Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 140/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO maßgeblichen Zulassungsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
21. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise an der Gedankenführung des Gerichts orientiert darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstliche zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
3Derartige Zweifel ruft das Antragsvorbringen nicht hervor.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
5die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 16. März 2020 (Az. B.14.1d 653/19) zu verpflichten, einen Bauvorbescheid zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück C.---------straße 1 d in L. zu erteilen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Vorhaben des Klägers sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es im Außenbereich weder nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sei noch nach § 35 Abs. 2 BauGB als "sonstiges Vorhaben" zugelassen werden könne. Das Einfamilienwohnhaus solle im Rahmen eines privilegierten Vollerwerbsbetriebes der gartenbaulichen Erzeugung errichtet werden. Es erfülle aber nicht die Anforderungen an ein "Dienen" im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB. Ein Wohnhaus diene einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung im Sinne dieser Vorschrift, wenn der sich aus den spezifischen Abläufen dieses Betriebes ergebende Zweck ständiger Anwesenheit und Bereitschaft auf der Hofstelle im Vordergrund stehe. Der insoweit anzulegende Maßstab dürfe dabei nicht überzogen werden, etwa im Sinne einer erforderlichen Vorortpräsenz rund um die Uhr. Es reiche aus, wenn die individuelle Wirtschaftsweise oder objektive Eigenart des Betriebes eine Vorortpräsenz der Betriebsinhaber in so erheblichem zeitlichen Umfang nahelegten, dass das Wohnen im Außenbereich für den Betrieb in besonderer Weise dienlich und für den Betriebserfolg im Allgemeinen von Bedeutung sei. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, zumal Herr D. F. bereits jetzt in unmittelbarer Nähe zum Betrieb im Haus C1.--------straße 16a wohne, das zum ehemaligen Betriebssitz gehöre und im Eigentum des Klägers stehe. Der hier geltend gemachte vermehrte Wohnbedarf sei lediglich aufgrund der derzeitigen persönlichen Verhältnisse der Familie entstanden. Dass die nunmehr dritte Wohneinheit einen Wohnbedarf decke, der bei jeder zukünftigen Hofübernahme wieder auftreten werde, sei nicht erkennbar. Das Vorhaben sei auch nicht als "sonstiges Vorhaben" im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Das von dem Kläger geplante Wohngebäude beeinträchtige öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB. Denn es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans (Satz 1 Nr. 1), der das Gebiet als Fläche für die Landwirtschaft ausweise, denen des Landschaftsplans (Satz 1 Nr. 2), dessen Entwicklungsziel bei Realisierung des Vorhabens nicht eingehalten werden könne, und lasse die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten (Satz 1 Nr. 7). Ferner befinde sich auf dem Baugrundstück eine Streuobstwiese, die bei Errichtung des östlich angrenzenden Gebäudes als Kompensationsmaßnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz festgesetzt worden sei. Die Beeinträchtigung dieser öffentlichen Belange könne dem Vorhaben des Klägers auch entgegen gehalten werden, weil es nicht nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigt sei. Insoweit fehle es jedenfalls an der Angemessenheit der Erweiterung.
7Dem setzt das Zulassungsvorbringen nichts Erhebliches entgegen, das im oben genannten Sinne ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wecken könnte.
8Ohne Erfolg macht die Zulassungsbegründung geltend, es gebe keine strikte Einschränkung dahingehend, dass "nur zwei Wohnflächen zugelassen werden können". Die Struktur landwirtschaftlicher Betriebe habe sich in den letzten Jahren in erheblichem Maße verändert. Deren Betriebsflächen hätten sich vergrößert, was auch zu "anderen betrieblichen und familiären Strukturen" führe. Insbesondere der Kräuter- und Gemüseanbau sei sehr personal- und arbeitsintensiv. Damit wird nicht dargelegt, dass der unter dem 23. Oktober 2019 beantragte "betriebsnahe Wohnraum" dem Betrieb des Klägers "dient".
9Das Tatbestandsmerkmal des "Dienens" im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB soll zur Verhinderung außenbereichsfremder baulicher Nutzungen sicherstellen, dass das Bauvorhaben zu dem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht. Es reicht daher nicht, wenn das Vorhaben für den Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits muss es aber auch nicht unentbehrlich sein. Innerhalb des durch beide Begriffe gesteckten Rahmens ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Betriebsinhaber auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs das Bauvorhaben mit dem etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und ob das Vorhaben durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird. Dabei ist nicht der behauptete Zweck des Vorhabens sondern seine wirkliche Funktion entscheidend.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 2.89 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 2015 – 10 A 1796/13 -, juris Rn. 29 m. w. N.
11Nach der Rechtsprechung ist es regelmäßig ausreichend, wenn für einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb Wohnflächen für zwei Generationen zur Verfügung stehen.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2013 - 10 A 1606/11 -, juris Rn. 61; Bay. VGH, Beschluss vom 12. August 2018 – 15 ZB 15.696 -, juris Rn. 13.
13Ausgehend von diesen Grundsätzen ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass die Zulassung einer dritten Wohneinheit hier dem Betrieb des Klägers – im Rechtssinne – "dient". Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt, auf dem Betriebsgrundstück selbst stehe wegen dessen vergleichsweise geringer Größe kein nennenswerter Platz für die Erzeugung gartenbaulicher Produkte zur Verfügung, so dass für den Anbau gartenbaulicher Erzeugnisse Grundstücke in der näheren und weiteren Umgebung zur Verfügung stehen (müssten). Der Sohn des Klägers, Herr D. F. , müsse daher zur Verrichtung der innerhalb der Q. K. F. GbR auf ihn entfallenden Tätigkeiten nicht zwingend auf dem Hof bzw. Betriebsgrundstück wohnen. Die ihm zukommenden Liefertätigkeiten würden – da die Nutzflächen nicht auf dem Betriebsgrundstück lägen, sondern in der näheren und weiteren Umgebung angefahren werden müssten - ohnehin mit dem LKW oder PKW ausgeführt, sonstige Arbeiten im Büro auf dem Betriebsgelände, möglicherweise auch im Homeoffice. Dies sowie die zeitweiligen frühmorgendlichen oder auch am späten Abend liegenden Arbeitstätigkeiten ließen daher aus klägerischer Sicht einen Wohnsitz auf dem Betriebsgelände wünschenswert erscheinen, rechtfertigten aber nicht die Annahme, dass der Betrieb nur dann geführt werden könnte, wenn auch Herr D. F. als (Mit-)Betriebsinhaber auf dem Betriebsgelände wohne. Abgesehen von der jedenfalls im Einzelfall gegebenen Möglichkeit einer Vertretung durch die bereits auf dem Betriebsgrundstück wohnenden weiteren Gesellschafter erschienen die genannten Arbeitszeiten für einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht so außergewöhnlich, dass allein deshalb für einen weiteren – nunmehr den dritten - Gesellschafter die Wohnsitznahme auf dem Betriebsgrundstück geboten wäre.
14Mit diesen ohne Weiteres nachvollziehbaren Ausführungen setzt sich die Zulassungsbegründung nicht weiter auseinander, sondern verweist mehrfach (dort S. 3 und 4) pauschal auf die "Besonderheiten des Betriebs", den "Betrieb in seiner besonderen Struktur der Arbeit und Mithilfe von mindestens drei verantwortlich handelnden Landwirten" oder darauf, dass sich "heute landwirtschaftliche Betriebe mit einem annähernd industrialisierten Arbeitsspektrum [fänden], welches schlichtweg nur mit mehreren Betriebsleitern vernünftig betrieben werden" könne. Warum diese Arbeitsteilung nicht wahrgenommen werden kann, wenn zwei der drei Mitgesellschafter bzw. Betriebsleiter bereits auf dem Betriebsgrundstück wohnen und der dritte ganz in der Nähe des Betriebsgrundstücks, nur ca. 200 m entfernt, wohnt, ist nicht erkennbar. Genau dies ist hier aber der Fall, denn der Kläger und Herr Q1. F. wohnen bereits in dem Einfamilienhaus und in dem Betriebsleiterwohnhaus auf dem Betriebsgrundstück der Q. K. F. GbR und Herr D. F. (als dritter Mitgesellschafter) ist bereits jetzt in unmittelbarer Nähe zum Betrieb im Haus C.---------straße 16a wohnhaft, welches von ihm – nach Angaben des Klägers – zwar gemietet ist, aber zum ehemaligen Betriebssitz gehört und im Eigentum des Klägers steht. Angesichts der vom Verwaltungsgericht aufgezeigten und unwidersprochen gebliebenen tatsächlichen Gegebenheiten kann im Übrigen keine Rede davon sein, es habe sich pauschal und ohne Berücksichtigung des konkreten Falles allein an einer „zahlenmäßigen Reduktion“ orientiert, wie es das Zulassungsvorbringen mehrfach – allerdings ohne konkrete Begründung – unterstellt. Die in der Zulassungsbegründung angekündigte und zwischenzeitlich erfolgte Betriebsaufspaltung der Q. K. F. GbR, die ausweislich des Schriftsatzes vom 16. Juni 2021 dazu geführt hat, dass Herr D. F. "den vollständigen Kräuterbereich des ursprünglichen Betriebs … als einzelunternehmerischer Landwirt übernommen hat und fortführt", ändert hieran nichts. Denn diese "Betriebsaufspaltung der GbR" ist ausweislich der Zulassungsbegründung (dort S. 4) "letztlich allein aus umsatzsteuerrechtlichen Gründen" erfolgt. Vor diesem Hintergrund mag offenbleiben, ob die hier gestellte Voranfrage mit der Frage, ob eine weitere Bebauung "als betriebsnaher Wohnraum für Mitgesellschafter der P. J. F. & T. H. GbR", überhaupt den Fall erfassen könnte, dass die genannt GbR aufgespalten wird und einer der ehemaligen Gesellschafter nunmehr einzelunternehmerisch tätig wird. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die wesentlichen Betriebsflächen des Kräuterbereichs sich ohnehin nicht am Betriebssitz oder in dessen unmittelbarer Umgebung befinden und schon deshalb nicht zu erkennen ist, warum gleichwohl eine dauerhafte Anwesenheit des Betriebsleiters dort erforderlich sein sollte. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf den klägerischen Vortrag, dass der Kräuteranbau sehr personal- und arbeitsintensiv ist. Denn dies bedingt eine Tätigkeit „auf den Feldern“, die nicht am Betriebssitz liegen.
152. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die über die bereits unter 1. behandelten Aspekte hinausgingen, lässt dies Zulassungsbegründung nicht hervortreten.
163. Eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht.
17Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden und auf der Basis der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt.
18Vgl. z. B. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2016 – 1 A 2006/15 -, juris Rn. 16 m. w. N.
19Ausgehend hiervon ist eine grundsätzliche Bedeutung hier nicht dargelegt. Es fehlt schon an der Ausformulierung einer konkret zu klärenden Frage. Hierzu reicht der Verweis auf Auskünfte des Bauernverbandes erkennbar nicht aus. Abgesehen davon ist die Frage, ob eine (weitere) Betriebsleiterwohnung einem Betrieb "dient", eine Frage des Einzelfalls, die sich einer generellen und verallgemeinerungsfähigen Klärung entzieht.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Referenzen
- VwGO § 124 6x
- VwGO § 152 1x
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- VwGO § 154 1x
- 10 A 1606/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 2x
- 1 A 2006/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 2 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- 10 A 1796/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 3 BauGB 1x (nicht zugeordnet)