Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 A 3811/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3I. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1 = juris, Rn. 7.
5Hiervon ausgehend legt der Kläger mit seinem allein maßgeblichen Zulassungsvorbringen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht dar.
61. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheids verneint, weil sie nicht nachgewiesen habe, von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abzustammen. Ein Bekenntnis des 1892 geborenen Großvaters zum deutschen Volkstum komme nicht in Betracht, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt (22. Juni 1941) bereits verstorben gewesen sei. Ein Bekenntnis der 1895 geborenen Großmutter und der 1914 geborenen Mutter sei nicht nachgewiesen. Amtliche Dokumente für ein Bekenntnis zum maßgeblichen Zeitpunkt seien nicht vorgelegt worden. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Mutter oder die Großmutter durch ein für Dritte erkennbares Verhalten zum Ausdruck gebracht hätten, ausschließlich zum deutschen Volkstum gehören zu wollen. In den Archivbescheinigungen des N. Dorfrates würden jedenfalls alle Kinder der Eheleute T. -G. mit russischer Nationalität geführt. Zwar sei die Mutter im Archivbestand des Dorfrates N1. laut Bescheinigung vom 7. Juli 2017 als Deutsche eingetragen. Es sei jedoch ungeklärt, wie und wann es zu dieser Eintragung gekommen sei. Die am 4. April 1935 ausgestellte Geburtsurkunde der 1914 geborenen Mutter enthalte keine Nationalitätsangaben zu deren Eltern. Gleiches gelte für die 1936 ausgestellte Geburtsurkunde ihrer Schwester O. M. . Erst in den später ausgestellten Personenstandsdokumenten werde die Nationalität der Großmutter und der Mutter mit Deutsch angegeben. Es fehle an einer substantiierten und nachvollziehbaren Begründung, warum sämtliche Personenstandsdokumente, die eine Eintragung der deutschen Nationalität enthalten, neueren Datums seien. Dies gelte auch für die Geburtsurkunde der 1943 geborenen Schwester der Klägerin, O1. , die erst 1976 ausgestellt worden sei, also kein Bekenntnis zum maßgeblichen Zeitraum belege. Die Heiratsurkunde der Großmutter und die Sterbeurkunde der Mutter seien erst während des Klageverfahrens 2018 ausgestellt worden. Die Heiratsurkunde, nach deren Inhalt die Eintragung der Eheschließung des 1885 geborenen Q. X. und der Großmutter der Klägerin mit deutscher Nationalitätsangabe am 6. Juni 1959 erfolgt sei, weise ebenfalls kein Bekenntnis zum maßgeblichen Zeitraum 1941 nach. An der inhaltlichen Richtigkeit der erst 2018 ausgestellten Heiratsurkunde der Großmutter bestünden zudem Zweifel, weil die Großmutter in ihrer Sterbeurkunde mit dem Namen des ersten Ehemannes und nicht dem des zweiten Ehemannes geführt werde. Hinsichtlich der Bescheinigung der Verwaltung des Ministeriums für Innere Angelegenheiten Russlands im Gebiet P. vom 6. November 2018 sei schließlich festzustellen, dass die Klägerin weder eine Kopie des dort erwähnten Forma-1-Antrages ihrer Großmutter vorgelegt noch entsprechende nach 1951 ausgestellte Personenstandsurkunden eingereicht habe.
72. Dem hält die Klägerin entgegen, in der Geburtsurkunde ihrer 1943 geborenen Schwester O1. aus dem Jahr 1976 sei deren Mutter mit deutscher Nationalität geführt. Vor 1990 habe in der Sowjetunion die Nationalität in den Personenstandsurkunden nicht geändert werden können. Es sei weder logisch noch nachvollziehbar und rechtlich auch nicht möglich gewesen, dass die Mutter vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit russischem Nationalitätseintrag gelebt habe, um sich irgendwann vor 1975/76 zur bis dahin nicht bestehenden deutschen Nationalität zu bekennen. Die Geburtsurkunde sei 1976 neu ausgestellt worden, weil die alte Geburtsurkunde durch Nässe beschädigt und schwer lesbar geworden sei. Die in Russland lebende Cousine der Klägerin, Anna G. , könne bezeugen, dass die Mutter der Klägerin bis zu ihrem Tod am 16. September 2002 mit einem Pass mit deutschem Nationalitätseintrag gelebt habe. Die Archivbescheinigung des Dorfrates N2. , in der alle Kinder der Eheleute T. -G. mit russischer Nationalität geführt würden, sei darauf zurückzuführen, dass der Vater die jeweiligen Geburten angezeigt habe und diese mit seiner (russischen) und nicht (ukrainischen) Nationalität angegeben habe. Die Mutter sei aber in der gleichen Urkunde mit deutscher Nationalität angegeben. Das Ministerium für Innere Angelegenheiten Russlands im Gebiet P. habe unter dem 6. November 2018 bescheinigt, dass die Mutter in ihrem Passantrag die deutsche Nationalität angegeben habe und ihre Pässe seit 1951 mit deutscher Nationalität ausgestellt gewesen seien. Es sei zutreffend, dass es kein Dokument aus dem Jahr 1941 darüber gebe, dass die Mutter der Klägerin zu diesem Zeitpunkt einen Inlandspass mit deutschem Nationalitätseintrag besessen habe. Jedenfalls sei ihr aber 1938 ein Pass ausgestellt worden. In den Pässen zwischen 1938 und 1951 müsste sie dann mit russischer Nationalität eingetragen gewesen sein, um dann 1951 die Nationalität von russisch auf Deutsch zu ändern. Das sei weder logisch noch nachvollziehbar und auch rechtlich nicht möglich gewesen Zwei Brüder der Mutter hätten Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz gefunden. Die Großmutter habe zwar nach der Heiratsurkunde aus dem Jahr 1959 den Familiennamen des zweiten Ehemannes angenommen, jedoch sodann keinen neuen Inlandspass beantragt, sondern bis zu ihrem Tode weiter mit dem Inlandspass mit ihrem Familiennamen aus erster Ehe „G. “ gelebt. Dieser Inlandspass sei im Zusammenhang mit der Ausstellung der Sterbeurkunde eingezogen worden, so dass dieser Familienname in die Sterbeurkunde übernommen worden sei. Wenn das Verwaltungsgericht eine Kopie des Forma-1-Antrags der Großmutter vermisst habe, hätte es einen Hinweis erteilen müssen.
8Damit zeigt die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht auf.
93. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler aus dem hier in Rede stehenden Aussiedlungsgebiet der ehemaligen Sowjetunion kann nach § 4 Abs. 1 BVFG nur sein, wer deutscher Volkszugehöriger ist, die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen hat und zuvor zu bestimmten Zeiten seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte.
10a. Die deutsche Volkszugehörigkeit setzt nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG eine Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt den §§ 4 Abs. 1 Nr. 3 und 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zu Grunde, der neben den Eltern auch die Voreltern, mithin die Großeltern und gegebenenfalls auch die Urgroßeltern erfasst.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 ‑ 1 C 43.18 ‑, BVerwGE 167, 9 = juris, Rn. 12.
12Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG kann nur sein, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt, der zu dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG maßgeblichen Stichtag noch gelebt und seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten gehabt hat.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 - 1 C 43. 18 -, BVerwGE 167, 9 = juris, Rn. 23 f.
14Danach kann die Klägerin ihre Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen grundsätzlich von ihrer Mutter M1. T. , geb. G. (1914 bis 2002) und deren Mutter F. G. , geb. X1. (1895 bis 1974) ableiten. Der Großvater J. G. (1892 bis 1921) kommt als Bezugsperson nicht in Betracht, weil er vor den maßgeblichen Stichtagen verstorben ist.
15b. Die deutsche Volkszugehörigkeit der Person, von der die Abstammung hergeleitet wird, beurteilt sich im Rahmen sowohl des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers. Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin im Jahr 1951 gab es das Bundesvertriebenengesetz noch nicht. Daher stellt der Senat zu Gunsten der Klägerin auf das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 19. Mai 1953, BGBl. I S. 201 (im Folgenden: a. F.) ab.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Juni 2020 - 11 A 591/20 -, n. v., S. 29.
17Nach § 6 BVFG a. F. ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Das Bekenntnis muss im Zeitraum unmittelbar vor Beginn der gegen die deutsche Bevölkerungsgruppe gerichteten Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen abgelegt worden sein. Diese Maßnahmen begannen in der ehemaligen Sowjetunion nach Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges am 22. Juni 1941.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1995 ‑ 9 C 392.94 ‑, BVerwGE 98, 367 (368 f.).
19Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 BVFG a. F. besteht in dem von einem entsprechenden Bewusstsein getragenen, nach außen hin verbindlich geäußerten Willen, selbst Angehöriger des deutschen Volkes als einer national geprägten Kulturgemeinschaft zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, sich dieser Gemeinschaft also vor jeder anderen nationalen Kultur verbunden zu fühlen. Ein Bekenntnis in diesem Sinne kann sich zum einen unmittelbar aus Tatsachen ergeben, die ein ausdrückliches Bekenntnis oder ein Bekenntnis durch schlüssiges Gesamtverhalten dokumentieren. Zum anderen kann ein Bekenntnis mittelbar aus hinreichend vorhandenen Indizien, namentlich den in § 6 BVFG a. F. genannten objektiven Bestätigungsmerkmalen, gefolgert werden.
20Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1989 ‑ 9 C 18.89 ‑, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 62, und vom 29. Juni 1993 ‑ 9 C 40.92 ‑, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 71; zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1995 ‑ 9 C 392.94 ‑, BVerwGE 98, 367 (368 f.).
214. Nach diesen Maßstäben zieht die Zulassungsbegründung die vom Verwaltungsgericht dargelegte Auffassung, dass die Mutter und die Großmutter der Klägerin keine deutschen Volkszugehörigen waren, nicht ernstlich in Zweifel.
22a. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass ein Bekenntnis der Mutter oder der Großmutter zum deutschen Volkstum unmittelbar vor Beginn der gegen die deutsche Volksgruppe gerichteten Vertreibungsmaßnahmen am 22. Juni 1941 nicht belegt ist. Insbesondere bezieht sich keines der vorgelegten Dokumente auf diesen Zeitraum. Der Vortrag der Klägerin läuft vielmehr darauf hinaus, aus Urkunden bzw. Bescheinigungen aus den Jahren 1976 und später auf ein Bekenntnis der Mutter und der Großmutter der Klägerin im Jahr 1941 zu schließen. Das ist jedoch hier nicht möglich.
23b. Für die Bewertung von Urkunden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus: Zwar ist in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion die Beschaffung gefälschter oder inhaltlich unrichtiger Urkunden ohne weiteres möglich und häufig,
24vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Juli 2014 - 11 A 166/13 -, juris, Rn. 33, sowie Beschlüsse vom 30. November 2009 - 12 A 995/08 -, juris, Rn. 7, und vom 8. Juli 2005 - 2 B 51/05 -, juris, Rn. 10,
25indes sind vorgelegte Urkunden nur dann nicht beweisgeeignet, wenn konkrete Anhaltspunkte gegen die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit sprechen.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Juli 2014 - 11 A 166/13 -, juris, Rn. 33, sowie Beschluss vom 22. Juli 2010 - 12 A 2971/08 -, juris, Rn. 8; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2010 - 5 B 49.09 -, NVwZ 2010, 1162 = juris, Rn. 5.
27Auch der 19. Senat des beschließenden Gerichts hat nicht den Grundsatz aufgestellt, (nach 1990) in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion ausgestellten Urkunden komme von vornherein kein Beweiswert zu.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Februar 2019 - 19 A 1999/16 -, juris, Rn. 42 ff. zum Staatsangehörigkeitsrecht.
29Im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion können Eintragungen der Nationalität in Personenstandsurkunden seit etwa 1990 auf Antrag der Beteiligten ‑ gegebenenfalls unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ‑ geändert werden, und zwar - wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist - auch dann, wenn von einer Änderung betroffene Personen bereits verstorben sind. Seit 1990 ausgestellte Urkunden und Bescheinigungen geben den zum Ausstellungszeitpunkt geltenden Inhalt einer Urkunde oder eines Archivs wieder. Dabei ist den neu ausgestellten Dokumenten in der Regel nicht zu entnehmen, ob frühere Eintragungen geändert worden und ob und wie derartige Änderungen dokumentiert worden sind. Inwiefern eine seit 1990 ausgestellte Urkunde ihrem konkreten Inhalt nach geeignet ist, einen Jahrzehnte zurückliegenden Sachverhalt zu beweisen, ist daher eine Frage des Einzelfalls.
30c. Die Mutter der Klägerin hat unstreitig kein Vertreibungsschicksal erlitten. Der angeblich 1938 ausgestellte Inlandspass liegt nicht vor, sein Inhalt ist unbekannt. Die Ausstellung eines derartigen Passes ergibt sich nur mittelbar aus einem Stempelaufdruck auf der 1935 ausgestellten Geburtsurkunde der Mutter. In dieser Geburtsurkunde sind ihre Eltern ohne Nationalitätseintrag aufgeführt. Daher ist nicht schlüssig dargelegt, dass aus der 1976 (neu) ausgestellten Geburtsurkunde der Schwester O1. zu schließen sei, dass die Mutter der Klägerin im Jahr 1941 ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgegeben haben müsse.
31Die Bescheinigung über einen Eintrag der deutschen Nationalität in einem 1951 ausgestellten Pass bzw. eine entsprechende Forma Nr. 1 (die sich auf die Mutter bezieht, nicht auf die Großmutter) ist erst im Jahr 2018 erteilt worden. Hieraus ergibt sich nicht, ob in der Zwischenzeit Personenstandseintragungen geändert worden sind. Gleiches gilt für die im Jahr 2013 neu ausgestellte Heiratsurkunde, die sich auf eine Eheschließung im Jahr 1946 bezieht, obwohl die Eltern nach den Angaben der Klägerin im Aufnahmeantrag bereits 1932 geheiratet haben sollen.
32Die drei Bescheinigungen über den Archivbestand des Dorfrates N1. sind erst im Jahr 2017 ausgestellt worden. Hier fällt auf, dass die Bescheinigungen, die sich auf unterschiedliche Zeiträume beziehen (1940 bis 1942, 1946 bis 1948, 1949 bis 1957), u. a. hinsichtlich der Nationalitätseintragungen differieren: Die Mutter der Klägerin wird in den ersten beiden Bescheinigungen mit „deutsch“, seit 1949 jedoch ohne Nationalität geführt. Ihr Ehemann ist in der ersten Bescheinigung mit „russisch“, in der zweiten mit „ukrainisch“ und in der dritten ebenfalls ohne Nationalität eingetragen. Bereits das wirft die Frage auf, inwieweit diesen Bescheinigungen überhaupt ein Beweiswert zugemessen werden kann. Zudem ist auch hier unklar, ob Eintragungen nachträglich geändert oder eingefügt worden sind. Daher kommt es auf den – nicht belegten – Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 2. August 2017, aus einer informatorisch eingeholten Auskunft der Botschaft Kiew ergebe sich, dass die Nationalität der Mutter aufgrund unterschiedlicher Angaben im Archiv des Dorfrates N1. ungeklärt sei, nicht an.
33Dass die Mutter bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 einen Pass mit deutschem Nationalitätseintrag besessen haben soll, lässt ebenfalls keinen Rückschluss auf ein Bekenntnis im Jahr 1941 zu. Schließlich kann aus der Tatsache, dass zwei Brüder der Mutter Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz gefunden haben, nicht geschlossen werden, dass auch die Mutter der Klägerin deutsche Volkszugehörige gewesen sein müsse.
34d. Auch die Großmutter der Klägerin hat unstreitig kein Vertreibungsschicksal erlitten. Aus der im Jahr 2018 ausgestellten Bescheinigung über die Heirat im Jahr 1959, in der die Großmutter mit deutscher Volkszugehörigkeit angegeben wird, ergibt sich nicht, ob die Nationalität in der Zwischenzeit geändert worden ist. Sie bezieht sich zudem nicht auf den maßgeblichen Zeitraum im Jahr 1941.
35II. Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die von der Klägerin formulierte Frage,
36„ob erstens Urkunden, die nach 1990 ausgestellt worden sind, grundsätzlich überhaupt keine Beweiskraft entwickeln können oder ob diese im Sinne der Rechtsprechung des OVG (s. Urteil v. 27.2.2019 – 19 A 1999/16 lediglich besonderer Prüfung zu unterziehen sind und zweitens, ob Zweifel; die an der Echtheit von Urkunden bestehen, die nach 1990 ausgestellt worden sind auch hinsichtlich Urkunden bestehen, die weit vor 1990, hier 1976 ausgestellt worden sind“,
37ist nicht allgemein klärungsfähig, sondern lässt sich, wie soeben unter I.4.b. dargelegt, nur unter Berücksichtigung des konkreten Inhalts der jeweiligen Urkunde im Einzelfall entscheiden.
38III. Auch ein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Auf die Umstände der Neuausstellung der Geburtsurkunde der Schwester O1. im Jahr 1976 kam es nach dem maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts nicht an. Daher liegt insoweit auch keine Überraschungsentscheidung vor. Zu den der Mutter in den Jahren 1938 und 1951 ausgestellten Pässen sind Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen nicht ersichtlich. Sie werden in der Zulassungsbegründung auch nicht aufgezeigt.
39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
40Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
41Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
42Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 124 2x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 124a 1x
- 2 B 51/05 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 166/13 2x (nicht zugeordnet)
- 12 A 995/08 1x (nicht zugeordnet)
- 19 A 1999/16 2x (nicht zugeordnet)
- 11 A 591/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- BVFG § 4 Spätaussiedler 2x
- 12 A 2971/08 1x (nicht zugeordnet)