Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3d B 1443/21.BDG
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die vorgebrachten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemäß § 67 Abs. 3 BDG i. V. m. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt, stellen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.
4I.Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag des Antragstellers die durch Verfügung des Präsidenten der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2020 angeordnete Einbehaltung von 50% der Dienstbezüge des Antragstellers wegen ernstlicher Zweifel ausgesetzt (vgl. § 63 Abs. 2 BDG). Hierfür sei auf Grundlage des aktuellen Sach- und Streitstands summarisch zu beurteilen, ob eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher sei als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung. Für eingehende Beweiserhebungen sei insoweit kein Raum. Derzeit sei offen, ob im zugehörigen Klageverfahren – 37 K 350/21 – auf die Höchstmaßnahme erkannt werden werde. Aller Voraussicht nach werde die Kammer Beweis darüber erheben müssen, ob die Schuldfähigkeit des Antragstellers im Tatzeitraum betreffend den ersten Vorwurf vermindert gewesen sei. Ferner könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller die Handlungen begangen habe, die Gegenstand des zweiten Vorwurfs seien. Die dem dritten Vorwurf zu Grunde liegenden Dienstpflichtverletzungen wögen – soweit derzeit schon feststellbar – nicht so schwer, dass sie eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen könnten.
5Hinsichtlich des ersten Tatkomplexes bleibe der Prüfung und Würdigung im Klageverfahren vorbehalten, ob schon jetzt jede einzelne vorgeworfene Tathandlung als erwiesen anzusehen sei oder ob es einer ergänzenden Beweisaufnahme bedürfe. Es erscheine ferner jedenfalls möglich und müsse voraussichtlich durch ein medizinisches Sachverständigengutachten geklärt werden, ob der Antragsteller insoweit vermindert schuldfähig gewesen sei, was die Höchstmaßnahme (regelmäßig) ausschließe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien die Verwaltungsgerichte gehalten, die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufzuklären, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer psychischen Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich gemindert gewesen sei. Derartige tatsächliche Anhaltspunkte ergäben sich für die Zeit vom 8. September 2017 bis zum 21. November 2017 aus den vorgelegten Attesten des Psychologischen Psychotherapeuten I. . Dessen Diagnose und Einschätzung stehe nicht notwendig im Widerspruch zu dem vom Gesundheitsamt der Stadt C. erstatteten Gutachten vom 7. November 2017 über die Dienstfähigkeit des Antragstellers, dem ein fachärztlich-psychiatrisches Gutachten der LVR-Klinik C. vom 14. September 2017 (Begutachtung am 3. und 8. August 2017) zu Grunde liege. Eine derartige Beweiserhebung könne nicht deshalb unterbleiben, weil der Antragsteller nach der Einschätzung der Antragsgegnerin die im behördlichen Disziplinarverfahren in Auftrag gegebene sachverständige Begutachtung bei der LVR-Klinik C. abgelehnt und den Beweis vereitelt habe. Nach diesem Grundsatz könne allenfalls dann auf eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit geschlossen werden, wenn der Antragsteller sich im Klageverfahren weigere, sich von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen entsprechend untersuchen zu lassen. Davon könne derzeit nicht ausgegangen werden.
6II.Mit ihrem hiergegen gerichteten, auf den ersten Tatvorwurf konzentrierten Vorbringen dringt die Antragsgegnerin nicht durch.
71.Sie räumt ausdrücklich ein, die vom Antragsteller vorgelegten psychotherapeutischen Atteste stellten einen Anhaltspunkt dar, der die Aufklärung des Sachverhaltes durch eine ärztliche Begutachtung im Verfahren geboten erscheinen lasse.
8Angesichts der vom Verwaltungsgericht zutreffend zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ausgehend davon kein Raum für die von der Antragsgegnerin vorgetragene Bewertung, der aktuelle Sach- und Streitstand lasse die Einschätzung zu, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher sei als eine darunter liegende Disziplinarmaßnahme. Das Ergebnis der erstinstanzlich ins Auge gefassten Beweisaufnahme erscheint vielmehr derzeit offen. Dasselbe gilt deshalb für die Prognose, ob die Höchstmaßnahme zu verhängen ist.
92.Der Anregung der Antragsgegnerin ist nicht zu folgen, der Senat möge eine Begutachtung des Antragstellers anordnen. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Spruchpraxis des Senats zutreffend ausgeführt, dass im gerichtlichen Verfahren nach § 63 BDG für eingehende Beweiserhebungen kein Raum ist.
103.Die von der Antragsgegnerin maßgeblich in den Blick genommene Erfolglosigkeit ihres Versuchs, im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens zu einer medizinischen Begutachtung des Antragstellers zu gelangen, ist für die Prognose im Rahmen des Aussetzungs- und Beschwerdeverfahrens nicht entscheidend. Nach Erhebung der Disziplinarklage obliegt die Disziplinargewalt dem Verwaltungsgericht. Dieses hat, wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, über das Erfordernis der in Rede stehenden Beweiserhebung eigenständig zu entscheiden. Dabei spielen auf den Zeitraum des behördlichen Disziplinarverfahrens abstellende Überlegungen allenfalls eine untergeordnete Rolle.
114.Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Überlegungen der Antragsgegnerin zu einer Beweisvereitelung nicht mehr an. Das gilt schon deshalb, weil die diesbezüglichen Erwägungen in erster Linie das Verhalten des Antragstellers im behördlichen Disziplinarverfahren in den Blick nehmen. Die gegenläufigen, an die Klageerwiderung des Antragstellers anknüpfenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts greift die Beschwerdebegründung insoweit nicht hinreichend auf.
125.Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
13Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gebühren aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage zu § 78 BDG) ergeben.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 3 BDG i. V. m. § 152 Abs. 1 VwGO).
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