Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 2912/20
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 131.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus dem gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO maßgeblichen Zulassungsvorbringen ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
2Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise an der Gedankenführung des Gerichts orientiert aufzuzeigen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
3Derartige Zweifel ruft das Zulassungsvorbringen nicht hervor.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
5die beiden Ordnungsverfügungen der Beklagten vom 12. Oktober 2018 (Geschäftszeichen 00820-18-04 und 00821-18-04) hinsichtlich der Ziffern 1, 3 und 4 aufzuheben,
6im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Die jeweils in Ziffer 1 ausgesprochene Untersagung der Bauarbeiten und die in Ziffer 3 angeordnete Beseitigung des Neubaus seien hinreichend bestimmt und auch sonst rechtmäßig. Der Neubau sei formell illegal. Die Baugenehmigung vom 16. November 2017 sei für den Umbau und die Erweiterung eines Einfamilienhauses erteilt, der Neubau aber nach dem Abriss des Bestandsgebäudes errichtet worden, so dass sich die tatsächlichen Voraussetzungen der Genehmigung geändert hätten. Der Neubau stelle sich gegenüber dem genehmigten Vorhaben als "aliud" dar. Der Neubau sei auch materiell illegal, weil er gegen bauplanungsrechtliche Bestimmungen verstoße. Es handele sich um ein im Außenbereich gelegenes sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, das öffentliche Belange beeinträchtige (§ 35 Abs. 3 BauGB), ohne dass einer der Ausnahmetatbestände des § 35 Abs. 4 BauGB eingreife. Der Neubau auf dem Vorhabengrundstück widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, der in diesem Bereich "Grünland" vorsehe, und denen des Landschaftsplans, der den Bereich, in dem sich die Grundstücke G. -S. -Weg 8 und 9 befinden, als Landschaftsschutzgebiet festsetze, in dem die Errichtung und Änderung baulicher Anlagen untersagt sei. Das Vorhaben beeinträchtige damit öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BauGB. Ferner werde der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt, da das Hühnerbachtal, wie der Landschaftsplan im Einzelnen ausführe, in der Aue und den Talhängen überwiegend durch Gehölzstrukturen sowie durch vereinzelte Grünlandbereiche charakterisiert sei; in diesem Bereich stelle sich auf Neubauten gerichtete Bautätigkeit als wesensfremd dar. Außerdem werde mit dem Bauvorhaben der aus den Gebäuden G. -S1. -Weg Nrn. 5, 6 und 7 bestehende Ansatz einer Splittersiedlung nach Osten hin räumlich erweitert und damit auch der öffentliche Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt. Die Kläger könnten sich auch nicht auf die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Ersatzbauten nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) BauGB berufen, weil sie im Hause G. -S1. -Weg Nr. 9 nie gewohnt hätten. Die Kläger könnten auch weder mit Erfolg eine Minimierung der Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch den Neubau wegen des zuvor erfolgten Abrisses des Gebäudes G. -S. -Weg 8 geltend machen noch könnten sie sich auf die zuvor durch die Beklagte erteilten Genehmigungen bzw. die diesen zugrundeliegenden rechtlichen Bewertungen und die insoweit getroffenen Absprachen berufen. Sie hätten auch keinen Anspruch auf einen den Neubau erfassenden erweiterten (erweiternden) Bestandsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG, da der Gesetzgeber insoweit mit § 35 Abs. 4 BauGB eine ausdifferenzierte gesetzliche Regelung getroffen habe, die hier keinen Raum für einen Genehmigungsanspruch lasse. Vor diesem Hintergrund lasse sich ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung auch nicht mit den besonderen Umständen des Einzelfalls und dem Grundsatz von Treu und Glauben begründen. Die Ermessensentscheidung sei angesichts dessen auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Zwar bedeute die Anordnung der vollständigen Beseitigung den denkbar weitestgehenden Eingriff in die Rechte der Kläger, doch könne der rechtswidrige Zustand auf andere Weise nicht behoben werden. Die von der Beklagten angestellte Erwägung, das persönliche Interesse der Kläger an einer Fertigstellung des Neubaus und zukünftigen Nutzung müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem Erhalt von Tier- und Pflanzenwelt zurücktreten, entspreche dem Zweck des § 35 BauGB, den Außenbereich von Bebauung freizuhalten. Die in Ziffer 4 der Ordnungsverfügungen jeweils vorgenommene Zwangsgeldandrohung begegne ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.
7Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen greift nicht durch. Die Zulassungsbegründung macht allein geltend, der Neubau sei materiell genehmigungsfähig, insbesondere bauplanungsrechtlich im Außenbereich zulässig. Sie entspricht damit der Zulassungsbegründung im Verfahren gleichen Rubrums (2 A 2913/20) auf Verpflichtung der Beklagten, die nachträgliche Baugenehmigung für den "Neubau" zu erhalten, mit der sich der Senat in seinem Beschluss vom heutigen Tage im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Eine solche Genehmigungsmöglichkeit besteht danach hier tatsächlich nicht. Weitere Aspekte – namentlich hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Beklagte - trägt die Zulassungsbegründung nicht vor.
8Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
9Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und folgt – auch in der Begründung – dem erstinstanzlichen Streitwertbeschluss vom 1. Oktober 2020.
10Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
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- VwGO § 152 1x
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- VwGO § 124a 2x
- § 35 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
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- § 35 Abs. 4 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 3 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
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