Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 E 180/19
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 7.2.2019 und der die Kostenfestsetzung ablehnende Beschluss vom 11.12.2017 werden dahingehend geändert, dass die den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Verfahren 3 L 145/16 (VG Aachen) in beiden Instanzen noch zu zahlende Vergütung auf 1.403,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem 25.4.2017 festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu ¾, die Antragsteller tragen die Kosten zu ¼. Eine Kostenerstattung findet im Verfahren über die Vergütungsfestsetzung nicht statt.
1
Gründe
2Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den nach § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG i. V. m. §§ 165, 151 VwGO ergangenen Erinnerungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist teilweise begründet.
3Die von den Antragstellern am 25.4.2017 beantragte Vergütungsfestsetzung für beide Instanzen nach § 11 Abs. 1 RVG war nicht vollständig gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG wegen außergebührenrechtlicher Einwendungen oder Einreden des Antragsgegners abzulehnen. Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG ist eine Festsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Dafür genügt grundsätzlich die bloße Berufung des Antragsgegners auf einen solchen Einwand. Über die Begründetheit des Einwandes ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Deshalb kann grundsätzlich weder eine nähere Substantiierung des Einwandes verlangt werden, noch hat eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung zu erfolgen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Einwand offensichtlich unbegründet ist, das heißt wenn seine Haltlosigkeit ohne nähere Sachprüfung auf der Hand liegt, substanzlos ist oder erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20.12.2017 ‒ 4 E 891/17 ‒, juris, Rn. 5 f., m. w. N., und vom 4.2.2016 ‒ 4 E 813/15 ‒, juris, Rn. 2 f., m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 25.4.2016 ‒ 1 BvR 1255/14 ‒, juris, Rn. 3, m. w. N.
5Die Einwände des Antragsgegners, er habe bereits 1.300 Euro gezahlt, die Anwaltskosten müssten an den tatsächlichen Aufwand angepasst werden und die Antragsteller hätten im Beschwerdeverfahren ihre Leistung verweigert oder nicht erbracht, weshalb er gezwungen gewesen sei, die Beschwerde zurückzunehmen, haben ihren Grund zwar nicht im Gebührenrecht. Sie sind jedoch überwiegend offensichtlich unbegründet, ihre Haltlosigkeit liegt insoweit ohne nähere Sachprüfung auf der Hand. Dies gilt allerdings für den Zahlungseinwand nur zum Teil. Soweit dieser Einwand nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, ist der Vergütungsanspruch nicht festzusetzen.
6Vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage 2019, § 11 Rn. 109.
7Die Zahlung des Antragsgegners in Höhe von 1.300 Euro ist zwischen den Beteiligten unumstritten. Hiervon haben die Antragsteller nur noch 128,33 Euro von ihrer Vergütung für das erstinstanzliche Eilverfahren abgezogen, nachdem sie sich zunächst wegen ihrer Anwaltsvergütung aus dem Hauptsacheverfahren 3 K 547/16 (VG Aachen) in Höhe von 1.171,67 Euro (Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auf einen Streitwert von 20.000 Euro in Höhe von 1,3 x 742 Euro zuzüglich Auslagepauschale gemäß Nr. 7002 der Anlage und Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 der Anlage) befriedigt haben. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass ihnen für das Hauptsacheverfahren wegen der vorzeitigen Mandatsniederlegung die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1, letzter Halbsatz, der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG nur nach einem Gebührensatz von 0,8, also unter Berücksichtigung der Auslagenpauschale und der Umsatzsteuer in Höhe eines Betrags von 730,18 Euro, zugestanden hat. Ausgehend davon wären von der Vergütung für das erstinstanzliche Eilverfahren nicht wie erfolgt nur 128,33 Euro, sondern 569,82 Euro nach § 11 Abs. 1 Satz 2 RVG abzuziehen gewesen. In diesem Umfang hat das Verwaltungsgericht die Vergütungsfestsetzung zutreffend abgelehnt.
8Weitergehende Einwände des Antragsgegners sind offensichtlich ohne Substanz. Die Höhe der Anwaltskosten richtet sich nicht nach dem tatsächlichen Aufwand, sondern nach der gesetzlich vorgesehenen Höhe, die die Antragsteller ihren Festsetzungsanträgen zugrunde gelegt haben, unabhängig davon, ob der Antragsgegner die Schriftsätze vorbereitet hat. Die anwaltlich zu vergütende Leistung liegt darin, das Vorbringen zu durchdringen, auf seine rechtliche Relevanz zu prüfen und im gerichtlichen Verfahren zu vertreten.
9Auch die gänzlich unsubstantiierten Einwände des Antragsgegners gegen die Mandatsniederlegung der Antragsteller im Beschwerdeverfahren rechtfertigen offensichtlich keine Reduzierung der anwaltlichen Vergütung. Aus dem Vorbringen des Antragsgegners ist weder ansatzweise ersichtlich, dass die Antragsteller das Mandat zur Unzeit niedergelegt haben könnten, noch dass die Mandatsniederlegung zu einem Schaden geführt haben könnte, über dessen Ersatz der Antragsgegner vertretbar mit den Antragstellern streiten könnte, um eine entsprechende Ersatzforderung gegen die Anwaltsvergütung aufrechnen zu können. Der Antragsgegner hat nur gänzlich unsubstantiiert und offensichtlich unzutreffend behauptet, er habe sich durch die Mandatsniederlegung zur Rücknahme seiner Beschwerde gezwungen gesehen. Nach seinen eigenen Angaben im Verfahren 4 B 989/16, auf die er sich zum Beleg seiner Behauptung stützt, hat er die Beschwerde (zunächst formunwirksam) nicht weiter verfolgt, weil er die Anwalts- und Gerichtskosten wegen Geldmangels nicht aufbringen konnte. Diese Einlassung deckt sich mit den Angaben der Antragsteller, wonach sie die Mandatsniederlegung dem Oberverwaltungsgericht erst angezeigt hatten, nachdem der Antragsgegner ihre Kostenrechnung nicht bezahlt hatte. Die Mandatsniederlegung war dem Oberverwaltungsgericht erst am 19.1.2017 angezeigt worden, nachdem wegen der Abmeldung des Gewerbes schon zum 31.10.2016 Mitte Dezember 2016 Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses des Antragsgegners aufgekommen waren. Zuvor hatten die Antragsteller die Beschwerde längst fristgerecht begründet, ihre Leistung also im Wesentlichen erbracht und nicht verweigert, sowie anschließend nach Hinweis auf die Unwirksamkeit der Mandatsniederlegung im Anwaltsprozess und die Kostenfolge einer Zurückweisung der Beschwerde wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses im Kosteninteresse der Antragsgegners formwirksam zurückgenommen. Kostennachteile hat der nach Aufgabe seines Gewerbes ohnehin zur Rücknahme seiner Beschwerde aus Kostengründen entschlossene Antragsgegner aus der Mandatsniederlegung mithin offensichtlich nicht erlitten.
10Der Vergütungsanspruch der Antragsteller im Verfahren 3 L 145/16 (VG Aachen) in Höhe von 887,03 Euro setzt sich zusammen aus der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auf einen Streitwert von 10.000 Euro in Höhe von 1,3 x 558 Euro (725,40 Euro) zuzüglich Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 der Anlage (20,00 Euro) und Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 der Anlage (141,63 Euro). Hiervon sind aufgrund des insoweit nicht völlig aus der Luft gegriffenen Erfüllungseinwands 569,82 Euro abzuziehen, so dass eine nicht substantiiert bestrittene Forderung in Höhe von 317,21 Euro verbleibt.
11Hinzu kommt die Vergütung für das Beschwerdeverfahren 4 B 989/16 (OVG NRW) im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes in Höhe von 1.086,23 Euro. Sie setzt sich zusammen aus der Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auf einen Streitwert von 10.000 Euro in Höhe von 1,6 x 558 Euro (892,80 Euro) zuzüglich Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 der Anlage (20,00 Euro) und Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 der Anlage (173,43 Euro).
12Der Zinsanspruch folgt aus § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und § 11 Abs. 2 Sätze 4 und 6 RVG.
14Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 4 E 891/17 1x (nicht zugeordnet)
- 3 L 145/16 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 146 1x
- 1 BvR 1255/14 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 989/16 2x (nicht zugeordnet)
- 4 E 813/15 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 155 1x
- 3 K 547/16 1x (nicht zugeordnet)
- RVG § 2 Höhe der Vergütung 2x
- RVG § 11 Festsetzung der Vergütung 3x