Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1417/21
Tenor
1. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
21. Der Antrag des Kläger vom 20. Juni 2021 auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 173 VwGO i. V. m. § 78 Abs. 1 ZPO ist abzulehnen.
3Nach dieser Vorschrift hat, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass der Kläger keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat.
4Ein "Nicht-Finden" i. S. d. § 78 b Abs. 1 ZPO kann nur dann angenommen werden, wenn der Rechtsmittelführer zumutbare Anstrengungen zur Einschaltung eines Rechtsanwalts ergriffen hat, die erfolglos geblieben sind, und er dies dem Gericht gegenüber nachweist. Erforderlich ist, dass der Rechtsschutzsuchende innerhalb der Frist zur Stellung des Zulassungsantrages substantiiert darlegt und glaubhaft macht, rechtzeitig alles ihm Zumutbare getan zu haben, um sich vertreten zu lassen. Dazu gehört, dass er eine angemessene Zahl von postulationsfähigen Prozessvertretern vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht hat
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 –, juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – VI ZR 219/99 –, juris, Rn. 2 f., wonach die Kontaktaufnahme zu lediglich drei der 28 am BGH zugelassenen Rechtsanwälte nicht ausreicht; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2003 – 9 A 2240/03 –, juris, Rn. 3.
6Daran mangelt es hier. Der Kläger hat schon nicht dargelegt eine hinreichende Anzahl von Rechtsanwälten kontaktiert zu haben. Nach seinem eigenen Vortrag hat er lediglich den Verdi Landesverband NRW sowie die Kanzlei „E. Rechtsanwälte“, C. , zur Mandatsübernahme ersucht.
7Darüber hinaus war letztere ausweislich der vorgelegten E-Mail vom 17. Mai 2021 ausdrücklich zu einer rechtlichen Prüfung bereit. Dass sie diese Bereitschaft von dem Abschluss einer Gebührenvereinbarung abhängig gemacht hat, ist im Hinblick auf die Beiordnung eines Notanwalts unerheblich. Außerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens kann sich der die Beiordnung begehrende Rechtsmittelführer nicht auf ein Scheitern der Mandatsübernahme berufen, das allein auf finanziellen Gründen, etwa einer fehlenden Bereitschaft zur Zahlung der vom Anwalt verlangten Vergütung, beruht.
8OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2003 – 9 A 2240/03 –, juris, Rn. 5 m. w. N.
9Dass die „E. Rechtsanwälte“ nur zu einer „rechtlichen Prüfung“ nicht aber zur gerichtlichen Vertretung bereit gewesen sein sollten, hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt.
10Der Kläger hat ferner nicht belegt, dass der Verdi Landesverband NRW nicht bereit war, ihn im Zulassungsverfahren zu vertreten. Die diesbezüglich vorgelegte E-Mail vom 12. Mai 2021 ist insoweit unergiebig, da das in Bezug genommene „Schreiben vom 10. Mai 2021 Zeichen XXXXXXX“ nicht vorgelegt wurde.
112. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig. Der Kläger ist entgegen § 67 Abs. 4 Satz 1, und 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht durch einen hierfür zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten. Das Vertretungserfordernis gilt gemäß § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO bereits für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung. Hierauf ist der Kläger sowohl in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses als auch mit Verfügung des Senats vom 10. Juni 2021 hingewiesen worden.
12Die in dem Schriftsatz vom 11. Juni 2021 gegen das Vertretungserfordernis vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Soweit der Kläger sich auf „Art. 6 der UN-Resolution“ beruft, ist schon nicht klar, welche Resolution und welche Vorschrift er genau meint. Sollte er sich auf Art. 6 der UN-Resolution 217 A vom 10. Dezember 1948, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, berufen wollen, folgen aus dieser – ohnehin rechtlich nicht verbindlichen – Regelung schon ihrem Wortlaut nach keine Bedenken gegenüber § 67 Abs. 4 VwGO. Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewährt das Recht, „überall als rechtsfähig anerkannt zu werden“. Das Recht, Träger von Rechten und Pflichten und damit rechtsfähig zu sein, wird durch das Vertretungserfordernis indes nicht beschränkt.
13Das Vertretungserfordernis verletzt auch nicht Art. 47 Abs. 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, nach dem sich jede Person vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten lassen „kann“. Das Recht, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, nimmt den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit, aus verfahrensökonomischen Gründen vor bestimmten Gerichten einen Vertretungszwang vorzusehen.
14Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 27. Juni 2016– 20 CE 16.1096 –, juris, Rn. 4; BFH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – V S 8/10 –, juris, Rn. 8.
15Soweit sich der Kläger auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 beruft, ist sein Vortrag schon unsubstantiiert. Auch sonst ist diesem Regelwerk keine Vorschrift zu entnehmen, die einem Vertretungszwang im Rechtsmittelverfahren eines Verwaltungsprozesses entgegenstehen könnte. Art. 14 dieses Paktes bezieht sich lediglich auf Straf- und Zivilverfahren. Insbesondere Absatz 5 dieser Vorschrift, der die Nachprüfung durch ein höheres Gericht regelt, betrifft lediglich Strafurteile. Auch Art. 9 dieses Paktes, vor allem Abs. 3 und 4, hat lediglich Haftsachen zum Gegenstand.
16Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 67 Abs. 4 VwGO im Übrigen bestehen nicht.
17Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 1991 – 1 BvR 1411/91 –, juris, Rn. 5; BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2006 – 10 B 39.06 –, juris, Rn. 1; BFH, Urteil vom 6. Februar 2013 – X K 11/12 –, juris, Rn. 7 ff; OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2020 – 4 E 638/20 –, juris, Rn. 1 jeweils m. w. N.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
19Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VI ZR 219/99 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 2240/03 2x (nicht zugeordnet)
- V S 8/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1411/91 1x (nicht zugeordnet)
- X K 11/12 1x (nicht zugeordnet)
- 4 E 638/20 1x (nicht zugeordnet)