Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 B 34/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
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G r ü n d e:
2Eine Veranlassung, mit Blick auf Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten mit einer Entscheidung noch weiter zuzuwarten, besteht nicht, nachdem das Verfahren, wie der Senat den Beteiligten mit Verfügungen vom 25. Januar 2022, 28. Februar 2022, 9. März 2022 und 29. März 2022 mitgeteilt hat, entscheidungsreif und auch die letzte, bis Ende April 2022 gesetzte Frist frucht- und kommentarlos verstrichen ist.
3Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
4Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinerlei Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
5Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller,
6die aufschiebende Wirkung der Klage 28 K 6079/21 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 10. August 2021 für den Umbau und die Erweiterung einer Eventhalle für das Grundstück X. -S. -Allee 1 in O. -W. , Gemarkung O1. , Flur 8, Flurstücke …., …., …. und …. anzuordnen,
7im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die angefochtene Baugenehmigung sei offensichtlich zulasten der Antragsteller rechtswidrig. Das Vorhaben verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Die Genehmigung gebe nicht hinreichend belastbar vor, dass die Antragsteller nicht unzumutbaren Lärmimmissionen im Sinne der TA Lärm ausgesetzt würden, namentlich sei eine Einhaltung der in der Baugenehmigung vorgegebenen Immissionsrichtwerte eines allgemeinen Wohngebietes jedenfalls zur Nachtzeit nicht realistisch abgesichert. Die Antragsgegnerin habe zwar Auflagen in die Baugenehmigung aufgenommen, um eine Unterschreitung der Grenzwerte für die Nachbarn zu erreichen. Durch diese werde die Wahrung des Rücksichtnahmegebots im Hinblick auf den Lärmschutz jedoch nicht garantiert. Die Genehmigung sei insbesondere in Bezug auf die Zu- und Abfahrt sowie das Verweilen von Veranstaltungsgästen im Freien ungeeignet, wirksamen Lärmschutz zu gewährleisten. Die schalltechnische Untersuchung vom 17. Dezember 2020 halte selbst ausdrücklich fest, dass das Verhalten von Gästen vor und innerhalb von Veranstaltungshallen in besonderem Maße personen- und verhaltensabhängig sei. Um eine unnötige Geräuschentwicklung zu vermeiden, sollte daher insbesondere der Aufenthalt der Gäste auf den Parkplätzen zur Nachtzeit weitestgehend vermieden bzw. durch Ordnerpersonal überwacht werden. Zudem werde in Ziffer 3.3 des Gutachtens zu den Parkgeräuschen ausgeführt, dass zur Vermeidung eines unnötigen Parkplatzsuchverkehrs vorgesehen sei, Ordnerpersonal einzusetzen und die Zu- und Abfahrt zu überwachen. Auch wenn in Anlage 3 zur Baugenehmigung zur Auflage gemacht werde, dass die in der schalltechnischen Untersuchung genannten Minderungsmaßnahmen bei der Bauausführung und beim Betrieb zu beachten seien, würden diese Empfehlungen hiervon nicht betroffen. Sie seien im Gutachten nicht konkret als Minderungsmaßnahmen ausgestaltet und dementsprechend nicht verpflichtend. Es sei nicht einmal sichergestellt, dass überhaupt Ordner eingesetzt würden. Dies habe die Antragsgegnerin vielmehr selbst als nicht erforderlich bezeichnet. Hinsichtlich der Kommunikationsgeräusche durch Veranstaltungsgäste komme hinzu, dass unklar bleibe, von wem und in welcher Weise die Ordner zu stellen seien, die den Aufenthalt von Gästen während der Veranstaltungen insbesondere auf der nördlichen Freifläche überwachen sollten. In Bezug auf die Parkgeräusche gehe das Schallgutachten zudem davon aus, dass die durch Baulasteintragung gesicherten 51 Parkplätze an der südlichen Grenze des öffentlichen Parkplatzes des Freizeitzentrums bereitgestellt würden. Auf den genauen Standort der Parkplätze habe der Beigeladene aber ausweislich des zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Vertrages gerade keinen Anspruch. Daher sei zu erwarten, dass auch nördlich und damit deutlich näher am Wohngrundstück der Antragsteller gelegene Parkplätze genutzt würden. Dies gelte umso mehr, als bei der Dimensionierung der Veranstaltungshalle, die bereits eine Bestuhlung mit 800 Sitzplätzen aufweise und daher mindestens ebenso viele Besucher zulasse, realistischerweise mit einer deutlich höheren Anzahl als der im Schallgutachten zugrundegelegten 89 Fahrzeuge und folglich auch mit erhöhten Immissionen auf den Parkflächen zu rechnen sei. Schließlich prognostiziere das Schallgutachten selbst am nächstgelegenen Immissionspunkt einen Lärmwert von 40,3 dB(A).
8Diesen lebensnahen und die Genehmigungslage zutreffend erfassenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt die Beschwerde nichts entgegen, was eine andere Interessenabwägung rechtfertigen könnte.
9Soweit sich der Beigeladene zunächst auf die Einbeziehung der schalltechnischen Untersuchung in die ihm erteilte Baugenehmigung (als deren Bestandteil) beruft, gilt dies schon deshalb, weil bereits diese pauschale Bezugnahme in der Anlage 3 nicht hinreichend bestimmt ist. Was aus dieser für den Umfang der Genehmigung folgen soll, lässt der Bauschein offen; insbesondere bleibt unklar, mit welcher Verbindlichkeit die dort angesprochenen Randbedingungen und Betriebsabläufe in den Genehmigungsumfang eingeflossen sind bzw. einfließen sollten und was konkret mit den dort pauschal genannten Minderungsmaßnahmen gemeint sein soll.
10Vgl. dazu allgemein OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 2018 - 2 A 2504/16 -, BauR 2019, 220 = juris Rn. 49 f.; zusammenfassend Beck-OK BauO NRW, 10. Edition, § 74 Rn. 79 f. m. w. N.
11Unabhängig davon lässt sich indes feststellen, dass jedenfalls die Aussagen des Gutachtens zu empfohlenen oder vorgesehenen Ordnern in der Aufzählung der „insbesondere“ zu beachtenden und umzusetzenden Anforderungen (vgl. Anlage 3) nicht einmal erwähnt werden. Dies ist insoweit folgerichtig, als das Verwaltungsgericht dem Gutachten zu Recht in diesem Kontext allenfalls Empfehlungen entnommen hat.
12Dies gilt namentlich auch für die von dem Beigeladenen angeführte Passage „Zur Vermeidung eines unnötigen Parkplatzsuchverkehrs ist es vorgesehen, Ordnerpersonal einzusetzen und die Zu- und Abfahrt zu überwachen.“ Soweit sich die Beschwerde auf die Verwendung des Indikativs „ist“ kapriziert, übersieht sie, dass sich dieser auf das Wort „vorgesehen“ bezieht und nicht auf den Einsatz von Ordnern selbst. Insoweit handelt es sich also ersichtlich allenfalls um eine Absicht, nicht jedoch um eine Vorgabe. Entsprechend hat dies auch die Antragsgegnerin ausdrücklich verstanden, die in ihrer Antragserwiderung 1. Instanz ausdrücklich festgestellt hat, dass Ordner nach der Genehmigung nicht erforderlich seien. Zumindest von einer hinreichenden Bestimmtheit der von dem Beigeladenen nunmehr postulierten „Auflage“ kann daher in keinem Fall die Rede sein. Dies übergeht die Beschwerdebegründung auch geflissentlich.
13Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass ausweislich der genehmigten Betriebsbeschreibung für den Betrieb des Event- und Sportcenters mit Gastronomie, die insbesondere die Zubereitung von Gerichten umfasst, in der stärksten Schicht lediglich vier Mitarbeiter angegeben wurden (insgesamt 10), was es ausschließen dürfte, dass der Einsatz einer ausreichenden Zahl von Ordnern hiervon abgedeckt und vom Beigeladenen tatsächlich vorgesehen sein könnte.
14Dies gilt gleichermaßen für die gutachterliche Empfehlung, ein Aufenthalt von Veranstaltungsgästen auf der nördlichen Freifläche sei nicht vorgesehen bzw. sollte „weitestgehend vermieden bzw. durch Ordnerpersonal überwacht“ werden. Daraus ergibt sich bereits nicht, dass ein solcher Aufenthalt tatsächlich infolge der Baugenehmigung ausgeschlossen sein soll. Im Übrigen sind solche Ordner durch die Auflagen zur Baugenehmigung auch in diesem Kontext nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, vorgeschrieben. Wie gesagt, geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, sie seien nicht erforderlich. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass auch völlig unklar bleibt, durch wen die Ordner gestellt werden sollen. Dies führt bereits für sich genommen zur nachbarrechtlich relevanten Unbestimmtheit der Baugenehmigung.
15Vgl. dazu im Einzelnen OVG NRW, Beschluss vom 7. Januar 2022 – 2 A 1229/21 -, BauR 2022, 752 = juris Rn. 21 ff.
16Ebenfalls zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die schalltechnische Untersuchung im Hinblick auf die Nutzung von Stellplätzen auf dem öffentlichen Parkplatz „L. “ von unzutreffenden Annahmen ausgeht. Der Gutachter hat lediglich eine Nutzung der südlichen Stellplätze untersucht, offenbar in der irrigen Annahme, diese würden nur dort bereitgestellt. Dies trifft ausweislich der bestehenden Baulast , so diese wirksam sein sollte, und des zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 21. September 1993 zwischen der Antragsgegnerin und dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen jedoch gerade nicht zu. Danach hat dieser keinen Anspruch auf die Zurverfügungstellung bestimmter Stellplätze auf dem Parkplatzgelände. Anhaltspunkte dafür, dass infolge dieses Gutachtenfehlers nunmehr hiervon abgewichen werden sollte, sind nicht einmal von fern zu erkennen. Unbeschadet dessen erschließt sich nicht, wie die von dem Beigeladenen in der Beschwerde vertretene kreative Interpretation tatsächlich umgesetzt werden sollte. Denn der Parkplatz des Freizeitzentrums ist und bleibt ein öffentlicher Parkplatz.
17Schon aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass der voraussichtliche Parklärm der mindestens 800 möglichen Besucher des Vorhabens des Beigeladenen durch die vorgelegte schalltechnische Untersuchung erheblich unterschätzt wird. Es ist schon mehr als lebensfern anzunehmen, dass etwa bei privaten Veranstaltungen und Feierlichkeiten mit 800 Gästen – wobei die vorliegende Baugenehmigung die Höchstzahl von Gästen allerdings selbst nicht einmal festlegt, sondern nur die der Bestuhlung - der Ansatz eines Autos für etwa 10 Gäste realistisch sein könnte. Selbst wenn man mit dem Beigeladenen einen Anteil von 25 % Fußgängern und Fahrradfahrern annähme – was für sich genommen schon mehr als optimistisch ist –, müssten die übrigen Gäste schon in Kleinbussen anreisen, um auf die angenommene Anzahl von Pkw zu kommen. Soweit die Beschwerde zusätzlich auf einer Anfahrt mit Taxis verweist, genügt der Hinweis, dass das Gutachten - das im Übrigen mit Werten von 40,3 dB(A) schon die Einhaltung der nächtlichen Richtwerte von 40 dB(A), die die Genehmigung ausdrücklich fordert, selbst bei diesen unrealistischen Annahmen nicht als sichergestellt erscheinen lässt - einen solchen Zusatzverkehr weder einrechnet noch berücksichtigt, dass bei einem solchen Szenario eine zusätzliche Geräuschentwicklung durch auf ihre Taxis wartende Gäste zu erwarten ist.
18Zugleich ist völlig unklar, wie sichergestellt werden soll, dass Gäste, die mit nicht vorgesehenen Pkw (d. h. ab dem 90. Fahrzeug) anreisen, nicht auf weiteren (freien) Parkplätzen auf dem Parkplatz der Freizeitanlage parken. Soweit die Beschwerde auf eine langjährige Erfahrung aufgrund der bisherigen Nutzung verweist, genügt der Hinweis, dass vorliegend jedenfalls auch eine Erweiterung genehmigt wurde und schon deshalb eine Bezugnahme auf frühere Erfahrungen mit einem anderen (und kleineren) Betrieb zu kurz greift.
19Soweit die Beschwerde schließlich meint, ein Verstoß gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten der Antragsteller scheide auch deshalb aus, weil diese richtigerweise lediglich den Schutzanspruch eines Mischgebiets geltend machen könnten, geht dieser erstmals im Beschwerdeverfahren geäußerte Einwand aus mehreren Gründen fehl. Zum einen übersieht er, dass die Einhaltung der Immissionsrichtwerte eines allgemeinen Wohngebietes (die schon die schalltechnische Untersuchung zugrundelegt) durch die Baugenehmigung selbst ausdrücklich festgeschrieben ist, ohne dass geltend gemacht oder ersichtlich wäre, dass der Beigeladene hiergegen vorgegangen wäre. Im Übrigen kann aufgrund der vorstehend aufgezeigten ganz erheblichen Mängel der Immissionsbegutachtung nicht einmal belastbar angenommen werden, dass wenigstens die Immissionsrichtwerte eines Mischgebietes eingehalten werden. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, dass das Gutachten unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens jedenfalls an einem weiteren entscheidungserheblichen Mangel insoweit litte, als der Gutachter eine Vorbelastung der betrachteten Grundstücke zur Nachtzeit ausdrücklich ausgeschlossen hat. Zumindest die von dem Beigeladenen nunmehr angeführten Betriebe des Hotel- und Gaststättengewerbes dürften jedoch, worauf die Antragsteller bereits in ihrer Klagebegründung vom 9. Dezember 2021 zutreffend hingewiesen haben, typischerweise auch zur Nachtzeit betriebliche Immissionen hervorrufen, die demgemäß in die Beurteilung hätten einbezogen werden müssen.
20Mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht bei diesem Befund zu Recht offen gelassene Frage, ob die Baugenehmigung an weiteren, insbesondere an den von den Antragstellern aufgezeigten Defiziten leidet, merkt der Senat lediglich vorsorglich an, dass sich aus den genehmigten Bauvorlagen die hier genehmigte Nutzungsart und der zugelassene Nutzungsumfang kaum hinreichend bestimmt ergeben dürften. Die Bezeichnung als „Eventhalle“, die ausweislich der Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 23. Dezember 2021 (dort S. 2) aus Sicht der Genehmigungsbehörde offenbar „jede Art von Veranstaltung" zulassen soll, auch in den Betriebsbeschreibungen nicht weiter konturiert wird, dürfte im hiesigen Kontext kaum ausreichen, zumal nicht einmal die maximale Nutzerzahl konkret festgelegt worden ist.
21Vgl. dazu OVG NRW, Urteile vom 16. September 2009 – 10 A 1679/07 - und vom 5. Juli 2017 – 7 A 2432/15 -, BauR 2017, 1661 = juris Rn. 55 ff.; Beck-OK BauO NRW, 10. Edition, § 74 Rn. 84; Boeddinghaus/Hahn/Schulte u. a., BauO NRW, 62. Update, § 74 Rn. 183.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
24Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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