Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 403/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung tragend im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten planungsrechtlichen Bauvorbescheids. Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, da ein konkreter Bedarf für die Umnutzung nicht erkennbar sei. Auch eine Zulassung als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB komme wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange nicht in Betracht. Das Vorhaben widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB greife im Fall der Änderung zu Wohnzwecken (Buchst. f) nur dann ein, wenn neben den bisher nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässigen Wohnungen höchstens drei Wohnungen je Hofstelle entstünden. Dies sei hier mit Blick auf die fünf neben der Betriebsleiterwohnung vorhandenen nicht privilegierten Wohneinheiten nicht der Fall. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB komme schon wegen der erfolgten Umbauarbeiten nicht in Betracht. Im Übrigen beeinträchtige das Vorhaben auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, da es innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes liege.
4Ist das angefochtene Urteil - wie hier - auf mehrere, die Entscheidung jeweils selbstständig tragende Begründungen gestützt, bedarf es in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes.
5Vgl. nur Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 196, m. w. N. zur Rechtsprechung.
6Dies zugrunde gelegt, hat der Zulassungsantrag jedenfalls mit Blick auf die selbstständig tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans, keinen Erfolg.
71. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Kläger führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Urteilsrichtigkeit (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
8Die Kläger wenden zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB ein, dessen Auslegung sei nicht eindeutig, aus der fehlenden Benennung von teilprivilegierten Wohnungen neben den bisher nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässigen Wohnungen könne nicht geschlossen werden, dass sie in die Zählung einbezogen werden müssten, Fundstellen aus der Literatur könnten auch zugunsten der Kläger verstanden werden, ebenso sei die Entstehungsgeschichte nicht eindeutig, § 35 Abs. 4 BauGB differenziere ganz bewusst zwischen der privilegierten Umnutzung von landwirtschaftlichen Zweckbauten einerseits und von die Kulturlandschaft prägenden Gebäuden andererseits, ein Abstellen auf die jeweilige Reihenfolge der Nutzungsänderungen sei wegen der unbegrenzten Möglichkeit von Nutzungsänderungen nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB willkürlich und auch aus § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB lasse sich keine allgemeine Aussage herleiten. Mit diesen Einwänden dringen sie nicht durch.
9Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, warum § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB - nach seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck - dahingehend auszulegen ist, dass bei der Berechnung der höchstzulässigen Zahl der Wohneinheiten, die durch eine Nutzungsänderung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB entstehen dürfen, Wohnungen, die als sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB entstanden sind, mit zu berücksichtigen sind.
10Die von den Klägern vertretene Auslegung von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB liefe letztlich auf eine Anreicherung von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB mit Elementen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB hinaus. Der Gesetzgeber hat jedoch in § 35 Abs. 4 BauGB ein differenziertes System von Einzelregelungen geschaffen, das nicht durch die Kombination der verschiedenen Nummern beliebig erweiterbar ist.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, juris; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 35 Rn. 132.
12Anders als die Kläger meinen, ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat, mit § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB solle - wie daneben auch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB bestätige - der Gefahr der Errichtung einer unangemessen großen Zahl von Wohnungen im Außenbereich begegnet werden. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB zeigen, dass der Gesetzgeber der Zahl der Wohnungen im Außenbereich bodenrechtliche Bedeutung beimisst. Dem liegt die zutreffende Erkenntnis zugrunde, dass sich durch hinzukommende Wohneinheiten die Belastung des Außenbereichs, das heißt die Beeinträchtigung öffentlicher Belange, regelmäßig insofern verstärkt, als die natürliche Eigenart der Landschaft zusätzlich beeinträchtigt und der Verfestigung einer Splittersiedlung Vorschub geleistet wird. Mit der Zahl der Wohneinheiten steigt die Zahl der Haushalte und damit typischerweise die Zahl der Bewohner, nimmt der Kraftfahrzeugverkehr zu und wird die Ver- und Entsorgung aufwändiger.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2004 - 4 C 4.03 -, juris.
14Der Einwand der Kläger, es sei willkürlich, mit Blick auf die unbegrenzte Möglichkeit von Nutzungsänderungen nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB auf die jeweilige Reihenfolge der Nutzungsänderungen nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB abzustellen, bleibt ebenfalls erfolgslos. Dies gilt schon deshalb, weil auch im Fall einer Umnutzung zu Wohnzwecken nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB das Vorhaben mit Blick auf die Zahl der geplanten und insgesamt entstehenden Wohnungen außenbereichsverträglich sein muss. Auch eine Nutzungsänderung zu Wohnzwecken nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB nach einer vorherigen Nutzungsänderung zu Wohnzwecken nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB wäre daran zu messen.
15Nichts anderes ergäbe sich hier im Übrigen bei einer Berücksichtigung der Änderung von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB durch das Baulandmobilisierungsgesetz vom 14.6.2021 (BGBl. I Seite 1802), wonach die zulässige (Höchst-)Zahl von Wohnungen je Hofstelle von drei auf fünf erhöht wurde. Denn auch diese Höchstzahl würde bereits durch die neben der Betriebsleiterwohnung auf dem C. Hof vorhandenen fünf Wohnungen erreicht.
16Die Kläger ziehen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auch nicht mit ihrem Vortrag ernstlich in Zweifel, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht allein anhand der Verwaltungsvorgänge eine Nutzungsänderung eines erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäudes nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB verneint. Sie setzen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts schon nichts Substanzielles entgegen. Der bloße Verweis auf ein Schreiben des Klägers zu 2. und seiner Ehefrau vom 12.1.2019 aus dem Verwaltungsverfahren genügt dafür nicht.
172. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
18Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine bislang weder höchstrichterlich noch obergerichtlich geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die sich auch in dem angestrebten Berufungsverfahren stellt und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf.
19Vgl. Kuhlmann in: Wysk, VwGO, Kompaktkommentar, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 34, m. w. N.
20Dies ist hier nicht der Fall. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob in die Zählweise der gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f BauGB zulässigen Anzahl von „höchstens drei Wohnungen je Hofstelle“ - nunmehr: fünf - auch solche Wohnungen einzubeziehen sind, die vorher aufgrund anderer Tatbestände des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB, insbesondere der Nr. 4, genehmigt worden sind, ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich nach dem Vorstehenden auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Regelung ohne Weiteres in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Sinne beantworten.
213. Schließlich machen die Kläger ohne Erfolg einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
22Soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht sei verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, dass das Vorhaben im Geltungsbereich eines Landschaftsschutzgebiets liege, ist dies für die selbstständig tragende gerichtliche Annahme, das Vorhaben widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans, von vornherein unerheblich.
23Der weitere Einwand der Kläger, das Verwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil es die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens oder Durchführung eines Ortstermins allein anhand der Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1) verneint habe, verfängt ebenso wenig.
24Nach § 86 Abs. 1 VwGO ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen bis hin zur Grenze der Zumutbarkeit aufzuklären, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Um eine Aufklärungsrüge erfolgreich geltend zu machen, ist substanziiert darzulegen, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.4.2018 - 8 A 1590/16 -, juris, m. w. N.
26Daran fehlt es hier. Beweisanträge haben die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Kläger nicht gestellt. Nach der - zutreffenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts musste sich die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung mit Blick auf die Frage, ob das Vorhaben die tatsächlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB erfüllt, angesichts der im Verwaltungsvorgang vorhandenen Stellungnahmen und Fotos der Örtlichkeit nicht aufdrängen.
27Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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