Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 3275/20
Tenor
Der Antrag der Beklagten wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 16.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist nicht wegen – allein geltend gemachter – ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
4Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Der Senat soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen. Die Berufung ist zunächst nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
5Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und konkret aufzeigen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen sie ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will.
6Das fristgerechte Zulassungsvorbringen in der Zulassungsbegründungsschrift vom 2. Dezember 2020 zeigt keine solchen ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung auf.
71. Das Zulassungsvorbringen begründet zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe, indem er sich am 30. November 2016 einem verbindlichen Befehl eines Vorgesetzen (Rückgabe eines Fahrzeuges) ohne berechtigten Grund widersetzt und sich über diesen Vorgesetzen gegenüber Dritten beleidigend geäußert habe, seine Dienstpflichten nach den §§ 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 12 und 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt; ein Verstoß gegen § 8 2. Alt. SG (politische Treuepflicht) liege aber selbst dann nicht vor, wenn man zu Lasten des Klägers unterstelle, er habe den Vorgesetzten als „Kanaken“ bezeichnet.
8Soweit die Beklagte allgemein und ohne zwischen den dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen zu differenzieren die auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Maßstäbe zur Verletzung der politischen Treuepflicht wiedergibt, genügt dies schon offenkundig nicht den o. a. Darlegungsanforderungen. Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen der Beklagten in der Behauptung, diese beleidigende Äußerung habe ungeachtet der Frage, ob dadurch § 8 SG verletzt sei, eine rechtsextremistische „Konnotation“. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der eingehenden Begründung des Verwaltungsgerichts dafür, dass diese Wortwahl im konkreten Einzelfall des Klägers gerade nicht Ausdruck einer rechtsextremen Haltung oder Einstellung war, fehlt allerdings.
9Ohne eine solche inhaltliche Auseinandersetzung dringt die Beklagte jedoch auch weder mit der auf dieser unbegründet aufgestellten Prämisse aufbauenden Behauptung durch, der Kläger sei in der Zeit um den 17. Mai 2017 (Überprüfung seines Handys durch den MAD und Auffinden von Bildern mit rechtsextremen Inhalten) „erneut“ bzw. „wiederholt“ mit rechtsextremistischem Verhalten aufgefallen, noch mit den aus der angeblichen Häufung rechtsextremen Verhaltens gezogenen Folgerungen im Rahmen der (zudem völlig unstrukturiert abgehandelten) Prüfungspunkte schwerwiegender Verstoß gegen die Treuepflicht, Gefährdung der militärischen Ordnung, Nachahmungsgefahr, Wiederholungsgefahr und Verhältnismäßigkeit der fristlosen Entlassung.
102. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein Verstoß gegen die Pflicht aus § 8 Alt. 1 SG, die freiheitlich demokratische Grundordnung anzuerkennen, liege – anders als ein Verstoß gegen § 8 Alt. 2 SG – nicht vor, weil die mit dem hier vorliegenden Besitz von Bildern mit rechtsextremen Inhalten in der Zeit um den 17. Mai 2017 regelmäßig verbundene Indizwirkung für eine verfassungsfeindliche Einstellung im konkreten Fall des Klägers ausnahmsweise nicht greife, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Der Hinweis der Beklagten, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Besitz der Fotos beruhe auf einer altersunangemessenen Unreife, einer geringen (formellen) Bildung sowie einer allgemeinen Gedankenlosigkeit und nicht auf einer nationalsozialistischen Gesinnung, sei „unverständlich“ bzw. „verwundere“, wird hier und in den anderen Zusammenhängen, in denen er wiederholt wird, den Darlegungsanforderungen ersichtlich ebenfalls nicht gerecht.
113. Das Zulassungsvorbringen begründet ferner keine Zweifel an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die festgestellten Pflichtverletzungen begründeten keine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung der Bundeswehr im Sinne von § 55 Abs. 5 SG. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, es komme entscheidend darauf an, wie ernst die der militärischen Ordnung ohne die fristlose Entlassung durch Dienstpflichtverletzung drohende Gefahr sei. Unter „militärischer Ordnung“ sei der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. In der Rechtsprechung hätten sich Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen sei. Dies gelte vor allem für Dienstpflichten im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigten.
12Bei Dienstpflichtverletzungen im Randbereich des Militärischen könne regelmäßig dann auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich um schwerwiegende Dienstvergehen handele, wenn die begründete Befürchtung bestehe, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich um eine Disziplinlosigkeit handele, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftrete oder um sich zu greifen drohe (Nachahmungsgefahr).
13Der militärische Kernbereich sei betroffen, wenn ein Verstoß inhaltlichen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit aufweise und (kumulativ) die personelle oder materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unmittelbar beeinträchtigt sei. Hierunter fielen nur schwere innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen bzw. ein außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nicht jede Pflichtwidrigkeit unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr beeinträchtige.
14a) Hinsichtlich des Verhaltens des Klägers vom 30. November 2016 hat das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung unterstellt, dieses sei dem Kernbereich zuzuordnen und schon deshalb eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung. Der Vortrag der Beklagten, die diskriminierende Beleidigung im zeitlichen und sachlichen Kontext mit einer Befehlsverweigerung treffe sehr wohl den Kern der militärischen Ordnung, es sei nicht erkennbar, dass hier ein vermeintliches scherzhaftes Äußern in einem privaten Kontext vorliegen würde, und die Bundeswehr könne ein derartiges Verhalten weder gegenüber Gleichgestellten noch gegenüber Vorgesetzten dulden, geht daher von vorneherein ins Leere.
15b) Die Beklagte hat auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern vermocht, das Verhalten des Klägers um den 17. Mai 2017 sei nur dem militärischen Randbereich zuzuordnen, weil der festgestellte Besitz der Bilder auf dem privaten Handy nicht in einem hinreichenden inhaltlichen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit gestanden habe, sondern nur einen losen und eher beiläufigen örtlichen Bezug zur Tätigkeit als Soldat auf Zeit aufgewiesen habe. Der Kläger habe die Inhalte nicht auf dienstlichen Datenträgern, sondern auf seinem privaten Handy gespeichert. Er habe sich gegenüber anderen Soldaten weder des Besitzes solcher Inhalte berühmt, noch habe er solche Inhalte mit anderen Soldaten angesehen oder ihnen zugeleitet. Zwar habe der Kläger durch das Mitführen des privaten Handys im Bereich der dienstlichen Anlagen gegen eine innerdienstliche Vorschrift verstoßen, was auch eine Verletzung der dienstlichen Wohlverhaltenspflicht begründe. Es sei allerdings zu berücksichtigen, dass sich das Verhalten des Klägers nicht gegen Kameraden oder Vorgesetzte gerichtet habe, sondern sich ausschließlich im privaten Bereich abgespielt habe. Überdies sei auch keine für eine Kernbereichsverletzung erforderliche hinreichende und unmittelbare Beeinträchtigung der personellen oder materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr festzustellen. Der Kläger habe mit seinem Verhalten zwar durchaus das „uneingeschränkte" Vertrauen seiner Vorgesetzten verloren; dies genüge nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings noch nicht für die Annahme einer Kernbereichsverletzung. Zwar könne ein Verhalten eines Soldaten, das geeignet ist, so nachhaltige Zweifel an seiner dienstlichen Zuverlässigkeit zu begründen, dass dadurch das Vertrauen in seine soldatische Integrität unheilbar zerstört werde, für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich ausreichend sein. Das könne namentlich dann gelten, wenn die Pflicht zur unbedingten Verfassungstreue eines Soldaten aus § 8 SG berührt sei. Das setze in tatsächlicher Hinsicht jedoch voraus, dass das Dienstvergehen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls tatsächlich geeignet gewesen sei, das Achtungs- und Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu seinem Soldaten unheilbar zu zerstören. Davon sei aber selbst dann nicht auszugehen, wenn zu Lasten des Klägers unterstellt werde, dass er am 30. November 2016 seinen Vorgesetzen als „Kanaken“ bezeichnet habe. Weder zum Zeitpunkt des Dienstvergehens um den 17. Mai 2017 noch zu einem anderen Zeitpunkt hätten für die Beklagte durchgreifende Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, dieses Verhalten des Klägers beruhe auf einer nationalsozialistischen Gesinnung. So habe der Kläger engen Kontakt mit Kameraden und Vorgesetzten gepflegt, die einen Migrationshintergrund hätten. Auch habe es keine weiteren Vorfälle des Klägers während seiner Stationierung in B. gegeben, die auf eine rechtsextreme Gesinnung des Klägers hätten schließen lassen. Überdies sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger um den 17. Mai 2017 wegen des Verdachts auf Islamismus untersucht worden sei, was sich mit der Annahme einer nationalsozialistischen Gesinnung nicht vereinbaren lasse. Abgesehen davon hätten der Beklagten keine Belege dafür vorgelegen, dass der Kläger die Zusendung rechtsextremer Bilder veranlasst oder sich gegenüber anderen Soldaten des Besitzes solcher Inhalte berühmt hätte, noch dass er solche Inhalte mit anderen Soldaten angesehen bzw. mit ihnen solche Inhalte geteilt habe. Auch aus dem Versand des Fotos des Mutterkreuzes sei nicht auf eine rechtsextreme Gesinnung zu schließen. Zudem sei festzustellen, dass der Kläger, seinen soldatischen Pflichten im Übrigen offenbar stets nachgekommen sei und er sich sonst nichts habe zuschulden kommen lassen. Nach alledem genüge das Verhalten des Klägers – auch unter Berücksichtigung des Dienstvergehens vom 30. November 2016 – im vorliegenden Einzelfall trotz des Verstoßes gegen gewichtige soldatenrechtliche Grundpflichten nicht, um das Vertrauen in die Integrität des Klägers unwiderruflich und unheilbar in Frage zu stellen. Vielmehr hätte eine eingriffsintensive Disziplinarmaßnahme ausgereicht, um das Vertrauen des Dienstvorgesetzten in die verantwortungsbewusste Pflichterfüllung nachhaltig sicherzustellen.
16Dem setzt die Beklagte zunächst nur die Einschätzung entgegen, es sei nicht entscheidend, dass der Kläger die auf seinem Handy vom MAD immerhin aufgefundenen Bilden nicht seinen Kameraden gezeigt habe, weil bei der ihm vom Verwaltungsgericht attestierten Gedankenlosigkeit die Gefahr bestanden habe, dass er dies hätte tun können. Warum indes allein die Möglichkeit, einen privaten Sachverhalt in den dienstlichen Bereich einzubringen, ausreichen soll, den erforderlichen dienstlichen Bezug zu begründen, legt die Beklage nicht dar. Dies drängt sich auch nicht auf. Diese Möglichkeit besteht nämlich ungeachtet der Persönlichkeit des Soldaten für alle privaten Sachverhalt mit der kaum wünschenswerten Folge, dass private Sachverhalt immer einen dienstlichen Bezug hätten.
17Davon, dass – wie die Beklagte in ihrem Zulassungsvorbringen betont – der Kläger durch die Dienstpflichtverletzungen das Vertrauensverhältnis mit seinem Dienstherrn schwer beeinträchtigt hat, geht auch das Verwaltungsgericht aus. Die Annahme der Beklagten allerdings, dieses Vertrauensverhältnis sei so unheilbar zerstört, dass nur die Entlassung in Betracht gekommen sei, hätte schon unter Darlegungsgesichtspunkten einer eingehenderen Auseinandersetzung mit der oben wiedergegebenen, abweichenden Begründung des Verwaltungsgerichts erfordert als die bloßen Behauptungen, es spiele weder eine Rolle, dass der Kläger keine Vorgesetzteneigenschaft gehabt habe noch dass er die Bilder nicht seinen Kameraden gezeigt habe.
18c) Auch soweit die Beklagte die Annahme des Verwaltungsgerichts angreift, das Verhalten des Klägers um den 17. Mai 2017 begründe keine schwerwiegende Pflichtwidrigkeit im Sinne einer Kernbereichsverletzung, dringt sie nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat hier zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe zwar auch § 8 Alt. 2 SG verletzt, eine Vorschrift, der innerhalb der Bundeswehr ein hoher Stellenwert zukomme. Dies indiziere bei der Beurteilung einer Kernbereichsverletzung zwar eine „Schwere“, was allerdings aufgrund der Umstände des Einzelfalls vorliegend widerlegt sei. So sei dem Kläger nur der in der Vernehmung vom 18. Mai 2017 eingeräumte Umgang mit wenigen Bilder mit nationalsozialistischen Bezügen nachweisbar, wobei hinsichtlich des Versands des Bildes des Mutterkreuzes die Hintergründe mildernd zu berücksichtigen sein dürften. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass der Kläger im Rahmen der von ihm geltend gemachten Recherchen wenige weitere Bilder mit Hakenkreuzen etc. auf dem Handy gehabt habe, so begründe auch dies keine schwerwiegende Pflichtverletzung. Dem Kläger sei insoweit mangels Vorlage der Bilder und ohne nähere Informationen zu ihrem Kontext nicht nachweisbar, dass den Bildern ein über die Darstellung geschichtlicher Ereignisse hinausgehender bzw. schwerwiegender Erklärungsgehalt zuzumessen gewesen sei. Dagegen spreche vielmehr, dass zu erwarten gewesen sei, dass diese Inhalte in der Anhörung vom 18. Mai 2017 konkret thematisiert worden wären, wenn sie einen etwa über die erörterten Bilder (z. B. der Tasse mit der schwarz-weiß-roten Flagge) hinausgehenden rechtsextremen Bezug aufgewiesen hätten. Dem Kläger habe ferner die Bilder mit rechtsextremem Inhalt weder hergestellt, noch mit anderen Soldaten angesehen, sich des Besitzes berühmt oder solche Inhalte mit anderen Soldaten geteilt. Zwar dürfe auch der Besitz der wenigen Bilder, die sich teilweise über Wochen auf seinem Handy befunden hätten, in der Bundeswehr nicht geduldet werden.
19Mit dieser Begründung setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht ansatzweise auseinander, sondern es verbleibt auch hier bei der – wie oben dargelegt – unter Darlegungsgerichtspunkten unzureichenden bloßen Behauptung, es handele sich um schwerwiegende Pflichtverletzungen, weil der Kläger innerhalb kürzester Zeit wiederholt mit rechtsextremistischen Konnotationen aufgefallen sei. Die Beklagte geht zudem völlig undifferenziert davon aus, dass der Kläger im Besitz von Bilden mit Hitlergruß, Hakenkreuz, Mutterkreuz und einer Tasse mit schwarz-weiß-roter Flagge war, ohne auch nur im Geringsten auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts einzugehen, dass sie einen entsprechenden Nachweis nur teilweise hat führen können.
20d) Das Zulassungsvorbringen vermag auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen, die Entlassung sei bezogen auf die Dienstpflichtverletzung um den 17. Mai 2017 auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Randbereichs gerechtfertigt, weil es sich bei dem nachweisbaren Fehlverhalten des Klägers nicht um Dienstvergehen von erheblichem Gewicht gehandelt habe. Es setzt sich nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, bei der Beurteilung, ob ein Dienstvergehen von erheblichem Gewicht vorliegt, seien als Gesichtspunkte insbesondere die mit dem außerdienstlichen Verhalten verbundene (kriminelle) Energie sowie der angestrebte bzw. verwirklichte Schaden zu berücksichtigen. Ausgehend von diesen Grundsätzen komme den Dienstvergehen kein solches Gewicht zu; insoweit sei ergänzend zu den Ausführungen zu den Umständen der jeweiligen Pflichtwidrigkeiten Bezug festzustellen, dass sich der Kläger durch sein Verhalten, soweit es ihm nachweisbar ist, nicht strafbar gemacht habe. Der Besitz von Bildern mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verstoße ebenso wenig gegen § 86a StGB wie der Versand des Bildes des Mutterkreuzes strafbar. Abgesehen davon spreche gegen die Annahme eines Dienstvergehens von erheblichem Gewicht, dass mit dem Verhalten des Klägers am 30. November 2016 und um den 17. Mai 2017 keine besondere (kriminelle) Energie verbunden gewesen sei und er weder einen konkreten Schaden verursacht, noch angestrebt habe.
21e) Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Entlassung des Klägers habe im vorliegenden Einzelfall nicht auf die Fallgruppe der Nachahmungsgefahr gestützt werden können, begegnet im Lichte des Zulassungsvorbringens keinen durchgreifenden Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dieser Fallgruppe liege der Gedanke zu Grunde, dass eine einzelne Dienstpflichtverletzung zwar für sich betrachtet nicht schwerwiegend sein müsse, sie sich jedoch als typisches Teilstück einer allgemeinen und schwer zu bekämpfenden Erscheinung darstellen könne. Zur Beurteilung, ob eine Nachahmungsgefahr bestehe, sei ebenfalls auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen. Nicht jedes Fehlverhalten rechtfertige die Annahme, dass es sich um ein verbreitetes Phänomen handele oder dass andere Soldaten dadurch verleitet würden, ähnliche Pflichtverletzungen zu begehen. Im Rahmen der Bewertung seien insbesondere die Art und Weise der Begehung des Dienstvergehens zu berücksichtigen, der persönlichen Vorteil, den der Soldat aus dem Dienstvergehen ziehen könne, sowie die Stellung des Soldaten in der Hierarchie der Bundeswehr. Zudem sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu bewerten, ob einer Nachahmungsgefahr gegebenenfalls durch Disziplinarmaßnahmen entgegengewirkt werden könne. Zur Beurteilung, ob andere Soldaten zu ähnlichen Dienstvergehen verleitet würden, sei auf einen aufgeschlossenen, mit den Umständen des Einzelfalls vertrauten und objektiv wertenden Soldaten abzustellen. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sei mit dem Verstoß gegen § 8 Alt. 2 SG ein Verhalten verbunden gewesen, das jedenfalls in dem Kameradenkreis des Klägers bekannt geworden sei und grundsätzlich die begründete Gefahr einer Nachahmung rechtfertige. Die Beklagte habe ohne weiteres nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es sich bei rechtsextremen Aktivitäten von Soldaten um ein allgemeines Problem handele, das, um eine ansonsten drohende Festsetzung dieses Problems in den Streitkräften zu verhindern, schon im Anfangsstadium mit der gebotenen Härte bekämpft werden müsse. Dies schließe es regelmäßig ein, bereits dem durch objektive Tatsachen begründeten Anschein des Bestehens einer derartigen Gesinnung wirksam entgegenzutreten. Mit § 8 Alt. 2 SG sei grundsätzlich auch die Gefahr unvereinbar, dass andere Soldaten „aus Spaß“ dem Vorbild eines anderen Soldaten nacheiferten, wenn der Eindruck entstünde, dass solche Verstöße gegen die politische Treuepflicht geduldet würden. Dass eine solche Gefahr grundsätzlich auch im Dezember 2017 bestanden habe, werde insoweit durch die Aussage des Oberstabsfeldwebels M. bestätigt, der unter Nennung eines konkreten Beispiels nachvollziehbar auf ein allgemeines Problem unterschwellig gemeinten Spaßes mit rechtsradikalem Bezug in der Bundeswehr hingewiesen habe. Es sei aber davon auszugehen, dass die Nachahmungsgefahr in der vorliegenden Konstellation so gering gewesen sei, dass dieser – auch im Lichte eines gebotenen energischen Vorgehens gegenüber rechtextremen Aktivitäten in der Bundeswehr – noch hinreichend durch eine eingriffsintensive Disziplinarmaßnahme habe begegnet werden können. Zu Gunsten des Klägers sei dabei im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass er als Hauptgefreiter keine Vorgesetztenfunktion eingenommen habe. Die Stellung des Klägers innerhalb der Truppe sei klar untergeordnet gewesen. Das Verhalten eines solchen Soldaten sei im Regelfall – und auch hier – nicht gleichermaßen prägend, wie dies bei einem Vorgesetzten oder bei einem dienstälteren Soldaten mit höherem Dienstgrad der Fall sei. Dies treffe auch hier zu. Die ehemaligen Vorgesetzten hätten keinen Hehl daraus gemacht, dass sie den Kläger als „stumpf“ wahrgenommen und Zweifel an seinen kognitiven Fähigkeiten gehegt hätten. Dies spreche dafür, dass dem Kläger keine Rolle zugekommen sei, die für Kameraden besonders nacheifernswert gewesen sei. Auch nach dem Eindruck des Gerichts sei dem Kläger insbesondere im Hinblick auf seineAußenwirkung, seine damalige berufliche Laufbahn und sein Dienst- und Lebensalter nicht annähernd die Vorbildfunktion zugekommen sein, die beispielsweise seine ehemaligen Vorgesetzen auf andere (dienstjunge) Soldaten gehabt haben dürften. Zudem habe der Kläger sich glaubhaft von seiner Verfehlung distanziert. Es liege auf der Hand, dass eine Nachahmungsgefahr im Einzelfall geringer einzuschätzen sei, wenn der Soldat sich von seiner Verfehlung distanziere. Eine zeitliche Grenze werde insoweit regelmäßig dadurch gesetzt, dass im Rahmen der Entlassung an das bisherige Verhalten des Betroffenen anzuknüpfen sei, also an das Verhalten bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Vorliegend habe der Kläger sich schon am 18. Mai 2017 dahingehend eingelassen, dass er das mit den vorhandenen Bildern verbundene Gedankengut nicht teile. Dies sei trotz der indiziellen Wirkung der Bilder auch glaubhaft; insoweit gelte dasselbe wie bei der Frage, ob der Kläger um den 17. Mai 2017 gegen die Pflicht zur Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung gemäß § 8 Alt. 1 SG verstoßen habe. Die dort berücksichtigten Umstände seien der Beklagten zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung im Wesentlichen durch die Vernehmung des Klägers sowie zahlreicher Kameraden und Vorgesetzten auch bekannt gewesen. Gerade die Vernehmungen der Kameraden und Vorgesetzten im Verwaltungsverfahren zeigten auch, dass es sich anderen Soldaten habe aufdrängen müssen, dass das Verhalten des Klägers nicht auf einer rechtsextremen Gesinnung, sondern auf einer Unreife, fehlender (formeller) Bildung sowie auf Gedankenlosigkeit beruhte. Ausschlaggebend sei hier auch, dass sich die Vorwürfe gegen den Kläger weitgehend nicht bestätigt hätten. Der Kläger habe den Eindruck einer rechtsextremen Gesinnung widerlegen können. Auch sei weder mit Bindungswirkung festgestellt, noch sonst nachweisbar, dass er etwa eine größere Menge Bilder mit rechtsextremen Inhalt besessen, solche Inhalte hergestellt, mit anderen Soldaten angesehen, sich des Besitzes berühmt oder solche Inhalte mit anderen Soldaten oder sonst in einer Art und Weise, die die Annahme einer rechtsextremen Gesinnung rechtfertigen, geteilt habe. Es könne aus der Sicht eines objektiv wertenden Soldaten durchaus einen Unterschied machen, ob ein Soldat eine entsprechende Gesinnung aktiv gegenüber Dritten zum Ausdruck bringe, etwa durch das öffentliche Zeigen des Hitlergrußes, dem Tragen szenetypischer Kleidung oder mit der öffentlichen Verbreitung rechtsextremer Inhalte, oder ob er sich im Wesentlichen durch den nicht öffentlichen Umgang mit wenigen Inhalten aufgrund einer Unreife, geringen (formellen) Bildung sowie einer allgemeinen Gedankenlosigkeit nicht hinreichend von solchen Bestrebungen distanziert habe. Während im ersten Fall die Entfernung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit die angemessene und zur Verhinderung einer allgemeinen Disziplinlosigkeit in den Streitkräften durchaus erforderliche Reaktion sein könne, erfordere der zweite Fall nicht zwingend eine ähnlich scharfe Sanktion, um Dritte davon abzuhalten, sich in ähnlicher Weise zu verhalten. Insoweit unterscheide sich der vorliegende Einzelfall wesentlich von anderen in der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalten. Es sei nach alledem möglich gewesen, der verbleibenden geringen Restgefahr im vorliegenden Einzelfall durch eine eingriffsintensive Disziplinarmaßnahme hinreichend zu begegnen.
22Demgegenüber wiederholt die Beklagte zunächst im Wesentlichen die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach zwar bereits im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen sei, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme als ein notwendiges, aber auch milderes Mittel abgewendet werden könne, ein Schaden für die militärische Ordnung im Hinblick auf eine verhängte Disziplinarmaßnahme allerdings nur dann zu verneinen sei, wenn es sich bei der Dienstpflichtverletzung um eine Affekthandlung ohne Wiederholungsgefahr handele, die auch nicht Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zur Disziplinlosigkeit sei. Handele es sich dagegen – wie hier – um ein Teilstück einer allgemein um sich greifenden Disziplinlosigkeit, so sei davon auszugehen, dass dem befürchteten Schaden, der ernstlichen Gefährdung der Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr, durch Disziplinarmaßnahmen nicht wirksam zu begegnen sei. Sei der Einzelfall der Dienstpflichtverletzung nämlich nicht für sich zu betrachten, sondern als das typische Teilstück einer allgemeinen und schwer zu bekämpfenden Erscheinung, sei die aus ihr drohende Gefahr wesentlich größer als der Einzelfall erkennen lasse. Auch hier müsse bei der vorausschauenden Beurteilung der drohenden Gefahr und ihrer Ernstlichkeit berücksichtigt werden, dass derartige um sich greifende, in den Bereich typischer menschlicher Schwächen fallende schwere Nachlässigkeiten nur durch Aufwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel eingedämmt werden könnten.
23Auch das Verwaltungsgericht hat diese Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Mit den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen, warum vorliegend aufgrund einer Würdigung des Einzelfalls ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung geboten ist, setzt sich das Zulassungsvorbringen jedoch nicht substantiiert auseinander, und zwar auch nicht mit der vom Verwaltungsgerichtsgericht ebenfalls geteilten Einschätzung, bei Dienstvergehen mit rechtsextremistischem Bezug handele es sich um Verhalten in der Truppe, das – um eine ansonsten drohende Festsetzung dieses Problems in den Streitkräften zu verhindern – schon im Anfangsstadium mit der gebotenen Härte bekämpft werden müsse und gerade auch das Vorhandensein von Fotos und Abbildungen mit rechtsextremem Bezug auf dem Handy von Soldaten sei ein häufig auftretendes Problem in der Bundeswehr.
24Warum – wie die Beklagte meint – das Verbleiben des Klägers im Dienst auch dann von anderen Soldaten leicht missverstanden würde und der Eindruck entstehen könnte, dass die Bundeswehr ein solches Verhalten dulde, wenn dem Kläger statt seiner Entlassung eine strenge und deutlich einschneidende Disziplinarmaßnahme auferlegt würde, begründet die Beklagte ebenso wenig wie ihre weitere Befürchtung, dadurch könne sogar ein Anreiz geboten werden, sich ebenso über die Dienstpflichten hinwegzusetzen, was eine allgemeine Lockerung der Disziplin zur Folge haben könne. Nichts von dem drängt sich ohne weiteres auf.
25f) Dieses völlig unsubstantiierte Vorbringen rechtfertigt nach alledem auch keine ernstlichen Zweifel an der – wiederum sehr ausführlich begründeten – Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die fristlose Entlassung sei unter Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch hinsichtlich der Pflichtverletzung vom 30. November 2016 nicht gerechtfertigt gewesen.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
27Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 40, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
28Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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