Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 2270/21.A
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2021 wird abgelehnt.
Gründe:
1Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die in einem Verfahren auf Zulassung der Berufung beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet.
2Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art.19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
3Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 – 1 BvR 2154/15 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – 9 A 2203/18.A -, juris Rn. 3 f. m. w. N.
4Nach diesen Grundsätzen bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Zulassungsverfahren keine hinreichende Erfolgsaussicht.
5Die von der Klägerin allein geltend gemachte Divergenz zu einer oder zu mehreren Entscheidung(en) des Bundesverfassungsgerichts (Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) besteht nicht. Eine Abweichung im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in Nr. 4 genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht.
6Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, 712; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO - Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 158 m. w. N.
7Eine solche Abweichung ist weder dargelegt noch liegt sie vor. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich zwar entnehmen, dass sie u. a. aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2021 – 2 BvQ 8/21 -, juris, den Rechtssatz ableitet, die Sachaufklärungspflicht gebiete es, dass sich die Gerichte in den Fällen, in denen im Herkunftsstaat sich stetig verschlechternde Zustände mit der Gefahr einer Überschreitung der Schwelle des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG herrschten, laufend über die tatsächliche Entwicklung unterrichten und nur aufgrund aktueller Erkenntnisse entscheiden. Abgesehen davon, dass insoweit kein abweichungsfähiger Rechtssatz, sondern Anforderungen an die grundsätzlich keinen Berufungszulassungsgrund erfüllende ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung formuliert werden, erschließt sich jedoch nicht, mit welchem rechtlichen Obersatz das Verwaltungsgericht hiervon abgewichen sein sollte. Die Klägerin weist vielmehr – ausweislich des Protokolls der mehr als vierstündigen mündlichen Verhandlung zutreffend - darauf hin, dass die verfügbaren aktuellen Erkenntnisse zur Covid19-Pandemie ausdrücklich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden. Der Sache nach rügt die Klägerin in diesem Zusammenhang also eine unzureichende Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen, nicht aber eine Abweichung im rechtlichen Ausgangspunkt. Dies begründet indes regelmäßig – und so auch hier – keine Divergenz.
8Allenfalls könnte in einem solchen Fall eine Gehörsverletzung greifen, weil eine gebotene Sachverhaltsaufklärung unterblieben ist. Dem Protokoll lässt sich indes weder an dieser noch an einer anderen Stelle entnehmen, dass die schon seinerzeit anwaltlich vertretene Klägerin in der – wie gesagt mehr als vierstündigen mündlichen Verhandlung – diese Frage selbst thematisiert und/oder zumindest die vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnisgrundlagen als unzureichend gerügt hätten. Aus diesem Grund musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht ausnahmsweise ohne förmlichen Beweisantrag ein weiterer Ermittlungsbedarf aufdrängen, dessen fehlende Erfüllung eine Verletzung rechtlichen Gehörs und damit einen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 2 Nr. 3 AsylG begründen könnte.
9Vgl. in diesem Zusammenhang nur BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1983 – 9 B 10275.83 -, juris Rn. 5, vom 13. Januar 2000 – 9 B 2.00 -, juris Rn. 3 und vom 21. Mai 2014 – 6 B 24.14 -, juris Rn. 11.
10Solches wird von der Klägerin zutreffender Weise auch nicht geltend gemacht.
11In ihrer inhaltlichen Kritik übersieht die Klägerin im Übrigen, dass sich das Verwaltungsgericht im Hinblick auf diese Problematik gerade nicht auf die vorliegenden Lageberichte des Auswärtigen Amtes, sondern auf die allgemein verfügbaren Informationen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie in der Demokratischen Republik Kongo gestützt hat. Dass und warum dies im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzureichend sein könnte, ergibt sich aus den Ausführungen der Klägerin nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die pauschale Behauptung, „darin“ ließen sich nur „Allgemeinplätze“ finden, wird jedenfalls nicht weiter plausibilisiert, statt dessen nur „beispielhaft“ pauschal auf die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes verwiesen, die zudem jedenfalls im Kern anderen Zwecken als der Information über Corona-Folgen für die einheimische Bevölkerung dienen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass sich das Verwaltungsgericht ausschließlich oder auch nur mit besonderem Gewicht auf diese Erkenntnisquelle - und nicht auf andere allgemein zugängliche Quellen, etwa Berichte der WHO oder der Johns-Hopkins-Universität - gestützt hätte.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.
13Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.
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Referenzen
- § 80 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvQ 8/21 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2154/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 2203/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- § 78 Abs. 2 Nr. 3 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 83 b AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x