Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 3461/20
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 17.11.2020 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Zulassungsvorbringen begründet nicht die ausschließlich geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angegriffenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 –, NVwZ 2021, 325 = juris, Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 – 7 AV 4.03 –, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 = juris, Rn. 9.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem sinngemäßen Antrag,
6die Bescheide der Beklagten vom 6.6.2019 über die Schließung der Spielhallen I und III aufzuheben,
7als unbegründet abgewiesen. Die in Nr. 1 der Bescheide verfügte Schließung der Spielhallen I und III stütze sich auf § 15 Abs. 2 GewO. Den in Rede stehenden Gewerbebetrieben – hier den Spielhallen I und III – fehle es vorliegend seit dem Ablauf der auf sie anwendbaren fünfjährigen Übergangsfrist (§ 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV) und dem weiteren Ablauf der jeweils unter Befreiung vom Verbot der Mehrfachkonzessionen bis zum 31.3.2018 befristeten glücksspielrechtlichen Erlaubnisse vom 24.11.2017 an einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Die streitgegenständlichen Schließungsverfügungen seien auch nicht ermessensfehlerhaft. Der Betrieb der Spielhallen I und III müsse nicht ohne die erforderliche Erlaubnis bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über einen gestellten Erlaubnisantrag geduldet werden. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllte und dies offensichtlich, das heißt ohne weitere Prüfung, erkennbar wäre, so dass die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich wäre. Eine Erlaubniserteilung nach den §§ 24 Abs. 1, 25 GlüStV, § 16 Abs. 2 und 3 AG GlüStV NRW werde auch künftig jedenfalls an dem Verbot der Mehrfachkonzessionen scheitern, solange die Spielhalle II im gleichen Gebäude oder aber eine weitere erlaubte Spielhalle im Abstand von weniger als 350 m Luftlinie betrieben werde und es ‒ wie hier ‒ an dem Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne von § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV fehle. Die Beklagte habe vorliegend auch erkannt, dass die Entscheidung in ihrem Ermessen liege. Die Erwägungen, wonach die Betriebsschließungen geboten seien, um eine Weiterführung des nicht erlaubten und nicht erlaubnisfähigen Betriebs im Hinblick auf die Sicherung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Spielsuchtbekämpfung, zu verhindern und damit der Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut zu dienen, seien zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch im Übrigen nicht ermessensfehlerhaft.
8Die gegen diese Wertung erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
9Das Zulassungsvorbringen gibt nichts Durchgreifendes dafür her, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Rahmen der Härtefallprüfung eine nicht zureichende Ermessensentscheidung der Beklagten wegen der fehlenden Kündigungsmöglichkeit und Existenzgefährdung der Klägerin vorliegen könnte. Insoweit hat der Senat in seinem Beschluss 4 A 3459/20 gleichen Rubrums vom heutigen Tage darauf verwiesen, dass im Falle der Klägerin bereits keine Anzeichen für das Vorliegen einer unbilligen Härte ersichtlich sind.
10Der weitere Einwand, im Rahmen der nach § 15 Abs. 2 GewO zu treffenden Ermessensentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, dass durch die Schließung der Spielhallen der Klägerin die Möglichkeit genommen werde, in das durch den seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Glücksspielstaatsvertrag 2021 vorgesehene Zertifizierungsverfahren zu gelangen, verfängt ebenfalls nicht.
11Eine Schließungsanordnung nach § 15 Abs. 2 GewO ist grundsätzlich bereits gerechtfertigt, solange unklar ist, ob die Erlaubnisvoraussetzungen vorliegen. Erst die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis, nicht schon ein hierauf gerichteter Antrag oder eine entsprechende Klage, schließt ein Einschreiten nach dieser Vorschrift aus. Zweck der Ermächtigung in § 15 Abs. 2 GewO ist es gerade, den Erlaubnisvorbehalt zur Sicherung des Geschäftsverkehrs durchzusetzen, also die vorherige Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Wird von dieser Ermächtigung fehlerfrei Gebrauch gemacht, ist dem jeweiligen Antragsteller deshalb zuzumuten, den regulären Abschluss des Erlaubnisverfahrens abzuwarten.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16.3.2020 ‒ 4 B 977/18 ‒, ZfWG 2020, 274 = juris, Rn. 40 f., und vom 10.2.2020 ‒ 4 B 1253/18 ‒, NWVBl. 2020, 391 = juris, Rn. 7 ff., m. w. N.
13Zwar wird aktuell ausweislich der für die Zeit nach dem 1.7.2021 beschlossenen staatsvertraglichen Neuregelung zur Glücksspielregulierung für am 1.1.2020 bestehende Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen, auf gemeinsamen Antrag der Betreiber für bis zu drei Spielhallen je Gebäude oder Gebäudekomplex abweichend vom Verbundverbot eine Erlaubnis in Aussicht gestellt.
14Vgl. Bekanntmachung des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) vom 28.4.2021, GV. NRW. S. 459; Art. 1 Nr. 20 des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags vom 12.3.2021, LT-Drs. 17/12978, S. 37 f.
15Derartige Beschlüsse des Gesetzgebers für zukünftiges Recht sind aber für den auf der Grundlage des geltenden Rechts zu entscheidenden Rechtsstreit unerheblich. Deren Umsetzung ist von der Klägerin abzuwarten.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 4700/19 ‒, juris, Rn. 81.
17Diese rechtspolitischen Aussichten waren auch nicht im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, zumal bei ihrem Ergehen noch erhebliche Unsicherheiten über die seinerzeit noch ausstehende Ratifizierung der Neuregelung und darüber bestanden, ob und gegebenenfalls mit welchem genauen Inhalt auch in Nordrhein-Westfalen gegebenenfalls entsprechende Ausführungsbestimmungen tatsächlich in Kraft treten werden. Aktuell ist in Nordrhein-Westfalen im Übrigen gerade nicht geplant, dass von der ausweislich der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 ausdrücklich (nur) dem Bestandsschutz dienenden Neuregelung auch solche Spielhallen profitieren sollen, deren Betrieb untersagt oder für die ein Erlaubnisantrag abgelehnt worden ist, falls die Untersagung beziehungsweise die Ablehnung vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 bestandskräftig wird.
18Vgl. Art. 1 Nr. 20 des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags vom 12.3.2021, LT-Drs. 17/12978, S. 37 f.
19Deshalb ist unerheblich, dass die Klägerin sich eigenem Bekunden zufolge in Bezug auf die Qualitätsanforderungen als stark aufgestellt ansieht.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
21Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
22Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
- §§ 24 Abs. 1, 25 GlüStV 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- § 1 GlüStV 1x (nicht zugeordnet)
- GewO § 15 Empfangsbescheinigung, Betrieb ohne Zulassung 4x
- § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 1x (nicht zugeordnet)
- § 16 Abs. 2 und 3 AG 1x (nicht zugeordnet)
- § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 152 1x
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2426/17 1x (nicht zugeordnet)
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- 4 B 977/18 1x (nicht zugeordnet)
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