Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 2251/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Instanzen auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1I.
2Die Klägerin ist Heilpraktikerin mit Praxissitz in E. . Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 zeigte sie der Bezirksregierung E1. an, als regelmäßige Standardkombination zur Injektionstherapie mit Eigenblut die Fertigarzneimittel von neun namentlich benannten pharmazeutischen Herstellern zu verwenden, wobei sie die angewendeten Arzneimittel nicht konkretisierte. Zudem verabreiche sie Eigenblutinjektionen „in klassischer Form“, d. h. Reinjektion des venös entnommenen Bluts. Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 wies die Bezirksregierung E1. darauf hin, dass die beabsichtigte Arzneimittelherstellung bei vorläufiger Einschätzung nicht als Herstellung homöopathischer Eigenblutprodukte im Sinne von § 28 TFG einzuordnen sei und daher eine Untersagung beabsichtigt sei. Mit Anzeige vom 17. August 2017 teilte die Klägerin mit, die Herstellung erfolge unter Verwendung arzneimittelrechtlich zugelassener oder registrierter „homöopathischer Fertigarzneimittel zur Injektionstherapie“ der bereits mit Schreiben vom 10. Juni 2016 benannten Hersteller. Sie setzte hinzu: „Eigenblutbehandlung nur mit Verwendung homöopathischer Komplexmittel unter Beimischung einer geringen Menge Eigenblut“. Nach weiterem Schriftwechsel hat die Klägerin am 7. März 2018 beim Verwaltungsgericht E1. Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass das beklagte Land nicht befugt ist, ihr die mit Schreiben vom 10. Juni 2016 und Formular vom 17. August 2017 angezeigte und beschriebene Herstellung von Arzneimitteln unter Verwendung menschlicher Ausgangsstoffe in Form der „klassischen“ Eigenbluttherapie (Reinjektion des dem Patienten entnommenen unveränderten Eigenbluts) und die Eigenbluttherapie mit Zugabe der von ihr benannten homöopathischen Komplexmittel wegen eines Verstoßes gegen den Arztvorbehalt des Transfusionsgesetzes zu untersagen. Das Verwaltungsgericht E1. hat die Klage durch Urteil vom 22. Mai 2019 abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
3II.
4Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
51. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
6Die Antragsbegründung stellt das angefochtene Urteil nicht schlüssig in Frage.
7Die Auffassung der Klägerin, das Transfusionsgesetz finde auf die streitgegenständliche Entnahme von Eigenblut schon keine Anwendung, weil es sich nicht um eine Spende handele, findet keine Stütze im Gesetz. Die Begriffsbestimmung der Spende in § 2 Nr. 1 TFG gilt unabhängig von der Menge des entnommenen Blutes und beschränkt sich nicht auf Fremdblut, sondern umfasst auch Eigenblut. Die von der Klägerin insoweit befürwortete teleologische Reduktion des Begriffs auf Fremdblutspenden kommt nicht in Betracht.
8Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. April 2021 - 9 A 4109/18 -.
9Aus der Antragsbegründung ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Ausnahmebestimmung des § 28 TFG nicht eingreift. Die Eigenblutpräparate der Klägerin sind keine homöopathischen Eigenblutprodukte im Sinne des § 28 TFG, weil sie nicht in einem homöopathischen Zubereitungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG hergestellt werden. Diese Bestimmung ist zur Auslegung des Begriffsmerkmals „homöopathisch“ maßgeblich heranzuziehen.
10Vgl. auch insoweit OVG NRW, Urteil vom 23. April 2021 - 9 A 4109/18 -.
11Ob auch das reine, von der Klägerin ihren Patienten unbehandelt reinjizierte Eigenblut ein (Eigen-)Blutprodukt im Sinne von § 28 TFG, § 2 Nr. 3 TFG i. V. m. § 4 Abs. 2 AMG ist, kann offen bleiben. Jedenfalls ist es aus den vorstehenden Gründen nicht homöopathisch und die Ausnahmeregelung des § 28 TFG aus diesem Grund nicht einschlägig.
12Die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung wird auch nicht mit dem Vortrag in Frage gestellt, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Ungeachtet der Frage, ob damit überhaupt ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründet werden können, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht auf der Grundlage eines nicht hinreichend aufgeklärten Sachverhalts entschieden. Die Klägerin meint, die Ausnahmevorschrift des § 28 TFG würde nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichts faktisch leerlaufen, von einem entsprechenden Willen des Gesetzgebers sei aber nicht auszugehen; dies habe das Verwaltungsgericht mangels Einholung eines (transfusions-)medizinischen oder pharmazeutischen Sachverständigengutachtens verkannt. Schon die Ausgangsannahme der Klägerin trifft nicht zu. Vielmehr werden in verschiedenen Fachartikeln homöopathische Eigenblutprodukte im Sinne des § 28 TFG genannt, die nach homöopathischen Zubereitungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG hergestellt werden können.
13Vgl. Staubach, Eigenbluttherapie bei Hauterkrankungen, EHK 2011, 253 (256); Hilpert-Mühlig, Der Heilpraktiker 2018, 43 (44).
14Ferner wird in dem vom Verwaltungsgericht Osnabrück entschiedenen Verfahren,
15VG Osnabrück, Urteil vom 4. August 2020 - 3 A 44/19 -, juris Rn. 5 und 30,
16eine Zubereitungsmethode (flüssige Verdünnung) erwähnt, die auch von der dort zuständigen Behörde als dem homöopathischen Zubereitungsverfahren entsprechend unter § 28 TFG subsumiert worden ist.
17Entgegen der Auffassung der Klägerin musste das Verwaltungsgericht auch nicht aufklären, welche Präparate der von der Klägerin genannten Hersteller in Kombination mit Eigenblut den Anforderungen an ein homöopathisches Eigenblutprodukt genügen. Die bloße Vermischung von Eigenblut mit einem homöopathischen Fertigarzneimittel macht das Eigenblutprodukt nicht zu einem homöopathischen im Sinne von § 28 TFG. Anhaltspunkte dafür, dass die Fertigarzneimittel der von der Klägerin benannten Hersteller eine Anwendung im Wege der Injektion nach der Vermischung mit Eigenblut vorsehen oder ansonsten diese Vermischung ein homöopathisches Zubereitungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG darstellt, sind nicht ersichtlich,
18vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. April 2021 - 9 A 4109/18 -,
19und werden auch mit der Antragsbegründung nicht benannt.
202. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtstreits muss als offen erscheinen. Dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall. Dass der Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts erheblich sei, dieses auf bestimmte Aspekte des Falls nicht eingegangen sei und von einer Übertragung auf den Einzelrichter abgesehen habe, vermag demgegenüber nicht die Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zu begründen.
213. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
22Die formulierte Frage,
23ob die Entnahme von Blut bei Patienten durch Heilpraktiker im Rahmen der Eigenbluttherapie gegen den Arztvorbehalt des § 7 Abs. 2 TFG verstößt, insbesondere weil Eigenblutpräparate im Zusammenhang mit der Eigenbluttherapie nicht als homöopathische Eigenblutprodukte nach § 28 TFG vom Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes ausgenommen sind,
24ist so schon nicht entscheidungserheblich. Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt nicht jede Blutentnahme eines Heilpraktikers im Rahmen der Eigenbluttherapie gegen § 7 Abs. 2 TFG, sondern nur diejenige, die nicht zur Herstellung eines homöopathischen Eigenblutprodukts im Sinne von § 28 TFG erfolgt. Sollte die Klägerin für klärungsbedürftig halten, ob die von ihr verwendeten Eigenblutprodukte der Ausnahmevorschrift des § 28 TFG unterfallen, lässt sich dies nicht nur dem Gesetz im Wege der Auslegung ohne Weiteres entnehmen, sondern besteht nach den in Parallelverfahren ergangenen Senatsurteilen vom 23. April 2021 - 9 A 4108/18, 9 A 4109/18, 9 A 4073/18 - auch kein grundsätzlicher Klärungsbedarf im Berufungsverfahren mehr.
254. Die Klägerin legt nicht dar, dass das Urteil im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf einem Verfahrensmangel beruht. Der insoweit geltend gemachte Verstoß gegen die Aufklärungspflicht ist aus den oben bereits ausgeführten Gründen nicht gegeben.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Mangels näherer Anhaltspunkte für die wirtschaftlichen Auswirkungen der begehrten Feststellung, die lediglich einen Teilbereich der Berufsausübung der Klägerin betrifft, ist der Auffangwert zugrunde zu legen (vgl. auch Ziff. 25.2 des Streitwertkatalogs).
27Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- TFG § 7 Anforderungen zur Entnahme der Spende 2x
- VwGO § 124 4x
- § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG 3x (nicht zugeordnet)
- TFG § 28 Ausnahmen vom Anwendungsbereich 10x
- VwGO § 154 1x
- 9 A 4108/18 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 2 AMG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- TFG § 2 Begriffsbestimmungen 2x
- 3 A 44/19 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 4109/18 4x (nicht zugeordnet)
- 9 A 4073/18 1x (nicht zugeordnet)