Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 96/22.NE
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen beabsichtigten Antrag auf Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
1Der (isolierte) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen beabsichtigten Antrag auf Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung mit dem sinngemäßen Antrag,
2im Wege der einstweiligen Anordnung alle Coronaeinschränkungen, insbesondere für Ungeimpfte, außer Vollzug zu setzen,
3bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
4Vor dem Hintergrund, dass zwischenzeitlich ein Großteil der Infektionsschutzmaßnahmen wie die sog. 2G-Regelungen, gegen die sich der Antragsteller ausdrücklich wenden wollte, entfallen ist, versteht der Senat das Vorbringen des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dahingehend, dass er nunmehr die Außervollzugsetzung der weiter bestehenden Infektionsschutzmaßnahmen aus § 3 (Maskenpflicht) und § 4 (Testpflicht) der aktuell geltenden Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 1. April 2022 (GV. NRW. S. 3601) – Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) begehrt, soweit diese ihn potentiell betreffen. Der Senat geht insoweit davon aus, dass der Antrag hinsichtlich des § 4 CoronaSchVO nur darauf gerichtet ist, eine Testpflicht von Besuchern gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 CoronaSchVO und behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 CoronaSchVO außer Vollzug zu setzen, weil der Antragsteller nicht geltend gemacht hat, in einer der in Abs. 1 aufgelisteten Einrichtungen beschäftigt zu sein. Da die Testpflichten aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 und 4 CoronaSchVO (ambulante Pflegedienste u. ä.) von den Beschäftigten oder anderen, wiederkehrend in den Einrichtungen tätigen Personen zu erfüllen sind und der Antragsteller auch nicht vorgetragen hat, an einem Zugang zu den Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 und 6 CoronaSchVO (Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern u. ä. bzw. Justizvollzugsanstalten u. ä.) interessiert zu sein, ist weiter anzunehmen, dass die solchermaßen eingegrenzte vorläufige Außervollzugsetzung allein in Bezug auf die von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CoronaSchVO erfassten Einrichtungen (Krankenhäuser bzw. Pflegeeinrichtungen) begehrt wird, weil es ihm ansonsten offensichtlich an der für einen solchen Antrag erforderlichen Antragsbefugnis fehlte.
5Vgl. zum Erfordernis einer Antragsbefugnis: OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2021 - 13 B 1782/20.NE -, juris, Rn. 14 ff., m. w. N. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und weiterer Obergerichte.
6Der so verstandene Antrag wäre jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
7Vgl. zum Prüfungsmaßstab: BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 ‑ 4 VR 5.14 ‑, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 ‑ 4 B 1019/19.NE ‑, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 ‑ 2 MN 379/19 ‑, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.
8Das ist hier nicht der Fall, weil der in der Hauptsache zu erhebende Normenkontrollantrag des Antragstellers nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglicher summarischer Prüfung nicht offensichtlich begründet wäre (I.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu seinen Lasten ausfallen würde (II.).
9I. Die streitgegenständlichen Regelungen sind nicht offensichtlich rechtswidrig.
101. Sie finden in §§ 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 (Maskenpflicht) und Nr. 2 (Testpflicht) IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage.
112. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 5 IfSG sind voraussichtlich eingehalten. Die Verordnung ist mit einer hinreichenden Begründung versehen,
12vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 1. April 2022, abrufbar unter
13https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/220409_begruendung_coronaschvo_vom_1._april_2022.pdf,
14und in der erforderlichen Weise befristet. Sie tritt mit Ablauf des 30. April 2022 außer Kraft (§ 6 CoronaSchVO).
153. Die für Krankenhäuser und voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CoronaSchVO normierte Testpflicht begegnet keinen offensichtlichen materiell-rechtlichen Bedenken.
16a. Sie beschränkt sich auf Örtlichkeiten, für die § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 lit. a) IfSG die Möglichkeit der Anordnung einer Testpflicht vorsieht.
17b. Sie verstößt ferner nicht offensichtlich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie ist bei vorläufiger Bewertung zur Erreichung des vom Verordnungsgeber verfolgten Ziels, Leben und Gesundheit der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu schützen, voraussichtlich geeignet (aa), erforderlich (bb) und auch angemessen (cc).
18aa. Für die Eignung genügt bereits die Möglichkeit, durch die Regelung den mit dieser verfolgten Zweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Normgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele der Norm zu erreichen. Erfolgt der Eingriff – wie hier – zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Eignungsprognose beschränkt.
19Vgl. in Bezug auf den Gesetzgeber: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 185; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2022 - 1 BvR 159/22 -, juris, Tenor.
20Diesen Einschätzungsspielraum hat der Verordnungsgeber ausgehend von den gegenwärtig vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen voraussichtlich nicht überschritten. Es dürfte zunächst nicht zu beanstanden sein, dass er weiterhin der Auffassung ist, die ergriffenen Maßnahmen dienten dem Schutz von Leben und Gesundheit. Er führt hierzu aus, dass sich Nordrhein-Westfalen weiterhin in einer kritischen Phase der Pandemie mit hohen Inzidenzen befinde. Es bleibe immer noch wichtig, die vulnerablen Personengruppen weiterhin ausreichend zu schützen. Es sollten deswegen alle Schutzmaßnahmen fortgelten, die nach § 28a Abs. 7 IfSG noch möglich seien. Dies solle auch verhindern, dass sich die Infektionslage durch die sich ergebenden Lockerungen wieder derart dynamisch entwickele, dass eine Feststellung nach § 28a Absatz 8 IfSG mit der Folge getroffen werden müsse, erneut eingriffsintensivere Maßnahmen anzuordnen. Der Verordnungsgeber stützt sich bei dieser Einschätzung auf die zwar leicht rückläufigen, aber weiterhin hohen 7-Tage-Inzidenzen (am 1. April 2022 von 1.288,2). Hinsichtlich der Situation in den Krankenhäusern verweist er darauf, dass die 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz (7,24 am 1. April 2022) zwar rückläufig sei, aber dennoch zusammen mit den Personalausfällen zu einer hohen Belastung der Normalstationen führe mit der Folge, dass ein relevanter Teil der Krankenhäuser in allen Landesteilen derzeit Stationsschließungen oder Einschränkungen in der Notaufnahme vornehmen sowie planbare Behandlungen (beispielsweise Operationen) zurückstellen müsse.
21Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 1. April 2022, S. 2 f., abrufbar unter
22https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/220409_begruendung_coronaschvo_vom_1._april_2022.pdf.
23Mit diesen Erwägungen dürfte der Verordnungsgeber seinen Einschätzungsspiel-raum voraussichtlich nicht überschreiten. Ob bzw. inwieweit die streitgegenständlichen Maßnahmen das Infektionsgeschehen insgesamt eindämmen oder kontrollieren können, kann dabei offenbleiben. Denn diese zielen jedenfalls nicht allein darauf ab, die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhalten, sondern insbesondere auch darauf, Leben und Gesundheit von Angehörigen vulnerabler Gruppen (hochaltrige Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen, einem geschwächten Immunsystem oder mit Behinderungen) zu schützen.
24Vgl. dazu, dass der Bundesgesetzgeber mit Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Testpflichten in diesen Bereichen einen Beitrag zum Schutz vulnerabler Personen leisten will: BT-Drs. 20/958, S. 20.
25Diese Schutzgüter werden nicht erst durch etwaige fehlende Behandlungsmöglichkeiten wegen einer Überlastung des Gesundheitssystems gefährdet, sondern bereits dadurch, dass diese Personen sich mit dem SARS-CoV-2-Virus anstecken. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass eine Testnachweispflicht als Zugangsvoraussetzung grundsätzlich geeignet ist, um nicht erkannte Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu entdecken, einem Infizierten den Zutritt zu der jeweiligen Einrichtung oder Veranstaltung zu verwehren und damit die übrigen Besucher bzw. Teilnehmer vor einer Ansteckung durch die infizierte Person zu schützen.
26Vgl. hierzu bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Oktober 2021 - 13 B 1393/21.NE -, juris, Rn. 77, und vom 16. März 2022 - 13 B 28/22.NE -, juris, Rn. 67 ff.
27Dass jeder Coronatest immer nur eine Momentaufnahme darstellt und insbesondere die zur Anwendung zugelassenen Antigen-Schnelltests relativ ungenau sind, stellt die Eignung nicht in Frage.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 ‑ 13 B 1393/21.NE -, juris, Rn. 86 f., m. w. N.
29Gerade vor dem Hintergrund, dass es in den von der Testpflicht erfassten Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CoronaSchVO typischerweise zu einem Kontakt mit Angehörigen vulnerabler Personengruppen kommt, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, das Risiko eines Eintrags von Infektionen in diese Bereiche durch Besucher oder neu aufgenommene Personen möglichst zu minimieren.
30bb. Eine solche Testpflicht ist voraussichtlich auch erforderlich. Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Normgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
31Vgl. für den Gesetzgeber: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 202 ff.
32Davon ausgehend sind mildere, aber in ihrer Wirkung gleich effektive Mittel nicht ersichtlich. Das verbindliche Tragen einer (FFP2-)Maske stellt kein solches Mittel dar. Denn eine Maskenpflicht gilt in den von der Testpflicht nach § 4 Abs. 1 CoronaSchVO erfassten Bereichen nach § 3 CoronaSchVO überwiegend schon zusätzlich. Angesichts dessen auf die Testpflicht zu verzichten, würde kein gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten, weil nur mithilfe der Testpflicht Infizierte im Vorfeld erkannt werden können.
33cc. Es drängt sich auch nicht auf, dass die angegriffenen Zugangsbeschränkungen angesichts des gegenwärtigen Infektionsgeschehens voraussichtlich nicht mehr angemessen sind. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.
34Vgl. in Bezug auf den Gesetzgeber: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 -, juris, Rn. 216.
35Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Normgebers. Die gerichtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Normgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.
36Vgl. in Bezug auf den Gesetzgeber BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 -, juris, Rn. 217.
37Nach diesen Maßstäben ist bei vorläufiger Bewertung nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten und gegen das Übermaßverbot verstoßen hat. In der erforderlichen Abwägung dürfte der Verordnungsgeber einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen den mit der Testpflicht einerseits verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und der durch die Beschränkungen andererseits bewirkten Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden haben. Mit der Testpflicht verfolgt der Verordnungsgeber hochrangige Gemeinwohlbelange wie den Schutz vulnerabler Personen vor für diese besonders gefährlichen Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus. Diesem Zweck stehen grundrechtlich geschützte Belange der Normadressaten entgegen, weil ihnen eine Behandlung und Unterbringung oder ein Besuch in den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CoronaSchVO bestimmten Einrichtungen nur nach Durchführung eines Tests möglich ist. Es handelt sich allerdings um eine Maßnahme mit niedrigschwelliger Eingriffsintensität.
38Das Aufsuchen eines Testzentrums stellt im Wesentlichen eine Lästigkeit, aber keinen durchgreifenden Grund dar, zugangsbeschränkte Einrichtungen nicht zu besuchen oder sich dort behandeln oder betreuen zu lassen. Soweit die Durchführung der Tests je nach Erreichbarkeit und Öffnungsdauer einer Teststation Vorplanungen und organisatorischen Aufwand voraussetzt, geht der Senat davon aus, dass Testangebote landesweit nach wie vor niedrigschwellig erreichbar sind,
39vgl. beispielsweise die Übersichtskarte vom WDR, abrufbar unter
40https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/corona-schnelltest-kostenlos-teststellen-100.html, sowie die Übersicht auf www.testen-in-nrw.de,
41und der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) auch insoweit nicht schwerwiegend ist. Ferner sind die Tests kostenfrei (vgl. § 4a i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2).
42Etwaige Beschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) durch die Testnachweispflicht erscheinen mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen ebenfalls jedenfalls gerechtfertigt. Auch diese Rechte gelten nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG) zurück.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 ‑ 13 B 1393/21.NE -, juris, Rn. 166.
44Der mit der Testung gegebenenfalls verbundene Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit ist allenfalls als gering einzustufen.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 13 B 437/21.NE - , juris, Rn. 59; OVG Schl.-H., Beschluss vom 15. September 2021 - 3 MR 28/21 -, juris, Rn. 34, m. w. N.; zur Niedrigschwelligkeit der mit einem Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum einhergehenden körperlichen Beeinträchtigung siehe auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. August 2020 - 1 BvR 1981/20 - , juris, Rn. 9.
46Chemikalien enthalten die Tests nur in einer für die Gesundheit unbedenklichen Konzentration.
47Vgl. näher hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 7. März 2022 - 14 MN 173/22 -, juris, Rn. 19 ff., in Auseinandersetzung mit der „Gefährdungsanalyse Durchführung von COVID-19-Schnelltests und durch PCR-Test“ von Prof. Dr. Werner Bergholz vom 12. November 2021; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. April 2021 - 1 S 1204/21 -, juris, Rn. 167, 180; VG Aachen, Beschluss vom 27. April 2021 - 9 L 241/21 -, juris, Rn. 16 ff.; sowie speziell zur Unbedenklichkeit der verwendeten Abstrichstäbchen: OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. April 2021 ‑ OVG 11 S 56/21 -, juris, Rn. 68.
48Besonderen Umständen, unter denen eine Testpflicht eine besondere Härte bedeuten würde, wird durch Ausnahmen Rechnung getragen. So gilt z. B. nach § 4 Abs. Nr. 2 CoronaSchVO für die in einer Einrichtung Behandelten oder Betreuten eine Ausnahme von der Testpflicht, wenn dieser medizinische, pflegerische oder sicherheitsrelevante Gründe oder ethisch gravierende Ausnahmesituationen (Begleitung Sterbender oder ähnliches) entgegenstehen.
49c. In den Regelungen zur Testpflicht zu den Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CoronSchVO liegt voraussichtlich auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
50Vgl. ausführlich zum Prüfungsmaßstab zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2022 - 13 B 203/22.NE -, juris, Rn. 138 ff.
51Grundsätzlich gelten die Testpflichten sowohl für nichtimmunisierte als auch für immunisierte Personen. Dass § 4 Abs. 2 Satz 4 CoronaSchVO abweichende Regelungen für bestimmte andere Einrichtungen im Wege der Allgemeinverfügung ermöglicht, worunter in Zusammenschau mit der Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 CoronaSchVO solche zu verstehen sein dürften, die vollständig immunisierte Personen von den Testpflichten ausnehmen, ist nicht zu beanstanden. Unabhängig davon, ob schon in dieser Ermächtigungsgrundlage eine Ungleichbehandlung zu sehen ist oder diese erst durch eine entsprechende Allgemeinverfügung erfolgt, dürfte eine in dieser Weise vorgenommene Differenzierung jedoch bei summarischer Prüfung auf einem hinreichenden sachlichen Grund beruhen. Denn es bestehen – trotz insgesamt noch unzureichender Datenlage – jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass eine Impfung auch bei der vorherrschenden Omikron-Variante einen gewissen Schutz vor Infektionen vermittelt und zudem die Transmission weiter reduziert, wobei das Ausmaß der Reduktion unklar bleibt.
52Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2022 - 13 B 1441/21 -, steht zur Veröffentlichung bei nrwe.de und juris an; Robert Koch-Institut, Die aktuell häufigsten Fragen – Was ist bisher über die Impfstoffwirksamkeit gegen die Omikron-Variante bekannt? (Stand 18. März 2022), abrufbar unter
53https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html;jsessionid=1C9411F4967D15669FC4797C24299338.internet092.
54Dass der Verordnungsgeber dies zum Anlass nimmt, den Erlass von Ausnahmeregelungen für immunisierte Personen der Sache nach zu ermöglichen, überschreitet jedenfalls nicht offensichtlich den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum. Grundsätzlich darf der Verordnungsgeber bei mehreren vertretbaren Auffassungen zu einer Sachfrage einer Meinung den Vorzug geben, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen verkennt.
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2021 ‑ 13 B 1927/21.NE -, juris, Rn. 67 f., m. w. N.
56Tragbare wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach Impfungen keinerlei Einfluss auf die Infektionstätigkeit haben, hat auch der Antragsteller nicht dargelegt. Allein aus der Tatsache zunehmender Impfdurchbrüche bei steigenden Inzidenzen kann nicht auf die Unwirksamkeit der Impfungen geschlossen werden.
57Vgl. Robert Koch-Institut, Die aktuell häufigsten Fragen, Wie lässt sich erklären, dass es mit steigender Impfquote zu immer mehr Impfdurchbrüchen kommt?, Stand 2. Dezember 2021, abrufbar unter
58https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html.
59Aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Studie,
60vgl. https://dailyexpose.uk/2021/08/24/oxford-university-study-finds-fully-vaccinated-healthcare-workers-carry-251-times-viral-load-compared-to-the-unvaccinated/ unter Verweis auf
61The Lancet als Preprint veröffentlichte Studie mit dem Titel „Transmission of SARS-CoV-2 Delta Variant Among Vaccinated Healthcare Workers, Vietnam“, abrufbar unter
62https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3897733,
63ist nicht zu schließen, dass gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Personen eine 251-mal höhere Viruslast haben als ungeimpfte Personen. Vielmehr bezog sich der in dieser Studie vorgenommene Vergleich von Viruslasten auf Infektionen der Delta-Variante mit Infektionen mit früheren SARS-CoV-2-Virustypen.
644. Die streitgegenständliche Maskenpflicht aus § 3 CoronaSchVO begegnet nach summarischer Prüfung materiell-rechtlich ebenfalls keinen offensichtlich durchgreifenden Bedenken.
65a. Die in § 3 CoronaSchVO angeordnete Maskenpflicht beschränkt sich nur auf Örtlichkeiten, für die § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 IfSG die Möglichkeit zur Anordnung der Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) vorsieht.
66b. Die Maskenpflicht ist auch nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Insoweit verweist der Senat umfassend auf seine bisherige Rechtsprechung zur sog. Maskenpflicht in bestimmten Alltagssituationen – z. B. beim Einkaufen oder der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs –, insbesondere auf seinen Beschluss vom 28. Juli 2021 ‑ 13 B 1041/21.NE ‑, abrufbar unter juris und www.nrwe.de. Darin hat der Senat ausgeführt, dass gegen die seinerzeit in § 5 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 24. Juni 2021 (GV. NRW. 2021 S. 731a), zuletzt geändert durch Art. 1 der Änderungsverordnung vom 26. Juli 2021 (GV. NRW. 2021 S. 916b), geregelte Maskenpflicht keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestanden haben. Zur Frage der Wirksamkeit des Masketragens verweist der Senat zusätzlich auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 14. Januar 2022 - 13 B 33/22.NE -, abrufbar unter juris und www.nrwe.de, Rn. 32 ff,. sowie dazu, dass die Maskenpflicht nicht in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingreift auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 10. September 2021 - 13 B 1335/21.NE -, abrufbar unter juris und www.nrwe.de, Rn. 81 ff.
67Die Maskenpflicht erweist sich auch in ihrer derzeitigen Ausgestaltung voraussichtlich als verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie nunmehr nur noch in ausgewählten Lebensbereichen gilt, die sämtlich durch für den Infektionsschutz wesentliche Besonderheiten geprägt sind. Es kommt dort vermehrt zu Kontakten mit vulnerablen Personen und/oder es besteht dort aufgrund besonderer Bedingungen ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko und/oder es handelt sich um Unterkünfte für eine Vielzahl von Menschen, die nicht über ein eigenes häusliches Umfeld verfügen, in das sie sich zurückziehen und in dem sie sich so vor einem Eintrag vor Infektionen durch andere Personen selbst effektiv schützen können. Ferner wird durch die in § 4 Abs. 2 CoronaSchVO normierten Ausnahmen besonderen Umständen Rechnung getragen, die entweder zur Folge haben, dass die Maskenpflicht nicht erforderlich erscheint oder in denen sie besondere Härten mit sich brächte. Im Hinblick auf die eng begrenzten Lebensbereiche, in denen die Maskenpflicht noch gilt, und die hierfür bestehenden Gründe dürfte ihre Rechtmäßigkeit auch kein besonders stark ausgeprägtes Infektionsgeschehen voraussetzen, das derzeit – wie der Verordnungsgeber in seiner oben wiedergegebenen Verordnungsbegründung zutreffend dargestellt hat – allerdings ohnehin noch besteht.
68II. Auch eine ergänzend vorzunehmende Folgenabwägung ginge zulasten des Antragstellers aus. Die Infektionsschutzmaßnahmen gelten nur noch für wenige Lebensbereiche und beinhalten keine tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigungen. Sie dienen dem Schutz von vulnerablen Personen vor für diese besonders gefährlichen Ansteckungen mit dem SARS-CoV-2-Virus bzw. beugen einer Virusübertragung in besonders infektionsträchtigen Situationen wie bei Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs vor. Sie sind dem Antragsteller deswegen zuzumuten.
69Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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