeit des Vorhabens im Untersuchungsraum mit einem Umkreis von 3,1035 km der CUBE Engineering GmbH vom 11. Oktober 2017, Anlage Bf 4 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 16. Oktober 2017), sich also auch auf dieses Landschaftsbild auswirken, ist das Erfordernis einer UVP hier auch nicht offensichtlich ausgeschlossen.
97Es kann deshalb offen bleiben, ob sich der Antragsgegner bei seiner UVP-Vorprüfung mit Blick auf seine unter a) wiedergegebene Beschreibung der Qualität und Wertigkeit der Landschaft, die sich nicht mit der Einschätzung der „Studie zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls“ deckt, die hinter § 5 Abs. 2 LSG-VO stehende Abwägungsentscheidung der Bezirksregierung überhaupt vollständig zu eigen gemacht hat.
98Die Kostentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
99Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2013 und setzt bis zum Erreichen einer Obergrenze von 60.000,- EUR im Klageverfahren und 30.000,- EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für jede streitgegenständliche Windenergieanlage einen Streitwert in Höhe von 15.000,- EUR im Klageverfahren und in Höhe von 7.500,- EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes fest. Der abweichende Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts wurde gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen geändert.
100Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 3 GKG).
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