Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3d A 1/19.O
Tenor
Die Berufung wird auf Kosten der Beamtin verworfen.
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G r ü n d e :
2I.
3Die Disziplinarkammer hat der Ruhestandsbeamtin durch Urteil vom 12. November 2018, auf das wegen der Einzelheiten, insbesondere auch des durch Einleitungsverfügung vom 8. Oktober 2003 gegen die Ruhestandsbeamtin eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahrens, verwiesen wird, wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst das Ruhegehalt aberkannt. Das Urteil ist den Verteidigern der Ruhestandsbeamtin, die sich mit Schriftsatz vom 3. August 2018 unter Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht für die Ruhestandsbeamtin bestellt hatten, am 4. Dezember 2018 zugestellt worden. Mit Telefax vom 4. Januar 2019 haben die Verteidiger der Ruhestandsbeamtin am selben Tag Berufung gegen das Urteil der Disziplinarkammer eingelegt und beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. März 2019 zu verlängern.
4Mit Eingangsmitteilung vom 9. Januar 2019, erläutert durch Berichterstatterschreiben vom 16. Januar 2019, sind die Verteidiger der Ruhestandsbeamtin darauf hingewiesen worden, dass eine Verlängerung der einmonatigen Berufungsfrist, innerhalb derer auch die Berufungsbegründung vorzulegen ist (§§ 79 und 81 DO NW), nicht möglich ist. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2019 haben die Verteidiger "äußerst hilfsweise") beantragt, der Ruhestandsbeamtin Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
5II.
6Die Berufung ist unzulässig. Die von den Verteidigern der Ruhestandsbeamtin innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 79 Abs. 1 Satz 1 DO NW) zulässigerweise – auch – beim beschließenden Gericht (§ 80 Satz 2 DO NW) eingelegte Berufung wird dem Begründungserfordernis des § 81 DO NRW nicht gerecht. Eine Verlängerung der Begründungsfrist ist nicht möglich; die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung fehlen. Der Disziplinarsenat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die unzulässige Berufung gemäß §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 82 DO NW durch Beschluss zu verwerfen. Der Vertreterin der obersten Dienstbehörde ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden, § 85 Abs. 2 DO NW.
71. Im Streitfall finden ungeachtet des Inkrafttretens des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – LDG NRW – im Jahre 2005 auch im gerichtlichen Verfahren noch und weiterhin die Regelungen der Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen – DO NRW – Anwendung: § 82 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW ordnet an, dass die nach bisherigem Recht eingeleiteten Disziplinarverfahren in der Lage, in der sie sich bei In-Kraft-Treten des LDG NRW befinden, nach diesem Gesetz fortgeführt werden, soweit in den Absätzen 2 bis 9 nicht Abweichendes bestimmt ist. Das ist hier indes der Fall: Nach § 82 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW werden förmliche Disziplinarverfahren nach dem zur Zeit ihrer Einleitung geltenden Recht fortgeführt. Für die Anschuldigung und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gilt nach § 82 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW ebenfalls das bisherige Recht. Diese für förmliche Disziplinarverfahren nach der DO NRW uneingeschränkt geltende Regelung führt im Streitfall auf die Geltung der DO NRW: Das förmliche Disziplinarverfahren gegen die Ruhestandsbeamtin wegen der streitgegenständlichen Vorwürfe wurde durch Zustellung der Einleitungsverfügung des Bürgermeisters der Stadt H. an die Ruhestandsbeamtin vom 8. Oktober 2003 am 10. Oktober 2003 eingeleitet (§ 33 DO NRW); der Nachtrag wurde am 20. November 2003 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die DO NRW noch in Kraft. Für den von den Verteidigern der Ruhestandsbeamtin gezogenen Gegenschluss aus anderen – hier nicht einschlägige Spezialfälle betreffenden – Absätzen des § 82 LDG NRW ist demzufolge kein Raum.
82. Die in § 79 Abs.1 Satz 1 DO NRW festgelegte Monatsfrist für die Einlegung der Berufung ist durch die Zustellung des Urteils an die Verteidiger der Ruhestandsbeamtin gegen Empfangsbekenntnis am 4. Dezember 2018 in Lauf gesetzt worden. Nach § 77 Abs. 3 DO NRW ist das Urteil in Disziplinarsachen mit Gründen – u.a. – dem Beamten zuzustellen. Nach § 40 Satz 2 DO NRW gilt der Verteidiger, der eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, als ermächtigt, Zustellungen an den Beamten im Empfang zu nehmen. Diese Regelung bleibt von § 77 Abs. 3 DO NRW, der allein den Zustellungsadressaten festlegt, unberührt.
9vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.11.2004 – 22d A 2859/02.O -, S. 11 f. des amtlichen Umdrucks.
10Die Verteidiger der Ruhestandsbeamtin haben mit Schriftsatz vom 3. August 2018 eine schriftliche Vollmacht vorgelegt. Damit konnte durch eine Zustellung an sie die Zustellung des Urteils an die Ruhestandsbeamtin bewirkt werden. Eine Fallkonstellation, in der die Verteidiger lediglich über eine – hier zudem unterbliebene – Zustellung an die Ruhestandsbeamtin gemäß § 40 Satz 3 DO NW abschriftlich unterrichtet worden wären,
11vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 10.11.2004 – 22d A 2859/02.O -, S. 11 f. des Urteilsabdrucks.
12liegt angesichts der eingehaltenen Förmlichkeiten nicht vor. Die von der Ruhestandsbeamtin angesprochene Rechtsprechung des Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts zu § 106 Abs. 2 WDO (und § 78 Abs. 3 BDO) –
13Beschluss vom 14.11.1978 – II WD 33.77 –, BVerwGE 63, 155 = juris Rn. 18 –
14ist auf den Anwendungsbereich der DO NRW nicht übertragbar, da dort eine dem § 40 Satz 2 DO NRW entsprechende Regelung fehlt.
153. Innerhalb der demzufolge bis zum 4. Januar 2019 reichenden Frist des § 79 Abs. 1 Satz 1 DO NRW hat die Ruhestandsbeamtin zwar mit Schriftsatz vom 4. Januar 2019 Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz genügt jedoch nicht den inhaltlichen Anforderungen, die § 81 DO NRW an die Berufungsschrift stellt. Danach ist in der Berufungsschrift das angefochtene Urteil zu bezeichnen und anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden; nach Halbsatz 2 sind die Anträge zu begründen. Zwar wird das angefochtene Urteil bezeichnet und als Ziel der Berufung angegeben, unter dessen Änderung die Ruhestandsbeamtin freizusprechen, hilfsweise auf eine Kürzung des Ruhegehalts zu erkennen. Es fehlt jedoch an der nach § 81, 2. Halbsatz DO NRW zwingend erforderlichen substantiierten Begründung der Berufung. Hierzu ist erforderlich, dass aus dem Vorbringen des Beamten erkennbar ist, inwieweit und aus welchen Erwägungen sich das angefochtene Urteil nicht mit denjenigen Vorstellungen deckt, die der Beamte aus seiner Sicht für rechtens hält. Er muss dafür die Erwägungen, mit denen er das angefochtene Urteil angreift, unter Angabe von Einzelheiten vortragen, um das Berufungsgericht in die Lage zu versetzen, die Beanstandungen der angefochtenen Entscheidung zu werten und hierüber zu befinden.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1993 – 1 D 22.93 –, DokBer B 1994, 111 = juris Rn. 8 m.w.N., zu § 82 BDO.
17Diesen Anforderungen genügt das in der Berufungsschrift enthaltene Vorbringen nicht, die Aberkennung des Ruhegehalts der Ruhestandsbeamtin sei rechtswidrig und das angefochtene Urteil werde daher vollumfänglich zur Überprüfung im Berufungsverfahren gestellt. Das war ersichtlich auch die Auffassung der Verteidiger der Ruhestandsbeamtin, die in der Berufungsschrift ausdrücklich geltend gemacht hatten, es sei ihnen u.a. wegen kurzzeitiger Auslastung nicht möglich gewesen, eine Berufungsbegründung zu erstellen, sodass eine Verlängerung der Begründungsfrist beantragt werde.
184. Diesem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung, die nach § 81 DO NRW in der Berufungsschrift und damit innerhalb der Berufungsfrist zu erfolgen hatte, war nicht zu entsprechen. Bei der Frist des § 81 DO NRW handelt es sich um eine Ausschluss-Notfrist, die ohne ausdrückliche gesetzliche Zulassung einer Fristverlängerung nicht verlängert werden kann.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.1971 – II WDB 8.71 –, BVerwGE 43, 237.
20Eine Verlängerung der Berufungsfrist sieht die DO NRW nur in einer Fallkonstellation vor, die hier nicht einschlägig ist (§ 79 Abs. 1 Satz 2 DO NRW).
214. Der Ruhestandsbeamtin kann wegen der Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Es ist bereits nicht dargetan, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 30. Januar 2019 innerhalb einer Frist von zwei Wochen (§ 25 DO NRW i.V.m. § 45 Abs. 1 StPO) nach Behebung des Hindernisses für eine fristgerechte Berufungsbegründung gestellt worden ist. Bereits in der gerichtlichen Eingangsbestätigung vom 9. Januar 2019 war die einschlägige Fristenregelung in § 79 Abs. 1 Satz 1 DO NRW bezeichnet und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur fehlenden Verlängerbarkeit mangels ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung benannt worden. Auf das Erfordernis, dass die Berufungsanträge innerhalb der Berufungsfrist zu begründen waren, war bereits in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
22Abgesehen hiervon benennt der Wiedereinsetzungsantrag nicht die Gründe, die einer fristgerechten Berufungsbegründung im Wege gestanden haben. Ein Telefonat zwischen den Verteidigern der Ruhestandsbeamtin und einer Berichterstatterin des Senats "am Tag der Berufungseinlegung", auf den der Antrag sich bezieht, hat nicht stattgefunden. Eine Rechtsgrundlage für das Begehren, die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Gerichts, die in der Kanzlei der Verteidiger tatsächlich angerufen hat, um den Hinweis zu erteilen, dass die Berufung zusätzlich beim Verwaltungsgericht eingereicht werden solle, möge auf die Erfolglosigkeit des gestellten Fristverlängerungsantrags hinweisen, ist im Wiedereinsetzungsantrag nicht genannt und auch dem Gericht nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen hat die Ruhestandsbeamtin die Begründung der Berufung weder innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist noch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nachgeholt (vgl. § 25 DO NRW i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 DO NRW.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 90 DO NRW).
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Referenzen
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- § 77 Abs. 3 DO 2x (nicht zugeordnet)
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