Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 1129/21
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1I.
2Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr Begehren auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis für einen Buslinienverkehr weiter.
3Im November 2016 erteilte ihr der Antragsgegner eine Genehmigung zum eigenwirtschaftlichen Betrieb der streitgegenständlichen Buslinie 000, 1. Teil (X. – M. -P. ), die innerhalb des Verbundraums der Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH (VRS GmbH) verläuft. Gegen diese Genehmigung erhoben die Aufgabenträger – die Stadt M. und der Rheinisch-Bergische Kreis – Drittanfechtungsklage. Das Verwaltungsgericht Köln wies diese mit Urteil vom 18. März 2019 (18 K 11692/16) mangels Klagebefugnis als unzulässig ab. Über die dagegen eingelegten Berufungen hat der beschließende Senat noch nicht entschieden (13 A 1663/19). Da die Genehmigung aus November 2016 damit noch nicht bestandskräftig geworden war, erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin für den streitigen Linienverkehrsbetrieb fortlaufend eine für jeweils sechs Monate befristete einstweilige Erlaubnis, zuletzt mit Bescheid vom 9. Dezember 2020.
4Mit Schreiben vom 27. April 2021 kündigte die VRS GmbH zum Ablauf des 30. Juni 2021 den zwischen ihr und der Antragstellerin geschlossenen Kooperationsvertrag vom 17. April 2000 sowie im Namen der übrigen Abrechnungsberechtigten den Vertrag über die Einnahmenaufteilung im VRS vom 11. März 2003 aus wichtigem Grund nach vorheriger Abmahnung. Zur Begründung führte die VRS GmbH insbesondere an, dass der Verkehrsgemeinschaft das Fortsetzen der Zusammenarbeit mit der Antragstellerin nicht zuzumuten sei, nachdem diese ihre Zahlungspflicht aus der Jahresabrechnung 2009 trotz rechtskräftiger Urteile weiterhin zurückweise sowie der Jahresabrechnung 2018 nicht zustimme.
5Unter dem 7. Mai 2021 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die Erteilung einer weiteren einstweiligen Erlaubnis für den streitigen Linienverkehrsbetrieb ab dem 12. Juni 2021. Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zur beabsichtigten Ablehnung dieses Antrags an. Am 21. Mai 2021 erhob die Antragstellerin beim Landgericht Köln Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen durch die VRS GmbH.
6Am 28. Mai 2021 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Köln die Erteilung der einstweiligen Erlaubnis für den streitigen Linienverkehr im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt. Am 1. Juni 2021 hat sie beim Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Fortführung der gekündigten Verträge beantragt. Mit Bescheid vom 9. Juni 2021 hat der Antragsgegner die der Antragstellerin für die streitige Linie erteilte Genehmigung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen, mit Bescheid vom 10. Juni 2021 der X2. GmbH eine einstweilige Erlaubnis für den streitigen Linienverkehr ab dem 1. Juli 2021 erteilt und mit Bescheid vom 11. Juni 2021 den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis ab dem 1. Juli 2021 – die letzte einstweilige Erlaubnis der Antragstellerin war zwischenzeitlich bis zum 30. Juni 2021 verlängert worden – abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. Juni 2021 (18 L 1003/21) den Eilantrag der Antragstellerin auf Erlass der einstweiligen Erlaubnis abgelehnt. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
7Das Landgericht Köln hat mit Beschluss vom 25. Juni 2021 (90 O 47/21) den von der Antragstellerin beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Fortführung der durch die VRS GmbH gekündigten Verträge zurückgewiesen. Nach dem Bekunden der Beteiligten soll über die gegen die Kündigungen erhobene Klage am 29. Oktober 2021 vor dem Landgericht mündlich verhandelt werden. Gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Antragstellerin zudem Beschwerde erhoben, die noch beim Oberlandesgericht Köln anhängig ist.
8Das Verwaltungsgericht hat auf den Eilantrag der Antragstellerin (18 L 1110/21) die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der X2. GmbH erteilte einstweilige Erlaubnis vom 10. Juni 2021 mit der Begründung wiederhergestellt, dass die Befristung auf zwei Jahre nicht ermessensgerecht sei. Angesichts dessen hat der Antragsgegner diese mit Bescheid vom 29. Juni 2021 aufgehoben und der X2. GmbH am selben Tag eine neue, auf sechs Monate befristete einstweilige Erlaubnis erteilt. Den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Widerrufsbescheid vom 9. Juni 2021 hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2021 (18 L 1107/21) abgelehnt. Auf die dagegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage (13 B 1153/21) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit der Begründung wiederhergestellt, dass kein besonderes öffentliches Interesse an der von dem Antragsgegner angeordneten sofortigen Vollziehung bestehe. Der Eilantrag der Antragstellerin gegen die der X2. GmbH neuerlich erteilte einstweilige Erlaubnis ist nach Verweisung durch das Verwaltungsgericht Köln noch beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig.
9II.
10Die nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässige Beschwerde ist unbegründet.
11Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde unverändert weiterverfolgten Antrag der Antragstellerin,
12dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr eine einstweilige Erlaubnis für den Betrieb von Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen nach § 20 PBefG betreffend die Linie 240 (X. – M. -P. [1. Teil]) ab dem 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2021 zu erteilen,
13abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe gemessen an den erhöhten Anforderungen für den vorliegend auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Antrag bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Erteilung der vorläufigen Erlaubnis stehe bereits ein zwingender Versagungsgrund nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG entgegen. Vorliegend seien öffentliche Verkehrsinteressen beeinträchtigt, weil es auf Grundlage der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage konkrete Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Antragstellerin die streitgegenständliche Linie wegen fehlender Kostendeckung für die Dauer der einstweiligen Erlaubnis nicht eigenwirtschaftlich betreiben könne. Ursache dafür sei, dass die VRS GmbH den Vertrag über Einnahmenaufteilung im VRS vom 11. März 2003 sowie den Kooperationsvertrag vom 17. April 2000 zum 30. Juni 2021 gegenüber der Antragstellerin gekündigt habe. Dadurch habe die Antragstellerin das Recht eingebüßt, den VRS-Gemeinschaftstarif anzuwenden und an der Einnahmenaufteilung zu partizipieren. Die über den VRS erzielten Einnahmen machten insbesondere ausweislich der dem Gutachten der X3. Unternehmensberatung GmbH vom 4. Dezember 2015 zugehörigen wirtschaftlichen Prognose einen erheblichen Teil der Unternehmensumsätze der Antragstellerin aus. Der Vortrag der Antragstellerin, sie verfüge über hinreichende sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne, um den Verkehr auf sämtlichen Linien für die Dauer der einstweiligen Erlaubnisse in höchster Qualität aufrechtzuerhalten, ohne auf die Zahlungen der VRS GmbH angewiesen zu sein, bleibe in Gänze unsubstantiiert.
14Selbst wenn man mit der Antragstellerin annähme, dass die laufenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen im Hinblick auf die Kündigungen und deren Wirkungen nicht als Versagungsgrund herangezogen werden dürften, scheide die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis im Wege der einstweiligen Anordnung aufgrund fehlender Spruchreife aus. Das der Behörde nach § 20 PBefG eingeräumte Ermessen sei nicht auf Null reduziert. Der Fortbestand des Linienverkehrs könne auch durch andere Linienbetreiber sichergestellt werden. Aus der der Antragstellerin nach § 15 Abs. 1 PBefG erteilten, noch nicht bestandskräftigen Linienverkehrsgenehmigung folge vorliegend keine Vorwirkung für die Erteilung der einstweiligen Erlaubnis. Es sei eine Veränderung der Sach- und Rechtslage, die Anlass für eine erneute Ermessensausübung biete, dadurch eingetreten, dass der Antragsgegner infolge der Kündigungen durch die VRS GmbH die Genehmigung mit Bescheid vom 9. Juni 2021 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen habe. Eine Regelungsanordnung sei auch nicht mit Blick auf die der Antragstellerin durch die Versagung der begehrten einstweiligen Erlaubnis entstehenden Nachteile zur Gewährleistung des Rechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu erlassen.
15Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bietet keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
16Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit) glaubhaft macht. Ist der Antrag wie im vorliegenden Fall auf eine – wenn auch zeitlich begrenzte – Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen.
17Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ändert der unterschiedliche Gehalt einer Linienverkehrsgenehmigung nach § 15 PBefG einerseits und der im Eilverfahren beantragten einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG andererseits nichts daran, dass die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis im Wege einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorwegnähme. Hauptsache wäre im vorliegenden Zusammenhang nämlich eine Verpflichtungsklage, die auf die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG gerichtet ist.
18Vgl. zu solchen Klageverfahren: BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 2017 - 3 AV 4.16 -, juris, Rn. 9; OVG M.-V., Beschluss vom 23. Januar 1996 - 1 M 1/96 -, NVwZ-RR 1997, 139.
19Selbst wenn man – wie die Antragstellerin – als in Bezug zu nehmende Hauptsache auf das Verfahren auf Erteilung der (endgültigen) Genehmigung nach § 15 PBefG abstellte, änderte dies nichts daran, dass eine vorliegend im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erstrittene einstweilige Erlaubnis die Hauptsache der Sache nach – zeitlich begrenzt, aber insoweit endgültig – vorwegnähme. Denn eine solche Erlaubnis würde der Antragstellerin ebenso wie die Genehmigung für den dann durchgeführten Zeitraum das Betreiben von Linienverkehr ermöglichen.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1968 - VII C 90.66 -, BVerwGE 30, 347 = juris, Rn. 19.
21Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt daher vorliegend nur in Betracht, wenn ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und der Antragstellerin ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2020 - 13 B 1432/19 -, NWVBl. 2020, 473 = juris, Rn. 3 f., m. w. N.
23Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG nicht glaubhaft gemacht. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, der Erfolg im Hauptsacheverfahren sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
241. Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 20 Abs. 1 Satz 1 PBefG. Danach kann die Genehmigungsbehörde, in deren Bezirk der Verkehr betrieben werden soll, dem Antragsteller eine widerrufliche einstweilige Erlaubnis erteilen, wenn eine sofortige Einrichtung, Erweiterung oder wesentliche Änderung eines Straßenbahn-, Obusverkehrs oder Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehrsinteresse liegt; die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 oder Abs. 1a müssen vorliegen.
25Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Prüfung, ob die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis im öffentlichen Verkehrsinteresse geboten ist, grundsätzlich keine genaue Untersuchung von Versagungsgründen. Geht es um den Betrieb einer Linie, über deren Genehmigung bereits eine positive Entscheidung der Genehmigungsbehörde nach § 15 Abs. 1 PBefG vorliegt, so besteht kein Anlass, im Verfahren auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nochmals in die Prüfung der objektiven Zulassungsvoraussetzungen einzutreten. Nur eine inzwischen eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage gibt der Behörde Anlass, eine erneute Prüfung in dieser Richtung vorzunehmen. Eine andere rechtliche Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn ganz offensichtlich ein Versagungsgrund gegeben ist. Es kann nicht Sinn der einstweiligen Erlaubnis sein, einen Linienverkehr zu ermöglichen, bei dem schon jetzt eindeutig feststeht, dass er dem Gesetz widerspricht.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1968 - VII C 90.66 -, BVerwGE 30, 347 = juris, Rn. 25.
27Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht damit von einer sog. Vorwirkung der erteilten, aber noch nicht bestandskräftigen Linienverkehrsgenehmigung nach § 15 PBefG aus. Konkurrieren mehrere Bewerber um eine einstweilige Erlaubnis gemäß § 20 PBefG ist es in der Regel sachgerecht, denjenigen Unternehmer zu bevorzugen, dem die endgültige, wenngleich noch nicht bestandskräftige Linienverkehrsgenehmigung erteilt worden ist.
28Vgl. OVG Schl.-H., Beschluss vom 20. Oktober 2020 - 5 MB 22/20 -, juris, Rn. 19; Nds. OVG, Beschluss vom 21. Januar 2019 - 7 LA 91/18 -, juris, Rn. 9, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2008 - 13 B 929/08 -, juris, Rn. 16 f., m. w. N.
29Auch wenn die Antragstellerin sich weiterhin – weil der Widerruf der ihr erteilten Linienverkehrsgenehmigung aufgrund des Senatsbeschlusses vom heutigen Tage (13 B 1153/21) nicht sofort vollziehbar ist – auf die an sie erfolgte Erteilung einer (nicht bestandskräftigen) Linienverkehrsgenehmigung aus November 2016 berufen kann, hat dies nicht zur Folge, dass ihr die einstweilige Erlaubnis ohne nähere Prüfung, ob Versagungsgründe vorliegen, zu erteilen wäre. Eine solche etwaige sog. Vorwirkung der ihr erteilten Linienverkehrsgenehmigung ist jedenfalls aufgrund einer Änderung der Sachlage ausgehebelt worden. Denn die von der VRS GmbH ausgesprochenen Kündigungen wirken sich maßgeblich auf die Bedienung des Linienverkehrs durch die Antragstellerin aus.
30Die danach unter Berücksichtigung dieser neuen Sachlage erforderliche Prüfung ergibt, dass die Antragstellerin schon deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis hat, weil die Bedienung der streitigen Linie gerade durch sie nicht im öffentlichen Verkehrsinteresse liegt. Sie ist gegenwärtig nicht in der Lage, den Linienverkehrsbetrieb entsprechend den Anforderungen des Nahverkehrsplans durchzuführen. Gemäß § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG kann im öffentlichen Personennahverkehr die Genehmigung versagt werden, wenn der beantragte Verkehr mit einem Nahverkehrsplan im Sinne des § 8 Abs. 3 PBefG nicht in Einklang steht. Dies ist hier der Fall. Infolge der Kündigung des Kooperationsvertrags durch die VRS GmbH kann die Antragstellerin den VRS-Gemeinschaftstarif nicht mehr anbieten. Nach den unbestrittenen Darlegungen des Antragsgegners sieht der hier einschlägige Nahverkehrsplan vor, dass auf der streitgegenständlichen Linie – wie auch sonst im Verbundraum (vgl. § 17 Abs. 1 der Satzung des Zweckverbandes VRS in der Form der 12. Änderungssatzung) – der VRS-Gemeinschaftstarif zur Anwendung kommt. Dieses Erfordernis kann die Antragstellerin (jedenfalls derzeit) nicht erfüllen. Die Antragstellerin geht selbst davon aus, dass sie infolge der von der VRS GmbH zum 1. Juli 2021 ausgesprochenen Kündigungen aktuell keine Rechte aus dem Kooperations- sowie dem Einnahmenaufteilungsvertrag herleiten kann. Allein, dass die Antragstellerin gegen die Kündigungen durch die VRS GmbH negative Feststellungsklage zum Landgericht erhoben hat, ändert hieran nichts.
31Dementsprechend hat der Antragsgegner die Ablehnung der einstweiligen Erlaubnis auch auf § 13 Abs. 2a PBefG gestützt. Diese Entscheidung hat er ermessensgerecht mit dem öffentlichen Interesse an einem einheitlichen Verbundtarif begründet. Die Genehmigung eines Haustarifs zugunsten der Antragstellerin komme nicht in Betracht, weil dieser der Anforderung des § 2 Abs. 3 Satz 2 ÖPNVG NRW nach einem einheitlichen und nutzerfreundlichen Tarif zuwiderliefe. Die Antragstellerin hat die Nutzung eines Haustarifs im Übrigen auch noch nicht einmal beantragt, sondern vielmehr dieser Einschätzung des Antragsgegners beigepflichtet. Vor diesem Hintergrund konnte der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung ermessensgerecht zulasten der Antragstellerin treffen.
32Damit kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, ob schon jetzt – trotz des noch anhängigen Zivilrechtsstreits über die Wirksamkeit der von der VRS GmbH ausgesprochenen Kündigungen und unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren erstmals vorgelegten Eigenkapitalbescheinigung – eindeutig feststeht, dass die Antragstellerin den streitigen Linienverkehrsbetrieb zumindest für die halbjährige Dauer der einstweiligen Erlaubnis auch nicht eigenwirtschaftlich betreiben könnte.
332. Der Senat ist nicht zu einer eigenständigen (Inzident-)Prüfung der Wirksamkeit der von der VRS GmbH ausgesprochenen Kündigungen berufen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit zwar unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten. Dies bedeutet nach allgemeinem Verständnis, dass das Gericht des zulässigen Rechtswegs auch rechtswegfremde, entscheidungserhebliche Vorfragen prüft und über sie entscheidet.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 -, NVwZ 2010, 1482 = juris, Rn. 51; siehe auch die Gesetzesbegr. in BT-Drs. 11/7030, S. 37.
35Gemessen daran dürfen im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren gleichwohl die Kündigungen durch die VRS GmbH der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Entscheidungserheblich ist insofern nach dem oben Gesagten, ob die Antragstellerin den VRS-Gemeinschaftstarif anbieten kann. Dies ist zum für die Entscheidung maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Fall. Die Antragstellerin ist – gerade mit Blick auf die vom Antragsgegner eingeleiteten Verwaltungsverfahren – vor dem Landgericht gegen die Kündigungen durch die an dem Verwaltungsrechtsstreit nicht beteiligte VRS GmbH vorgegangen, um die gekündigten Verträge fortsetzen zu können. Ihr dortiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedoch erfolglos geblieben. Die Verwaltungsgerichte vermögen an der rechtstatsächlichen Wirkung der Kündigungen durch die VRS GmbH nichts zu ändern. Selbst wenn die VRS GmbH im Wege der (einfachen) Beiladung Beteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wäre, wäre eine verwaltungsgerichtliche Prüfung und Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigungen gegenüber der VRS GmbH unverbindlich und versetzte die Antragstellerin nicht in die Lage, den VRS-Gemeinschaftstarif anbieten zu können.
36Vgl. allgemein im Zusammenhang mit der Rechtskraftwirkung von Urteilen: BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2018 - 6 B 56.18 -, DVBl. 2019, 711 = juris, Rn. 14, m. w. N., und Urteil vom 10. Mai 1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24 = juris, Rn. 10.
37Nichtsdestotrotz ist durch die – von der Antragstellerin genutzte – verfahrensrechtliche Möglichkeit, eine entsprechende einstweilige Verfügung vor dem Landgericht erstreiten zu können, um die gekündigten Verträge (einstweilen) fortführen zu können der Anspruch der Antragstellerin auf wirkungsvollen Eilrechtsschutz hinreichend gewährleistet, der in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird.
38Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2002 - 2 BvR 1108/02 -, NJW 2003, 281 = juris, Rn. 9.
39Der zeitlich ungewisse rechtskräftige Abschluss des zivilgerichtlichen Klageverfahrens zur Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen braucht aufgrund des Charakters des vorliegenden Eilverfahrens nicht abgewartet zu werden. Eine Aussetzung des Eilverfahrens nach § 94 VwGO, die von der Antragstellerin im Übrigen auch gar nicht angeregt wurde, wäre in aller Regel und so auch hier ermessensfehlerhaft, weil sie vorliegend dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis an einer unverzüglichen Entscheidung über den weiteren Betrieb der streitigen Buslinie zuwiderlaufen würde.
40Vgl. allgemein Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 94 Rn. 2; Peters/Schwarzburg, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 94 Rn. 4; vgl. zur Aussetzung bei Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung: BVerwG, Beschluss vom 31. März 1993 - 7 B 5.93 -, Buchholz 300 § 17 GVG Nr. 1 = juris, Rn. 4, und – zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG – Urteil vom 12. Februar 1987 - 3 C 22.86 -, BVerwGE 77, 19 = juris, Rn. 35.
41Ohne eine solche zivilgerichtliche Feststellung bleibt es dabei, dass die von der VRS GmbH ausgesprochenen Kündigungen im maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung – de facto – Wirkung entfalten und (derzeit) unter anderem die fehlende Möglichkeit der Antragstellerin, den VRS-Gemeinschaftstarif anzubieten, bedingen.
42Durch die Berücksichtigung der privatrechtlichen Kündigungen wird auch nicht (mittelbar) die Entscheidungsbefugnis über die Genehmigungserteilung entgegen Art. 33 Abs. 4 GG von der öffentlichen in private Hand gegeben. Nach dieser Verfassungsnorm ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Dieser sog. beamtenrechtliche Funktionsvorbehalt ist hier nicht ansatzweise berührt. Die Entscheidung über die Versagung der einstweiligen Erlaubnis hat die zuständige Genehmigungsbehörde, die Bezirksregierung Köln, getroffen. Dass sie dabei sämtliche entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt, mithin auch jedenfalls nicht offensichtlich rechtsmissbräuchliche Kündigungen durch eine juristische Person des Privatrechts, liegt in der Natur des Verwaltungsverfahrens. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt darin kein Zirkelschluss. Sollte sie im Zivilprozess obsiegen, würde sich die Frage nach der Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis unter dann anderen Voraussetzungen neu stellen.
43Ob der Antragstellerin trotz der ausgesprochenen Kündigungen durch die VRS GmbH ermöglicht werden muss, den VRS-Gemeinschaftstarif weiterhin anzuwenden, ist nicht streitgegenständlich. Dies ist hier weder beantragt noch würde eine Rechtsgrundlage dafür bestehen, den von der Antragstellerin auf der Grundlage des Kartellrechts wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung geltend gemachten Kontrahierungszwang der VRS GmbH im Wege des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durchzusetzen. § 8 Abs. 3b Satz 3 und 4 PBefG stellt klar, dass die Aufsicht von Vereinigungen von Verkehrsunternehmen im Hinblick auf missbräuchliches Verhalten den Kartellbehörden obliegt. Rechtsschutz im Verhältnis zur VRS GmbH wäre insoweit gemäß § 87 GWB vor dem Landgericht zu suchen.
44Vgl. Fielitz/Grätz, PBefG, Stand: Dezember 2020, § 8 Rn. 25; Knauff, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Band 1, VII. Abschnitt. Verkehrswettbewerbsrecht, Rn. 93.
45Gleichfalls unerheblich ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang die von der Antragstellerin gerügte Ungleichbehandlung durch die VRS GmbH im Vergleich zur Verkehrsbetriebe I. GmbH. Abgesehen davon, dass die Sachverhalte wesentlich verschieden gelagert sein dürften, müsste die Antragstellerin auch diese Rüge vor den Kartellbehörden bzw. den ordentlichen Gerichten erheben.
46Vor diesem Hintergrund genügt es nicht, dass die Antragstellerin nunmehr ihrerseits zusichert, den VRS-Gemeinschaftstarif anzuwenden, wenn sie eine einstweilige Erlaubnis erhielte. Allein aus ihrer einseitig gebliebenen Bereitschaft, einen neuen Vertrag mit der VRS GmbH zu schließen, folgt kein Vertragsschluss, kraft dessen sie den VRS-Gemeinschaftstarif tatsächlich anwenden könnte.
473. Da es nach alldem bereits an einem Anordnungsanspruch fehlt, kommt es auf die für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes wesentliche Frage nach den von der Antragstellerin geltend gemachten irreversiblen Nachteilen infolge der Versagung der einstweiligen Erlaubnis nicht an.
48Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 2009- 1 BvR 1702/09 -, NVwZ-RR 2009, 945 = juris, Rn. 24.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei geht der Senat in Orientierung an die Empfehlung in Nr. 47.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ 2013, Beilage 2/2013, 57 ff.) für den Linienverkehr mit Omnibussen im Ausgangspunkt von einem Streitwert in Höhe von 20.000 Euro je Linie aus. Für das streitgegenständliche Begehren auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG erscheint es wegen der im Verhältnis zu einer Linienverkehrsgenehmigung deutlich geringeren Wirkung und kürzeren Geltungsdauer sachgerecht diesen Streitwert auf ein Viertel zu reduzieren, vorliegend mithin auf 5.000 Euro.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2008 - 13 B 929/08 -, DVBl. 2008, 1454 = juris, Rn. 39 ff.; ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 21. Januar 2019- 7 LA 91/18 -, juris, Rn. 32; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 2. Januar 2007 - 3 S 2675/06 -, juris, Rn. 14.
51Von einer Änderung des vom Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Eilverfahren niedriger festgesetzten Streitwerts wird abgesehen.
52Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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