Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 1986/21.NE
Tenor
§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 3. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 2b), zuletzt geändert durch Art. 1 der Änderungsverordnung vom 3. Februar 2022 (GV. NRW. S. 48 b), – Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) – wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Antragstellerin betreibt ein Fitnessstudio und wendet sich gegen die durch § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO auch für die gemeinsame Sportausübung in Fitnessstudios angeordnete sog. 2Gplus-Regel.
3§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 CoronaSchVO lautet wie folgt:
4„1Die folgenden Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten dürfen vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze nur noch von immunisierten Personen in Anspruch genommen, besucht oder als Teilnehmenden ausgeübt werden, die zusätzlich über einen negativen Testnachweis im Sinne von § 2 Absatz 8a Satz 1 verfügen müssen oder als getestet gelten:
51. die gemeinsame Sportausübung (einschließlich Wettkampf und Training) in Innenräumen in Sportstätten sowie in sonstigen Innenräumen im öffentlichen Raum sowohl im Amateursport als auch im Profisport, wobei für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Profiligen, an Ligen und Wettkämpfen eines Verbands, der Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund ist, sowie Teilnehmende an berufsvorbereitenden Sportausbildungen (zum Beispiel erforderliche Lehrveranstaltungen im Rahmen von Hochschulstudiengängen), die über eine erste Impfung verfügen, bis zur zweiten Impfung übergangsweise als Ersatz der Immunisierung ein Testnachweis nach § 2 Absatz 8a Satz 1 auf der Grundlage einer PCR-Testung ausreichend ist; für Berufssportlerinnen und Berufssportler sowie für Teilnehmende an berufsvorbereitenden Sportausbildungen gilt diese Übergangsregelung bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung auch ohne den Nachweis einer ersten Impfung weiter,
6(…)
72Die zusätzliche Testpflicht nach Satz 1 entfällt für Personen, die über eine wirksame Auffrischungsimpfung verfügen oder zu einer der in § 2 Absatz 9 genannten weiteren Personengruppen gehören.“
8Da sich die vom Verordnungsgeber normierte Regelung nicht isoliert auf Fitnessstudios bezieht, sondern allgemein die gemeinsame Sportausübung in Innenräumen regelt, legt der Senat den wörtlich auf die gemeinsame Sportausübung in Fitnessstudios beschränkten Antrag der Antragstellerin sachdienlich dahin aus, dass sie beantragt,
9im Wege einer einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO bis zur Entscheidung über den von ihr erhobenen Normenkontrollantrag (13 D 436/21.NE) vorläufig auszusetzen, soweit die gemeinsame Sportausübung in Innenräumen in Sportstätten und sonstigen Innenräumen im öffentlichen Raum nur immunisierten und getesteten bzw. als getestet geltenden Personen erlaubt ist.
10Der so verstandene Antrag hat Erfolg. Er ist gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
11Vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 ‑ 4 VR 5.14 ‑, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 ‑ 4 B 1019/19.NE ‑, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 ‑ 2 MN 379/19 ‑, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.
12Der Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung ist danach vorliegend dringend geboten. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung erweist sich der von der Antragstellerin angegriffene § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO voraussichtlich als rechtswidrig und würde in dem zugehörigen Hauptsacheverfahren für unwirksam erklärt werden (I.). Zudem überwiegen die Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Vorschrift sprechenden Gründe (II.).
13I. Die in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO geregelte Beschränkung der gemeinsamen Sportausübung in Innenräumen in Sportstätten und sonstigen Innenräumen im öffentlichen Raum ist voraussichtlich rechtswidrig. Es bestehen zwar keine offensichtlich durchgreifenden Zweifel am Vorliegen einer hinreichenden, dem Parlamentsvorbehalt genügenden Ermächtigungsgrundlage (1.) und der formellen Rechtmäßigkeit der Vorschrift (2.). Die streitgegenständliche Vorschrift dürfte bei summarischer Prüfung jedoch gegen das Gebot der Klarheit und Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen verstoßen (3.).
141. Offensichtlich durchgreifende Zweifel daran, dass die streitgegenständliche Zugangsbeschränkung für die gemeinsame Sportausübung in Innenräumen in den §§ 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 i. V m. Abs. 1 Nr. 8, 14 IfSG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage finden,
15auf diese Regelung stützt der Verordnungsgeber die in § 4 CoronaSchVO enthaltenen Zugangsbeschrän-kungen in Form von 2G- und 3G-Regelungen, vgl. Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuin-fizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022, S. 15, abrufbar unter:
16https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/220117_begruendung_coronaschvo_vom_13._januar_final.pdf,
17liegen nicht vor.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2022 ‑ 13 B 1927/21.NE -, steht zur Veröffentlichung bei www.nrwe.de und juris an; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 14; Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 25.
19Solche hat auch die Antragstellerin nicht vorgetragen. Die von ihr unter Verweis auf den Vortrag ihres Prozessbevollmächtigten in einem Parallelverfahren geltend gemachten Bedenken am Vorliegen einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beziehen sich nicht auf die hier einschlägige Ermächtigungsgrundlage, sondern auf §§ 32, 28 Abs. 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 IfSG, der für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag Anwendung findet.
20Vgl. ausführlich dazu, dass auch keine offensichtlich durchgreifenden Zweifel daran bestehen, dass §§ 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 8 und 14 IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage für Infektionsschutzmaßnahmen im Freizeit- und Amateursportbereich darstellt: OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 13 B 1731/20.NE -, juris, Rn. 23 ff.
212. Die gemäß § 28a Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 5 IfSG geltenden formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung sind voraussichtlich eingehalten.
22a. Danach sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 i. V. m. §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen. Die Begründungspflicht dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen, und damit insbesondere der Verfahrensrationalität und der Legitimationssicherung. Sie soll als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleisten. Innerhalb der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen, ohne dass insoweit eine empirische und umfassende Erläuterung geschuldet wäre. Sie ist möglichst zeitnah nach Erlass der Rechtsverordnung zu veröffentlichen.
23Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, in: BT-Drs. 19/24334, S. 81 f.
24Diesen Anforderungen hat der Verordnungsgeber voraussichtlich Genüge getan. In der Verordnungsbegründung,
25vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022, abrufbar unter:
26https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/220117_begruendung_coronaschvo_vom_13._januar_final.pdf,
27erläutert er, dass es vor dem Hintergrund der wieder massiv steigenden Infektionszahlen um eine möglichst effiziente Begrenzung der Infektionsrisiken gehe. Weiter geht er darauf ein, warum er auch bei der sich ausbreitenden Omikron-Variante als Konzept zur Eindämmung des Infektionsgeschehens im Wesentlichen auf Zugangsbeschränkungen von Ungeimpften zu Angeboten, Einrichtungen und Betrieben setzt. Zudem zeigt er auf, warum es in bestimmten näher benannten Situationen zusätzlicher Beschränkungen bedürfe und warum Personen mit einer Auffrischungsimpfung hiervon ausgenommen werden. Dass er insoweit nicht isoliert aufschlüsselt, inwieweit einzelne Maßnahmen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben werden, ist unschädlich, da § 28a Abs. 5 IfSG nur eine allgemeine Begründung voraussetzt.
28Vgl. dazu Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 16.
29b. Die Verordnung ist auch in der erforderlichen Weise befristet. Sie tritt mit Ablauf des 9. Februar 2022 außer Kraft (§ 9 Abs. 1 CoronaSchVO).
303. Die streitgegenständliche Vorschrift ist allerdings voraussichtlich rechtswidrig, weil sie gegen das Gebot der Klarheit und Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen verstoßen dürfte.
31Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber zur Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit der von ihm getroffenen Regelungen.
32Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2011 - 2 BvF 1/15 u. a. -, juris, Rn. 357; Beschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 -, juris, Rn. 18, m. w. N.
33Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlangt – namentlich wenn er in Verbindung mit der allgemeinen Freiheitsvermutung zugunsten des Bürgers gesehen wird, wie sie gerade in Art. 2 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt –, dass der Einzelne vor unnötigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt bewahrt bleibt; ist ein solcher Eingriff in Gestalt eines gesetzlichen Gebots oder Verbots aber unerlässlich, so müssen seine Voraussetzungen möglichst klar und für den Bürger erkennbar umschrieben werden. Ein gesetzliches Verbot muss in seinen Voraussetzungen und in seinem Inhalt so klar formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach bestimmen können. Gewiss können bei einer gesetzlichen Regelung nicht alle Unklarheiten und Zweifel von vornherein vermieden werden. Es muss aber verlangt werden, dass der Gesetzgeber wenigstens seinen Grundgedanken, das Ziel seines gesetzgeberischen Wollens, vollkommen deutlich macht – besonders dann, wenn es sich um die Regelung eines verhältnismäßig einfachen und leicht zu übersehenden Lebenssachverhalts handelt und die Formung des gesetzlichen Tatbestandes deshalb wenig Schwierigkeiten bereitet.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964 - 1 BvL 12/63 -, juris, Rn. 27, 29.
35Daran fehlt es hier. Die Regelung zur gemeinsamen Sportausübung in Innenräumen ist mit Blick auf Wortlaut, Systematik und Verordnungsbegründung nicht frei von Widersprüchen und damit nicht hinreichend klar.
36Die Coronaschutzverordnung verwendet den Begriff der „gemeinsamen Sportausübung“ an zwei Stellen: Während § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaSchVO die gemeinsame Sportausübung im Freien regelt, erfasst der hier angegriffene § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO die gemeinsame Sportausübung in Innenräumen. Nach dem natürlichen Wortsinn liegt ein Begriffsverständnis nahe, wonach unter der „gemeinsamen“ Sportausübung Aktivitäten zu fassen sind, bei denen die Sportler zielgerichtet zum Sporttreiben (sei es mit- oder gegeneinander) zusammenkommen (z. B. Mannschaftssportarten; Sportarten, die typischerweise zu zweit ausgeübt werden, wie Tennis oder Badminton; Gruppensport z. B. in Form von Fitnesskursen etc.; Individualsport, den man bewusst zu zweit oder mehreren ausübt, z. B. Lauftreff). Der Duden erläutert den Begriff „gemeinsam“ in diesem Zusammenhang als „in Gemeinschaft [unternommen, zu bewältigen]; zusammen, miteinander“.
37Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/gemeinsam.
38Auch der Verordnungsgeber stellt für die Sportausübung im Freien laut Verordnungsbegründung auf ein solches Begriffsverständnis ab, in dem er hierunter sportliche Betätigungen von mehreren Personen, die mit dem Ziel einer gemeinsamen Sportausübung im Freien erfolgen, fasst.
39Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022, S. 21,
40abrufbar unter:
41https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/220117_begruendung_coronaschvo_vom_13._januar_final.pdf.
42In Innenräumen möchte der Verordnungsgeber denselben Begriff der „gemeinsamen Sportausübung“ laut Verordnungsbegründung aus infektiologischen Gründen allerdings weiter verstanden wissen; insoweit hält er eine andere Auslegung des Wortes „gemeinsam“ für erforderlich. Er erläutert, dass in Innenräumen eine gemeinsame Sportausübung nicht nur die zweckgerichtet gemeinsame Sportausübung mehrerer Personen sei, sondern auch die gleichzeitige Sportausübung in einer Räumlichkeit ohne eine innere Verbindung der Sportlerinnen und Sportler untereinander.
43Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022, S. 23,
44abrufbar unter:
45https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/220117_begruendung_coronaschvo_vom_13._januar_final.pdf.
46In infektiologischer Hinsicht erscheint zwar das Bedürfnis der Regulierung einer gleichzeitigen Sportausübung in Innenräumen nachvollziehbar und wegen der unterschiedlichen Infektionsrisiken in Innenräumen und im Freien eine nach dem Ort der Sportausübung differenzierende Regelung grundsätzlich gerechtfertigt. Für den Normadressaten ist es aber eher fernliegend, dass der Verordnungsgeber – wie hier – in Einzelregelungen derselben Norm dem gleichen Begriff eine unterschiedliche Bedeutung beimisst. Der Normadressat wird im Zweifel zu der Annahme neigen, dass der Verordnungsgeber sich eines einheitlichen Sprachgebrauchs bedienen will, dass also das gleiche Wort (hier: „gemeinsame“ Sportausübung) innerhalb derselben Norm die gleiche Bedeutung haben soll, die dem natürlichen Wortsinn entspricht. Dies gilt insbesondere, weil es – wie die Verordnungsbegründung zeigt – problemlos möglich gewesen wäre, für Sport in Innenräumen eine andere Formulierung zu finden, die eindeutig das vom Verordnungsgeber Gewollte erfasst. Da der Verordnungsgeber diese sprachliche Differenzierung versäumt hat und stattdessen in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO dem Begriff „gemeinsam“ erst durch die Verordnungsbegründung eine Bedeutung beimisst, die weder mit dem natürlichen Wortsinn des Begriffs noch mit dem an anderer Stelle in derselben Norm zugrunde gelegten Begriffsverständnis in Einklang zu bringen ist, genügt diese Regelung den oben aufgezeigten Anforderungen an die Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen nicht. Für den Bürger ist letztlich nicht rechtssicher festzustellen, inwieweit die Sportausübung in Innenräumen Zugangsbeschränkungen unterliegt.
47II. Auch die ergänzend gebotene Folgenabwägung geht zu Gunsten der Antragstellerin aus. Ihr Interesse an einer vorläufigen Außervollzugsetzung des hier im Verfahren angegriffenen, voraussichtlich rechtswidrigen § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO ist jedenfalls nicht unerheblich. Da ihre Kunden nicht hinreichend klar feststellen können, unter welchen Bedingungen sie in dem von ihr betriebenen Fitnessstudio trainieren dürfen, sind ihre wirtschaftlichen Interessen maßgeblich berührt.
48Umgekehrt führt eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Vorschrift zwar dazu, dass die vom Verordnungsgeber als ein wesentliches Element bei der Pandemiebekämpfung eingesetzte 2Gplus-Maßnahme bei der gemeinsamen Sportausübung in Innenräumen nicht gilt. Dies ist allerdings auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses am Schutz von Leben und Gesundheit noch hinzunehmen. Denn die Außervollzugsetzung dieser Vorschrift führt nicht dazu, dass Sport in Innenräumen generell keinerlei Beschränkungen unterliegt. Die Auffangnorm des § 4 Abs. 2 Nr. 10 CoronaSchVO bestimmt, dass u. a. in Einrichtungen zur Freizeitgestaltung im öffentlichen Raum wie Sporteinrichtungen in Innenräumen und im Freien die 2G-Regel gilt. Als der Freizeitgestaltung dienend gelten dabei alle Nutzungen und Veranstaltungen, die nicht nach Absatz 1 ausdrücklich abweichenden Zugangsbeschränkungen unterliegen. Hierunter sind auch Fitnessstudios zu fassen. Mit dieser Regelung dürfte der Sport in Innenräumen in Sportstätten sowie in sonstigen Räumen im öffentlichem Raum, auf den sich die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO erstrecken sollte, jedenfalls weitgehend erfasst sein.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.
50Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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