Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1052/20
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 19.2.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Minden wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Zulassungsvorbringen begründet nicht die ausschließlich geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angegriffenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 –, NVwZ 2021, 325 = juris, Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 – 7 AV 4.03 –, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 = juris, Rn. 9.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
6die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 30.11.2017 zu verpflichten, der Klägerin antragsgemäß eine glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle M.-----straße 00 in 00000 I. zu erteilen,
7als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb der im Verbund mit einer zweiten Spielhalle stehenden Spielhalle in der M.-----straße 00 in I. . Der Betrieb der Spielhalle verstoße gegen die verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht zu beanstandenden Normen in § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AG GlüStV NRW in Verbindung mit § 25 Abs. 2 GlüStV NRW. Die begehrte Befreiung nach § 29 Abs. 4 Sätze 2 und 4 GlüStV NRW in Verbindung mit § 18 Satz 2 AG GlüStV NRW komme nicht in Betracht. Die Befreiung sei nicht zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, inwiefern die Versagung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis und die daraus folgende Schließung der streitgegenständlichen Spielhalle für sie eine unbillige Härte darstelle.
8Die gegen diese Wertung erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
9Die mit der Abstandsregelung und dem Verbundverbot einhergehenden Grundrechtseingriffe in die Rechte der Spielhallenbetreiber aus Art. 12 Abs. 1, 14 und 3 Abs. 1 GG sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wie das Bundesverfassungsgericht bereits mit seiner den Senat insoweit nach § 31 BVerfGG bindenden Entscheidung festgestellt hat. Sie erfüllen die Anforderungen der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 44 f., m. w. N. und unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 126 ff.
11Die Klägerin hat mit ihrem Zulassungsvorbringen keine neuen Einwände gegen diese Einschätzung vorgebracht, sondern ausschließlich die bereits vom Bundesverfassungsgericht ausführlich gewichteten Auswirkungen auf die Spielhallenbetreiber wiederholt und die Rechtfertigung der Eingriffe in Abrede gestellt. Ihr Vergleich zwischen Spielhallen und Online-Casinos sowie Spielbanken zeigt die fehlende Eignung der spielhallenbezogenen Normen nicht auf. Weder mit einer von der Klägerin behaupteten Abwanderung der Spielhallenbesucher zu Online-Glücksspielen noch mit einer solchen zu Spielbanken ist ein normativ angelegtes Vollzugsdefizit dargelegt oder ersichtlich, das die Eignung der glücksspielrechtlichen Regelungen für Spielhallen in Frage stellen könnte.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 58 ff. und Rn. 73 f.
13Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG zwischen Spielhallen und Spielbanken ist bereits deshalb nicht gegeben, weil von Spielhallen ein ungleich höheres Suchtpotential ausgeht, dem der Gesetzgeber entgegengetreten ist.
14Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 73 f., unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 ‒ 1 BvR 1314/12 u. a. ‒, BVerfGE 145, 20 = juris, Rn. 138 ff., 170 ff.
15Zu kurz greift der Verweis der Klägerin auf die grundrechtlich geschützte Freiheitsbetätigung der Spielhallenbesucher, weil er die besonders wichtigen Gemeinschaftsgüter des Kinder- und Jugendschutzes sowie des Spielerschutzes nicht ausreichend berücksichtigt und der verfassungsgemäße Ausgleich unter diesen Rechtspositionen vom Gesetzgeber vorgenommen worden ist.
16Der Einwand der Klägerin, die massiven Eingriffe in die grundrechtlichen Gewährleistungen stritten für eine extensive Anwendung der Härtefallklausel des § 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV NRW, verfängt nicht. In der Rechtsprechung ist für das nordrhein-westfälische Landesrecht im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Härtebegriff geklärt, dass die gesetzliche Regelung einer unbilligen Härte nicht dem allgemeinen Ausgleich von Verlustausfällen dienen, sondern ausschließlich dann eingreifen soll, wenn die Anwendung eines verfassungsgemäßen Gesetzes im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die dem Belastungsgrund des Gesetzgebers zuwiderlaufen.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 3178/19 ‒, juris, Rn. 115 f., m. w. N.
18Einer näheren Konturierung des Begriffs durch den Vergleich mit den Ausführungsgesetzen anderer Bundesländer bedarf es angesichts dessen nicht.
19Das Zulassungsvorbringen gibt auch nichts Durchgreifendes dafür her, dass im Falle der Klägerin eine unbillige Härte vorliegen könnte. Die Klägerin setzt sich mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts (vgl. Urteilsabdruck, Seite 13, dritter Absatz, bis Seite 16, dritter Absatz) nicht auseinander. Ihr pauschaler Verweis darauf, dass sie entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts das Drohen einer wirtschaftlichen Krise durch die Vorlage betriebswirtschaftlicher Auswertungen belegt habe, enthält kein Gegenargument, das die ausführliche Begründung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen geeignet wäre. Insbesondere hat die Klägerin bislang nicht ansatzweise dargelegt, ob und wie sie die gesetzlich eingeräumte Übergangsfrist zu einer der neuen Rechtslage Rechnung tragenden Umstrukturierung ihres Geschäftsbetriebs genutzt hat. Ihr Einwand, es sei ihr kaum möglich gewesen, sich auf den Ablauf der Übergangsfrist einzustellen, steht dem nicht entgegen. Es stand der Klägerin frei, sich auf die absehbare gesetzliche Regelung während der Übergangsfrist in der bloßen Hoffnung nicht einzustellen, entgegen dem erkennbaren Regelungszweck könnte sich in der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung eine Auslegung des Begriffs der unbilligen Härte durchsetzen, die die Neuregelung im Ergebnis weitgehend zu Makulatur werden ließe und von der auch sie profitieren könnte. Dass sie deshalb nicht früher die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen, führt aber jedenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Rechtsbefolgung seit Ablauf der Übergangsfrist.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.6.2020 ‒ 4 B 1/20 ‒, juris, Rn. 28 f., m. w. N.
21Da die Klägerin selbst die Entscheidung hätte treffen können, welche ihrer beiden Spielhallen fortbestehen solle, stand auch nicht erst mit der Härtefallentscheidung fest, dass sie einen Betrieb tatsächlich aufgeben musste. Insoweit ist ihr Verweis auf den Beschluss des Senats vom 8.6.2017,
22‒ 4 B 307/17 ‒, NWVBl. 2017, 431 = juris, Rn. 73 ff.,
23verfehlt.
24Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 16.8.2019 ‒ 4 B 659/18 ‒, ZfWG 2019, 503 = juris, Rn. 68 f., m. w. N.
25Die Vorstellung der Klägerin, ein Härtefall sei gegeben bei mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags vereinbaren Bestandsspielhallen, die nach Ablauf der Übergangsfrist nach § 29 Abs. 4 Satz 2 gegen das Verbundverbot nach § 25 Abs. 2 GlüStV NRW verstoßen, findet im Gesetz keinen Niederschlag. Im Gegenteil ging es dem Gesetzgeber maßgeblich darum, nach Ablauf der Übergangsfrist die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung sowie den Jugend- und Spielerschutz (§ 1 GlüStV NRW) im Bereich der Spielhallen insbesondere durch das ‒ nur noch in atypischen Einzelfällen ausnahmsweise mit Blick auf frühere Investitionen vereinzelt zu durchbrechende ‒ Verbundverbot und die Regelung von Mindestabständen zu erreichen.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.1.2019 – 4 B 1333/18 –, ZfWG 2019, 181 = juris, Rn. 38 ff., m. w. N.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
28Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
29Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
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- VwGO § 154 1x
- VwGO § 152 1x
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- 1 BvR 1314/12 2x (nicht zugeordnet)
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- 4 B 307/17 1x (nicht zugeordnet)
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