Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 1514/20
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1I.
2Die Klägerin ist Heilpraktikerin mit Praxissitz in E. . Mit Formularschreiben vom 24. Juli 2017 zeigte sie der Bezirksregierung E. die erlaubnisfreie Herstellung von Arzneimitteln u. a. unter Verwendung menschlicher Ausgangsstoffe an. Sie gab dazu an, 0,1 - 1 ml Eigenblut mit Dystologes/Dr. Loges, Allergie Injektopas/Pascoe, Schwörosin-Schwörotox Schwörer Arzneien, Zincum val. comp. Hevert zu verwenden. Mit E-Mail vom 12. September 2017 gab sie weiter zur Herstellung an: Venenpunktion, übliche Technik zur Blutgewinnung, Entnahmemenge max. 2 ml, Aufziehen eines der angegebenen Beispielpräparate zum entnommenen Blut, unverzügliche Injektion dieser Mischung i.c., s.c. oder i.m., je nach Indikation. Nach vorheriger Anhörung untersagte die Bezirksregierung E. der Klägerin mit Ziffer 1 der Verfügung vom 15. Februar 2018 die Entnahme von Blut zur Herstellung von Eigenblutprodukten, sofern es sich nicht um die Herstellung von homöopathischen Eigenblutprodukten handele. Die Untersagung gelte ausdrücklich für die Entnahmen von Blut zur Herstellung von Eigenblutprodukten durch Mischen von Eigenblut mit homöopathischen Fertigarzneimitteln - wie in der Anzeige vom 24. Juli 2017 und in der E-Mail vom 12. September 2017 beschrieben -, da es sich dabei nicht um homöopathische Eigenblutprodukte handele. Zudem drohte die Bezirksregierung E. der Klägerin ein Zwangsgeld i. H. v. 250 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung an (Ziffer 2). Die Klägerin hat am 27. Februar 2018 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Minden durch Gerichtsbescheid vom 29. April 2020 abgewiesen hat. Dagegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
3II.
4Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
51. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
6Die Antragsbegründung stellt den angefochtenen Gerichtsbescheid nicht schlüssig in Frage.
7a) Die Auffassung der Klägerin, das Transfusionsgesetz finde auf die streitgegenständliche Entnahme von Eigenblut schon keine Anwendung, weil es sich nicht um eine Spende handele, findet keine Stütze im Gesetz. Die Begriffsbestimmung der Spende in § 2 Nr. 1 TFG gilt unabhängig von der Menge des entnommenen Blutes und beschränkt sich nicht auf Fremdblut, sondern umfasst auch Eigenblut. Die von der Klägerin insoweit befürwortete teleologische Reduktion des Begriffs auf Fremdblutspenden kommt nicht in Betracht.
8Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. April 2021 - 9 A 4109/18 -.
9b) Aus der Antragsbegründung ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Ausnahmebestimmung des § 28 TFG nicht eingreift. Die Eigenblutpräparate der Klägerin sind keine homöopathischen Eigenblutprodukte im Sinne des § 28 TFG, weil sie nicht in einem homöopathischen Zubereitungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG hergestellt werden. Diese Bestimmung ist zur Auslegung des Begriffsmerkmals „homöopathisch“ maßgeblich heranzuziehen.
10Vgl. auch insoweit OVG NRW, Urteil vom 23. April 2021 - 9 A 4109/18 -.
11c) Wie das reine, vom Heilpraktiker den Patienten unbehandelt reinjizierte Eigenblut zu bewerten ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da diese Behandlungsmethode nicht Gegenstand der Untersagungsverfügung ist. Ausweislich der Klarstellung im Tenor der Verfügung vom 15. Februar 2018 gilt diese ausdrücklich nur für die Entnahmen von Blut zur Herstellung von Eigenblutprodukten durch Mischen von Eigenblut mit homöopathischen Fertigarzneimitteln.
12d) Die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung wird auch nicht mit dem Vortrag in Frage gestellt, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Ungeachtet der Frage, ob damit überhaupt ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründet werden können, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht auf der Grundlage eines nicht hinreichend aufgeklärten Sachverhalts entschieden. Die Klägerin meint, die Ausnahmevorschrift des § 28 TFG würde nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichts faktisch leerlaufen, von einem entsprechenden Willen des Gesetzgebers sei aber nicht auszugehen; dies habe das Verwaltungsgericht mangels Einholung eines (transfusions-)medizinischen oder pharmazeutischen Sachverständigengutachtens verkannt. Schon die Ausgangsannahme der Klägerin trifft nicht zu. Vielmehr werden in verschiedenen Fachartikeln homöopathische Eigenblutprodukte im Sinne des § 28 TFG genannt, die nach homöopathischen Zubereitungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG hergestellt werden können.
13Vgl. Staubach, Eigenbluttherapie bei Hauterkrankungen, EHK 2011, 253 (256); Hilpert-Mühlig, Der Heilpraktiker 2018, 43 (44).
14Ferner wird in dem vom Verwaltungsgericht Osnabrück entschiedenen Verfahren,
15VG Osnabrück, Urteil vom 4. August 2020 - 3 A 44/19 -, juris Rn. 5 und 30,
16eine Zubereitungsmethode (flüssige Verdünnung) erwähnt, die auch von der dort zuständigen Behörde als dem homöopathischen Zubereitungsverfahren entsprechend unter § 28 TFG subsumiert worden ist.
17e) Mit dem Antragsvorbringen wird auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Frage gestellt, die Untersagungsverfügung sei auch auf der Rechtsfolgenseite nicht zu beanstanden. Mit der Rüge, die Bezirksregierung habe das ihr in § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt, stellt die Klägerin die angefochtene Entscheidung schon deshalb nicht in Frage, weil davon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. Es hat ausgeführt, der Bescheid lasse keine Ermessenserwägungen erkennen. Das Verwaltungsgericht hat aber angenommen, das Ermessen sei hinsichtlich Entschließung und Auswahl der Maßnahmen sowie des Adressaten auf Null reduziert gewesen, da sich nur die Untersagung, gerichtet gegen die Klägerin, als rechtmäßige Maßnahme erweise. Ein Einschreiten der Bezirksregierung sei im Hinblick auf die mit der Regelung des § 7 Abs. 2 TFG bezweckte Gefahrenabwehr hinsichtlich drohender Gesundheitsschäden angezeigt. Die Klägerin trägt insoweit lediglich vor, für eine im vorliegenden Fall nicht notwendige Maßnahme der Gefahrenabwehr hätte das etwa durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NW) zur Verfügung stehende Instrumentarium ausgereicht; der Klägerin sei kein Fehlverhalten, geschweige denn eine Gefährdung ihrer Patienten vorzuwerfen. Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagung auf Rechtsfolgenseite hätte die Klägerin einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 TFG zugrunde legen und auf dieser Basis der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts etwas entgegensetzen müssen. Daran fehlt es. Die Klägerin legt auch nicht dar, welche konkreten alternativen Maßnahmen auf der Grundlage der von ihr angeführten Gesetze die Bezirksregierung hier hätte in den Blick nehmen müssen. Dass Heilpraktiker nicht nur eine fachgerechte medizinische Heilbehandlung schulden, sondern auch Hygienestandards einhalten müssen und insoweit eine Überwachung der zuständigen Behörden auf der Grundlage der genannten Gesetze möglich ist, vermag den Verstoß gegen § 7 Abs. 2 TFG nicht zu beseitigen.
18Ist danach die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde zu legen, das Ermessen sei hier auf Null reduziert gewesen, kommt es auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zur fehlenden Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht mehr an. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass Untersagungsverfügungen der hier vorliegenden Art Heilpraktiker grundsätzlich nicht in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen.
19Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. April 2021 - 9 A 4109/18 -.
20Individuelle Besonderheiten werden mit der Antragsbegründung nicht dargelegt.
212. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtstreits muss als offen erscheinen. Dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall. Dass der Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts erheblich sei und dieses auf bestimmte Aspekte des Falls nicht eingegangen sei, vermag demgegenüber nicht die Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zu begründen.
223. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
23Die formulierte Frage,
24ob die Entnahme von Blut bei Patienten durch Heilpraktiker im Rahmen der Eigenbluttherapie gegen den Arztvorbehalt des § 7 Abs. 2 TFG verstößt, insbesondere weil Eigenblutpräparate im Zusammenhang mit der Eigenbluttherapie nicht als homöopathische Eigenblutprodukte nach § 28 TFG vom Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes ausgenommen sind,
25ist so schon nicht entscheidungserheblich. Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt nicht jede Blutentnahme eines Heilpraktikers im Rahmen der Eigenbluttherapie gegen § 7 Abs. 2 TFG, sondern nur diejenige, die nicht zur Herstellung eines homöopathischen Eigenblutprodukts im Sinne von § 28 TFG erfolgt. Sollte die Klägerin für klärungsbedürftig halten, ob die von ihr verwendeten Eigenblutprodukte der Ausnahmevorschrift des § 28 TFG unterfallen, lässt sich dies nicht nur dem Gesetz im Wege der Auslegung ohne Weiteres entnehmen, sondern besteht nach den in Parallelverfahren ergangenen Senatsurteilen vom 23. April 2021 - 9 A 4108/18, 9 A 4109/18, 9 A 4073/18 - auch kein grundsätzlicher Klärungsbedarf im Berufungsverfahren mehr.
26Auf die Ausführungen der Klägerin zu § 13 Abs. 2 b Nr. 3 AMG kommt es nicht an, weil nach den durch das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellten Annahmen des Verwaltungsgerichts schon der Verstoß gegen § 7 Abs. 2 TFG die Tatbestandsvoraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG erfüllt.
274. Die Klägerin legt nicht dar, dass der Gerichtsbescheid im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf einem Verfahrensmangel beruht. Der insoweit geltend gemachte Verstoß gegen die Aufklärungspflicht ist aus den oben bereits ausgeführten Gründen nicht gegeben.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
29Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- TFG § 7 Anforderungen zur Entnahme der Spende 6x
- VwGO § 124 4x
- § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG 2x (nicht zugeordnet)
- TFG § 28 Ausnahmen vom Anwendungsbereich 6x
- VwGO § 124a 1x
- 9 A 4108/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- TFG § 2 Begriffsbestimmungen 1x
- 3 A 44/19 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 4109/18 4x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 4073/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 2 b Nr. 3 AMG 1x (nicht zugeordnet)