Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 B 399/21
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26.2.2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.875,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäß gestellten Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage (3 K 1156/21 VG Düsseldorf) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17.2.2021 anzuordnen,
5mit der Begründung abgelehnt, die Festsetzung des unmittelbaren Zwangs sei vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich bestehenden und weiter ansteigenden Steuerschulden gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62, 64 VwVG NRW rechtmäßig und im Rahmen des zu beachtenden pflichtgemäßen Ermessens erfolgt.
6Diese Würdigung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.
7Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, die Antragsgegnerin lege bei ihrer Wertung vermeintliche, vom Finanzamt N. willkürlich und, ohne Zahlungen ordnungsgemäß zu verbuchen, festgesetzte Steuerrückstände zugrunde. Schon im Ansatz geht dieser Einwand fehl, soweit sich der Antragsteller damit sinngemäß gegen die Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Gewerbeuntersagung vom 29.11.2017 wendet. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des unmittelbaren Zwangs kommt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung an. Das Vollstreckungsrecht ist von dem Grundsatz geprägt, dass die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorangegangener Verwaltungsakte Bedingung für die Rechtmäßigkeit der folgenden Akte und letztlich der Anwendung des Zwangsmittels ist.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.9.2018 ‒ 4 A 1396/16 ‒, GewArch 2019, 77 = juris, Rn. 35 f., m. w. N.
9Die Gewerbeuntersagung ist wirksam und vollziehbar, nachdem der 31.10.2018 verstrichen ist und der Antragsteller seine von ihm zugesagten regelmäßigen Tilgungsleistungen eingestellt hat. Beides wird vom Antragsteller nicht in Frage gestellt. Ob darüber hinaus neue Steuerschulden in erheblichem Umfang fällig geworden sind, ist für die Vollziehbarkeit der Verfügung bereits unerheblich.
10Ungeachtet dessen ist die Antragsgegnerin schon im Gewerbeuntersagungsverfahren, erst recht aber im diesbezüglichen Vollstreckungsverfahren, nicht verpflichtet, die festgesetzten Steuerforderungen zu überprüfen.
11Die materielle Rechtmäßigkeit der festgesetzten Steuerforderungen ‒ auch soweit diese Forderungen nur auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen ‒ ist für die Beurteilung, ob dem Antragsteller die gewerberechtliche Zuverlässigkeit fehlt, unerheblich. Die Berechtigung der Steuerforderungen hatten weder die Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren der Gewerbeuntersagung noch das Verwaltungsgericht zu prüfen. Maßgeblich ist allein, in welcher Höhe der Antragsteller Steuern nicht gezahlt hat, die er bereits deshalb von Rechts wegen hätte zahlen müssen, weil die ergangenen Steuerbescheide vollziehbar waren.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.1997 ‒ 1 B 72.97 ‒, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 23.10.2018 ‒ 4 B 1144/18 ‒, juris, Rn. 6 f., m. w. N.
13Ausgehend davon, dass Steuerbescheide grundsätzlich vollziehbar sind, sofern die Vollziehung nicht ausnahmsweise ausgesetzt worden ist (§§ 220, 361 AO sowie § 69 FGO), reicht es zur Darlegung seiner Zuverlässigkeit oder der Unzulässigkeit der Vollstreckung aus einer bestandskräftigen Gewerbeuntersagungsverfügung nicht aus, dass der Antragsteller unter Inanspruchnahme des Finanzgerichts vom Finanzamt N. Abrechnungsbescheide für die Jahre 2015 bis 2018 begehrt.
14Abgesehen davon kann auf sich beruhen, ob der Vortrag des Antragstellers über willkürliches Handeln der Finanzverwaltung berechtigt ist. Das beanstandete Vorgehen des Finanzamts N. , Umsatzsteuerbeträge zum Soll gestellt zu haben, ohne dass der Antragsteller Zahlungen vereinnahmt habe, betrifft nach dem eigenen Vorbringen des Klägers mit 25.283,09 Euro nur einen Teil der offenen Steuerforderungen von mittlerweile mehr als 120.000,00 Euro.
15Ebenso wenig greift der Einwand des Antragstellers durch, die Antragsgegnerin habe es versäumt, das Finanzamt von dem in der mündlichen Verhandlung vom 28.8.2018 geschlossenen "Vergleich" zu unterrichten und damit verhindert, dass er seinen dort eingegangenen Verpflichtungen habe nachkommen können. Eine derartige Unterrichtungsverpflichtung ist die Antragsgegnerin nicht eingegangen. Die fehlende Unterrichtung ist auch nicht ursächlich für die wieder aufgenommene Vollstreckung der bestandskräftigen Gewerbeuntersagung. Der Antragsteller hatte in der mündlichen Verhandlung am 28.8.2018 erklärt, dass er in Zukunft keine Rückstände mehr auflaufen lassen sowie Steuererklärungen fristgerecht und pünktlich abgeben werde. Daraufhin hatte die Antragsgegnerin zugesagt, zunächst bis zum 31.10.2018 zuzuwarten. Dem ist sie gefolgt und hat das Verfahren erst wieder aufgenommen, nachdem es Ende 2018 zu neuen Steuerrückständen des Antragstellers gekommen war und dieser auch danach, bereits lange vor den pandemiebedingten Einschränkungen, die abgesprochenen monatlichen Schuldentilgungen nicht mehr fortgeführt hat. Im Rahmen der dem Antragsteller seinerzeit von der Antragsgegnerin gewährten Gelegenheit, ein von ihm entworfenes Sanierungskonzept umzusetzen, war es seine Sache und nicht die der Antragsgegnerin, einen verbindlichen und von allen Gläubigern einschließlich der Finanzverwaltung akzeptierten Tilgungsplan zu erstellen und den vereinbarten Ratenzahlungen nachzukommen, so dass währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden konnten.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.9.2020 – 4 A 2461/19 –, juris, Rn. 11 f., m. w. N.
17Der Einwand des Antragstellers, die Betriebsschließung stelle seine Existenzvernichtung dar, führt nicht auf eine Unverhältnismäßigkeit der Verwaltungsvollstreckung. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass sich der Antragsteller bei einem weiteren Zuwarten seitens der Antragsgegnerin – auch unabhängig von den von ihm für willkürlich erachteten Steuerfestsetzungen nach § 14c Abs. 2 UStG – nunmehr aus seiner existenzbedrohenden Lage herausarbeiten könnte. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seit Erlass der Gewerbeuntersagungsverfügung vom 29.11.2017 bereits mehr als drei Jahre Zeit zur Rückführung seiner Steuerrückstände gegeben, ohne dass sich ein Erfolg gezeigt hätte.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
20Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschlüsse vom 1.10.2004 ‒ 4 B 1637/04 ‒, NVwZ-RR 2005, 215 = juris, Rn. 10, und vom 12.2.2021 – 4 E 713/20 –, juris, Rn. 2 ff., m. w. N.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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- §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- FGO § 69 1x
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