Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 B 636/20
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14.4.2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
2die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 1402/19 (VG Düsseldorf) gegen Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.1.2019 insoweit wiederherzustellen, als der Antragstellerin darin aufgegeben wird, den Betrieb der Spielhalle 2 am Standort C. straße 00 bis 00 in S. bis zum 31.12.2019 dauerhaft einzustellen und dies der Antragsgegnerin förmlich mitzuteilen,
3zu Recht abgelehnt.
4Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bietet keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
5Der Einwand, die Antragsgegnerin habe einen Härtefall hinsichtlich der Spielhalle 2 der Antragstellerin dem Grunde nach zu Recht anerkannt, die Beantwortung der Frage, ob die Härtefallbefreiung antragsgemäß bis zum 30.6.2021 hätte erteilt werden müssen, bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, geht fehl. Mit dem Beschwerdevorbringen ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Spielhallenbetrieb der Halle 2 der Antragstellerin über den 31.7.2019 hinaus materiell rechtswidrig sei, nicht in Zweifel gezogen worden. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht dargelegt, dass und warum trotz gegenteiliger Annahme des Verwaltungsgerichts in ihrem Fall eine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV vorliege.
6Das Beschwerdevorbringen gibt auch nichts Durchgreifendes dafür her, dass dem privaten Interesse der Antragstellerin mit Blick auf den Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Schließungsverfügung einzuräumen sei.
7Ist der ungenehmigte Betrieb der Spielhalle 2 auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht offensichtlich erlaubnisfähig, überwiegt auch das öffentliche Vollziehungsinteresse das rechtlich nicht schutzwürdige Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Es kann bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes sicher beurteilt werden, dass die Antragstellerin den Betrieb einer ihrer beiden Spielhallen schon seit langem einzustellen hatte und Gründe für einen weiteren Betrieb ohne Erlaubnis, die sie nicht besitzt und die materiell-rechtlich nicht erteilt werden kann, nicht vorliegen. In dem gleichwohl beabsichtigten verbotenen Weiterbetrieb entgegen der gesetzlichen Zielrichtung deutlich über die großzügig gewährten Übergangsfristen und Zeiträume für rechtlich erforderliche Klärungen hinaus, liegt ‒ im Interesse des vom Gesetzgeber angestrebten verbesserten Spielerschutzes ‒ die von der Antragsgegnerin zu verhindernde Gefahr.
8Dies gilt auch unter Berücksichtigung der für die Zeit nach dem 1.7.2021 angedachten staatsvertraglichen Neuregelung zur Glücksspielregulierung, wonach für am 1.1.2020 bestehende Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen, auf gemeinsamen Antrag der Betreiber für bis zu drei Spielhallen je Gebäude oder Gebäudekomplex abweichend vom Verbundverbot eine Erlaubnis in Aussicht gestellt wird, wenn mindestens alle Spielhallen von einer akkreditierten Prüforganisation zertifiziert worden sind und die Zertifizierung in regelmäßigen Abständen mindestens alle zwei Jahre wiederholt wird, die Betreiber über einen aufgrund einer Unterrichtung mit Prüfung erworbenen Sachkundenachweis verfügen und das Personal der Spielhallen besonders geschult wird.
9Vgl. LT-Vorlage 17/3443 der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.5.2020, S. 60, 194 ff.
10Unabhängig von den Unsicherheiten über die noch ausstehende Unterzeichnung und Ratifizierung der Neuregelung und darüber, ob auch in Nordrhein-Westfalen gegebenenfalls entsprechende Ausführungsbestimmungen tatsächlich in Kraft treten werden, wird sich die Antragstellerin hierauf voraussichtlich ohnehin nicht berufen können. Da bei der Auslegung einfachen Rechts innerhalb der Grenzen des methodisch Zulässigen ein Auslegungsergebnis vermieden werden soll, das zu normativen Wertungswidersprüchen führt, und das Betreiben einer Spielhalle ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis bußgeldbewehrt ist,
11vgl. BVerwG, Urteil vom 13.5.2015 – 8 C 12.14 –, BVerwGE 152, 132 = juris, Rn. 22, 24,
12spricht Vieles dafür, dass in den Genuss der geplanten Regelung, selbst wenn sie in Kraft treten wird, grundsätzlich nur solche am 1.1.2020 bestehenden Verbundspielhallen gelangen werden, die am 1.1.2020 rechtmäßig betrieben worden sind, für die also eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV unter Befreiung vom Verbundverbot erteilt worden oder zumindest offensichtlich zu Unrecht versagt worden war, ohne dass zuvor rechtzeitig gerichtlicher Rechtsschutz hätte erlangt werden können.
13So bereits OVG NRW, Beschluss vom 16.3.2020 ‒ 4 B 977/18 ‒, Städte- und Gemeinderat 2020, Nr. 5, 30 = juris, Rn. 38 ff.
14In diesem Zusammenhang geht die Behauptung der Antragstellerin fehl, dass auf Grund der im Bescheid vom 16.1.2019 enthaltenen Duldung des Betriebs bis sechs Monate nach Bekanntwerden einer rechtskräftigen Entscheidung im Eilverfahren der Fortbetrieb der Spielhalle 2 nicht illegal bzw. bußgeldbewehrt sei. Die Duldung des Weiterbetriebs bewirkt ‒ anders als eine vorläufige glücksspielrechtliche Erlaubnis ‒ nicht die formelle Legalisierung des Betriebs.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.6.2019 ‒ 4 B 255/18 ‒, ZfWG 2019, 516 = juris, Rn. 7 f., m. w. N.
16Die Annahme, dass ausschließlich am 1.1.2020 rechtmäßig betriebene Spielhallen in den Genuss der Neuregelung kommen sollen, wird bekräftigt durch die mittlerweile vorliegende Begründung der Neuregelung. Danach handelt es sich um eine Bestandsschutzregelung, die berücksichtigt, dass einige Länder in ihren bestehenden Ausführungsbestimmungen auf Basis der bisherigen Härtefallregelung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV den Betrieb von Verbundspielhallen unter bestimmten Anforderungen ermöglicht haben.
17Vgl. LT-Vorlage 17/3443 der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.5.2020, S. 195.
18Das ist hier allerdings für die Antragstellerin nicht der Fall, weil sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV aus ihrem Vorbringen nicht ergibt. Danach überwiegt auch vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelung das öffentliche Vollzugsinteresse, zumal ‒ unabhängig davon, ob die sonstigen geplanten qualitativen Voraussetzungen gegeben sind oder sein werden ‒ nicht ansatzweise offensichtlich ist, dass für die Spielhalle 2 der Antragstellerin wenigstens ab dem 1.7.2021 die aktuell nicht erkennbar gegebenen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sein werden. Eine Schließungsanordnung nach § 15 Abs. 2 GewO ist grundsätzlich bereits gerechtfertigt, solange unklar ist, ob die Erlaubnisvoraussetzungen vorliegen. Erst die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis, nicht schon ein hierauf gerichteter Antrag oder eine entsprechende Klage, schließen ein Einschreiten nach dieser Vorschrift aus. Zweck der Ermächtigung in § 15 Abs. 2 GewO ist es gerade, den Erlaubnisvorbehalt zur Sicherung des Geschäftsverkehrs durchzusetzen, also die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Wird von dieser Ermächtigung fehlerfrei Gebrauch gemacht, ist der Antragstellerin deshalb zuzumuten, den regulären Abschluss des Erlaubnisverfahrens abzuwarten.
19Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10.2.2020 – 4 B 1253/18 –, juris, Rn. 7 ff., und vom 16.3.2020 ‒ 4 B 977/18 ‒, Städte- und Gemeinderat 2020, Nr. 5, 30 = juris, Rn. 38 ff., jeweils m. w. N.
20Beruft sie sich auf eine geplante gesetzliche Neuregelung, muss sie deren Inkrafttreten abwarten, bevor sie auf ihrer Grundlage eine Erlaubnis erhalten kann.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
23Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
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- VwGO § 152 1x
- §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
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- VwGO § 146 1x
- GewO § 15 Empfangsbescheinigung, Betrieb ohne Zulassung 1x
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