Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 2816/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 107.506,50 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
21. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus dem nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO maßgeblichen Zulassungsvorbringen nicht.
3Zur Darlegung des Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise an der Gedankenführung des Verwaltungsgerichts orientiert aufzuzeigen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
4Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
6die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 25. Januar 2021 zu verpflichten, der Klägerin den am 8. Juni 2020 beantragten Bauvorbescheid zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit 1.400 m² Verkaufsfläche auf dem Grundstück Gemarkung M. , Flur 00, Flurstück 000, zu erteilen,
7im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Erteilung des beantragten Vorbescheides stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften in Form der für das Vorhabengrundstück geltenden wirksamen Veränderungssperre vom 14. Dezember 2020 entgegen. Die Planungsabsicht der Beklagten sei hinreichend konkretisiert. Die zugrunde liegende Planung lasse nach den Maßstäben der Rechtsprechung das erforderliche Mindestmaß dessen erkennen, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes sein solle. Insbesondere habe die Beklagte zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre ausreichende Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung gehabt. Aus den Beschlussvorlagen zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 338 „X. Straße Nord“ sowie der Veränderungssperre ergebe sich ausreichend deutlich, dass die Beklagte als Baugebietstyp ein (eingeschränktes) Gewerbegebiet ins Auge gefasst habe. So lege bereits die Beschlussvorlage zum Aufstellungsbeschluss dar, es werde „voraussichtlich wieder ein Gewerbegebiet“ festgesetzt. Nur ein solches Gebiet komme zudem nach den ausformulierten drei Planungszielen ernsthaft in Betracht. Nach dem 1. Planungsziel solle ausdrücklich die gewerbliche Hauptnutzung (Gewerbe) geschützt werden. Aus diesem Schutzbedarf habe die Beklagte auch das Planungsbedürfnis abgeleitet. Demgegenüber sei die Festsetzung eines Mischgebietes danach schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil die Beklagte ein ausgewogenes Verhältnis von Wohnnutzung und Gewerbe ersichtlich nicht angestrebt habe. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie in dem ohnehin nur wenige bebaubare Grundstücke umfassenden Plangebiet Wohnbauflächen ausweisen wolle. Dies ergebe sich namentlich nicht aus dem Planungsziel 3, wonach der Bebauungsplan auch der Auflösung der Gemengelage zwischen einem nicht weiter eingeschränkten Gewerbegebiet und einem allgemeinen Wohngebiet dienen solle. Dieses Ziel könne durch eine Einschränkung des Gewerbegebietes auf wohnverträgliche Nutzungen erreicht werden. Dass die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung im Einzelnen letztlich davon abhingen, was im Rahmen der erforderlichen schalltechnischen Untersuchungen bauplanungsrechtlich zulässig sei, stehe der Sicherungsfähigkeit der Planung nicht entgegen. Dies könne erst im weiteren Planungsverlauf oder bei der Überprüfung des Bebauungsplans selbst eine Rolle spielen. Unbeschadet der klaren Zielsetzungen werde die Ausrichtung des Bebauungsplanes auf eine Gebietsart nach der Baunutzungsverordnung in der Beschlussvorlage zudem weiter konkretisiert. Dort würden bereits Vorstellungen über im Detail zulässige Nutzungsarten entwickelt. Dies zeige insbesondere der beabsichtigte Einzelhandelsausschluss (Planungsziel 2). Des Weiteren ergebe sich aus dem Planungsziel 3, dass das Gebiet Einschränkungen im Hinblick auf mit angrenzenden Wohngebieten nicht verträgliche Nutzungen unterliegen solle. Angesichts dieser weiteren Konturierung der geplanten Nutzungsstruktur hätte die Planung selbst dann einen sicherungsfähigen Konkretisierungsgrad erreicht, wenn man davon ausginge, dass ein Baugebietstyp nach der Baunutzungsverordnung noch nicht hinreichend bestimmt gewesen sei und neben einem Gewerbegebiet alternativ auch ein Mischgebiet in Betracht käme. Angesichts dieser konkretisierten und positiven Planungsziele spreche auch nichts dafür, dass der Bebauungsplan den alleinigen Zweck verfolge, die Nutzungswünsche der Klägerin zu verhindern. Dafür, dass die dargestellten Planungsabsichten der Beklagten nur vorgeschoben seien, zeige weder die Klägerin belastbare Anhaltspunkte auf noch ergäben sich solche Indizien aus den Aufstellungsvorgängen. Ohnehin sei es einer Gemeinde grundsätzlich nicht verwehrt, aus Anlass eines konkreten Bauvorhabens einen Bebauungsplan aufzustellen, der zu dessen Unzulässigkeit führen solle. Zugleich verfolge der projektierte Einzelhandelsausschluss das positive städtebauliche Ziel der Einzelhandelssteuerung durch Umsetzung eines hierfür jedenfalls nicht offensichtlich untauglichen Einzelhandelskonzepts der Beklagten. Dass diese Konzeptionen und damit die vorliegende Planung offensichtlich rechtswidrig wären, erschließe sich nicht. Einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der damit wirksamen Veränderungssperre habe die Klägerin ersichtlich nicht. Insoweit sei das von ihr vorgelegte X-Gutachten ohne Belang.
8Diesen eingehenden und überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt die Begründung des Zulassungsantrags nichts Erhebliches entgegen, das zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung führen könnte.
9Der grundlegende Einwand, das Verwaltungsgericht „verkennt die rechtlichen Anforderungen an eine sicherungsfähige Planung“, wird bereits nicht näher ausgeführt und ist im Übrigen haltlos, wie sich schon daraus ergibt, dass die klägerische Zusammenfassung der rechtlichen Maßstäbe (S. 7 bis 9 der Begründung des Zulassungsantrags) inhaltlich nicht von derjenigen auf den Seiten 10 f. des angegriffenen Urteils abweicht. Das Verwaltungsgericht hat die rechtlichen Maßstäbe vielmehr offensichtlich zutreffend dargelegt.
10Vgl. aus jüngerer Zeit etwa OVG NRW, Urteile vom 16. April 2021 – 2 D 106/20.NE -, NWVBl. 2021, 375 = juris Rn. 39 ff., vom 25. Januar 2021 – 2 D 131/20.NE -, juris Rn. 34 ff. (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 26. August 2021 – 4 BN 14.21 -, juris), und vom 23. Mai 2019 – 2 D 39/18.NE -, BauR 2020, 80 = juris Rn. 27 ff., sowie Beschlüsse vom 30. August 2021 – 2 B 877/21 -, Rn. 4 ff. (zu einem Zurückstellungsbescheid), vom 16. Juni 2021 – 2 B 438/21.NE -, juris Rn. 24 ff., und vom 17. Dezember 2020 – 2 B 1249/20.NE -, juris Rn. 45 ff.
11Der Sache nach kritisiert die Klägerin letztlich auch nur, das Verwaltungsgericht habe den vorliegenden Sachverhalt unter diese rechtlichen Obersätze fehlerhaft subsumiert. Auch dies trifft indes nicht zu.
12Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin insbesondere darauf, es liege keine hinreichend konkretisierte Planung vor, weil jedenfalls zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über die Veränderungssperre der vorgestellte Baugebietstyp noch nicht festgelegt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr schon dem Planungsziel 1, wonach mit dem Bebauungsplan die Hauptnutzung (Gewerbe) geschützt werden solle, mit Recht entnommen, dass die Planungsabsicht der Beklagten nur auf die Festsetzung eines Gewerbegebietes gerichtet sein könne. Dies versteht sich angesichts der vorhandenen Nutzungsstruktur im Plangebiet, in dem bisher keine nennenswerte freie Wohnnutzung stattfindet, letztlich von selbst. Denn mit der Etablierung eines Mischgebietes, das jedenfalls dann, wenn es nicht nur (rechtswidrig) als „Puffer“ zu einem angrenzenden Wohngebiet im Sinne eines Etikettenschwindels festgesetzt wird,
13vgl. dazu nur OVG NRW, Urteil vom 28. September 2021 - 2 D 121/20.NE -, juris Rn. 40 f., m. w. N.,
14notwendigerweise einen erheblichen Anteil an Wohnbauflächen ausweisen müsste, um zu der charakteristischen im Wesentlichen gleichgewichtigen Nutzungsmischung von Wohnen und Gewerbe zu gelangen, würde die vorhandene gewerbliche Nutzung(smöglichkeit) nicht geschützt, sondern flächenmäßig erheblich eingeschränkt. Hinzu tritt, dass mit Etablierung umfangreicherer Wohnnutzung im Plangebiet schon dort der bisher allein durch die außerhalb der Plangebietsgrenzen liegende Wohnbebauung induzierte Nutzungskonflikt zulasten des vorhandenen Gewerbes notwendig verschärft würde, sodass auch unter diesem Aspekt von einem Schutz der gewerblichen Nutzung nicht einmal im Ansatz die Rede sein könnte. Um „bloße Mutmaßungen“, wie die Klägerin meint, handelt es sich bei diesen tatsächlichen Gegebenheiten und ihren bei verständiger Lesart daraus bereits vom Plangeber gezogenen (rechtlichen) Folgerungen, mit denen sie sich indes nicht weiter auseinandersetzt, nicht. Dass bei anderen planerischen Vorstellungen auch andere Baugebietstypen denkbar sein mögen, wie die Klägerin erörtert, ändert hieran nichts.
15Damit erschließt sich auch unmittelbar, dass das Verwaltungsgericht zu Recht dem Planungsziel 3 die Absicht entnommen hat, das bisherige uneingeschränkte Gewerbegebiet jedenfalls in Teilen zu einem eingeschränkten Gewerbegebiet zu machen. An dem Gebietstyp selbst macht der Plangeber damit indes offenkundig keine Abstriche.
16Aus dem Zulassungsvorbringen, das im Wesentlichen den erstinstanzlichen, vom Verwaltungsgericht bereits erschöpfend gewürdigten Vortrag wörtlich wiederholt, ergibt sich nichts, was diese Einschätzung infrage stellen könnte. Soweit sich die Klägerin auf die Beschlussvorlage 129/2020 beruft, legt sie ihrer Auslegung auf Seite 13 der Begründung des Zulassungsantrags eine sinnentstellend selektive Fassung zugrunde. Wie sie noch richtig zitiert, lautet die Passage: „Da der Geltungsbereich aller Voraussicht nach auch zukünftig ein Gewerbegebiet sowie …. enthalten wird, …“. Daraus ergibt sich jedoch eindeutig, dass das Wort „auch“ sich auf „zukünftig“ bezieht, und nicht auf das Gewerbegebiet, wie die Klägerin unter Auslassung des Bezugswortes „zukünftig“ anschließend suggeriert. Von einem anderen Gebietstyp ist hier mithin nicht einmal ansatzweise die Rede, zumal die von der Klägerin ausgelassene Passage lautet „sowie eine öffentliche Verkehrsfläche“. Damit ist letztlich klar, dass es hinsichtlich der Nutzungsarten nur um ein Gewerbegebiet geht, was zudem auch dadurch unterstrichen wird, dass sich diese Ausführungen allein mit der Frage beschäftigen, ob ein beschleunigtes Verfahren nach § 13a BauGB in Betracht kommt. Dies hat die Beklagte an dieser Stelle – zu Recht - mit Blick auf die, wenn auch wohl eher fernliegende, Möglichkeit der Ansiedlung UVP-pflichtiger Vorhaben in einem Gewerbegebiet vorsorglich verneint. Solche kämen jedenfalls typischerweise in einem Mischgebiet von vornherein nicht in Betracht.
17Soweit sich die Begründung des Zulassungsantrages in diesem Zusammenhang weiter ausführlich mit dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten beschäftigt, kommt es hierauf schon deshalb nicht an, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung ausreichend konkretisierter Planungsabsichten der Tag des Satzungsbeschlusses über die Veränderungssperre ist. Zudem können die Vertreter der Beklagten im gerichtlichen Verfahren die objektiv erkennbaren Planungsabsichten des Rates bzw. der Fachausschüsse nicht modifizieren oder authentisch interpretieren. Von daher kann dahinstehen, ob die hierauf aufbauenden Schlussfolgerungen der Klägerin in der Sache überzeugen. Vorsorglich sei lediglich darauf hingewiesen, dass sich aus diesen Äußerungen auch in der Sache jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Planung oder eine grundlegende Änderung der Zielvorstellungen nach Satzungsbeschluss ergeben.
18Da damit der hier zu betrachtenden Veränderungssperre bereits eine auf einen Baugebietstyp konkretisierte Planung zugrunde liegt, ist die vorliegende Fallkonstellation schon im Ansatz nicht mit derjenigen vergleichbar, zu der das Normenkontrollurteil des Senats vom 16. April 2021 - 2 D 106/20.NE – ergangen ist.
192. Vor diesem Hintergrund weist die Rechtssache auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Die Begründung des Zulassungsantrages enthält insoweit über die vorstehend behandelten Aspekte hinaus keine weitergehenden Ausführungen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und folgt – auch in der Begründung – der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
22Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das angegriffene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Referenzen
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- VwGO § 152 1x
- VwGO § 154 1x
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- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 2x
- 2 D 121/20 1x (nicht zugeordnet)
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