Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 B 1991/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die Beschwerde rechtfertigt keine Änderung des angegriffenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 1574/21 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 30.6.2021 zur Errichtung eines Getränkemarktes mit Schallschutzwand auf dem Grundstück Gemarkung A. , Flur 4, Flurstück 426 anzuordnen.
4In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.3.2010
6- 7 VR 1.10 -, juris.
7Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
8Nach summarischer Prüfung erscheinen die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller allerdings als offen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die in der Baugenehmigung getroffene Festsetzung eines Schutzstandards von 63 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts sei unter dem Gesichtspunkt einer Zwischenwertbildung rechtlich nicht zu beanstanden und trage dem Umstand Rechnung, dass die Umgebungsbebauung ganz überwiegend und seit langem durch gewerbliche Nutzungen mit einem hohen Störpotential gekennzeichnet sei. Diese Annahme bedarf weiterer Überprüfung im Hauptsacheverfahren. Bei der vom Verwaltungsgericht befürworteten entsprechenden Anwendung der Nr. 6.7 TA Lärm dürfte auch nach Einführung des § 6a BauNVO weiterhin davon auszugehen sein, dass eine Überschreitung der Richtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete nur ausnahmsweise zulässig ist, wie es Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm auch in der Fassung vom 1.6.2017 unverändert vorsieht. Ob hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt, vermag der Senat im Rahmen der summarischen Prüfung nicht hinreichend festzustellen. Insoweit wird im Hauptsacheverfahren nicht nur Umfang und Dauer der Vorbelastung mit Gewerbelärm, sondern u. a. auch der Gesichtspunkt der Priorität der konfligierenden Nutzungen (Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm), die Frage möglicher weiterer Lärmminderungsmaßnahmen (Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 3 TA Lärm) sowie die Anordnung des genehmigten Vorhabens (Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 3 TA Lärm) in den Blick zu nehmen sein.
9Die danach maßgebliche folgenorientierte Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Diese Interessenabwägung orientiert sich an der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers, die in § 212a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommt. Danach hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Der Senat sieht keine Veranlassung, vorliegend von dieser Wertung abzuweichen. Dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers ist kein überwiegendes Gewicht beizumessen. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Grundstück des Antragstellers bereits seit Jahrzehnten erheblichem Gewerbelärm ausgesetzt ist und der Antragsteller namentlich die Baugenehmigungen vom 27.11.1987 und vom 21.12.2020 für das zuvor auf dem Vorhabengrundstück betriebene Gartencenter nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen habe, obgleich diesen Genehmigungen die Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete von 65 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts zugrunde gelegen hätten. Die Richtigkeit dieser Feststellungen hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht infrage gestellt. Sie rechtfertigen die Beurteilung, dass dem Antragsteller die gemessen an der früheren Nutzung niedrigere Lärmbelastung seines Grundstücks durch den streitigen Getränkemarkt zur maßgeblichen Tageszeit bis zur Entscheidung im Hauptsachverfahren im Hinblick auf § 212a Abs. 1 BauGB zumutbar ist, zumal die vom Verwaltungsgericht angenommenen Werte für eine Gesundheitsgefährdung deutlich unterschritten werden.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, da sie im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
11Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.
12Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 80 1x
- § 212a Abs. 1 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 6a Urbane Gebiete 1x
- 3 K 1574/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x